Entschließungsantrag - B6-0068/2008Entschließungsantrag
B6-0068/2008

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

13.2.2008

eingereicht im Anschluss an Erklärungen des Hohen Vertreters für die GASP und der Kommission
gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung
von Daniel Cohn-Bendit, Caroline Lucas, Margrete Auken, Jill Evans, David Hammerstein, Johannes Voggenhuber, Angelika Beer, Hélène Flautre, Cem Özdemir und Pierre Jonckheer
im Namen der Verts/ALE-Fraktion
zur Lage im Gaza-Streifen

Verfahren : 2008/2518(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B6-0068/2008
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B6-0068/2008
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Angenommene Texte :

B6‑0068/2008

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage im Gaza-Streifen

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zum Nahen Osten, insbesondere seine Entschließungen vom 16. November 2006 und 11. Oktober 2007 zur Lage im Gaza-Streifen,

–  in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Rates „Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen“ vom 28. Januar 2008,

–  in Kenntnis der Erklärung von Annapolis vom 27. November 2007,

–  in Kenntnis der Resolution zu Menschenrechtsverstößen durch israelische Militärangriffe und Offensiven in die besetzten palästinensischen Gebiete, insbesondere den Gaza-Streifen, die am 24. Januar 2008 vom UN-Menschenrechtsrat angenommen wurde,

–  gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass Palästinenser am 23. Januar 2008 lange Stücke des Grenzzauns, der den Gaza-Streifen von Ägypten trennt, gesprengt und zerstört haben und dass dann Tausende von Bewohnern des Gaza-Streifens auf die andere Seite geströmt sind, um Lebensmittel, Treibstoff, Medikamente und andere Waren zu kaufen, die im Gaza-Streifen nicht mehr erhältlich waren,

B.  in der Erwägung, dass die israelischen Sicherheitskräfte am 17. Januar 2008 alle Grenzübergänge zum Gaza-Streifen geschlossen hatten, nachdem Raketenangriffe durch bewaffnete palästinensische Gruppen an Häufigkeit zugenommen hatten, in der Erwägung dass sogar das einzige Kraftwerk wegen Treibstoffmangels abgeschaltet werden musste, was dazu führte, dass der gesamte Gaza-Streifen im Dunkeln lag und der Betrieb der lokalen Krankenhäuser sowie Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsanlagen beeinträchtigt war, in der Erwägung, dass diese Strafmaßnahmen, die sich unterschiedslos gegen alle Bewohner des Gaza-Streifens wenden, in Verbindung mit verstärkten Militäroperationen durchgeführt wurden, die eine Ende der Raketenangriffe bewirken sollten,

C.  in der Erwägung, dass sich am 4. Februar 2008 ein Selbstmordattentäter in einem Einkaufszentrum in Dimona in die Luft gesprengt hat und dabei eine Frau tötete und elf Menschen verwundete, in der Erwägung, dass die Raketenangriffe aus dem Gaza-Streifen auf benachbarte israelische Dörfer, bei denen viele israelische Zivilisten schwer verwundet wurden, trotz häufiger israelischer Luftangriffe und Invasionen, die viele Opfer unter der Zivilbevölkerung gekostet haben, noch nicht aufgehört haben,

D.  in der Erwägung, dass die Grenzübergänge Karni und Rafah monatelang geschlossen waren, was einen Verstoß gegen das Abkommen das Grenzverkehrsabkommen darstellt, und in der Erwägung, dass die Blockade des Personen- und Warenverkehrs die Wirtschaft zusätzlich blockiert und in erheblichem Maße zur der extrem hohen Arbeitslosigkeit beiträgt, die den Gaza-Streifen an den Rand einer humanitären Katastrophe gebracht hat, da 75 % der Bevölkerung inzwischen von Lebensmittelhilfe abhängig sind, 80 % unter der Armutsgrenze leben und 90 % der Betriebe in den letzten sechs Monaten geschlossen wurden, in der Erwägung, dass sich die EU-Mission zur Unterstützung des Grenzschutzes als ineffizient erwiesen hat, da sie sich wiederholt dem Druck Israels im Hinblick auf eine Schließung gebeugt hat,

E.  in der Erwägung, dass die ägyptischen Behörden ganz allein mit der Notsituation fertig werden und einen plötzlichen Zustrom von Menschen aufnehmen und lenken mussten und dass sie die Palästinenser, die der anhaltenden Krise zu entfliehen versuchten, nicht gewaltsam zurückgeschickt und ihnen Hilfe und Unterstützung gewährt haben, in der Erwägung, dass die ägyptischen Kräfte die Lage allmählich wieder unter Kontrolle bekommen und die Grenze am 3. Februar 2008 wieder geschlossen haben, womit die ungehinderte Überschreitung der Grenze durch die Palästinenser – wie von der israelischen Regierung gefordert – beendet war,

