ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
17.9.2008
gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung
von Francis Wurtz, Gabriele Zimmer, Dimitrios Papadimoulis, Eva-Britt Svensson, Roberto Musacchio, Umberto Guidoni, Ilda Figueiredo und Mary Lou McDonald
im Namen der GUE/NGL-Fraktion
zum Sozialpaket
B6‑0434/2008
Entschließung des Europäischen Parlaments zum Sozialpaket
Das Europäische Parlament,
– in Kenntnis der Mitteilung der Kommission mit dem Titel: „Eine erneuerte Sozialagenda: Chancen, Zugangsmöglichkeiten und Solidarität im Europa des 21. Jahrhunderts” (KOM(2008)412) und der zahlreichen nichtlegislativen Begleitdokumente zu dieser Mitteilung,
– in Kenntnis des Vorschlags der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung (KOM(2008)414),
– in Kenntnis des Vorschlags der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats oder die Schaffung eines Verfahrens zur Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer in gemeinschaftsweit operierenden Unternehmen und Unternehmensgruppen (Neufassung) (KOM(2008)419 endg.),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 4. September 2001 zur Anwendung der Richtlinie über die Einsetzung eines Europäischen Betriebsrats,
– in Kenntnis des Vorschlags der Kommission für eine Richtlinie des Rates zur Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung ungeachtet der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung (KOM(2008)426 endg.),
– in Kenntnis der politischen Einigung des Rates „Beschäftigung und Soziales“ vom 9. Juni 2008 über die Überarbeitung der Arbeitszeitrichtlinie und über die Leiharbeitnehmer-Richtlinie,
– in Kenntnis der Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften in den Rechtssachen Viking Line, Laval, Rüffert und Kommission vs. Luxemburg sowie der darüber geführten kontroversen politischen Debatte,
– in Kenntnis der folgenden Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO): Übereinkommen 94 über die Arbeitsklauseln in den von Behörden abgeschlossenen Verträgen, Übereinkommen 87 über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes, Übereinkommen 98 über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen, Übereinkommen 117 über die grundlegenden Ziele und Normen der Sozialpolitik, insbesondere Teil IV, Übereinkommen 154 über die Förderung von Kollektivverhandlungen, Seearbeitsübereinkommen und der von der ILO aufgestellten Agenda für menschenwürdige Arbeit,
– unter Hinweis auf die Integrierten Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung 2008–2010 und die Strategie der EU für soziale Eingliederung und Sozialschutz,
– gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die Europäische Kommission und der Rat in der gegenwärtigen Wahlperiode des Europäischen Parlaments bislang nur sehr zögernd Rechtsvorschriften im Bereich der Sozialpolitik zur Förderung des sozialen Fortschritts in der Europäischen Union vorgeschlagen und angenommen haben,
B. in der Erwägung, dass die Politikbereiche Beschäftigung und Sozialpolitik für sozialen Fortschritt nicht zu den vier offiziellen Prioritäten des gegenwärtigen französischen EU-Ratsvorsitzes zählen; in der Erwägung, dass die Forderung des Ratsvorsitzes, im Jahr 2008 einen Neustart für ein soziales Europa zu unternehmen, daher nicht sehr glaubwürdig erscheint,
