ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
14.1.2008
gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung
von Feleknas Uca und Gabriele Zimmer
im Namen der GUE/NGL-Fraktion
zur Lage in Kenia
B6‑0024/2008
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage in Kenia
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf das Partnerschaftsabkommen zwischen den Mitgliedern der Gruppe der Staaten in Afrika, im karibischen Raum und im Pazifischen Ozean einerseits und der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten andererseits, das am 23. Juni 2000 in Cotonou unterzeichnet („Cotonou-Abkommen“) und am 25. Juni 2005 in Luxemburg geändert wurde, insbesondere auf die Artikel 8 und 9,
– unter Hinweis auf die Leitlinien der Afrikanischen Charta für die Menschenrechte und Rechte der Völker für die Durchführung demokratischer Wahlen,
– unter Hinweis auf die Erklärung der Afrikanischen Union betreffend die Prinzipien für demokratische Wahlen (2002),
– in Kenntnis der „Grundsatzerklärung für die internationale Wahlbeobachtung“ und des „Verhaltenskodex für die internationalen Wahlbeobachter“, die am 27. Oktober 2005 von den Vereinten Nationen erstellt wurden,
– unter Hinweis auf die am 1. Januar 2008 abgegebene Vorläufige Erklärung der Beobachtungsmission der Europäischen Union (EUEOM) für die Wahlen in Kenia,
– unter Hinweis auf die am 8. Januar 2008 im Namen der Europäischen Union abgegebene Erklärung von deren Vorsitz zu den Präsidentschaftswahlen in Kenia,
– gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass Artikel 9 des Partnerschaftsabkommens AKP-EU Folgendes vorsieht: „Die Achtung sämtlicher Menschenrechte und Grundfreiheiten, einschließlich der Achtung der sozialen Grundrechte, Demokratie auf der Grundlage des Rechtsstaatsprinzips und eine transparente und verantwortungsvolle Staatsführung sind fester Bestandteil einer nachhaltigen Entwicklung“,
B. in der Erwägung, dass die Parlamentswahlen in Kenia im Jahr 2007 lange Zeit die demokratischsten Wahlen in der Geschichte des Landes zu werden versprachen und in der Erwägung, dass die Vereinigungs-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit während des Wahlkampfs weitgehend geachtet wurden; in der Erwägung, dass einige Wahlkampfteilnehmer jedoch versuchten, aus ethnisch-politischen Spaltungen Kapital zu schlagen, was zu der angespannten Atmosphäre nach den Wahlen beigetragen hat,
C. in der Erwägung, dass nach Ansicht von unabhängigen internationalen Beobachtern der Prozess der Stimmenauszählung den grundlegenden internationalen und regionalen Standards für demokratische Wahlen nicht entsprochen hat, und in der Erwägung, dass die EUEOM zu dem Schluss gelangt ist, dass es dem Prozess der Stimmenauszählung nach der Präsidentschaftswahl an Glaubwürdigkeit fehlte und daher Zweifel an der Richtigkeit der Ergebnisse geäußert hat;
D. jedoch in der Erwägung, dass die EUEOM-Beobachter keinen entsprechenden Zugang zu den Auszählungslokalen erhielten und zu dem Schluss gelangten, dass durch den Mangel an Transparenz und geeigneten Sicherheitsvorkehrungen die Glaubwürdigkeit der Ergebnisse der Präsidentschaftswahlen erheblich untergraben wurde,
E. in der Erwägung, dass es im Anschluss an öffentlich erhobene Verdächtigungen hinsichtlich Wahlbetrug zu Unruhen und ethnisch motivierten Morden gekommen ist, die zum Tod von mehr als 500 Menschen führten,
F. in der Erwägung, dass neben den Gewalttätigkeiten nach den Wahlen über zahlreiche Fälle von Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen berichtet wurde,
G. in der Erwägung, dass eine Vielzahl der Verbrechen von Mitgliedern der sog. Mungiki begangen wurde,
H. in der Erwägung, dass infolge der Unruhen Hunderttausende von Menschen aus ihrer Heimat geflohen sind und sich in einer verzweifelten Lage befinden, in der es ihnen an Wasser, Nahrungsmitteln und der gesamten Grundversorgung mangelt,
I. in der Erwägung, dass die kenianische Wahlkommission (ECK) die logistischen und technischen Aspekte der Wahlen überwacht, den Zugang zu den Registrierungsstellen für die Wähler verbessert und das Personal in den Wahllokalen geschult hat,
J. jedoch in der Erwägung, dass die ECK nicht die für eine demokratische Wahl erforderliche Unparteilichkeit, Transparenz und Vertraulichkeit unter Beweis gestellt hat, was sich in den fehlerhaften Verfahren zur Nominierung der Mitglieder der Wahlkommission Kenias widerspiegelt,
K. in der Erwägung, dass der Präsident der Afrikanischen Union, der ghanaische Präsident John Kufuor, am 8. Januar 2008 nach Kenia gereist ist, um zwischen dem amtierenden Präsidenten Mwai Kibaki und Oppositionsführer Raila Odinga zu vermitteln, um eine politische Lösung herbeizuführen,
