Entschließungsantrag - B6-0220/2007Entschließungsantrag
B6-0220/2007

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

21.5.2007

eingereicht im Anschluss an Erklärungen des Rates und der Kommission
gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung
von Toomas Savi, Siiri Oviir, Margarita Starkevičiūtė und Georgs Andrejevs
im Namen der ALDE-Fraktion
zu Estland

Verfahren : 2007/2567(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B6-0220/2007
Eingereichte Texte :
B6-0220/2007
Abstimmungen :
Angenommene Texte :

B6‑0220/2007

Entschließung des Europäischen Parlaments zu Estland

Das Europäische Parlament,

–  in Kenntnis der Erklärung der EU-Präsidentschaft vom 2. Mai 2007 zur Lage vor der estnischen Botschaft in Moskau,

–  in Kenntnis der zahlreichen Erklärungen von EU-Regierungen zur Unterstützung Estlands,

–  unter Hinweis auf die Erklärung von Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering und die Debatte vom 9. Mai 2007 im Plenum,

–  gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass in der estnischen Hauptstadt und in Teilen von Nordostestland zwischen dem 26. und 28. April 2007 Demonstranten, die gegen die von der estnischen Regierung geplante Umsetzung des sowjetischen „Denkmals für die Befreier von Tallinn“ vom Zentrum der estnischen Hauptstadt auf einen wenige Kilometer entfernten Militärfriedhof protestiert haben, für zwei Nächte mit gewalttätigen Aktionen verantwortlich waren, die mit Übergriffen von Demonstranten auf die Polizei begannen und zu allgemeinem Vandalismus in der Innenstadt von Tallinn führten,

B.  in der Erwägung, dass der Vandalismus nichts damit zu tun hatte, die Erinnerung an die Opfer des 2. Weltkriegs in Ehren zu halten, und dass die Plünderer nicht durch ihre Staatsangehörigkeit zusammengeführt wurden, sondern durch den Willen zu Gewalt und Plünderungen,

C.  in der Erwägung, dass die Polizei den Beobachtungen zufolge nur in extremen Situationen Gewalt angewandt hat und der estnische Justizkanzler jegliches Fehlverhalten in der Arbeit der Polizei aufgedeckt hat,

D.  in der Erwägung, dass die estnische Regierung der Regierung der Russischen Föderation die Gründe für diese Entscheidung im Voraus erläutert und angeboten hat, mit ihnen während der Umsetzung des Denkmals zusammenzuarbeiten, und russische Vertreter ermutigt hat, den Exhumierungen beizuwohnen, was von den russischen Behörden abgelehnt wurde,

E.   in der Erwägung, dass die Exhumierungen strikt nach den internationalen Normen eines würdevollen Verhaltens durchgeführt wurden und das Denkmal auf dem Friedhof mit einer offiziellen Zeremonie, an der auch Vertreter der Anti-Hitler-Koalition teilnehmen sollen, wieder geöffnet wird,

F.  in der Erwägung, dass die gewalttätigen Demonstrationen und die Verstöße gegen Recht und Ordnung unter aktiver Beteiligung und Unterstützung von außerhalb Estlands ansässigen Kräften durchgeführt wurden,

G.  in der Erwägung, dass in Russland von hochrangigen Persönlichkeiten mehrere Erklärungen abgegeben wurden, darunter eine offizielle Erklärung der Delegation der Staatsduma zu ihrem Besuch in Tallinn, in der die estnische Regierung zum Rücktritt aufgefordert wurde,

H.  in der Erwägung, dass unmittelbar nach den Unruhen in Tallinn die normale Arbeit der estnischen Botschaft in Moskau sieben Tage lang von feindseligen Demonstranten der regierungsfreundlichen russischen Jugendorganisation „Nashi“ blockiert wurde, was dazu führte, dass der estnische und der schwedische Botschafter körperlich angegriffen wurden, mit dem Abriss des Botschaftsgebäudes gedroht, die estnische Flagge auf dem Botschaftsgelände zerrissen, darüber hinaus auch das estnische Konsulat in Pihkua angegriffen und Estland als „faschistisches“ Land bezeichnet wurde,

I.  in der Erwägung, dass systematische Internet-Attacken, größtenteils von außerhalb Estlands, gestartet wurden, mit denen versucht wurde, die offiziellen Kommunikationsverbindungen zu unterbrechen und die Websites der estnischen Verwaltung zu blockieren, und dass diese Angriffe von IP-Adressen der russischen Verwaltung kamen; ferner in der Erwägung, dass intensive Propagandaattacken über das Internet sowie durch Botschaften über Mobiltelefone, in denen zu bewaffnetem Widerstand und weiterer Gewalt aufgerufen wurde, fortgesetzt wurden,

