Entschließungsantrag - B6-0354/2008Entschließungsantrag
B6-0354/2008

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

7.7.2008

eingereicht im Anschluss an die Anfragen zur mündlichen Beantwortung B6‑0170/2008, B6-0451/2008, B6-0452/2008 und B6‑B0453/2008
gemäß Artikel 108 Absatz 5 der Geschäftsordnung
von Roberta Angelilli, Cristiana Muscardini, Mario Borghezio, Mieczysław Edmund Janowski und Ryszard Czarnecki
im Namen der UEN-Fraktion
zur Einrichtung einer Datenbank mit Fingerabdrücken von Roma in Italien

Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B6-0354/2008
Eingereichte Texte :
B6-0354/2008
Aussprachen :
Angenommene Texte :

B6‑0354/2008

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Einrichtung einer Datenbank mit Fingerabdrücken von Roma in Italien

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf die Artikel 3, 6, 7, 29, 149 und 152 des EG-Vertrags, in denen die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet werden, Gleichbehandlung für alle Bürger zu gewährleisten,

–  unter Hinweis auf Artikel 13 des EG-Vertrags zur Bekämpfung von Diskriminierungen aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft,

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 28. April 2005 zur Lage der Roma in der Europäischen Union[1], auf seine Entschließung vom 1. Juni 2006 zur Situation der Roma-Frauen in der Europäischen Union[2] sowie auf seine Entschließung vom 31. Januar 2008 zu einer europäischen Strategie für die Roma[3],

–  unter Hinweis auf die Artikel 14, 24 und 35 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union;

–  unter Hinweis auf die Konvention der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes aus dem Jahre 1989,

–  unter Hinweis auf die Europäische Strategie zu den Rechten Minderjähriger aus dem Jahre 2008,

–  gestützt auf Artikel 108 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,

–  unter Hinweis auf die während des zweiten Forums für Minderjährige am 4. März 2008 in Brüssel vorgeschlagenen Maßnahmen zur Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung und der Kinderarmut unter besonderer Berücksichtigung der Lage minderjähriger Roma,

A.  in der Erwägung, dass die Kommission und das Europäische Parlament bereits mehrfach die humanitäre Notlage der nomadischen Gemeinschaften in Europa angeprangert haben,

B.  unter Hinweis auf den hohen Grad an Analphabetismus, auf die Unregelmäßigkeit des Schulbesuchs und die hohe Arbeitslosigkeit,

C.  in der Erwägung, dass die Frauen der nomadischen Gemeinschaften unter schweren Diskriminierungen zu leiden haben,

D.  in der Erwägung, dass die Minderjährigen in den nomadischen Gemeinschaften unter schwerster sozialer Ausgrenzung leiden,

E.  in der Erwägung, dass ein Notplan erforderlich ist, um sicherzusstellen, dass die Minderjährigen der nomadischen Gemeinschaften in das Schulleben integriert werden sowie das Recht auf Bildung, auf medizinische Versorgung und auf Impfung erhalten,

F.  in der Erwägung, dass die Weltbank im Jahre 2005 zur Behebung dieser Notlage das Jahrzehnt zur Integration von Roma und den Fonds zur Ausbildung von Roma eingerichtet hat,

G.  in der Erwägung, dass Bildung ein wesentliches Instrument für die Bekämpfung von sozialer Ausgrenzung, Ausbeutung und Kriminalität ist,

H.  in der Erwägung, dass auch im Rahmen der neuen Planung 2007-2013 die Kommission die Mitgliedstaaten dazu aufruft, die Strukturfonds und insbesondere den Europäischen Strukturfonds auch weiterhin zu nutzen, um die Integration der Roma zu fördern, wie dies auch in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom Dezember 2007 hervorgehoben wurde,

I.  in der Erwägung, dass die Kommission und das Europäische Parlament die Mitgliedstaaten wiederholt aufgefordert haben, das Problem der Barackensiedlungen und der rechtswidrigen Lager zu lösen, da an solchen Orten keinerlei Normen für Hygiene und Sicherheit bestehen,