C. in der Erwägung, dass die politische Einigung des Rates „Beschäftigung und Soziales“ vom 9. Juni 2008 über die Überarbeitung der Arbeitszeitrichtlinie darauf abzielt, eine weitere Deregulierung der ohnehin bereits niedrigen Mindeststandards für den Schutz der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer vor unregelmäßigen und langen Arbeitszeiten vorzunehmen; in der Erwägung, dass die gegenwärtigen Bestrebungen der französischen Regierung zur Abänderung der nationalen Gesetzgebung über die 35-Stunden-Woche und ähnliche Bestrebungen in anderen Mitgliedstaaten, die auf die Verlängerung der Arbeitszeit abzielen, ebenfalls zum Sozialabbau beitragen,
D. in der Erwägung, dass die jüngsten Urteile des Europäischen Gerichtshofs in den Rechtssachen Viking Line, Laval, Rüffert und Luxemburg das Streikrecht und das Recht auf Kollektivverhandlungen eingeschränkt haben, indem den Binnenmarktfreiheiten der Vorrang vor solchen grundlegenden sozialen Rechten eingeräumt wurde; in der Erwägung, dass in diesen Urteilen die in der Entsenderichtlinie enthaltenen Mindeststandards für den Sozialschutz als Höchstanforderungen ausgelegt wurden und somit ein Wettbewerb um die niedrigsten Löhne für denselben Arbeitsplatz begünstigt und den Mitgliedstaaten das Recht, günstigere Arbeitsbedingungen und eine bessere Entlohnung für entsendete Arbeitnehmer in der nationalen Gesetzgebung festzulegen, verwehrt wird,
E. in der Erwägung, dass diese Entwicklungen in hohem Maße zu der in der Öffentlichkeit weit verbreitenden Meinung beigetragen haben, die EU würde sich zu sehr für die freien Märkte und den Wettbewerb einsetzen und dabei die Solidarität und den sozialen Fortschritt vernachlässigen; in der Erwägung, dass diese sich vertiefende Legitimitätskrise der Europäischen Union zu einer zunehmenden Distanz zwischen den europäischen Eliten, die ein marktorientiertes europäisches Projekt befürworten, und weiten Teilen der europäischen Bevölkerung geführt hat, die dem „zusätzlichen Nutzen“ der europäischen Politik für ihr tägliches Leben und ihr soziales Wohlergehen skeptisch gegenüberstehen, was jüngst am „Nein“ der Iren zum Vertrag von Lissabon zu sehen war,
F. in der Erwägung, dass die von der Kommission vorgelegte erneuerte Sozialagenda vor diesem Hintergrund als Versuch angesehen werden muss, der Verärgerung und Unzufriedenheit weiter Bevölkerungsteile über den gegenwärtigen neoliberalen Kurs des europäischen Integrationsprojekts entgegenzuwirken; in der Erwägung, dass das so genannte Sozialpaket jedoch hauptsächlich aus nichtlegislativen Mitteilungen, Berichten und Empfehlungen besteht, deren Beitrag zu einem messbaren sozialen Fortschritt in der gesamten Europäischen Union fraglich ist,
G. in der Erwägung, dass seit dem Jahr 2000 aufgrund der Geldpolitik und der makroökonomischen Politik, insbesondere des Stabilitätspakts, der neoliberalen Lissabon-Strategie und der Beschlüsse der EZB, nur ein langsames Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum, eine Abwertung der Arbeit, anhaltend hohe Arbeitslosenzahlen, Armut, unsichere Arbeitsverhältnisse und eine ungleiche Einkommensverteilung zu verzeichnen sind, im Gegensatz dazu jedoch die Gewinne der großen Finanz- und Wirtschaftsgruppen, die von der Liberalisierung und Privatisierung strategischer Produktionszweige und grundlegender öffentlicher Dienstleistungen profitieren, steigen,
1. ist der Auffassung, dass das Sozialpaket nicht mehr als ein schlechter Versuch ist, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von der sozial rückschrittlichen Politik der Kommission und des Rates, wie der geplanten Deregulierung der Arbeitszeitrichtlinie, und den verheerenden Auswirkungen der jüngsten Urteile des Europäischen Gerichtshofs zu Grundrechten und Kollektivverhandlungen abzulenken;
