Entschließungsantrag - B6-0072/2008Entschließungsantrag
B6-0072/2008

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

13.2.2008

eingereicht im Anschluss an Erklärungen des Hohen Vertreters für die GASP und der Kommission
gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung
von Francis Wurtz, Luisa Morgantini und Kyriacos Triantaphyllides
im Namen der GUE/NGL-Fraktion
zum Gaza-Streifen

Verfahren : 2008/2518(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B6-0072/2008
Eingereichte Texte :
B6-0072/2008
Aussprachen :
Angenommene Texte :

B6‑0072/2008

Entschließung des Europäischen Parlaments zum Gaza-Streifen

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zum Nahen Osten, insbesondere die Entschließungen vom 1. Juni 2006 zur humanitären Krise in den palästinensischen Gebieten und zur Rolle der Europäischen Union, vom 16. November 2006 zur Lage in Gaza, vom 21. Juni 2007 zum MEDA-Programm und zur Finanzhilfe für Palästina – Bewertung, Umsetzung und Kontrolle, vom 12. Juli 2007 zum Nahen Osten und vom 11. Oktober 2007 zur humanitären Lage im Gaza-Streifen,

–  unter Hinweis auf die Resolutionen 242 (1967) und 338 (1973) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen,

–  unter Hinweis auf die Vierte Genfer Konvention (1949),

–  in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Rates „Außenbeziehungen“ vom 28. Januar 2008,

–  in Kenntnis der Erklärung des Ausschusses für politische Angelegenheiten, Sicherheit und Menschenrechte der Parlamentarischen Versammlung Europa-Mittelmeer zur Lage im Gaza-Streifen,

–  gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass die humanitäre Krise im Gaza-Streifen infolge der Blockade des Personen- und Warenverkehrs, der massiven Zerstörung öffentlicher Einrichtungen und privaten Wohnhäuser, der Einstellung der Tätigkeit von Krankenhäusern, Kliniken und Schulen, der Tatsache, dass teilweise kein Zugang mehr zu sauberem Trinkwasser, Lebensmitteln und Strom besteht, sowie der Zerstörung von Agrarland katastrophale und nicht hinzunehmende Ausmaße angenommen hat,

B.  in der Erwägung, dass 1,5 Millionen Palästinenser nach der Schließung der Grenzübergänge für den Verkehr in den und aus dem Gaza-Streifen der wesentlichen Voraussetzungen für ein Überleben beraubt sind,

C.  in der Erwägung, dass die Angriffe der israelischen Armee und ihr Vordringen in den Gaza-Streifen die schwere humanitäre Krise sowie die Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung im Gaza-Streifen weiter verschärfen,

D.  in der Erwägung, dass Hunderttausende von Palästinensern in den letzten Wochen nach der Sprengung eines Teils der Grenzmauer die Grenze zwischen dem Gaza-Streifen und Ägypten überschritten haben, um sich dort die wichtigsten Güter zur Deckung ihres Grundbedarfs zu besorgen; in der Erwägung, dass die Mauer nunmehr wieder vollständig geschlossen ist und die Gefahr besteht, dass der Gaza-Streifen damit zum größten Freiluftgefängnis der Welt wird, wenn keine tragfähige Lösung gefunden wird,

E.  in der Erwägung, dass weiterhin Raketen vom Gaza-Streifen aus auf israelisches Gebiet abgefeuert werden; in der Erwägung, dass durch den Terroranschlag eines Selbstmordattentäters in Dimona Zivilisten getötet und verwundet wurden,

F.  in der Erwägung, dass die jüngsten Ereignisse zeigen, welche Kluft zwischen den mit dem politischen Prozess verbundenen Erwartungen und der grausamen Realität vor Ort besteht; in der Erwägung, dass der Verbesserung der Lebensbedingungen der im Gaza-Streifen und im Westjordanland lebenden Palästinenser zusammen mit der Wiederbelebung des Friedensprozesses und der Schaffung funktionierender palästinensischer Einrichtungen eine Schlüsselrolle in den Bemühungen um einen gerechten und dauerhaften Frieden zwischen Israelis und Palästinensern zukommt,