F.  in der Erwägung, dass der Vorläufige Internationale Mechanismus (TIM), der geschaffen wurde, um die weitere Erbringung grundlegender sozialer öffentlicher Dienstleistungen für die palästinensische Bevölkerung zu gewährleisten, nachdem das Nahost-Quartett beschlossen hatte, die direkten Hilfen für die Palästinensische Behörde auszusetzen, zum Teil nicht geeignet war, die Bedürfnisse der Palästinenser zu decken, da er nur zu einer Abmilderung der humanitären Krise beitragen konnte,

G.  in der Erwägung, dass die Blockade des Personen- und Warenverkehrs die Tätigkeit des Amtes für humanitäre Hilfe der Europäischen Gemeinschaft (ECHO), der UN-Agenturen, des Roten Kreuzes und des Roten Halbmonds sowie anderer humanitärer Organisationen behindert, die den im Gaza-Streifen lebenden Menschen Hilfe und Unterstützung gewähren, in der Erwägung, dass die Kommission, das UNDP, der UNRWA und die Weltbank ihre verschiedenen Infrastrukturprojekte ausgesetzt haben, weil es nicht möglich war, Rohstoffe zu importieren, in der Erwägung, dass diese humanitären Ämter, Agenturen und Organisationen ihre Arbeit trotz aller Hindernisse in eingeschränktem Maße weitergeführt haben,

H.  in der Erwägung, dass Israel und die Palästinenser im November 2007 in Annapolis ihre Entschlossenheit zum Ausdruck gebracht haben, eine umfassende Einigung zu erzielen, damit bis Ende des Jahres ein Friedensabkommen geschlossen werden kann, und alle noch offenen und zentralen Probleme des Konflikts zu lösen, in der Erwägung, dass sämtliche möglichen Anstrengungen unternommen werden müssen, damit der Friedensprozess so umfassend wie möglich gestaltet wird und alle Beteiligten auf beiden Seiten, die offen für Verhandlungen sind, einbezogen werden,

I.  in der Erwägung, dass der oberste israelische Gerichtshof am 30. Januar 2008 den Beschluss der Regierung, die Lieferungen von Treibstoff und Strom in den Gaza-Streifen schrittweise zurückzufahren, bestätigt hat, in der Erwägung, dass diese Einschränkungen vorbehaltlich einer wöchentlichen Bewertung der aktuellen Lage umgesetzt werden,

1.   ist der Auffassung, dass die Zerstörung des Grenzzauns zwischen dem Gaza-Streifen und Ägypten die logische Folge der anhaltenden Vernachlässigung und schlechten Behandlung der 1,5 Millionen Palästinenser ist, die sich in einer tiefen humanitären Krise befinden, und betrachtet diese Aktion als Bestätigung des grundsätzlichen Rechts des palästinensischen Volkes auf Bewegungsfreiheit, betont, dass die Politik der Isolierung des Gaza-Streifens sowohl auf politischer als auch auf humanitärer Ebene gescheitert ist;

2.   fordert Israel deshalb auf, die Blockade und die Besatzung des Gaza-Streifens unverzüglich zu beenden und die Lieferung von Treibstoff, Lebensmitteln und Medikamenten in vollem Umfang wieder zuzulassen; weist darauf hin, dass die Zerstörung des Zauns an der ägyptischen Grenze Israel in keiner Weise von seiner Verantwortung und seinen Verpflichtungen als Besatzungsmacht im Sinne der Genfer Konvention befreit; fordert Israel auf, unverzüglich die Praxis der kollektiven Bestrafung sowie Hinrichtungen ohne Gerichtsverfahren einzustellen und sämtliche Militäraktionen, die das Leben der Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen gefährden, zu beenden;

3.  fordert die Hamas, die die palästinensischen Einrichtungen im Gaza-Streifen kontrolliert, auf, die Raketenangriffe auf die israelische Zivilbevölkerung einzustellen und ihre kontraproduktive Strategie, die das Leben und das Wohlergehen der Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen, dessen Einwohner Geiseln des Konflikts sind, wissentlich gefährdet, zu beenden; verurteilt erneut nachdrücklich alle Terroranschläge;

4.  begrüßt das Auftreten der ägyptischen Staatsorgane im Umgang mit dieser Notsituation, die der Bevölkerung von Gaza dringend benötigte humanitäre Hilfe geleistet haben, und fordert eine gründliche Überprüfung der EUBAM-Mission, damit der Grenzübergang Rafah künftig ständig geöffnet bleiben kann; unterstützt die Vorschläge der palästinensischen Behörde, die Kontrolle über die Grenzübergänge zu übernehmen; fordert den Rat auf, die Verdoppelung der ägyptischen Polizeikräfte im Sinai/in Rafah von 750 auf 1500 Mann im Zusammenhang mit den Sinai-Friedensverträgen zu unterstützen, um den Schutz der Grenze und die Aufrechterhaltung der Sicherheit im Sinai zu gewährleisten;

