ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
20.10.2008
gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung
von Mieczysław Edmund Janowski, Ewa Tomaszewska, Adam Bielan, Brian Crowley und Ryszard Czarnecki
im Namen der UEN-Fraktion
zur Tagung des Europäischen Rates vom 15./16. Oktober 2008
Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B6-0543/2008
B6‑0550/2008
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Tagung des Europäischen Rates vom 15./16. Oktober 2008
Das Europäische Parlament,
– in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Vorsitzes im Anschluss an die Tagung des Europäischen Rates vom 15./16. Oktober 2008,
– unter Hinweis auf den Bericht des Europäischen Rates und die Erklärung der Kommission zur Tagung des Europäischen Rates vom 15./16. Oktober 2008,
– gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die derzeitige weltweite Wirtschafts- und Finanzlage zu zahlreichen Schwierigkeiten für KMU bei der Kreditbeschaffung sowie zu einer Zunahme der Arbeitslosigkeit und der Armut bei den Bürgern führt,
B. in der Erwägung, dass von dieser Krise viele verschiedene Akteure betroffen sind, und in der Erwägung, dass ein koordiniertes Vorgehen und rasche Reaktionen nötig sind,
C. in der Erwägung, dass das Misstrauen der Bürger gegenüber dem Banken- und Finanzsystem leicht in Verbitterung und Unmut auch gegenüber dem politischen System und den Institutionen der EU, die das Ausmaß der Krise nicht vorhergesagt haben, umschlagen könnte,
D. in der Erwägung, dass die Bekämpfung des Klimawandels eine wichtige Frage und Zielsetzung für die Europäische Union darstellt und mit einem umfassenden flexiblen Konzept auf internationaler Ebene angegangen werden sollte,
Wirtschaftskrise
1. begrüßt die rasche Reaktion des EU-Vorsitzes auf die Krise und die Annahme der EU-Leitlinien durch die Finanzminister als einen ersten wichtigen und koordinierten Schritt zur Beruhigung der Finanzmärkte; begrüßt die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates zur Ratifizierung der von der Eurogruppe vorgeschlagenen Maßnahmen und betont, dass die Bemühungen der Mitgliedstaaten auf europäischer Ebene koordiniert werden müssen, um eine Wettbewerbsverzerrung zu vermeiden;
2. ist der Auffassung, dass beim G7-Gipfeltreffen keine angemessen kreativen Antworten gefunden wurden, sondern nur eine Reihe von zu ergreifenden Maßnahmen ohne langfristige Vorschläge aufgelistet wurde; ist der Auffassung, dass in diesem Zusammenhang die Koordinierung auf EU-Ebene Vorrang haben sollte;
3. begrüßt die von der EZB und anderen Zentralbanken außerhalb des Euro-Währungsgebiets ergriffenen koordinierten Maßnahmen zur Bereitstellung von Liquidität;
4. weist nachdrücklich auf die Notwendigkeit hin, auf internationaler, europäischer und einzelstaatlicher Ebene umfassende und aufeinander abgestimmte Verantwortlichkeiten festzulegen, um kurzfristig die Finanzmärkte durch die Wiederherstellung der Liquidität wieder in Schwung zu bringen, und langfristig einen geeigneten Krisenpräventionsmechanismus zu entwickeln;
5. begrüßt den jüngsten Beschluss der EZB, die Zinsen innerhalb des Euro-Währungsgebiets zu senken;
6. begrüßt die von der Kommission eingesetzte hochrangige Gruppe, die sich mit Frage der richtigen Struktur auseinandersetzen soll, um sicherzustellen, dass die Finanzmärkte den Gegebenheiten des Binnenmarkts entsprechen und die Aufsichtsbehörden zusammenarbeiten können, um sich der Herausforderung von Banken mit grenzüberschreitender Tätigkeit zu stellen;
7. hält es für äußerst wichtig, dass ein Teil des von den Mitgliedstaaten ausgearbeiteten Rettungsplans den Familien und den KMU, und nicht nur den Bankern, zugute kommen und dafür eingesetzt werden sollte, die Einlagen aller Sparer zu schützen;
8. fordert die Kommission auf, von ihrem Initiativrecht Gebrauch zu machen und Maßnahmen zur Stärkung des Regulierungs- und Aufsichtsrahmens der EU und des Krisenmanagements auf EU-Ebene vorzuschlagen;
Vertrag von Lissabon