2. weist darauf hin, dass das Europäische Parlament in seiner ersten Lesung zur Revision der Arbeitszeitrichtlinie eine schrittweise Abschaffung der Opt-out-Möglichkeiten gefordert hat; übt scharfe Kritik an der vom Rat erzielten politischen Einigung, mit der diese Forderung zurückgewiesen wurde, und bekundet daher seinen Widerstand gegen die Einigung des Rates;
3. besteht darauf, dass sich eine in sozialer Hinsicht bedeutsame Revision der Arbeitzeitrichtlinie auf die Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben durch eine Verkürzung der maximalen Tages- und Wochenarbeitszeit konzentrieren muss; betont, dass die Opt-out-Möglichkeit vollständig abgeschafft, die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Bereitschaftsdiensten und Ausgleichsruhezeiten in vollem Umfang umgesetzt und in die Richtlinie aufgenommen und jede Absenkung des durch die bestehende Richtlinie garantierten Schutzniveaus blockiert werden muss;
4. fordert den Rat und die Mitgliedstaaten auf, die durch die jüngsten Urteile des Gerichtshofes aufgeworfenen Fragen eingehend zu erörtern; fordert den Rat nachdrücklich auf, Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass den sozialen Rechten Vorrang vor den Binnenmarktfreiheiten eingeräumt wird; fordert daher eine gründliche Revision der Verträge, damit der Weg für ein soziales Europa geebnet werden kann; ist der Auffassung, dass sich die schwerwiegende Legitimitätskrise des gegenwärtigen europäischen Wirtschafts- und Sozialmodells dramatisch verschärfen wird, wenn die europäischen Institutionen dieser Aufforderung nicht nachkommen;
5. nimmt den ersten Zweijahresbericht der Kommission über die Situation der Sozialdienstleistungen von allgemeinem Interesse in der Europäischen Union zur Kenntnis; besteht darauf, dass die Dienstleistungen von allgemeinem Interesse einen weiteren wichtigen Punkt bei der Revision der Verträge darstellen; betont in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit klarer Bestimmungen im Primärrecht der EU, um sicherzustellen, dass öffentliche Güter, öffentliche Dienstleistungen, Dienstleistungen von allgemeinem Interesse und der gemeinnützige Sektor nicht den Regeln für Wettbewerb, staatliche Beihilfen, das öffentliche Auftragswesen und den Binnenmarkt unterliegen, sondern einen Sektor bilden, der lediglich vom öffentlichen Interesse bestimmt wird und der gemäß dem Subsidiaritätsprinzip in der alleinigen Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und ihrer jeweiligen regionalen und lokalen Gebietskörperschaften organisiert ist, um ein ordnungsgemäßes Funktionieren sicherzustellen;
6. erinnert daran, dass der Vertrag von Lissabon in dem einzigen Referendum, das darüber in der Europäischen Union abgehalten wurde, vom irischen Volk bereits abgelehnt wurde; fordert den Rat auf, den Ratifizierungsprozess zu stoppen und als erste Abhilfemaßnahme eine Klausel über den sozialen Fortschritt als verbindliches Protokoll in die bestehenden Verträge aufzunehmen, um klarzustellen, dass:
- –der Vertrag in keinem Fall Auswirkungen auf die Ausübung der in den Mitgliedstaaten anerkannten Grundrechte hat, einschließlich des Streikrechts und des Rechts auf Kollektivmaßnahmen auf nationaler Ebene sowie grenzüberschreitender Streiks und Kollektivmaßnahmen,
- –diese Rechte auch das Recht und die Freiheit beinhalten, andere Maßnahmen, die durch spezielle Systeme von Arbeitsverhältnissen in den Mitgliedstaaten abgedeckt sind, zu ergreifen, einschließlich Maßnahmen, mit denen der Abschluss von Tarifverträgen angestrebt werden soll, die über Mindestlöhne und Mindeststandards hinausgehen,
- –der Vertrag in keinem Fall Auswirkungen auf die von den Mitgliedstaaten anerkannten Systeme von Arbeitsverhältnissen und Kollektivverhandlungen hat,