L. in der Erwägung, dass der amtierende Präsident Mwai Kibaki am 8. Januar 2008 17 Mitglieder seiner „Regierung der Einheit“ benannt hat,
M. in der Erwägung, dass vier ehemalige afrikanische Präsidenten aus Botswana, Mosambik, Tansania und Sambia nach Kenia gereist sind und an das kenianische Volk appelliert haben, die Kämpfe einzustellen und sich zu vereinigen, um ihr Land zusammenzuhalten,
N. in der Erwägung, dass nun ein Vermittlungsprozess unter der Leitung des früheren Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Kofi Annan, eingeleitet wurde,
O. in der Erwägung, dass sich Kenia im Rahmen des Partnerschaftsabkommens von Cotonou zu verantwortungsvoller Regierungsführung, Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit verpflichtet hat,
P. in der Erwägung, dass der wirtschaftliche Fortschritt in Kenia in den letzten Jahren nicht allen Regionen und Bevölkerungskreisen des Landes zugute gekommen ist,
1. verurteilt den tragischen Verlust von Menschenleben und die kritische humanitäre Situation und fordert die zuständigen Behörden und beteiligten Personen daher nachdrücklich auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um den Frieden in ihrem Land herbeizuführen und die Achtung der Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit sicherzustellen;
2. fordert die kenianische Regierung und die Führer der politischen Parteien auf, alle möglichen Maßnahmen zu treffen, um eine sofortige Einstellung der Gewalttätigkeiten sicherzustellen;
3. fordert die kenianische Regierung auf, eine unabhängige und unparteiische Untersuchung der Morde und anderer Verbrechen in allen Regionen und Distrikten, in denen Menschen bei Gewalttätigkeiten nach den Wahlen getötet oder verletzt wurden, einzuleiten;
4. bedauert, dass der amtierende Präsident Mwai Kibaki ungeachtet der bestehenden Zweifel an den Wahlergebnissen sein Kabinett ohne Rücksicht auf den laufenden Vermittlungsprozess gebildet hat;
5. fordert den amtierenden Präsidenten Mwai Kibaki diesbezüglich auf, die in der kenianischen Verfassung und in den Leitlinien der Afrikanischen Charta für die Menschenrechte und Rechte der Völker in Bezug auf freie und faire Wahlen verankerten demokratischen Verpflichtungen seines Landes einzuhalten;
6. fordert beide Seiten eindringlich auf, umgehend Abhilfemaßnahmen durch Verhandlungen zu treffen und begrüßt in dieser Hinsicht die Vermittlungsbereitschaft des früheren Generalsekretärs der Vereinten Nationen, Kofi Annan; betont, dass beide Seiten dringend in einen konstruktiven Dialog eintreten müssen, in dem alle Vermittlungsbemühungen uneingeschränkte Unterstützung verdienen;
7. fordert darüber hinaus nachdrücklich, dass die kenianischen Behörden die Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen unverzüglich, gründlich und transparent untersuchen und sofortige Maßnahmen ergreifen, um die Situation zu bereinigen und die für diese Unregelmäßigkeiten Verantwortlichen für ihr Handeln zur Rechenschaft zu ziehen;
8. fordert die Einsetzung einer wirklich unparteiischen Wahlkommission vor den nächsten Wahlen;
9. bedauert, dass bei den Parlamentswahlen von 2007 die Gelegenheit versäumt wurde, den Wahlprozess und den umfassenderen Demokratisierungsprozess zu konsolidieren und weiter zu entwickeln;
10. fordert die Führung der politischen Parteien auf, größte Zurückhaltung zu üben und von jeglichen Handlungen oder Bemerkungen abzusehen, die Anlass zu weiterer Gewalt bieten könnten, ihr Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit unter Beweis zu stellen und die Achtung der Menschenrechte sicherzustellen;
11. ist zutiefst besorgt über die sozialen Auswirkungen der derzeitigen Wirtschaftskrise und die nachteiligen Folgen für die soziale und wirtschaftliche Entwicklung des Landes;
12. fordert die kenianische Regierung und die Kommission auf, rasch humanitäre Hilfe für die Binnenflüchtlinge in die Wege zu leiten und alle erforderlichen humanitären Helfer bereitzustellen;
13. fordert die kenianische Regierung auf, die Korruption an der Wurzel zu bekämpfen, die die Regierungsführung in weiten Teilen des Landes, insbesondere auf staatlicher und lokaler Ebene, untergraben hat;
14. fordert die Kommission auf, darüber nachzudenken, welche Rolle die sozialen Ungleichheiten in Kenia im Vorfeld der derzeitigen tragischen Ereignisse gespielt haben, und fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten der EU auf, die entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit Kenia mit neuem Schwerpunkt auf der Verringerung der Ungleichheiten neu zu gestalten;
15. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen der Mitgliedstaaten, der kenianischen Regierung, den Ko-Präsidenten der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU sowie den Vorsitzenden der Kommission und des Exekutivrates der Afrikanischen Union zu übermitteln.