9. begrüßt die von der irischen Regierung auf diesem Gipfeltreffen gegebene Antwort, dass sie bis Dezember bezüglich des Vertrags von Lissabon Ansätze für eine Lösung und einen gemeinsamen Weg nach vorn festlegen wird; erkennt die von der irischen Regierung vorgenommene Analyse der Ergebnisse des Referendums an; hält die Einsetzung eines speziellen Oireachtas-Unterausschusses im irischen Parlament, der im November über die noch zu behandelnden speziellen Fragen berichten wird, für einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur Ausarbeitung einer Lösung;
Energie und Klimawandel
10. begrüßt die Entscheidung, dass das Maßnahmenpaket für den EU-Energiemarkt noch vor Ende der Wahlperiode verabschiedet werden soll;
11. nimmt zur Kenntnis, dass eine Übereinkunft über die tatsächliche Entkopplung des Netzbetriebs (tatsächliche Entflechtung) erzielt wurde, betont aber, dass nur eine Übereinkunft über Bedingungen für einen lauteren Wettbewerb (gleiche Wettbewerbsbedingungen) und die Drittlandsklausel das reibungslose Funktionieren des EU-Energiemarktes gewährleisten kann;
12. betont ferner, dass insbesondere angesichts der Bedenken der EU hinsichtlich des Dialogs zwischen der EU und Russland eine Übereinkunft über das Energiepaket notwendig ist, um kurzfristig die Energieeffizienz und eine zuverlässige Energieversorgung in der EU zu gewährleisten;
13. verpflichtet sich, eng mit dem Rat und der Kommission zusammenzuarbeiten, um eine wirksame und praktikable Vereinbarung über das Paket „Energie und Klimawandel“ zu erzielen; ermutigt dessen ungeachtet, im Bemühen, die europäischen Branchen sowie die Beschäftigten und Verbraucher, insbesondere in Zeiten einer Finanzmarktkrise, zu schützen, den Rat und die Kommission, die Risiken der Verlagerung von CO2-Emissionen („carbon leakage“) ernsthaft zu berücksichtigen, und weist erneut darauf hin, dass es für die EU-Industrie von entscheidender Bedeutung ist, dass für die Sektoren, die der Gefahr der Verlagerung und des Rückgangs der Wettbewerbsfähigkeit am stärksten ausgesetzt sind, die erforderlichen Flexibilitätsmaßnahmen ergriffen werden;
14. ist der Ansicht, dass dies von größter Bedeutung ist, um der EU die notwendige Glaubwürdigkeit zu verschaffen, damit sie mit Blick auf die Verhandlungen bei den COP15-Gesprächen in Kopenhagen über eine Übereinkunft für die Zeit nach 2012 auf internationaler Ebene eine Führungsrolle übernehmen kann;
15. ist der Auffassung, dass es mit Blick auf ein globales effektives Ergebnis im Kampf gegen den Klimawandel von größter Bedeutung ist, alle internationalen Akteure, insbesondere die Industrieländer, ernsthaft einzubinden;
16. fordert die Kommission auf, die spezifische Lage eines jeden Mitgliedstaats, insbesondere aber der Mitgliedstaaten mit auf der Kohleförderung beruhenden Volkswirtschaften und Sektoren, zu berücksichtigen, und betont, dass die Kommission die unterschiedlichen Niveaus der wirtschaftlichen Entwicklung in den Mitgliedsländern berücksichtigen sollte;
Energieversorgungssicherheit
17. fordert den Rat und die Kommission auf, ihre Bemühungen für die weitere Ausarbeitung einer gemeinsamen Energiepolitik, die u. a. der Notwendigkeit einer Diversifizierung der Energiequellen Rechnung trägt, fortzusetzen, da einige Länder, die als Energieversorger fungieren, Energie als politische Waffe gegen EU-Mitgliedstaaten einsetzen;
18. fordert den Rat und die Kommission auf, die Verlegung der Nordstream-Pipeline angesichts des Risikos einer zunehmenden Abhängigkeit von russischem Erdgas nach Fertigstellung des Projekts sowie angesichts der Kosten und der Gefahren für die Umwelt und der Schlussfolgerungen des vom Parlament angenommenen Berichts Libicki von der Liste der strategischen EU-Projekte zu streichen;
19. fordert die Kommission auf, ihre Bemühungen um die weitere Verlegung der Nabucco-Pipeline zu intensivieren, die die ernsthafteste Alternative zu den in Zusammenarbeit mit Russland durchgeführten Projekten darstellt, die alle potenziell zu einer größeren wirtschaftlichen und politischen Abhängigkeit der EU-Mitgliedstaaten von Russland führen;