- –der Vertrag in keinem Fall die Zuständigkeiten für die Annahme sozialpolitischer Rechtsvorschriften einschränkt, mit denen höhere Standards und Anforderungen festgelegt werden als in den EU-Richtlinien, die lediglich Mindeststandards enthalten,
- –die oben genannten Rechte und die Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten im Bereich der Sozialpolitik oder die Systeme von Arbeitsverhältnissen bei Kollisionen mit den Rechtsvorschriften des Binnenmarktes oder den „Grundfreiheiten“ des Binnenmarktes immer Vorrang haben;
7. weist darauf hin, dass die im Sozialpaket enthaltenen Legislativvorhaben entweder darauf abzielen, die Liberalisierung des Binnenmarktes voranzutreiben, wie im Fall der vorgeschlagenen Richtlinie über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung, die sich auf die alten Bolkestein-Vorschläge zur Gesundheitsversorgung im Rahmen der Dienstleistungsrichtlinie gründet, oder die Förderung des sozialen Fortschritts nicht ehrgeizig genug unterstützen, wie es bei dem Vorschlag zur Revision der Richtlinie über den Europäischen Betriebsrat der Fall ist; ist daher der Auffassung, dass diese Legislativvorhaben keine angemessenen Instrumente für den „Neustart für ein soziales Europa“, wie er vom französischen Ratsvorsitz proklamiert wird, darstellen;
8. weist darauf hin, dass die Gesundheitsdienste aus gutem Grund aus der Richtlinie über Dienstleistungen im Binnenmarkt ausgenommen wurden, da diese Dienste Teil der Systeme der sozialen Sicherheit und keine Angelegenheiten des Marktes sind; betont, dass keine Notwendigkeit besteht und es nicht in der Zuständigkeit der EU liegt, die Gesundheitsversorgung auf der Grundlage von Binnenmarktregeln zu regulieren; besteht darauf, dass die im Kommissionsvorschlag für eine Richtlinie behandelten Fragen im Rahmen der Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Verordnung (EG) Nr. 883/2004) gelöst und reguliert werden müssen;
9. übt scharfe Kritik an dem Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung; weist darauf hin, dass sich dieser Vorschlag auf einen auf den Binnenmarkt ausgerichteten Ansatz gründet und hauptsächlich dazu dient, wohlhabenden und gut ausgebildeten Personen zu ermöglichen, günstigere Gesundheitsleistungen im Ausland zu erwerben; betont, dass der Vorschlag die Gleichheit innerhalb der Gesundheitssysteme untergräbt, da die Rückerstattung für Patienten aus ärmeren Mitgliedstaaten nicht ausreicht, um die Behandlungskosten für hochwertige Gesundheitsleistungen in reicheren Mitgliedstaaten zu decken;
10. übt scharfe Kritik an der Tatsache, dass es dem Kommissionsvorschlag für die Revision der Richtlinie über die Europäischen Betriebsräte an Ehrgeiz mangelt; erinnert die Kommission an die Forderungen des Parlaments im Hinblick auf die Revision dieser Richtlinie, die bereits vor sieben Jahren in seiner Entschließung vom 4. September 2001 erhoben und bislang nicht berücksichtigt wurden;
11. betont die im Folgenden genannten grundlegenden Anforderungen im Hinblick auf die Revision der Richtlinie über die Europäischen Betriebsräte: eine verbesserte Definition der Begriffe „Unterrichtung“ und „Anhörung“ (rechtzeitig zur Verfügung gestellte und ausführliche schriftliche Informationen) sowie der länderübergreifenden Angelegenheiten, Absenkung der Schwellen für die Einsetzung von Europäischen Betriebsräten, Anerkennung der Rolle und der Rechte von Gewerkschaften, verbesserte Arbeitsbedingungen für Europäische Betriebsräte, wirksame, angemessene und abschreckende Strafen für Unternehmen, die sich über die Bestimmungen dieser Richtlinie hinwegsetzen und Ausstattung der Europäischen Betriebsräte mit dem Recht, gegen Pläne der Unternehmensführung für Umstrukturierungen, Unternehmenszusammenschlüsse und Übernahmen oder Entlassungen Einspruch zu erheben, wodurch alle endgültigen Entscheidungen aufgeschoben werden, bis der Europäische Betriebsrat alternative Lösungen anbieten kann, die gemeinsam von ihm und der Unternehmensführung ausführlich erörtert wurden;
