ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
13.11.2007
gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung
von Jan Tadeusz Masiel, Hanna Foltyn-Kubicka, Ewa Tomaszewska, Ryszard Czarnecki, Gintaras Didžiokas, Adam Bielan und Marcin Libicki
im Namen der UEN-Fraktion
zu Pakistan
B6‑0473/2007
Entschließung des Europäischen Parlaments zu Pakistan
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Pakistan,
– unter Hinweis auf das Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Islamischen Republik Pakistan über Partnerschaft und Entwicklung vom 24. November 2001,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 24. Mai 2007 zu Kaschmir: derzeitige Lage und künftige Perspektiven,
– unter Hinweis auf die wiederholten Forderungen nach Schaffung einer freien demokratischen Ordnung in Pakistan,
– im Glauben an das Recht auf freie Meinungsäußerung, Freiheit der Entscheidung und Freiheit des Glaubens,
– eingedenk seines unablässigen Eintretens für das Prinzip der Gleichheit aller Menschen unabhängig von ihrer Rasse, Religion oder ethnischen Zugehörigkeit,
– gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in Kenntnis der Tatsache, dass der pakistanische Präsident, General Pervez Musharraf, durch eine provisorische Verfassungsordnung (PCO) die Verfassung Pakistans und alle demokratischen Rechte ausgesetzt und praktisch das Kriegsrecht in Pakistan verhängt hat,
B. in der Erwägung, dass dieses Vorgehen Musharrafs deutlich gemacht hat, wie unglaubwürdig seine demokratischen Überzeugungen sind, und dass der Erlass der PCO zu zahlreichen und völlig ungerechtfertigten Verhaftungen von Menschenrechtsaktivisten, prominenten politischen Führern, Rechtsanwälten und anderen Mitgliedern der Zivilgesellschaft sowie zur Entlassung und zur Verhängung eines Hausarrests gegen den Obersten Richter Pakistans und anderer Richter des Obersten Gerichtshofs geführt hat, die die Rechtmäßigkeit des Anspruchs General Musharrafs auf das Amt des pakistanischen Präsidenten in Frage hätten stellen können,
C. in der Erwägung, dass die Pressefreiheit, die Unabhängigkeit der Judikative sowie die Rede- und Versammlungsfreiheit und das Recht auf politische Tätigkeit und damit die Grundwerte eines zivilisierten politischen Systems untergraben wurden,
D. in der Erwägung, dass bei dem Selbstmord-Bombenattentat am 18. Oktober 2007 gegen die Oppositionsführerin und Vorsitzende der Pakistanischen Volkspartei PPP, Benazir Bhutto, 134 Menschen getötet und mehr als 450 Menschen verletzt wurden,
E. in der Erwägung, dass Präsident Musharraf am 6. Oktober 2007 erneut zum pakistanischen Präsidenten gewählt wurde, mit der Zusicherung, dass er als Oberbefehlshaber der Armee zurücktreten werde, sobald der Oberste Gerichtshof sein Urteil über die Rechtmäßigkeit seines Mandats gesprochen hat,
F. in der Erwägung, dass die landesweiten Wahlen in Pakistan für Januar 2008 geplant sind und die Legislaturperiode des Parlaments am 15. November 2007 endet,
G. in der Erwägung, dass der Oberste Gerichtshof Pakistans am 17. Oktober 2007 eine Anhörung zur Vereinbarkeit der Wahl Präsident Musharrafs mit der Verfassung aufgenommen hat und sein Urteil voraussichtlich in den nächsten Tagen verkünden wird,
H. in der Erwägung, dass die Rückkehr von Nawaz Sharif, einem früheren Ministerpräsidenten, gescheitert ist, da er von der Regierung Musharraf vier Stunden nach seiner Ankunft in Pakistan zur Rückkehr nach Saudi-Arabien gezwungen wurde; in der Erwägung, dass Benazir Bhutto nach monatelangen Verhandlungen eine Einigung über die Aufteilung der Machtbefugnisse erzielt hat, in der Musharrafs Anspruch auf eine dritte Amtszeit im Austausch für die Aufhebung aller Korruptionsvorwürfe gegen Bhutto anerkannt wird, so dass ihrer Wahl zur Ministerpräsidentin nichts mehr im Wege steht,
I. in der Erwägung, dass es klare Anzeichen für eine Militarisierung der pakistanischen Gesellschaft durch die Regierung und die Vergrößerung des Einflusses der Geheimdienste gibt, die weiterhin außerordentlich starken Einfluss auf die Politik, die Regierung und die Wirtschaft Pakistans haben,
1. zeigt sich zutiefst besorgt über die anhaltende Verschärfung der Lage in Pakistan, deren jüngster Ausdruck die PCO ist, durch die den Menschen in Pakistan grundlegende Rechte und Freiheiten, eine unparteiliche Justiz und Gleichberechtigung vorenthalten werden;
