ENTSCHLIESSUNGSANTRAG
18.3.2009
gemäß Artikel 103 Absatz 2 der Geschäftsordnung
von Rebecca Harms
im Namen der Verts/ALE-Fraktion
zu der Zukunft der Automobilindustrie in Europa
B6‑0156/2009
Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Zukunft der Automobilindustrie in Europa
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates vom 23. und 24. März 2000 in Lissabon,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 2. Februar 2005 für die Frühjahrstagung des Europäischen Rates mit dem Titel „Zusammenarbeit für Wachstum und Arbeitsplätze – Ein Neubeginn für die Strategie von Lissabon“ (KOM(2005) 24 endgültig),
– unter Hinweis auf den Abschlussbericht der hochrangigen Gruppe mit dem Titel „CARS 2 – Ein wettbewerbsfähiges Kfz-Regelungssystem für das 21. Jahrhundert“, der im Jahr 2006 veröffentlicht wurde,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 7. Februar 2007 mit dem Titel „Ein wettbewerbsfähiges Kfz-Regelungssystem für das 21. Jahrhundert – Stellungnahme der Kommission zum Schlussbericht der hochrangigen Gruppe CARS 21“ (KOM(2007) 22 endgültig),
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates vom 15. und 16. Oktober 2008 in Brüssel,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 29. Oktober 2008 mit dem Titel „Aus der Finanzkrise in den Aufschwung: Ein Aktionsrahmen für Europa“ (KOM(2008) 706 endgültig),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission an den Europäischen Rat vom 26. November 2008 mit dem Titel „Europäisches Konjunkturprogramm“ (KOM(2008) 800 endgültig),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 4. März 2009 für die Frühjahrstagung des Europäischen Rates mit dem Titel „Impulse für den Aufschwung in Europa“ (KOM(2009) 114 endgültig),
– unter Hinweis auf die Erklärungen des Rates und der Kommission vom 4. Februar 2009 zu den Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise auf die Automobilindustrie,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 25. Februar 2009 mit dem Titel „Maßnahmen zur Bewältigung der Krise in der europäischen Automobilindustrie“ (KOM(2009) 104 endgültig),
– unter Hinweis auf den neuen befristeten Rahmen für Maßnahmen staatlicher Beihilfe, der im Dezember 2008 angenommen wurde,
– gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass sich die europäische Automobilindustrie in einer noch nie dagewesenen Krise befindet, die auf dem Zusammenwirken mehrerer Faktoren beruht, von denen die Finanz- und Wirtschaftskrise nur einer ist,
B. in der Erwägung, dass sich die Krise nicht nur auf die Automobilhersteller, sondern auch auf Zulieferer, Händler und Werkstätten, von denen viele kleine und mittlere Unternehmen sind, auswirkt,
C. in der Erwägung, dass die Automobilindustrie in der EU eine strukturelle Überkapazität von schätzungsweise 20 % aufweist, und in der Erwägung, dass in den nächsten vier Jahren mit einem Rückgang der Fahrzeugverkäufe um 20 bis 25 % gerechnet wird,
D. in der Erwägung, dass in der europäischen Fahrzeugindustrie direkt oder indirekt zehn Millionen Arbeitnehmer beschäftigt sind, was 6 % der erwerbstätigen Bevölkerung in der Europäischen Union entspricht, und dass Tausende von Arbeitnehmern, von denen viele befristete Arbeitsverträge hatten, bereits entlassen worden sind und Hunderttausende von Arbeitsplätzen gefährdet sind,
E. in der Erwägung, dass es in der Automobilindustrie ein riesiges Potenzial für die Schaffung von Arbeitsplätzen durch umweltfreundlichere Technologien gibt,
F. in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten begonnen haben, einzelstaatliche Maßnahmen zur Unterstützung der Industrie zu ergreifen, und in der Erwägung, dass die Kommission die Vereinbarkeit staatlicher Beihilfen mit den Wettbewerbsvorschriften der EU nach Artikel 87 und Artikel 88 des Vertrags überwachen muss,
G. in der Erwägung, dass die Emissionen im Verkehrssektor weiter zugenommen haben, während sie in allen anderen Sektoren zurückgegangen sind,
H. in der Erwägung, dass die Herausforderungen des Klimawandels eine neue Strategie für den sich zum Teil schnell entwickelnden Verkehrssektor in der Europäischen Union erforderlich machen, mit der gewährleistet wird, dass die auf den Markt gebrachten Automobile kleiner und effizienter sind,
Das Problem der Arbeitslosigkeit angehen
1. fordert die Mitgliedstaaten und die Europäische Union auf, rasch zu handeln und alle Bemühungen darauf zu konzentrieren, die negativen sozialen Auswirkungen für die in dem Sektor arbeitenden Menschen zu mindern;
2. stellt fest, dass es sich bei denjenigen Arbeitnehmern, die am meisten unter der Krise in dem Sektor leiden, nicht um die wirtschaftlichen und politischen Führer handelt, die einen Teil der Verantwortung für die derzeitige Lage tragen, weil sie falsche Strategien für den Sektor ergriffen haben;