J.  in der Erwägung, dass es in seiner Entschließung aus dem Jahre 2008 zu einer europäischen Strategie für die Roma die Kommission ausdrücklich auffordert, eine Landkarte mit allen Krisensituationen auf europäischer Ebene zu erstellen und jene Bereiche innerhalb der Europäischen Union zu bemessen und zu beurteilen, in denen diese Gemeinschaften am meisten von Armut und sozialer Ausgrenzung betroffen sind,

K.  in der Erwägung, dass in der Europäischen Strategie zu den Rechten Minderjähriger die Mitgliedstaaten aufgefordert werden, die Ausbeutung minderjähriger Roma zu bekämpfen und für alle Minderjährige unabhängig vom Geschlecht, der ethnischen Herkunft und der Nationalität das Recht auf Registrierung bei der Geburt und auf Identität als juristische Anerkennung zu garantieren, um auf diese Weise Kinder gegen jede Form der Ausbeutung wie Kinderhandel, Organhandel, illegale Adoption, falsche Altersangaben im Hinblick auf Kinder- oder Zwangsheiraten, sexuelle Ausbeutung und Kinderschwarzarbeit zu schützen,

L.  in der Erwägung, dass der Kommissar für Menschenrechte des Europarats im Rahmen des im Anschluss an seinen Besuch am vergangenen 19. und 20. Juni in Italien verfassten Memorandums nachdrücklich auf das Problem fehlender Ausweisdokumente hingewiesen hat,

M.  in der Erwägung, dass innerhalb der Nomadengemeinschaften schwerwiegende Fälle der Ausbeutung von Minderjährigen für Zwecke der Bettlerei, der Zwangsprostitution und anderer Vergehen festgestellt wurden,

N.  in der Erwägung, dass es in überaus zahlreichen Fällen nicht möglich ist, Minderjährige zu identifizieren, sei es weil sie verlassen sind, weil sie von ihren eigenen Familienangehörigen nicht anerkannt werden oder weil berechtigte Zweifel bezüglich der Vaterschaft bestehen,

O.  in der Erwägung, dass die Behörden in den einzelnen Mitgliedstaaten das Recht haben, aus Gründen der Sicherheit und der öffentlichen Ordnung EU-Bürger oder Angehörige von Drittstaaten, die sich in ihrem Hoheitsgebiet aufhalten, zu identifizieren,

P.  in der Erwägung, dass in dem entsprechenden italienischen Gesetz aus dem Jahre 2003 die systematische Ausbeutung von Minderjährigen zum Zwecke der Bettlerei als Versklavung oder Sklaverei anerkannt wird,

Q.  in der Erwägung, dass der Italienische Kassationshof als oberstes Gericht im Februar 2007 bekräftigt hat, dass Minderjährige, die für Zwecke der Bettlerei herangezogen werden, mit wirklichen und echten Sklaven zu vergleichen seien, weil ihnen Grundrechte wie das Recht auf Unterrichtung und Bildung, ebenso aber auch und vor allem das Recht auf persönliche Würde vorenthalten werden,

R.  in der Erwägung, dass der italienische Innenminister im Mai 2007 mit den großen italienischen Städten (darunter Rom, Mailand, Neapel und Genua) so genannte “Sicherheitspakte” geschlossen hat, unter anderem um das Problem der rechtswidrigen Lager anzugehen, und im Oktober 2007 das Sicherheitspaket vorgelegt hat, das neben anderen Maßnahmen strengere Strafen für diejenigen, die Minderjährige zu Bettlerei anhalten, vorsah,

S.  in der Erwägung, dass die italienische Regierung durch die Verordnung des Präsidenten des Ministerrats vom 30. Mai 2008 (Beschluss Nr. 3676) Dringlichkeitsmaßnahmen zur Behebung des Notstands im Zusammenhang mit den Siedlungen nomadischer Gemeinschaften verabschiedet hat,

T.  in der Erwägung, dass alle Bestimmungen in Bezug auf öffentliche Ordnung, Sicherheit und Volksgesundheit in die ausschließliche Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen,

U.  in der Erwägung, dass die Verordnung auf Grund der alarmierenden gesellschaftlichen Umstände Dringlichkeitscharakter hat, lediglich provisorisch gilt und zeitlich bis Mai 2009 befristet ist,

