ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
2.9.2008
gemäß Artikel 108 Absatz 5 der Geschäftsordnung
von Charles Tannock, Jana Hybášková, Patrick Gaubert und Vito Bonsignore
im Namen der PPE-DE-Fraktion
zur Lage der palästinensischen Gefangenen in israelischen Gefängnissen
B6‑0415/2008
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage der palästinensischen Gefangenen in israelischen Gefängnissen
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zum Nahen Osten,
– nach Kenntnisnahme der Erklärung zur Lage der palästinensischen Gefangenen in israelischen Gefängnissen, die Kommissarin Ferrero Waldner am 9. Juli 2008 vor dem Plenum abgegeben hat,
– unter Hinweis auf das Assoziationsabkommen zwischen der EU und Israel und die Ergebnisse des achten Treffens des Assoziationsrates EU-Israel vom 16. Juni 2008,
– unter Hinweis auf den Bericht, der von seiner Ad-hoc-Delegation im Anschluss an ihre Reise nach Israel und in die palästinensischen Gebiete (30. Mai bis 2. Juni 2008) ausgearbeitet wurde, und die darin enthaltenen Schlussfolgerungen,
– unter Hinweis auf den Jahresbericht des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz 2007, insbesondere den Teil über die besetzten palästinensischen Gebiete,
– unter Hinweis auf die vom Öffentlichen Komitee gegen Folter in Israel in den Jahren 2006, 2007 und 2008 mit Hilfe von finanziellen Beiträgen der Europäischen Kommission und mehrerer Mitgliedstaaten veröffentlichten Berichte,
– unter Hinweis auf die einschlägigen Resolutionen der Vereinten Nationen zum Konflikt im Nahen Osten,
– gestützt auf Artikel 108 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass Israel in den letzten Jahren unter vielen mörderischen Terroranschlägen gegen seine Zivilbevölkerung zu leiden hatte,
B. in der Erwägung, dass die israelischen Behörden eine Reihe von Maßnahmen zur Verhinderung derartiger Terroranschläge getroffen und u.a. terrorverdächtige palästinensische Kämpfer verhaftet haben, dass jedoch der Kampf gegen den Terrorismus keine Rechtfertigung für die Misshandlung von Gefangenen ist,
C. in der Erwägung, dass sich derzeit etwa 10.000 Palästinenser, darunter mehr als 300 Minderjährige zwischen 16 und 18 Jahren, in israelischen Gefängnissen und Hafteinrichtungen befinden; in der Erwägung, dass die meisten dieser Gefangenen in den besetzten palästinensischen Gebieten verhaftet wurden,
D. in der Erwägung, dass die israelische Regierung am 25. August 2008 als Zeichen ihres guten Willens und zur Schaffung gegenseitigen Vertrauens 198 Palästinenser freigelassen hat,
E. in der Erwägung, dass beide Seiten weiter verhandeln, um zu einer umfassenderen Vereinbarung über den Status der anderen Gefangenen zu gelangen,
F. in der Erwägung, dass etwa 50 Prozent der – aus welchen Gründen auch immer –freigelassenen Terroristen erneut den Weg des Terrors eingeschlagen haben, sei es als Täter, Planer oder Komplize; in der Erwägung, dass mindestens 30 der seit 2000 verübten Terroranschläge auf das Konto von Terroristen gehen, die aufgrund von Abmachungen mit Terrororganisationen freigelassen wurden, und dass die so Freigelassenen 35 Israelis ermordeten,
G. in der Erwägung, dass von der israelischen und der libanesischen Regierung kürzlich Gefangene gegen die Leichen israelischer Soldaten ausgetauscht wurden,
H. in der Erwägung, dass in Israel etwa 1.000 Gefangene auf der Grundlage von „Verwaltungshaftanordnungen“ mit der Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen, aber ohne Anklage, Gerichtsverhandlung und Verteidigungsrechte festgehalten werden; in der Erwägung, dass derartige „Verwaltungshaftanordnungen“ jahrelang verlängert werden können und dies in einigen Fällen auch geschieht,