12. begrüßt die Tatsache, dass die Kommission eine horizontale Richtlinie zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes außerhalb des Beschäftigungsbereichs vorschlägt; übt scharfe Kritik an der Tatsache, dass Versicherungen und andere Finanzprodukte von dieser Richtlinie ausgenommen werden sollen, wodurch der Finanz- und Versicherungsbranche ermöglicht wird, ihre diskriminierenden Praktiken fortzusetzen, die darin bestehen, höhere Beitragszahlungen von Personen zu verlangen, die aufgrund ihres Gesundheitszustands, ihres Alters, ihres Geschlechts oder einer Behinderung ein höheres Risiko darstellen;
13. weist darauf hin, dass Staatsangehörigen aus Drittländern Zugang zur Beschäftigung in der EU sowie zu gleichen Rechten, insbesondere in Bezug auf Entlohnung, Tarifverhandlungen und sozialen Schutz, eingeräumt werden muss; drängt darauf, dass alle Bestimmungen, die in dem von der UN-Generalversammlung am 18. Dezember 1990 angenommenen Internationalen Übereinkommen über den Schutz der Rechte von Wanderarbeitnehmern und ihrer Familienangehörigen festgelegt wurden, in die europäischen Entscheidungen und Rahmenbeschlüsse einbezogen werden; unterstützt den Gedanken einer Aufenthaltsgenehmigung für die Arbeitssuche;
14. nimmt die Bemühungen der Kommission zur Kenntnis, die Außenwirkung und die Arbeitsmethoden in Bezug auf die Strategie der EU zu sozialer Eingliederung und Sozialschutz zu verbessern und ihr Zusammenspiel mit anderen Politikbereichen zu stärken; weist jedoch darauf hin, dass Kommission und Rat die Forderungen des Parlaments nach Aufnahme neuer Leitlinien für die soziale Eingliederung in die Beschäftigungsleitlinien 2008–2010 abgelehnt haben und somit die Außenwirkung und das Zusammenspiel mit anderen Politikbereichen nicht verbessert werden konnten;
15. unterstützt den Vorschlag der Kommission, Ziele für die Armutsbekämpfung (Armut im Allgemeinen, Kinderarmut, Armut trotz Beschäftigung und anhaltende Langzeitarmut), für eine Mindestrente und für den Zugang zu Gesundheitsleistungen und deren Qualität (Verringerung der Kindersterblichkeit, Verbesserung des Gesundheitszustands und der Lebenserwartung usw.) für die nächste Phase der EU-Strategie zu sozialer Eingliederung und Sozialschutz festzusetzen; besteht darauf, dass solche Ziele auch für Mindesteinkommenssysteme (60 Prozent des nationalen Durchschnittseinkommens) und Mindestlöhne (60 Prozent des nationalen oder des sektorspezifischen Durchschnittslohns) festgesetzt werden, damit die Armut bekämpft und die soziale Eingliederung gefördert werden kann;
16. unterstützt das Ziel der Kommission, das Konzept von menschenwürdiger Arbeit in den internen und externen Politikbereichen der EU zu fördern; weist darauf hin, dass der Begriff der „frei gewählten Beschäftigung“ ein wichtiger Pfeiler dieses Konzepts ist und diese gewährleistet werden muss; fordert daher, dass die Mitgliedstaaten ihre arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zurücknehmen, mit denen Arbeitslose in nicht frei gewählte, gering bezahlte und unsichere Arbeitsverhältnisse oder zum Erwerb einer Sozialleistung durch Arbeit (Workfare-Programme) gezwungen werden;