2. äußert Besorgnis darüber, dass das jüngste politische Vorgehen General Musharrafs zu größerer von Gewalt geprägter Instabilität in Pakistan führen, die Sicherheit der Menschen in Pakistan bedrohen, Extremismus, Fanatismus und Gewalt bei gleichzeitigem Fehlen demokratischer Rechte und Freiheiten fördern und damit eine Bedrohung für Frieden und Stabilität in den Nachbarländern Pakistans und für die freien, demokratischen und liberalen Systeme in der ganzen Welt darstellen wird;
3. äußert Solidarität mit Pakistan in seinen Bemühungen, das Erstarken terroristischer Gruppen zu verhindern; bedauert jedoch die bewaffneten Konflikte in Nord-Waziristan und die Instabilität in den Stammesgebieten; fordert die Regierung auf, diese Gewalt im Zusammenhang mit aufständischen Bewegungen zu bekämpfen und für die Durchsetzung von Rechtsstaatlichkeit und die Ausdehnung der bürgerlichen und politischen Rechte in diesen Gebieten zu sorgen;
4. äußert tiefes Mitgefühl mit den Menschen in Pakistan und besonders den Angehörigen aller Menschen, die bei dem Bombenattentat auf Benazir Bhutto getötet oder verletzt wurden und fordert die Regierung Pakistans auf, unverzüglich tätig zu werden und eine eingehende und unparteiische Ermittlung im Zusammenhang mit diesem Terrorangriff durchzuführen, um alle Verantwortlichen vor Gericht zu stellen;
5. ist besorgt über die Berichte über die anhaltende Unterdrückung religiöser Minderheiten wie Christen, Buddhisten, Hindu, Sikh und Ahmadi und den Einsatz von Blasphemie-Gesetzen gegen diese religiösen Minderheiten;
6. fordert die Regierung Pakistans auf, unverzüglich Maßnahmen zur Beendigung dieser Unterdrückung aufgrund der Religionszugehörigkeit zu ergreifen und die Unversehrtheit und Sicherheit von Minderheiten zu gewährleisten, indem sie ihnen rechtlichen und politischen Schutz gewährt; fordert Pakistan auf, sein Justizsystem im Zusammenhang mit dem Einsatz der Blasphemie-Gesetze, die so häufig missbraucht werden, einer Revision zu unterziehen; fordert die Regierung Pakistans auf, Rechtsanwälten und Menschenrechtsaktivisten, die als Verteidiger der wegen Blasphemie Angeklagten Drohungen ausgesetzt sind, angemessenen Schutz zu gewähren; fordert die Regierung Pakistans nachdrücklich auf, religiösen Minderheitengemeinschaften, die von Zwangskonversion bedroht und gewaltsamer Einschüchterung ausgesetzt sind, ausreichenden Schutz zu gewähren;
7. fordert die Regierung Pakistans auf, als Voraussetzung für demokratische Wahlen die Rückkehr aller politischen Führer zu erlauben, die zur Verringerung des Einflusses der extremistischen Kräfte im Land und zur Einsetzung einer legitimen Regierung aufgrund freier und fairer Wahlen beitragen können, die die derzeitige Militärdiktatur ersetzt;
8. fordert die Regierung nachdrücklich auf, den Erlass des Obersten Gerichtshofs zu akzeptieren und zu befolgen, wonach das „Verschwindenlassen“ politischer Gegner eingestellt werden muss;
9. erwartet, dass Präsident Musharraf sein Versprechen einhält, von seinem Amt als Oberbefehlshaber der Armee zurückzutreten, das er bei früheren zahlreichen Gelegenheiten bereits abgegeben hat;
10. bekräftigt seine Forderung, dass die Übergangsregierung, deren Einsetzung geplant ist, neutral sein muss, und äußert erneut Sorge darüber, dass Präsident Musharraf allein über ihre Zusammensetzung entscheidet;
11. fordert Pakistan nachdrücklich auf, Sofortmaßnahmen zur Beschränkung des Einflusses des Militärs in der Gesellschaft als Ganzes zu ergreifen; fordert die pakistanische Regierung auf, den Übergang zu einer Zivilgesetzgebung zuzulassen und die demokratischen Institutionen zu stärken, als einzig möglichen Weg zur Bewältigung der Herausforderungen, vor denen die pakistanische Gesellschaft steht;
12. begrüßt die Tatsache, dass die EU die Parlamentswahlen in Pakistan beaufsichtigen wird und dass das Europäische Parlament an der Beobachtermission teilnehmen wird; ist besorgt darüber, dass den pakistanischen Frauen möglicherweise die uneingeschränkte Teilnahme am demokratischen Prozess aufgrund der Tatsache verwehrt bleiben wird, dass ein akademischer Abschluss als Voraussetzung für die Kandidatur verlangt wird, wodurch 70% aller pakistanischen Frauen ausgeschlossen werden; fordert die Aufhebung dieser Einschränkung;
13. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und der Regierung Pakistans zu übermitteln.