ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
1.10.2008
gemäß Artikel 108 Absatz 5 der Geschäftsordnung
von Michel Rocard, Véronique De Keyser und Libor Rouček
im Namen der PSE-Fraktion
zu der Politik für den Arktischen Raum
Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B6-0523/2008
B6‑0526/2008
Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Politik für den Arktischen Raum
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf das Internationale Polarjahr (von März 2007 bis März 2009),
– unter Hinweis auf die in diesem Herbst zu erwartende Mitteilung der Kommission über die Politik für den Arktischen Raum,
– unter Hinweis auf die am 10. Oktober 2007 veröffentlichte Mitteilung der Kommission „Eine integrierte Meerespolitik für die Europäische Union“ (das „Blaubuch“),
– unter Hinweis auf den vom Hohen Vertreter und der Kommission veröffentlichten Bericht vom 14. März 2008 an den Europäischen Rat zu dem Thema Klimawandel und internationale Sicherheit,
– unter Hinweis auf seine Entschließungen von 2003, 2005 und 2006 zur Nördlichen Dimension,
– unter Hinweis auf das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ), das vom Senat der USA noch nicht ratifiziert worden ist,
– unter Hinweis auf die Ergebnisse des Berichts zur Bewertung der Auswirkungen auf das Klima des Arktischen Raums,
– unter Hinweis auf die achte Konferenz der Parlamentarier des Arktischen Raums, die vom 12. bis 14. August 2008 in Fairbanks/Alaska stattfand,
– unter Hinweis auf die Ilulissat-Erklärung, die im Mai 2008 von den „A5-Staaten“ (Dänemark, Kanada, Norwegen, Russland und USA) verabschiedet wurde,
– unter Hinweis auf die Abschlusserklärung des Vorsitzes der Konferenz mit dem Thema „Die Arktis: Unsere gemeinsame Aufgabe“, die am 9./10. September 2008 vom Nordischen Ministerrat in Ilulissat (Grönland) veranstaltet wurde und an der die Kommission uneingeschränkt teilgenommen hat,
– gestützt auf Artikel 108 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die geopolitische und strategische Bedeutung des Arktischen Raums zunimmt, was im August 2007 durch die Aufstellung einer russischen Flagge auf dem Meeresboden unter dem Nordpol symbolisiert worden ist,
B. unter Hinweis darauf, dass vor Kurzem auf der Konferenz der Parlamentarier des Arktischen Raums gewählte Vertreter des Europäischen Parlaments, Kanadas, Dänemarks, Grönlands, Islands, Finnlands, Norwegens, Schwedens, Russlands und der Vereinigten Staaten zusammengekommen sind, um Probleme der Sicherheit auf See, der Gesundheitspolitik, des Umweltschutzes und der nachhaltigen Entwicklung zu erörtern,
C. unter Hinweis darauf, dass der Arktische Raum noch immer keinen multilateralen Rechtsnormen oder -regeln unterliegt, weil nicht erwartet wurde, dass hier eine Schifffahrtsstrecke oder ein kommerziell nutzbarer Raum entstehen würde,
D. in der Erwägung, dass der Seeverkehr in arktischen Gewässern in den letzten Jahren exponentiell zugenommen hat, was zum einen durch das gestiegene Interesse an Offshore-Plattformen und zum anderen durch die immer häufigere Durchfahrt von Handels- oder Kreuzfahrtschiffen durch die Nordwestpassage bedingt ist,
E. unter Hinweis darauf, dass möglicherweise rund 20 % der unerschlossenen Erdgas- und Erdölreserven der Welt auf den Arktischen Raum entfallen,
F. unter Hinweis darauf, dass zu den EU-Mitgliedstaaten drei Staaten des Arktischen Raums gehören und dass weitere zwei Staaten dieses Raums zu ihren engsten Nachbarn zählen, die über das EWR-Abkommen am Binnenmarkt teilhaben, sodass mehr als die Hälfte der Mitglieder des Arktischen Rates EU-Mitgliedstaaten bzw. assoziierte Länder sind,
G. unter Hinweis darauf, dass der Arktische Rat auf seiner Konferenz bereits den Klimawandel in diesem Raum, seine Auswirkungen auf die indigenen Bevölkerungen und die mögliche Anpassung an den Klimawandel behandelt hat,
H. unter Hinweis darauf, dass die Erderwärmung im Arktischen Raum weitaus schneller vor sich geht als in der übrigen Welt, und zwar um 2° C in den vergangenen 100 Jahren, weltweit dagegen im Schnitt nur um 0,6° C,
I. in der Erwägung, dass die Veränderungen der Klimabedingungen in der Arktis bereits ein derartiges Maß angenommen haben, dass die Inuit-Bevölkerung beispielsweise nicht mehr in der traditionellen Weise jagen kann, weil das Eis zu dünn für ihre Schlitten geworden ist, während Wildtiere wie Eisbären, Walrösser und Füchse vom Schwund eines großen Teils ihrer Lebensräume bedroht sind,