5.  nimmt zur Kenntnis, dass der Vorläufige Internationale Mechanismus ausgelaufen ist; fordert eine gründliche und sorgfältige Bewertung seiner Mängel und hofft, dass PEGASE, der neue europäische Mechanismus zur Unterstützung der palästinensischen Behörde und des palästinensischen Volkes, der eine Laufzeit von drei Jahren hat, sein Ziel erfüllt, das darin besteht, die Hilfen in den vier Schlüsselbereichen – staatliches Handeln, soziale Entwicklung, Entwicklung der Wirtschaft und des privaten Sektors sowie öffentliche Infrastruktur – zu kanalisieren; fordert die israelischen Behörden zu einer umfassenden Zusammenarbeit auf, damit dieser neue Mechanismus ein Erfolg wird; betont, dass sich die humanitäre Lage auch bei einem exponentiellen Anstieg der internationalen Hilfe nicht verbessern wird, wenn keine gemeinsamen und koordinierten politischen Anstrengungen unternommen werden, um die Blockade des Gaza-Streifens zu beenden und die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit im Westjordanland aufzuheben;

6.  ist in diesem Zusammenhang der Auffassung, dass es erforderlich ist, vor Ort Kontakte mit der zivilen Verwaltung des Gaza-Streifens aufrechtzuerhalten und sich mit ihr abzustimmen, damit humanitäre Aktionen erfolgreich verlaufen;

7.  fordert den Rat auf, die Frage der Entsendung einer internationalen zivilen und militärischen UN-Friedenstruppe in den Gaza-Streifen auf die Tagesordnung des nächsten Treffens des Nahost-Quartetts zu setzen; diese Friedenstruppe soll dazu beitragen, die Spannungen zu reduzieren, die Gewährung von humanitärer Hilfe zu erleichtern, die Zivilbevölkerung zu unterstützen und zu schützen und die Situation aufmerksam zu verfolgen; fordert alle Seiten, einschließlich der Hamas, auf, einer eventuellen Entsendung dieser UN-Truppe zuzustimmen;

8.  weist darauf hin, dass die anhaltende Spaltung zwischen der palästinensischen Behörde, die das Westjordanland verwaltet, einerseits und der Hamas, die den Gaza-Streifen verwaltet, andererseits, die Wirksamkeit der Verhandlungsführung der Palästinenser insgesamt untergräbt; fordert den Rat in diesem Zusammenhang auf, alles in seinen Kräften Stehende zu tun, um den Dialog zwischen allen Teilen der palästinensischen Gesellschaft zu fördern, damit die grundlegenden Dienste verbessert werden und für uneingeschränkte Zusammenarbeit mit den Agenturen für humanitäre Hilfe gesorgt ist; ist der Auffassung, dass Einigkeit die Position der palästinensischen Seite am Verhandlungstisch stärken würde;

9.  fordert ein sofortiges und beispielhaftes Energieprojekt für den Gaza-Streifen, möglicherweise im Gebiet von Rafah, damit die Bevölkerung des Gaza-Streifens in Bezug auf die Stromerzeugung und Entsalzung autonom ist und sich selbst versorgen kann; weist darauf hin, dass diese Ziele mit einer großen Hochtemperatursolaranlage umgesetzt werden könnten und dass dies ein beispielgebendes Projekt im Bereich erneuerbarer Energien für die gesamte Region sein könnte; ist in diesem Zusammenhang der Auffassung, dass die Geberkonferenz von Paris, der PEGASE-Mechanismus sowie die Hilfsprogramme der EU in Zusammenarbeit mit der palästinensischen Behörde, Ägypten und dem Nahost-Quartett beträchtliche Mittel für diese Initiative bereitstellen sollten;

10.  begrüßt den Beginn der bilateralen Treffen zwischen Vertretern Israels und der Palästinenser, die in Annapolis vereinbart worden waren; fordert beide Seiten auf, ihren Worten Taten folgen zu lassen und die Verpflichtungen der Roadmap parallel zu den Verhandlungen umzusetzen, damit ein lebensfähiger palästinensischer Staat entsteht, der in Sicherheit und Frieden mit Israel koexistiert; betont, dass nur deutliche Fortschritte in den Verhandlungen über die Kernprobleme, d. h. Grenzen, Flüchtlinge und Jerusalem, die palästinensische Behörde stärken und den Weg für eine friedliche Einigung, die für die erfolgreiche Integration des Gaza-Streifens in den neuen palästinensischen Staat nötig ist, bereiten können; weist darauf hin, dass bei den Friedensverhandlungen dringend konkrete Bestimmungen erforderlich sind, mit denen aktiv ein Ende der Blockade des Gaza-Streifens herbeigeführt wird;

11.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Hohen Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, dem Palästinensischen Legislativrat, der Knesset und der israelischen Regierung sowie dem Generalsekretär der Arabischen Liga zu übermitteln.