G.  in der Erwägung, dass sich die Lage im Gaza-Streifen trotz der erheblichen finanziellen Unterstützung der Europäischen Union für die Palästinenser und all ihrer Bemühungen um Linderung der humanitären Krise verschlechtert, weil keine wesentlichen Fortschritte im politischen Prozess zu verzeichnen sind, die palästinensischen Gebiete weiterhin besetzt sind und die Politik der Isolierung des Gaza-Streifens anhält,

H.  in der Erwägung, dass der Boykott der Regierung der nationalen Einheit, obwohl diese aus demokratischen Wahlen hervorgegangen ist, deren Ergebnisse von internationalen Beobachtern bestätigt wurden, sowie das sich aus dieser Isolierung ergebende Fehlen politischer Perspektiven dazu beigetragen haben, die Spaltungen, unter der das palästinensische Volk gegenwärtig leidet, zu vertiefen,

1.  ist der Ansicht, dass die jüngsten Entwicklungen im Gaza-Streifen und an den Grenzübergängen zu Ägypten eindeutig zeigen, dass die Politik der Isolierung des Gaza-Streifens vom rechtlichen Standpunkt gesehen inakzeptabel und vom humanitären Standpunkt gesehen grausam ist, dass sie aber auch auf politischer Ebene kontraproduktiv ist; fordert die Europäische Union auf, hieraus die Schlussfolgerungen zu ziehen und in ihren Beziehungen zu Israel auf die sofortige Aufhebung der Blockade des Gaza-Streifens zu dringen;

2.  bringt erneut seine tiefste Besorgnis über die humanitäre Krise im Gaza-Streifen zum Ausdruck und bekundet seine Solidarität mit der betroffenen Zivilbevölkerung; verurteilt nachdrücklich die illegale israelische Politik der kollektiven Bestrafung des palästinensischen Volkes im Gaza-Streifen; begrüßt die von zehn israelischen Menschenrechtsorganisationen eingereichte Petition gegen die Kürzungen bei den Treibstoff- und Stromlieferungen in den Gaza-Streifen; fordert Israel als Besatzungsmacht dringend auf, seinen internationalen Verpflichtungen gemäß den Genfer Konventionen nachzukommen und die Bereitstellung von humanitärer Hilfe, humanitärer Unterstützung und wichtigen Dienstleistungen, darunter Treibstoff und Strom, für den Gaza-Streifen zu gewährleisten;

3.  fordert Israel auf, dringend alle militärischen Operationen, die das Leben von Zivilisten gefährden könnten, und die Hinrichtungen ohne Gerichtsverfahren einzustellen;

4.  begrüßt die positive Reaktion Ägyptens auf die Geschehnisse am Grenzübergang in Rafah, bei denen zahlreiche palästinensische Familien die Möglichkeit erhielten, sich die wichtigsten Güter für ihren Grundbedarf zu beschaffen; verurteilt die Pläne Israels, einen neuen Zaun an der Grenze zu Ägypten zu errichten;

5.  bekräftigt seine Forderung nach einer Wiedereröffnung der Grenzübergänge in den und aus dem Gaza-Streifen für Menschen und Güter, damit die Freizügigkeit für Menschen und der freie Warenverkehr gewährleistet werden; fordert Israel auf, den Personen- und Güterverkehr in Rafah entsprechend dem Abkommen über den Grenzverkehr und der EU-Mission zur Unterstützung des Grenzschutzes sowie den Güterverkehr in Karni zu gewährleisten; fordert die Wiederaufnahme und Stärkung der EU-Mission zur Unterstützung des Grenzschutzes in Rafah gemäß den Bestimmungen der geltenden internationalen Abkommen sowie in diesem Zusammenhang eine verstärkte Präsenz internationaler Truppen und eine wichtigere Rolle für diese Truppen in der Region;