V.  in der Erwägung, dass die italienische Regierung im Sinne einer möglichst umfassenden Zusammenarbeit mit den Organen der Gemeinschaft bis Ende Juli der Europäischen Union einen Bericht über die Umsetzung dieser Verordnung übermitteln wird,

W.  in der Erwägung, dass alle in der Verordnung vorgesehenen Maßnahmen vom Italienischen Roten Kreuz begleitet und koordiniert werden sollen,

X.  in der Erwägung, dass das Ziel der Verordnung darin besteht, alle Maßnahmen zur Gewährleistung der Achtung der Grundrechte und der Würde der Person zu ergreifen, nicht zuletzt um den illegalen Handel vor allem mit Minderjährigen und deren Ausbeutung einzudämmen,

Y.  in der Erwägung, dass das oberste Ziel der Verordnung darin besteht, eine Bestandsaufnahme in die Wege zu leiten, damit vor allem für Minderjährige das Recht auf Gesundheit, soziale Einbindung und schulische Eingliederung gewährleistet werden kann,

Z.  in der Erwägung, dass diese Verordnung nach Maßgabe der Bestimmungen der entsprechenden Rechtsvorschriften Identifizierungsangaben (Beschreibung, Foto, und in letzter Instanz Fingerabdrücke) ausschließlich zur Identifikation von Menschen vorsieht, die nicht in der Lage sind, ihre Identität nachzuweisen, oder die sich weigern, diese allgemeinen Angaben zu machen, und dass demnach in keiner Weise eine allgemeine Verpflichtung eingeführt wird,

AA.  in der Erwägung, dass die Feststellung der Identität von Minderjährigen genauestens durch die italienischen Rechtsvorschriften geregelt ist und dass sie im höheren Interesse des Kindes für alle Minderjährige vorgesehen ist, die verlassen aufgefunden werden,

AB.  in der Erwägung, dass in der Verordnung in keiner Weise auf ethnische Gruppen Bezug genommen wird, sondern dass darin lediglich von Ansiedlungen nomadischer Gemeinschaften die Rede ist,

AC.  in der Erwägung, dass keinerlei spezifische Datenbank vorgesehen ist und damit auch keine Datenbank für die Fingerabdrücke von Roma,

AD.  in der Erwägung, dass die Korrektheit und Zurückhaltung bei der Bearbeitung persönlicher Daten nach Maßgabe der nationalen und internationalen Normen zum Schutz der Privatsphäre die gleichen sind, wie sie für alle Bürger vorgesehen sind,

1.  fordert die Mitgliedstaaten auf, die Politiken der Integration und der schulischen Betreuung umgehend umzusetzen;

2.  fordert Italien auf, seine Bemühungen zur Behebung des sozialen und humanitären Notstands und zur Wiederherstellung einwandfreier rechtlicher Verhältnisse fortzusetzen und dazu eine Politik zur Bekämpfung der Kinderschwarzarbeit, der Ausbeutung von Minderjährigen und der Prostitution zu unterstützen,

3.  fordert darüber hinaus Italien auf, die Bestimmungen über die Erfassung der nomadischen Gemeinschaften unter Beachtung der gemeinschaftlichen Richtlinien und der Menschenrechtskonvention anzuwenden, wie dies in der Verordnung der italienischen Regierung Nr. 3676 vom 30. Mai 2008 vorgesehen ist,

4.  fordert Italien schließlich auf, alle, die an der Erreichung der in dieser Verordnung genannten Ziele interessiert sind, einzubeziehen, um ein Höchstmaß an Transparenz und Zusammenarbeit mit allen betroffenen Institutionen und Personen wie den Gerichten, insbesondere den Jugendgerichten, den repräsentativen Vereinigungen der Nomadengemeinschaften, den örtlichen Behörden sowie den internationalen Institutionen und Organisationen wie UNICEF und UNHCR zu gewährleisten;

5.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Generalsekretär des Europarats, dem Kommissar für Menschenrechte des Europarats und der UNICEF zu übermitteln.