I. in der Erwägung, dass jeder Mensch unter 18 Jahren nach dem Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes (UNCRC), das Israel unterzeichnet hat, ein Kind ist; jedoch in der Erwägung, dass palästinensische Kinder ab dem 16. Lebensjahr nach den israelischen Militärvorschriften, die in den besetzten palästinensischen Gebieten gelten, als Erwachsene betrachtet werden, und in der Erwägung, dass es den Berichten von Menschenrechtsorganisationen zufolge für die große Mehrheit der in israelischen Gefängnissen festgehaltenen palästinensischen Gefangenen häufig unmöglich oder sehr schwierig ist, dass Familienangehörige von ihrem Besuchsrecht Gebrauch machen, obwohl das Internationale Komitee vom Roten Kreuz entsprechende Appelle an Israel gerichtet hat,
1. begrüßt und unterstützt die von der israelischen Regierung kürzlich getroffene Entscheidung, eine beträchtliche Zahl von palästinensischen Gefangenen freizulassen, als positives Zeichen für die Stärkung der Palästinensischen Behörde und die Wiederherstellung eines Klimas des gegenseitigen Vertrauens;
2. begrüßt die von der israelischen Regierung und der Hisbollah im Zusammenhang mit Gefangenen kürzlich getroffenen gegenseitigen vertrauensbildenden Maßnahmen; fordert, dass ähnliche Schritte zwischen Israel und der Hamas unternommen werden, damit der israelische Unteroffizier Gilad Shalit umgehend freigelassen wird;
3. unterstützt Israels Kampf gegen den Terrorismus und vertritt die Auffassung, dass die Rechtsstaatlichkeit bei der Behandlung von Gefangenen auf allen Seiten uneingeschränkt beachtet werden muss, weil dies ein entscheidender Schritt für ein demokratisches Land und für die Wiederherstellung eines Klimas des gegenseitigen Vertrauens ist, welches erforderlich ist, um substanzielle Fortschritte bei den Friedensverhandlungen zu erzielen;
4. fordert die israelischen Behörden auf, Gerichtsverfahren für alle Gefangenen einzuleiten und der Anwendung der „Verwaltungshaft“ ein Ende zu setzen, bei der es sich um ein missbräuchlich eingesetztes Verfahren handelt, mit dem eine lang anhaltende und oftmals rechtswidrige Haft ermöglicht wird, angemessene Maßnahmen für inhaftierte Minderjährige gemäß internationalen Normen im Bereich des Jugendstrafrechts und des UNCRC durchzuführen sowie ein weniger restriktives System für Gefangenenbesuche zuzulassen; fordert die israelischen Behörden auf, sich an das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter zu halten, alle mit Schikanen und erpressten Geständnissen verbundenen Praktiken zu beenden und auf die Berichte über die Anwendung dieser Praktiken angemessen zu reagieren;
5. fordert die palästinensischen Behörden auf, sicherzustellen, dass die freigelassenen ehemaligen israelischen Gefangenen sich nicht an weiteren Gewalt- oder Terrorakten beteiligen, und insbesondere, dass keine Kinder mehr daran mitwirken;
6. stellt fest, dass Artikel 2 des Assoziationsabkommens zwischen der EU und Israel sowohl die Europäische Union als auch Israel weiterhin daran erinnern wird, dass die Achtung der Menschenrechte und demokratischer Grundsätze die Grundlage unserer bilateralen Beziehungen bilden;
7. begrüßt die vom Assoziationsrat EU-Israel auf seinem achten Treffen getroffene Entscheidung, anstelle der bisherigen Arbeitsgruppe für Menschenrechte einen eigenständigen Unterausschuss für Menschenrechte einzusetzen; fordert eine umfassende Konsultation und uneingeschränkte Einbeziehung der Menschenrechtsorganisationen und nichtstaatlichen Organisationen in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten bei der Überwachung der Fortschritte Israels bei der Einhaltung seiner völkerrechtlichen Verpflichtungen;
8. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der israelischen Regierung, der Knesset, dem Präsidenten der Palästinensischen Behörde, dem Palästinensischen Legislativrat, dem Hohen Vertreter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, dem Sonderbeauftragten des Nahost-Quartetts, dem Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung Europa-Mittelmeer, der Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte sowie dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz zu übermitteln.