3. betont, dass der Sektor Umstrukturierungen und Umstellungen vornehmen muss, wenn langfristige Beschäftigungsmöglichkeiten aufrechterhalten werden sollen, und fordert die Annahme geeigneter Maßnahmen, wie die Schaffung von Auffanggesellschaften für Umschulungen, um die Beschäftigung der Menschen zu sichern und gleichzeitig ihre Qualifikationen anzupassen;
4. stellt fest, dass Sektoren mit ähnlichen Qualifikationsstrukturen, wie der Bau öffentlicher Verkehrsmittel, mehr Arbeitskräfte benötigen werden, wenn eine nachhaltige Verkehrspolitik umgesetzt wird; erinnert daran, dass die Branche des öffentlichen Verkehrs 900 000 Menschen in der Europäischen Union direkt beschäftigt und viele weitere als Fahrer, Zugführer usw.;
5. fordert die Automobilindustrie auf, sich an einem „ökologischen New Deal“ zu beteiligen, der die Bekämpfung der sozialen Auswirkungen der Krise mit der Schaffung der Grundlagen für eine nachhaltigere Wirtschaft verbindet, die den Herausforderungen der Zukunft gewachsen ist;
Keine Hilfe ohne Bedingungen
6. bekräftigt, dass die Hauptverantwortung für die Bewältigung der Krise bei der Automobilindustrie liegt;
7. betont, dass mit öffentlichen Geldern nicht die Verluste von Aktionären und Managern großer Automobilhersteller, die in der Vergangenheit gewaltige Gewinne einstecken konnten, ausgeglichen werden sollten, sondern dass öffentliche Gelder hauptsächlich dazu eingesetzt werden sollten, im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie der Europäischen Union Beschäftigungsmöglichkeiten aufrechtzuerhalten und zu schaffen;
8. erinnert die Kommission daran, dass die freiwillige Vereinbarung mit der Automobilindustrie ihr Ziel nicht erreicht hat, und betont, dass ein regulierender Ansatz erforderlich ist;
9. weist Forderungen der Industrie zurück, die Einführung neuer oder geplanter Umweltanforderungen zu verschieben; ist stattdessen der Auffassung, dass die finanzielle Unterstützung der Automobilindustrie von Verbesserungen bei der Umweltfreundlichkeit, die über die gesetzlichen Anforderungen hinausgehen, und von der Gewährleistung der notwendigen Umstellung auf die Produktion ökologisch nachhaltigerer Fahrzeuge abhängig gemacht werden sollte;
10. ist der Ansicht, dass öffentliche Gelder nicht dafür ausgegeben werden dürfen, überholte Strukturen und Überkapazitäten in Schlüsselsegmenten des Sektors aufrechtzuerhalten; bekräftigt, dass staatliche Beihilfen mit den Zielen der Lissabon-Göteborg-Strategie und des Klima-Energie-Pakets vereinbar sein sollten;
11. fordert, dass staatliche Beihilfen für die Automobilindustrie von der Annahme eines Umstrukturierungs- und Umschulungsplans auf Unternehmensebene abhängig gemacht werden, damit Probleme wie Überkapazitäten durch innovative Technologien, neue Produkte und neue Qualifikationen in Angriff genommen werden;
12. erinnert daran, dass die Europäische Investitionsbank (EIB) eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung sauberen Verkehrs spielen muss, weshalb ein erhöhter Anteil von EIB-Mitteln für die Schiene, den öffentlichen Verkehr in den Städten, intermodalen Verkehr und Verkehrsmanagement erforderlich ist; fordert die EIB auf, ihre Darlehen an die Automobilindustrie schwerpunktmäßig für Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet effizienterer, saubererer und sichererer Automobile sowie für die Verbesserung der Sicherheit zu vergeben;
13. bekräftigt, dass der Einsatz von Mitteln aus EIB-Programmen und aus dem Siebten Rahmenprogramm transparent und verantwortungsvoll erfolgen und auf langfristige Nachhaltigkeit hin geprüft werden sollte, und zwar mit umfassender öffentlicher Beteiligung;
14. warnt die Mitgliedstaaten davor, einzelstaatliche Maßnahmen zu ergreifen, die einen Subventionswettlauf auslösen könnten; fordert deshalb den Rat und die Kommission auf, eine europäische Strategie zu entwickeln und Maßnahmen auf europäischer Ebene abzustimmen, um protektionistische Tendenzen zu vermeiden;
Abwrackprogramme
15. fordert die Kommission auf, rasch eine Studie zur wirtschaftlichen und ökologischen Bewertung von Abwrackprogrammen in der EU vorzulegen; fordert, dass Mitgliedstaaten, welche Abwrackprogramme durchführen, diese so konzipieren, dass sie mit niedrigen CO2-Emissionen verknüpft werden, indem CO2-Grenzen für abwrackfähige Automobile eingeführt werden, und dass eine etwaige Umgehung verhindert wird;
Hochrangige Gruppen
16. äußert seine Besorgnis, wenn Konsultationsforen der Industrie wie CARS 21 institutionalisiert werden, wenn es um Politikbereiche geht, auf die das Mitentscheidungsverfahren Anwendung findet; erinnert an den im Jahr 2006 einstimmig gefassten Beschluss seiner Konferenz der Präsidenten zu hochrangigen Gruppen und fordert die Kommission auf, ihre Unabhängigkeit beim Gebrauch ihres Initiativrechts nach den Verträgen zu gewährleisten;
17. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.