Entschließungsantrag - B6-0054/2008Entschließungsantrag
B6-0054/2008

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

23.1.2008

eingereicht im Anschluss an Erklärungen des Rates und der Kommission
gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung
von Tobias Pflüger und Vittorio Agnoletto
im Namen der GUE/NGL-Fraktion
zum Iran

Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B6-0054/2008
Eingereichte Texte :
B6-0054/2008
Angenommene Texte :

B6‑0054/2008

Entschließung des Europäischen Parlaments zum Iran

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu den Beziehungen EU-Iran und zur Verletzung der Menschenrechte in diesem Land,

–  gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  unter Hinweis auf die schwerwiegende militärische und politische Dimension des gegenwärtigen Atomkonflikts mit dem Iran; besorgt über die reale Möglichkeit, dass in Kürze ein neuer Krieg den Nahen und Mittleren Osten erschüttern und Frieden und Stabilität weltweit gefährden könnte,

B.  unter Würdigung der Anstrengungen der Internationalen Atomenergieorganisaton (IAEO) in Wien, insbesondere ihres Generalsekretärs und Friedensnobelpreisträgers El Baradei, zu einer politischen und auf dem Verhandlungswege zu erreichenden Lösung dieses Konflikts auf der Grundlage der bestehenden internationalen Verträge zu gelangen, die einerseits das Recht aller souveränen Staaten auf Finanzierung der zivilen Nutzung der Kernenergie anerkennen und andererseits wirksame Kontrollen der IAEO verlangen, um jegliche Verwendung von Uran und/oder angereichertem Plutonium zu militärischen Zwecken zu verhindern,

1.  fordert die Verstärkung der Bemühungen um eine auf dem Verhandlungswege zu erzielende umfassende und gerechte Lösung des Atomstreits mit dem Iran auf der Grundlage der Anerkennung des Rechts des Iran auf nukleare Aktivitäten zu friedlichen Zwecken und überprüfbarer Zusicherungen dieses Landes bezüglich des friedlichen Charakters seines Atomprogramms; ersucht die dem Sicherheitsrat angehörenden Mitgliedstaaten der EU, das Problem der iranischen Atompolitik nicht mehr im Sicherheitsrat, sondern in Verhandlungen im Rahmen des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen zu erörtern;

2.  ist fest davon überzeugt, dass sich durch Dialog und Diplomatie überzeugende und langfristige Lösungen in der Iran-Frage erzielen lassen, insbesondere in einem multilateralen Rahmen unter Federführung der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) in Wien;

3.  unterstreicht die Bedeutung der vom Generalsekretär der IAEO und Friedensnobelpreisträger El Baradei mehrfach unterbreiteten Vorschläge, die die politische, wirtschaftliche und handelspolitische Normalisierung der Beziehungen zwischen dem Iran und der internationalen Gemeinschaft, einschließlich der Vereinigten Staaten, und im Gegenzug eine langfristige Lösung in dem Atomstreit mit dem Iran vorsehen; zeigt sich beunruhigt darüber, dass die Reaktion in Washington und in London bislang eher von dem Willen getragen zu sein scheint, eine militärische Konfrontation unausweichlich werden zu lassen, als durch die Suche nach einer friedlichen Lösung für den gegenwärtigen Konflikt;

4.  weigert sich, den Krieg als eine mögliche Lösung des Problems der iranischen Atompolitik anzusehen, und lehnt daher jeglichen Versuch, insbesondere der Bush-Administration, ab, eine internationale Koalition – wie im Falle des Irak – zu Stande zu bringen, die im Iran militärisch intervenieren soll;

5.  nimmt den jüngsten „gemeinsamen Bericht“ aller Sicherheitsagenturen und -dienste der Vereinigten Staaten, einschließlich der CIA, zur Kenntnis, in dem unmissverständlich bekräftigt wird, dass die iranischen Behörden bereits 2003 jegliches militärische Atomprogramm gestoppt haben und der Iran infolge dessen nicht mehr diese „eindeutige und unmittelbare Gefahr“ darstellt, die nach Aussagen des US-Präsidenten Bush ein militärisches Eingreifen im Iran rechtfertigen würde;

6.  ist äußerst besorgt über die Reaktionen von Präsident Bush, der den Inhalt dieses Berichts leugnet und die darin enthaltenen Empfehlungen allein mit der Perspektive einer militärischen Lösung des Iranproblems, insbesondere im Hinblick auf die Ende 2008 in den USA stattfindenden Präsidentschaftswahlen – in ihr Gegenteil verkehrt;

7.  ist im Gegenteil der Auffassung, dass dieser Bericht der 17 amerikanischen Agenturen eine – sicherlich einmalige und in ihrer Art glaubwürdige – neue Chance bietet, das Problem der iranischen Atompolitik allein in einem möglichen politischen und institutionellen Kontext, d. h. im Rahmen der IAEO und der Vereinten Nationen, zu behandeln; fordert die Europäische Union und ihren Hohen Vertreter für die Außenpolitik, Herrn Solana, auf, zusammen mit der Arabischen Liga unverzüglich eine politische und diplomatische Initiative innerhalb der IAEO einzuleiten, damit der Atomstreit mit dem Iran in einem multilateralen Rahmen – verstärkt durch die Garantien, die die bestehenden internationalen Verträge bieten – in Wien erneut diskutiert wird;

