Entschließungsantrag - B6-0133/2009Entschließungsantrag
B6-0133/2009

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG

19.2.2009

eingereicht im Anschluss an Erklärungen des Europäischen Rates und der Kommission
gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung
von Jan Andersson
im Namen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten
zur Umsetzung der Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten 2008-2010

Verfahren : 2009/2519(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B6-0133/2009

B6‑0133/2009

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Umsetzung der Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten 2008-2010

Das Europäische Parlament,

–  unter Hinweis auf seine legislative Entschließung vom 20. Mai 2008 zu den Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen 2008-2010,

–  in Kenntnis der Mitteilung der Kommission vom 26. November 2008 über ein Europäisches Konjunkturprogramm (KOM(2008)0800),

–  in Kenntnis der Entscheidung des Rates vom 15. Juli 2008 über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten,

–  in Kenntnis des Vorschlags der Kommission vom 28. Januar 2009 für eine Entscheidung des Rates über Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten (KOM(2008)0869),

–  in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 11. und 12. Dezember 2008, die den gemeinschaftlichen Aktionsrahmen vorgeben, „um eine Rezessionsspirale zu vermeiden und die Wirtschaftstätigkeit und die Beschäftigung zu stützen“,

–  unter Hinweis auf seine Entschließung vom 9. Oktober 2008 zur Förderung der sozialen Integration und Bekämpfung der Armut, einschließlich der Kinderarmut, in der EU,

–  gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  unter Hinweis darauf, dass eine starke Wechselbeziehung zwischen Wirtschaftswachstum, Beschäftigung, Armutsbekämpfung und sozialer Integration besteht,

B.  in der Erwägung, dass die derzeitige Wirtschaftskrise ungekannte Herausforderungen in Form steigender Arbeitslosigkeit und sozialer Ausgrenzung mit sich bringt und die wirtschaftliche Lage in der EU sich Prognosen zufolge noch weiter verschlechtern wird, was zu einem langsameren oder sogar negativen Beschäftigungswachstum und steigender Arbeitslosigkeit in der EU im Jahr 2009 führen wird,

C.  in der Erwägung, dass die Europäische Beschäftigungsstrategie und die Beschäftigungspolitischen Leitlinien die wesentlichen Instrumente im Rahmen der Lissabon-Strategie sind, mit denen die Herausforderungen in Bezug auf den Arbeitsmarkt angegangen werden können,

D.  unter Hinweis auf die gemeinsame Verpflichtung der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten, sich den Herausforderungen der Globalisierung zu stellen und die damit verbundenen Chancen und Ungewissheiten für die Bürger zu thematisieren,

E.  in der Erwägung, dass die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise eine entschiedene und koordinierte Reaktion der EU erfordert, um Arbeitsplatzverluste zu verhindern, angemessene Einkommen für die Bürger zu gewährleisten und eine Rezession zu vermeiden sowie die derzeitigen wirtschaftlichen und beschäftigungspolitischen Herausforderungen in Chancen zu verwandeln,

F.  in der Erwägung, dass es daher dringend erforderlich ist, die Anstrengungen auf allen Regierungsebenen zu verstärken und die Sozialpartner und andere maßgebliche Akteure einzubeziehen, um in die Menschen zu investieren und die europäischen Arbeitsmärkte – insbesondere durch die Anwendung des Flexicurity-Ansatzes – zu modernisieren,

Allgemeines: Wirtschaftsaufschwung und beschäftigungspolitische Vorgaben

1.  begrüßt die Mitteilung der Kommission über ein Europäisches Konjunkturprogramm und ist erfreut, dass die Kommission darin den Schwerpunkt auf das Zusammenspiel von kurzfristigen finanzpolitischen Anreizen und der langfristigen Lissabon-Strategie und den Integrierten Leitlinien setzt; betont in diesem Zusammenhang, dass unbedingt dafür zu sorgen ist, dass alle kurzfristigen Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Ankurbelung der Wirtschaftstätigkeit dazu beitragen, die gemeinsam festgelegten Ziele zu erreichen;

2.  stellt fest, dass das zentrale Dilemma der derzeitigen Krise darin besteht, dass die wirtschaftspolitischen Instrumente der Europäischen Union noch nicht weit genug entwickelt sind, um die bevorstehenden Herausforderungen erfolgreich anzugehen; fordert deshalb eine Überprüfung und Aktualisierung der wesentlichen Politikinstrumente, insbesondere der Integrierten Politischen Leitlinien, des Stabilitäts- und Wachstumspaktes und der Strategie für nachhaltige Entwicklung, um diese Ansätze auf der Grundlage eines „New Deal“ für intelligentes Wachstum in der Europäischen Union zusammenzufassen;