17. unterstützt den Vorschlag der Kommission, die im Internationalen Seearbeitsübereinkommen (ILO MLC 2006) festgelegten Arbeitsstandards in das europäische Arbeitsrecht aufzunehmen und dabei die europäischen Übereinkommen zwischen den Arbeitgebern und den Gewerkschaften in diesem Sektor zugrunde zu legen; unterstützt zudem die Bemühungen der Kommission, die ILO-Übereinkommen vorrangig umzusetzen; unterstreicht jedoch, dass das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Rüffert im Widerspruch zu dem ILO-Übereinkommen 94 steht, in dem ausdrücklich die Berücksichtigung von Kollektivverträgen in vergaberechtlichen Vorschriften gefordert wird; fordert den Rat und die Kommission auf, das ILO-Übereinkommen 94 auf die Liste der vorrangig umzusetzenden Bestimmungen zu setzen;
18. stimmt mit der Kommission darin überein, dass weitere Maßnahmen erforderlich sind, um die geschlechterspezifische Lohnkluft in der Europäischen Union zu verringern und zu beseitigen; fordert die Kommission und den Rat auf, den Rechtsrahmen weiterhin zu stärken, ein Ziel für die Verringerung der geschlechterspezifischen Lohnkluft auch im Zusammenhang mit dem Zugang zur Berufsbildung und der Anerkennung der Qualifikationen und Fähigkeiten von Frauen sowie im Hinblick auf die geschlechterspezifische Lohnkluft bei Teilzeitbeschäftigten und die geschlechterspezifische Rentenkluft festzulegen und die Anwendung des Gleichheitsgrundsatzes in öffentlichen Verträgen zu fördern;
19. nimmt den Bericht der Kommission über die gemeinschaftlichen Instrumente und Maßnahmen für die Integration der Roma zur Kenntnis; betont, dass entschlossene Maßnahmen zur Integration der Roma (Aktionsplan für Roma), wie sie in Entschließungen des Parlaments zu diesem Thema gefordert wurden, notwendig sind;
20. weist darauf hin, dass ein wirksames Sozialpaket, das den sozialen Fortschritt fördert, durch wirtschaftliche und strukturpolitische Maßnahmen ergänzt werden muss; ist der Auffassung, dass die Währungspolitik der EZB gelockert werden muss, um den Folgen der gegenwärtigen Konjunkturverlangsamung in Europa entgegenzuwirken; fordert die Kommission und den Rat auf, ein Europäisches Investitionsprogramm für nachhaltige Entwicklung, Beschäftigung und soziale Eingliederung in Höhe von 1 % des BIP der EU auszuarbeiten, das durch ähnliche öffentliche Investitionsprogramme der Mitgliedstaaten ergänzt werden sollte, um die Wirtschaft zu stabilisieren und dem Klimawandel entgegenzuwirken; schlägt vor, dass die Mitgliedstaaten ebenfalls Maßnahmen zur Stabilisierung und Steigerung der Kaufkraft von Geringverdienern ergreifen (steigende Preise für Lebensmittel, Energie, Verkehr), z. B. durch die Einführung von sozialen Regeltarifen für Gas, Strom, Telekommunikation, öffentliche Verkehrsmittel usw.;
21. verweist auf die Tatsache, dass die gegenwärtige Lissabon-Strategie der Europäischen Union im Jahr 2010 ausläuft; ist der Auffassung, dass bereits jetzt eingehende Überlegungen über eine künftige Strategie für die Zeit nach 2010 angestellt werden müssen; betont, dass die gegenwärtige Konzentration auf die Liberalisierung des Marktes und die Wettbewerbsfähigkeit aufgegeben und durch eine neue integrierte europäische Strategie für Solidarität und nachhaltige Entwicklung ersetzt werden muss, die sich auf vier untereinander gleichberechtigte Pfeiler (Wirtschaft, Umwelt, Beschäftigung sowie Sozialschutz und soziale Eingliederung) stützt;
22. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und den Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.