6.  fordert eine Überprüfung des Abkommens über den Grenzverkehr, das am 4. Mai abläuft; ist der Auffassung, dass die Bedingungen für die Freizügigkeit des palästinensischen Volkes erheblich verbessert werden müssen und Ägypten das Abkommen ebenfalls unterzeichnen sollte;

7.  begrüßt den Vorschlag der Palästinensischen Behörde, auf der Grundlage einer Übereinkunft zwischen Ägypten, Israel und der Palästinensischen Behörde die Kontrolle an den Grenzübergängen zu übernehmen, und unterstützt die jüngste Entschließung der Arabischen Liga zu diesem Thema; ersucht die Palästinensische Behörde jedoch, daran mitzuwirken, dass die notwendigen Voraussetzungen für eine Einbeziehung der Kontrollbehörden im Gaza-Streifen in diese Aufgabe geschaffen werden;

8.  fordert den Rat und die Kommission auf, zusammen mit der internationalen Gemeinschaft auch weiterhin die wesentliche humanitäre Hilfe für die im Gaza-Streifen lebenden Palästinenser zu garantieren, wobei den Bedürfnissen der besonders anfälligen Bevölkerungsgruppen spezielle Aufmerksamkeit zu schenken ist;

9.  fordert die Hamas auf, die Raketenangriffe auf israelische Zivilisten unverzüglich einzustellen;

10.  würde es begrüßen, wenn ungeachtet des politischen Stillstands ein Dialog zwischen der Palästinensischen Behörde und der Hamas aufgenommen würde, um so die Arbeit der öffentlichen Institutionen, die wichtige Dienstleistungen bereitstellen, sowie die Tätigkeit der internationalen humanitären Ämter, Agenturen und Organisationen, die sich um eine Verbesserung der Lebensbedingungen für die Palästinenser im Gaza-Streifen bemühen, zu erleichtern; betont die große Bedeutung einer nationalen Aussöhnung mit dem Ziel, die durch interne Spaltungen und die militärische Übernahme entstandene Kluft zu überbrücken und – trotz der bereits 40 Jahre dauernden Besetzung und Trennung – eine ständige geografische Verbindung zwischen dem Gaza-Streifen und dem Westjordanland sowie die friedliche und dauerhafte politische Wiedervereinigung beider Teile zu gewährleisten;

11.  zeigt sich zutiefst besorgt darüber, dass die Verschlechterung der Lage des palästinensischen Volkes im Gaza-Streifen und im Westjordanland die Glaubwürdigkeit der Verhandlungen untergräbt, die zum Ende der Besetzung und zur Schaffung eines souveränen palästinensischen Staates an der Seite von Israel in den Grenzen vom 4. Juni 1967 führen sollen; fordert Israel auf, den Bau von Siedlungen unverzüglich einzustellen, die Kontrollpunkte im Westjordanland zu schließen, statt deren Anzahl zu erhöhen, und das Vordringen in Städte wie Nablus und Bethlehem zu beenden; bekräftigt die Bedeutung der Freilassung von politischen Häftlingen für die Vertrauensbildung; betont, wie wichtig es ist, bis Ende 2008 einen Friedensvertrag zu schließen, der alle noch offenen Fragen klärt, darunter auch – ohne Ausnahme – alle entscheidenden Fragen; fordert die Europäische Union auf, zu diesem Zweck eine aktivere politische Rolle zu übernehmen;

12.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Hohen Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem UN-Generalsekretär, dem Sonderbeauftragten des Nahost-Quartetts, dem Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung Europa-Mittelmeer, dem Präsidenten der Palästinensischen Behörde, dem Palästinensischen Legislativrat, der israelischen Regierung, der Knesset sowie der ägyptischen Regierung und dem ägyptischen Parlament zu übermitteln.