3.  unterstreicht, dass die Integrierten Politischen Leitlinien vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Abschwungs neu ausgerichtet werden müssen, und fordert den Rat nachdrücklich auf, kurzfristige Maßnahmen zur Wahrung der Beschäftigungsquote von 2008 und für Investitionen in die Bekämpfung des Klimawandels zu beschließen und die Mitgliedstaaten und die Sozialpartner aufzufordern, gemäß der einzelstaatlichen Praxis und unter besonderer Berücksichtigung der am meisten gefährdeten Bevölkerungsgruppen ausreichende Einkommen zu gewährleisten; erwartet von der Kommission, dass sie in Bezug auf diese Ziele rechtzeitig vor der anstehenden Frühjahrstagung des Europäischen Rates entsprechende Initiativen ausarbeitet und Vorschläge unterbreitet;

4.  weist darauf hin, dass Bildung, Qualifizierung und Ausbildung die besten beschäftigungspolitischen Maßnahmen sind und Infrastrukturen für die Kinderbetreuung als eine der Voraussetzungen für die Steigerung der Erwerbsquote, insbesondere von Frauen, zu betrachten sind; bestärkt die Mitgliedstaaten darin, diese gemeinsamen Grundsätze in die Konsultation mit den Sozialpartnern im Rahmen ihrer nationalen Reformprogramme einzubeziehen;

Die Beschäftigungspolitischen Leitlinien 2008-2010: Sie müssen rigoros umgesetzt werden

5.  bekräftigt, dass der Flexicurity-Ansatz gemäß der Leitlinie Nr. 20 unbedingt dazu genutzt werden muss, den Zeitraum zwischen zwei Arbeitsverträgen zu überbrücken, und betont, dass dies ein hohes Schutzniveau im Rahmen der Sozialversicherungssysteme sowie eine aktive Arbeitsmarktpolitik voraussetzt;

6.  begrüßt in diesem Zusammenhang die Erklärung der Kommission, wonach es von ausschlaggebender Bedeutung ist, verstärkt auf Aktivierungsmaßnahmen insbesondere für schlecht qualifizierte Arbeitnehmer zu setzen, die Beschäftigungsbeihilfen und Kurzschulungen für besonders gefährdete Gruppen und Personen mit dem größten Langzeitarbeitslosigkeitsrisiko zu verbessern, (Um-)Schulungsmaßnahmen und die Vermittlung neuer Qualifikationen für eine Beschäftigung in den von der Krise weniger betroffenen Sektoren anzubieten, einen angemessenen sozialen Schutz zu gewährleisten, der Einkommenssicherheit bietet, sowie sich vorbehaltlos zum sozialen Dialog und zur Einbeziehung der Sozialpartner zu bekennen;

7.  erachtet gezielte Maßnahmen für die am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen – und insbesondere für Langzeitarbeitslose, Menschen mit Behinderungen und Migranten – in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit für äußerst wichtig;

8.  ist der Ansicht, dass die Kommission angesichts des Ausmaßes der Krise bereit sein muss, außergewöhnliche Maßnahmen zu treffen, einschließlich der Ausweitung des Zugangs zum Fonds zur Anpassung an die Globalisierung, der in der Lage sein muss, die Arbeitnehmer in vielen Fällen zu unterstützen, auch Arbeitnehmer mit befristeten Arbeitsverträgen, die ihren Arbeitsplatz verloren haben, sowie eine vorübergehende Öffnung des Europäischen Sozialfonds für Maßnahmen zur Erhaltung von Arbeitsplätzen durch Ausbildung;

9.  ist der Ansicht, dass die Wirtschaftskrise eine Ausweitung der gemeinschaftlichen Maßnahmen im Bereich der Umstrukturierungen, und insbesondere eine Stärkung der Rechte auf Information und Konsultation, erfordert;

10.  vertritt die Auffassung, dass bei der nächsten Reform der gemeinschaftlichen Strukturfonds deren Ziele stärker auf die Schaffung von dauerhaften, hochwertigen Arbeitsplätzen ausgerichtet werden sollten;

11.  erachtet ferner die Bildung für äußerst wichtig, nicht nur um die Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitnehmer zu verbessern, sondern auch um ihre Mobilität zu fördern, was für das Funktionieren des Binnenmarkts grundlegend ist; betont daher, dass formell oder informell erworbene Qualifikationen unbedingt anerkannt werden müssen;

12.  erachtet die Leitlinie Nr. 23 und erhebliche Investitionen in das lebenslange Lernen im Hinblick auf die Verringerung der Arbeitslosigkeit sowie die Erreichung des Ziels, bessere Arbeitsplätze in Europa zu schaffen, als besonders wichtig; betont in diesem Zusammenhang, dass alle Bürger gleichen Zugang und die gleichen Möglichkeiten haben müssen, sich an Programmen für das lebenslange Lernen zu beteiligen, wobei besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist; unterstreicht, dass unverzüglich Mittel aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) und dem Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (EGF) zur Finanzierung derartiger Maßnahmen bereitgestellt werden sollten;

13.  bedauert, dass in allen Ländern die Wahrscheinlichkeit der Teilnahme an Bildungs- und Ausbildungsprogrammen sowie an Programmen für das lebenslange Lernen für Personen mit dem geringsten Ausbildungsniveau, ältere Menschen, Menschen in ländlichen Gebieten und Behinderte am geringsten ist;