1. erklärt sich zutiefst besorgt über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Lebensbedingungen für die indigenen Bevölkerungen in diesem Raum unter dem Aspekt der allgemeinen Umweltsituation (schwindende Eiskappe, auftauender Permafrostboden, steigender Meeresspiegel, Überschwemmungen) und der Artenvielfalt, weil der Schwund der Eisdecke die Nahrungsgrundlage der Eisbären bedroht, und betont, dass bei internationalen Entscheidungen über diese Probleme alle Menschen und Nationen des Arktischen Raums berücksichtigt werden müssen;
2. begrüßt die Abschlussbericht, den die Konferenz der Parlamentarier des Arktischen Raums am 14. August 2008 in Fairbanks verabschiedet hat;
3. begrüßt es, dass der hohe Norden Gegenstand der Politik der Europäischen Union für die Nördliche Dimension ist, ist jedoch davon überzeugt, dass das Bewusstsein von der Bedeutung der Arktis im weltweiten Kontext zusätzlich gestärkt werden muss, und fordert deshalb eine differenzierte Politik der EU für den Arktischen Raum;
4. betont die Bedeutung, die die Arktis in dieser Hinsicht für das Weltklima hat, und gibt der Hoffnung Ausdruck, dass sich die gegenwärtige Unterstützung für Forschungstätigkeiten in diesem Raum über das Internationale Polarjahr hinaus fortsetzt;
5. sieht der angekündigten Mitteilung der Kommission über die Politik für den Arktischen Raum mit großem Interesse entgegen und gibt der Hoffnung Ausdruck, dass darin die Grundlagen für eine sinnvolle Arktis-Politik in der EU gelegt werden; fordert die Kommission auf, in ihrer Mitteilung mindestens folgende Themen zu behandeln:
- a)Sachstand bezüglich des Klimawandels in diesem Raum und der Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel,
- b)Politikoptionen, die den indigenen Bevölkerungsgruppen und ihrer Lebensweise Rechnung tragen,
- c)die Notwendigkeit, mit unseren Nachbarn im Arktischen Raum in Bezug auf staatenübergreifende Probleme und insbesondere die Sicherheit auf See zusammenzuarbeiten,
- d)im Einzelnen Optionen für eine künftige staatenübergreifende politische Struktur informeller oder rechtlicher Art zu sondieren, mit der für den Schutz der Umwelt und eine nachhaltige, geregelte Entwicklung dieses Raums gesorgt oder bei politischer Uneinigkeit über die Ressourcen und die Schifffahrtsstrecken im hohen Norden vermittelt werden kann;
- e)die Risiken einer möglichen Nutzung der Arktis zu strategischen oder militärischen Zwecken und die Notwendigkeit, das Nordpolarmeer zu einer entmilitarisierten und atomfreien Zone zu machen;
6. fordert die Kommission auf, die Energie- und die Sicherheitspolitik im Arktischen Raum auf ihre Tagesordnung zu setzen und die Themen und Verfahren für die notwendige Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Union und den Staaten des Arktischen Raums vorzuschlagen, besonders in den Bereichen Klimawandel, nachhaltige Entwicklung und Sicherheit auf See;
7. vertritt die Auffassung, dass für den Seeverkehr in diesem Raum (Handelsschifffahrt, touristischer Verkehr und mit Offshore-Bohrplattformen zusammenhängender Verkehr) internationale Mindestnormen für die Sicherheit gelten sollten, nach dem Muster der Normen, die in sonstigen internationalen Gewässern üblich sind, und fordert die Kommission nachdrücklich auf, möglichst bald entsprechende Änderungen der Vorschriften der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) auszuarbeiten und für sie einzutreten;
8. betont die externen Aspekte der Energiepolitik und die Rolle des Arktischen Raums im Zuge der Formulierung der Energiepolitik für Europa (EPE), die vom Europäischen Rat auf der Tagung im März 2007 vorgeschlagen wurde;
9. unterstützt das Anliegen des Arktischen Rates, den Arktischen Raum als Raum mit geringen Spannungen zu erhalten, der für internationale Forschungszusammenarbeit offen ist;
10. empfiehlt der Kommission nachdrücklich, im Arktischen Raum entschlossen tätig zu werden, indem sie den Beobachterstatus im Arktischen Rat annimmt und eigens eine Arktis-Dienststelle einrichtet;
11. empfiehlt der Kommission nachdrücklich, die Eröffnung internationaler Verhandlungen über die Formulierung und Verabschiedung eines internationalen Vertrags über den Schutz der Arktis vorzubereiten, wie es ihn im Fall der Antarktis bereits gibt (Madrider Vertrag von 1993);
12. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission, den Regierungen der Mitgliedstaaten, Norwegen, Island, Russland, Kanada und den Vereinigten Staaten sowie den Akteuren im Rahmen der regionalen Zusammenarbeit zu übermitteln.