J.  in der Erwägung, dass nur wenige Tage nach den Ereignissen von Tallinn weitreichende Einschränkungen für estnische Ausfuhren nach Russland verhängt wurden, wobei russische Unternehmen Verträge mit estnischen Firmen aussetzten, die Energieversorgung Estlands bedroht wurde und die Zugverbindung Estland-St. Petersburg ab Ende Juni vorübergehend eingestellt wird,

K.  in der Erwägung, dass sich die russischen Staatsorgane, darunter auch die Delegation der Staatsduma, leider geweigert haben, einen Dialog mit den estnischen Behörden aufzunehmen, und sogar die Teilnahme an einer gemeinsamen Pressekonferenz im Außenministerium abgelehnt haben,

L.  in der Erwägung, dass die Situation durch Fehlinformationen von Seiten russischer Medien, die jeweils weitere Proteste ausgelöst haben, noch weiter angeheizt wurde,

1.  bekundet seine Unterstützung für und Solidarität mit der demokratisch gewählten estnischen Regierung bei ihren Bemühungen, Ordnung und Stabilität sowie die Rechtsstaatlichkeit für alle Bürger von Estland zu garantieren;

2.  betont, dass die Europäische Union in ihren Beziehungen zu Russland mit einer Stimme sprechen und einen gemeinsamen Standpunkt haben muss; begrüßt in diesem Zusammenhang den klaren Kurs, den die EU-Seite auf dem jüngsten EU-Russland-Gipfel am 18. Mai verfolgt hat, indem sie es nicht zugelassen hat, dass demokratische Werte und Grundsätze durch eine rein wirtschaftliche Zusammenarbeit verdrängt werden;

3.  hält die verschiedenen Versuche der russischen Staatsorgane, sich in die inneren Angelegenheiten Estlands einzumischen (wie z.B. Forderungen nach dem Rücktritt der estnischen Regierung) für unzulässig;

4.  ist beunruhigt über den absolut unzureichenden Schutz der estnischen Botschaft in Moskau durch die russischen Behörden und über die körperlichen Angriffe auf den estnischen Botschafter durch die „Nashi“-Demonstranten; fordert die russische Regierung auf, das Wiener Übereinkommen über den Schutz von Diplomaten ohne Ausnahme zu respektieren;

5.  verurteilt die Versuche Russlands, als Instrument der Außenpolitik wirtschaftlichen Druck auf Estland auszuüben, und fordert die russische Regierung auf, normale Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Staaten wiederherzustellen;

6.  weist die russischen Staatsorgane darauf hin, dass die wahllose und offen feindselige Rhetorik der russischen Organe gegen Estland in krassem Widerspruch zu den Grundsätzen internationalen Verhaltens steht und sich auf die Beziehungen EU-Russland insgesamt auswirken wird;

7.  fordert die Europäische Kommission und alle Mitgliedstaaten auf, an der Untersuchung der Internetangriffe auf estnische Webseiten mitzuwirken und eine Studie vorzulegen, in der untersucht wird, wie auf EU-Ebene mit derartigen Übergriffen und Drohungen umgegangen werden kann, und fordert Russland auf, diese Untersuchungen in vollem Umfang zu unterstützen;

8.  fordert die russische Regierung auf, einen offenen und vorurteilsfreien Dialog mit den ost- und mitteleuropäischen Demokratien über die Geschichte des 20. Jahrhunderts sowie die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, darunter auch die damals vom totalitären Kommunismus begangenen Verbrechen, aufzunehmen;

9.  begrüßt den Appell des estnischen Präsidenten Toomas Hendrik Ilves, der betonte, dass Menschen, die in der Zeit der Sowjetunion nach Estland kamen und jetzt in der Republik Estland leben, sowie ihre Kinder und Enkelkinder ausnahmslos estnische Bürger sind, dass alle Esten, ungeachtet ihrer Herkunft, ihre eigene, sehr schmerzvolle Lebenserfahrung unter drei aufeinander folgenden Besatzungsmächten im letzten Jahrhundert haben, und dass es notwendig ist, auch die Tragödien der anderen zu sehen und zu verstehen;

10.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten sowie der Regierung und dem Parlament der Russischen Föderation zu übermitteln.