14.  betont, dass die Verbesserung des Unterrichts in der Erwachsenenbildung ein entscheidender Faktor für die Erhöhung der Teilnehmerzahl ist und dass Maßnahmen zur Förderung eines wirksamen Unterrichts die Verfügbarkeit von geeigneten Räumlichkeiten und lokalen Kinderbetreuungsmöglichkeiten, Angebote des offenen Lernens und der Fernlehre für Bürger in entlegenen Gebieten, Informations- und Beratungsdienste sowie maßgeschneiderte Programme und flexible Unterrichtsmodalitäten umfassen;

15.  weist darauf hin, dass die Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen in Europa nach wie vor zu hoch ist; erinnert ferner daran, dass Erfahrungen bei früheren Wirtschaftskrisen gezeigt haben, dass junge Erwachsene, die nach der Ausbildung arbeitslos werden, wesentlich größere Schwierigkeiten haben, eine Beschäftigung zu finden; erachtet es daher als besonders wichtig, dass alle Mitgliedstaaten das Ziel gemäß der Leitlinie Nr. 18 erreichen, wonach jedem Jugendlichen nach Schulabschluss innerhalb von vier Monaten eine Stelle, Lehrstelle, Zusatzausbildung oder andere Maßnahme zur Förderung der Beschäftigungsfähigkeit angeboten werden soll;

16.  fordert ein entschiedenes Vorgehen im Zusammenhang mit der niedrigen Erwerbsquote von Frauen; weist darauf hin, dass die Erwerbsquote von Frauen im Allgemeinen niedriger ist und dass Frauen eher als Männer eine Teilzeitbeschäftigung ausüben; erachtet daher eine Politik, auf deren Grundlage Männer und Frauen gleiche Verantwortung tragen, für wesentlich; fordert die Mitgliedstaaten auf, ihren Verpflichtungen gemäß den Barcelona-Zielen nachzukommen, damit diese Zielsetzungen erreicht werden können;

17.  stellt mit Besorgnis fest, dass sich Teilzeitstellen, die zum Großteil von Frauen besetzt werden, als besonders anfällig für die Auswirkungen der Wirtschaftskrise erweisen;

18.  ist der Ansicht, dass in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit der regionale und soziale Zusammenhalt offensichtlich gefährdet ist, und erachtet daher die Leitlinie Nr. 17 als besonders wichtig, wonach der soziale und territoriale Zusammenhalt gestärkt werden muss, um Defiziten in diesem Bereich vorzubeugen;

19.  erachtet insbesondere in wirtschaftlichen Krisenzeiten Investitionen in den Wohlfahrtsektor als unerlässlich; ist der Ansicht, dass dieser Sektor viele wichtige Dienstleistungen für die Gemeinschaft erbringt und einem großen Teil der Bevölkerung Beschäftigung bietet; betont, dass der Wohlfahrtsektor daher erhalten werden muss, um einem Qualitätsverlust bei den Gemeinschaftsdiensten und einem Anstieg der Arbeitslosigkeit vorzubeugen;

20.  stellt mit Bedauern fest, dass es möglicherweise während der Wirtschaftskrise in manchen Unternehmen als freiwillige Alternative zu Entlassungen zu gewissen Lohneinbußen kommt; erachtet es jedoch als äußerst wichtig, keine allgemeinen Lohnsenkungen infolge der Krise zuzulassen; erachtet folgende Aspekte als wichtig:

–  jeder Mitgliedstaat sollte gemäß seinen nationalen Traditionen und Praktiken eine Politik entwickeln, um Wettbewerb auf der Grundlage von Armutslöhnen vom Markt zu verweisen;

–  kollektiv ausgehandelte Tarifvereinbarungen sollten einen breiten Geltungsbereich haben;

–  die Hierarchie der Kollektivverträge sollte geachtet werden;

–  die in Kollektivverträgen und/oder im Arbeitsrecht festgelegten Löhne und Arbeitsbedingungen sollten auch wirklich respektiert und angewandt werden;

Die Wirtschaftskrise erfordert ein koordiniertes Vorgehen

21.  betont, wie wichtig vorausschauende und koordinierte Investitionen in allen Mitgliedstaaten, auch in die Produktionsinfrastrukturen, die Bildung und die Bekämpfung des Klimawandels, sind, um das Ziel zu erreichen, die Beschäftigungsrate zu erhöhen, zur Schaffung von hochwertigen Arbeitsplätzen beizutragen und den sozialen Zusammenhalt zu gewährleisten; betont in diesem Zusammenhang, dass die EU unbedingt die Entwicklung eines modernen und nachhaltigen Industriesektors fördern muss;

22.  erachtet es als wichtig, nicht nur zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen, sondern auch die Qualität der bereits bestehenden Arbeitsplätze zu erhalten und zu verbessern;

23.  fordert die Mitgliedstaaten auf, weiterhin eine größere Eigenverantwortung zu fördern und die Beteiligung aller betroffenen Akteure einschließlich der Sozialpartner und anderer Interessenvertreter erforderlichenfalls zu verbessern, um die beschäftigungspolitischen Leitlinien effektiv umzusetzen;

24.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und dem Wirtschafts- und Sozialausschuss zu übermitteln.