Einwanderung und Asyl
20. begrüßt die Annahme des vom Ratsvorsitz unterbreiteten Europäischen Paktes zu Einwanderung und Asyl, bei dem der Schwerpunkt auf einer besseren Steuerung der Migration liegt; erwartet von der EU, dass sie den Pakt mit Blick auf die Durchführung einer umfassenden europäischen Einwanderungs- und Asylpolitik umsetzt;
Russland, Georgien und Politik gegenüber den östlichen Nachbarn
21. betont, dass die Europäische Union auf der Grundlage einen strikten und entschiedenen Position der wichtigste Akteur bei der Beilegung des Konflikts zwischen Russland und Georgien sein muss;
22. betont, dass die Georgienkrise wichtige Folgen für die gesamte Region, für die Europäische Union und für die Energieversorgungssicherheit in Europa hat;
23. fordert die Kommission auf, die Vertagung des EU-Russland-Gipfeltreffens bis zu dem Zeitpunkt zu erwägen, wo Russland seinen Verpflichtungen aus dem Waffenstillstandsabkommen nachkommt und die russischen Streitkräfte sich auf ihre Positionen vor dem 7. August 2008 zurückziehen;
24. bekräftigt seine Forderung, die Treffen zur Aushandlung des Partnerschaftsabkommens mit Russland bis zum vollständigen Abzug der russischen Truppen aus dem georgischen Territorium zu vertagen;
25. fordert den Europäischen Rat und die Kommission auf, ihre Politik gegenüber Russland zu überprüfen, zumal die Russische Föderation angekündigt hat, 7 600 Soldaten in Abchasien und Südossetien stationiert zu lassen;
26. betont, dass die Überwachungsmission der Europäischen Union derzeit nicht in der Lage ist, die Sicherheit in Georgien zu gewährleisten, und dass die an Abchasien und Südossetien angrenzenden Gebiete weiterhin außerhalb ihres Einflussbereichs liegen; weist darauf hin, dass die georgische Zivilbevölkerung in diesen Gebieten weiterhin systematisch schikaniert wird: So wurden in mehr als einem halben Dutzend Dörfern mit georgischer Bevölkerung in Südossetien und in der Umgebung von Südossetien Häuser abgebrannt, es kam zu Plünderungen durch bewaffnete Männer und ethnische Georgier wurden unter Gewaltanwendung bedroht, ihre Dörfer zu verlassen;
27. betont, dass die einzige Erfolg versprechende Politik der politische Austausch ist; ist in diesem Zusammenhang der Auffassung, dass die Entscheidung, das Einreiseverbot in die EU für führende Politiker Weißrusslands, u. a. Präsident Alexander Lukaschenko, aufzuheben, verfrüht war und lediglich auf Annahmen beruhte;
28. fordert den Rat und die Kommission auf, in einen echten Dialog mit den weißrussischen Behörden auf der Grundlage eines an Bedingungen geknüpften abgestuften Ansatzes zusammen mit Benchmarks, Zeitplänen, Revisionsklauseln und angemessenen Finanzmitteln einzutreten;
29. fordert die weißrussischen Behörden auf, die grundlegenden Menschenrechte und Freiheiten zu achten, indem sie
- ∙unabhängige und freie Medien gewährleisten,
- ∙alle Schwierigkeiten beseitigen, die Nichtregierungsorganisationen an einer ordnungsgemäßen Registrierung hindern,
- ∙die Behandlung nationaler Minderheiten verbessern und u. a. die legal gewählte Vereinigung der Polen unter Führung von Angelika Borys anerkennen;
30. betont, wie wichtig es ist, die Beziehungen der EU zu ihren Nachbarn auf dem Balkan und im Osten zu verbessern, und fordert den Rat und die Kommission auf, die notwendigen Schritte zu ergreifen, um eine engere Zusammenarbeit sicherzustellen, damit wir unseren Partnern auf dem Balkan und in Osteuropa klare Beitrittsperspektiven bieten können;
31. begrüßt die Schlussfolgerungen des Rates zur europäischen Nachbarschaftspolitik, zu ihrer östlichen Dimension und zu den Bemühungen um eine wirtschaftliche Modernisierung und Demokratisierung; betont die Notwendigkeit der Ausarbeitung einer gemeinsamen EU-Haltung gegenüber Moldawien, Georgien, Weißrussland, der Ukraine und der gesamten Kaukasusregion;
32. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission sowie den Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.