Entschließungsantrag - B6-0205/2007Entschließungsantrag
B6-0205/2007

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

21.5.2007

eingereicht im Anschluss an Erklärungen des Rates und der Kommission
gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung
von Jan Marinus Wiersma, Hannes Swoboda und Andres Tarand
im Namen der PSE-Fraktion
zu Estland

Verfahren : 2007/2567(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B6-0205/2007
Eingereichte Texte :
B6-0205/2007
Angenommene Texte :

B6‑0205/2007

Entschließung des Europäischen Parlaments zu Estland

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf die Erklärung des EU-Ratsvorsitzes vom 2. Mai 2007 zur Lage vor der estnischen Botschaft in Moskau,

–  unter Hinweis auf die zahlreichen Erklärungen von EU-Regierungen zur Unterstützung Estlands,

–  unter Hinweis auf die Erklärung des Präsidenten des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering, und die Aussprache im Plenum vom 9. Mai 2007,

–  gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass in der Hauptstadt Estlands und in nordöstlichen Regionen des Landes Demonstranten, die gegen das Vorhaben der estnischen Regierung protestierten, das sowjetische „Denkmal für die Befreier von Tallinn“ aus dem Zentrum der estnischen Hauptstadt auf einen wenige Kilometer entfernten Militärfriedhof zu verlegen, zwei Nächte lang randalierten, was mit Übergriffen auf die Polizei begann und mit einer Welle des Vandalismus im Zentrum Tallinns endete,

B.  in der Erwägung, dass der Vandalismus nichts zu tun hatte mit der allseits akzeptierten Notwendigkeit, der Opfer des Zweiten Weltkriegs stets ehrwürdig zu gedenken und in der Erwägung, dass die Randalierer nicht durch Nationalgefühl verbunden waren sondern durch ihre Bereitschaft zu Gewalt und Plünderungen,

C.  in der Erwägung, dass die Exhuminierungen strikt nach internationalen Standards und Normen für ein würdevolles Vorgehen durchgeführt wurden und dass das Denkmal auf dem Friedhof mit einer offiziellen Zeremonie und in Anwesenheit von Vertretern der Anti-Hitler-Koalition wieder eingeweiht werden wird,

D.  in der Erwägung, dass die gewaltsamen Demonstrationen und die Angriffe auf Recht und Ordnung unter aktiver Mithilfe externer Kräfte außerhalb Estlands organisiert und durchgeführt wurden,

E.  in der Erwägung, dass zahlreiche hochkarätige Erklärungen in Russland abgegeben wurden, einschließlich einer offiziellen Erklärung der Delegation der Russischen Staatsduma bei einem Besuch in Tallinn, in der die estnische Regierung zum Rücktritt aufgefordert wurde,

F.  in der Erwägung, dass unmittelbar nach den Krawallen in Tallinn das normale Tagesgeschäft der estnischen Botschaft in Moskau sieben Tage lang von gewaltbereiten Demonstranten blockiert wurde, die der Kreml-nahen Jugendorganisation „Nashi“ angehörten, was zu Übergriffen auf den estnischen und den schwedischen Botschafter, zu der Androhung, das Botschaftsgebäude zu zerstören, zum Niederreißen der estnischen Flagge auf dem Gelände der Botschaft und zur Bezeichnung Estlands als „faschistisches“ Land führte,

G.  in der Erwägung, dass systematische Internet-Attacken zumeist von außerhalb Estlands organisiert wurden, in dem Versuch, offizielle Kommunikationsverbindungen und Webseiten der estnischen Regierungsbehörden zu blockieren, und in der Erwägung, dass diese Angriffe von IP-Adressen der russischen Regierung ausgingen; unter Hinweis ferner auf die fortgesetzten massiven Propaganda-Attacken über Internet und per Textmitteilungen auf Mobiltelefone, bei denen zu bewaffnetem Widerstand und noch mehr Gewalt aufgerufen wurde,

H.  in der Erwägung, dass nur einige Tage nach den Vorkommnissen in Tallinn weit reichende Exporteinschränkungen für die Ausfuhren Estlands nach Russland eingeführt wurden, dass russische Unternehmen Verträge mit estnischen Firmen aufgekündigt haben und die Energieversorgung Estlands bedroht ist; außerdem in der Erwägung, dass die Eisenbahnverbindung Estland-St. Petersburg ab Ende Juni ausgesetzt wird,

I.  in der Erwägung, dass die russischen Behörden, einschließlich der Delegation der Staatsduma, sich bislang leider geweigert haben, mit den estnischen Behörden in einen Dialog zu treten und es selbst abgelehnt haben, an einer gemeinsamen Pressekonferenz im Außenministerium teilzunehmen,

J.  in der Erwägung, dass die Geschehnisse durch gezielte Falschinformationen in den russischen Medien angeheizt wurden, was zu weiteren Protesten geführt hat,

1.  erklärt sein Unterstützung und Solidarität gegenüber der demokratisch gewählten Regierung Estlands bei ihren Bemühungen, Ordnung und Stabilität sowie den Rechtsstaat für alle in Estland lebenden Bürger zu garantieren;

2.  hält die verschiedenen Versuche der russischen Behörden, sich in die internen Staatsgeschäfte Estlands einzumischen (wie Rücktrittsaufforderungen an die estnische Regierung) für unakzeptabel;

3.  ist alarmiert über das skandalös niedrige Schutzniveau, das die russischen Behörden der estnischen Botschaft in Moskau einräumen, sowie über die tätlichen Angriffe auf den estnischen Botschafter durch „Nashi“-Demonstranten; fordert die russische Regierung auf, das Wiener Übereinkommen zum Schutz von Diplomaten in jeder Hinsicht zu respektieren;

4.  verurteilt die Versuche Russlands, wirtschaftlichen Druck auf Estland auszuüben, um außenpolitische Sachzwänge zu schaffen, und fordert die russische Regierung auf, wieder normale wirtschaftliche Beziehungen zwischen den beiden Staaten herzustellen;

5.  erinnert die russischen Behörden daran, dass ihre wahllose und offen feindselige Rhetorik gegen Estland in scharfem Kontrast zu den Grundsätzen des internationalen Verhaltens steht und Auswirkungen auf die gesamten Beziehungen zwischen der EU und Russland haben wird;

6.  fordert die russische Regierung auf, einen offenen unvoreingenommenen Dialog mit den mittel- und osteuropäischen Demokratien über die Geschichte des 20. Jahrhunderts sowie über die Verbrechen gegen die Menschheit – einschließlich der Verbrechen des totalitären kommunistischen Regimes – aufzunehmen;

7.  begrüßt den Appell des estnischen Präsidenten Toomas Hendrik Ilves, der betont hat, dass Menschen, die während der Sowjetzeit nach Estland kamen und jetzt in der Republik Estland leben, sowie deren Kinder und Kindeskinder, heute alle Esten seien; alle Esten hätten unabhängig von ihrer Herkunft ihre eigene sehr schmerzliche Lebenserfahrungen unter drei aufeinander folgenden Besatzungsmächten im letzten Jahrhundert hinter sich und es sei notwendig, die Fähigkeit zu haben, die Tragödien anderer zu sehen und zu verstehen; zu diesem Zwecke müsse der innerestnische Dialog gefördert werden, um die bestehende Kluft zwischen den verschiedenen Volksgemeinschaften zu überbrücken und neue Möglichkeiten für die Integration insbesondere der russisch sprechenden Esten zu schaffen;

8.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission sowie dem Parlament und der Regierung der Republik Estland zu übermitteln.