8.  fordert in diesem Zusammenhang die iranische Regierung auf, der internationalen Gemeinschaft umgehend einen glaubwürdigen Beweis für ihre tatsächliche Bereitschaft zu liefern, eine langfristige politische Lösung in der Atomfrage zu finden, insbesondere indem sie die Genehmigung für die sofortige und bedingungslose Rückkehr der IAEO-Inspektoren in ihr Land erteilt – gemäß dem Grundsatz, wonach jedes Land das Recht auf zivile Nutzung der Atomenergie hat, allerdings im Rahmen unabhängiger Überprüfungen hinsichtlich der möglichen Verwendung von Uran und angereichertem Plutonium zu militärischen Zwecken;

9.  verurteilt die Tatsache, dass die Atomfrage, insbesondere vom iranischen Präsidenten Ahmadineschad, zu Zwecken ideologischer Propaganda oder als Bedrohung der Stabilität in der Region genutzt wird, wie seine inakzeptablen Erklärungen zur Existenz des Staates Israel oder zur Möglichkeit eines iranischen Angriffs auf Afghanistan und andere Länder der Region beweisen; unterstreicht, dass die Manipulation der Atomfrage durch den iranischen Präsidenten mit Blick auf die öffentliche Meinung im Lande in gewisser Weise proportional zu seiner zunehmenden politischen Isolierung erfolgt und diese Manipulation seine Unfähigkeit verbirgt, seinem Land eine entwicklungspolitische, demokratische und wirtschaftliche Perspektive zu vermitteln;

10.  bringt seine Unterstützung für alle demokratischen politischen Kräfte und die Zivilgesellschaft zum Ausdruck, insbesondere die Frauen- und Studentenvereinigungen, die sich im Iran trotz wachsender Repression gewaltfrei für Demokratie und Menschenrechte einsetzen; erinnert in diesem Zusammenhang an seine zahlreichen Entschließungen und bestätigt deren Inhalt;

11.  nimmt die jüngsten Urteile des Europäischen Gerichtshofes und des Gerichtshofes in London zur Kenntnis, in denen scharfe Kritik daran geübt wird, auf welche Art und Weise die schwarze Liste terroristischer Organisationen und Personen von den zuständigen Stellen der Europäischen Union erstellt wird, und in denen konkret gefordert wird, die Organisationen der iranischen Opposition von dieser Liste zu streichen; erinnert daran, dass sich auch die Parlamentarische Versammlung des Europarates in diesem Sinne geäußert hat; fordert den Rat auf, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um diese Urteile zu respektieren, in denen offenkundig in Frage gestellt wird, dass die „schwarze Liste“ politisch und rechtlich begründet ist; fordert, dass diese „schwarze Liste“ außer Kraft gesetzt wird;

12.  beschließt, Herrn El Baradei einzuladen, um vor dem Europäischen Parlament seinen globalen Vorschlag für eine langfristige Lösung im Atomstreit mit dem Iran zu erläutern; ersucht die slowenische Präsidentschaft der Europäischen Union, ihn formell bei seinen Bemühungen zu unterstützen, nicht den Waffen und der Konfrontation das Feld zu überlassen, wie dies die Vereinigten Staaten befürworten;

13.  wiederholt seine Forderung nach einer strikten Anwendung des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen; fordert alle Länder auf, diesen Vertrag zu unterzeichnen und die atomaren Aktivitäten zu militärischen Zwecken endgültig aufzugeben; erinnert an seine Idee der Schaffung eines absolut kernwaffenfreien Mittelmeerraums, der durch die Unterzeichnung des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen durch alle Länder des Nahen Ostens entstehen würde;

14.  ist davon überzeugt, dass im Zusammenhang mit dem politischen und nicht‑militärischen Umgang mit der Irankrise auch die gegenwärtige und künftige Glaubwürdigkeit der Europäischen Union auf dem Spiel steht, so wie dies auch beim britisch-amerikanischen Krieg gegen den Irak der Fall war; verlangt daher, dass der Hohe Vertreter Javier Solana an der Spitze wirklich europäischer Initiativen steht, die nicht den strategischen Interessen der Vereinigten Staaten untergeordnet sind und die Tatsache berücksichtigen, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten über die wirtschaftlichen und handelspolitischen Möglichkeiten verfügen, um, wenn sie dies wollen, in dieser Frage mit einer wahrhaft europäischen Stimme zu sprechen;

15.  appelliert an die Zuständigkeiten und die Verantwortung der Mitgliedstaaten der EU für die Außen-, Verteidigungs- und Energiepolitik und fordert sie auf, in der Iranfrage gemeinsame und mit dem Hohen Vertreter der EU abgestimmte Standpunkte zum Ausdruck zu bringen;

16.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Mitgliedstaaten, dem Parlament und der Regierung der Islamischen Republik Iran sowie den Generalsekretären der Vereinten Nationen, der IAEO und der Arabischen Liga zu übermitteln.