ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur externen Energieversorgungssicherheit
14.9.2009
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung
Teresa Riera Madurell, Kristian Vigenin im Namen der S&D-Fraktion
Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B7-0040/2009
B7‑0043/2009
Entschließung des Europäischen Parlaments zur externen Energieversorgungssicherheit
Das Europäische Parlament,
- in Kenntnis der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen mit dem Titel „Zweite Überprüfung der Energiestrategie, EU-Aktionsplan für Energieversorgungssicherheit und ‑solidarität“ (KOM(2008)0781), zusammen mit den Begleitdokumenten: „The Market for Solid Fuels in the EU in 2004-2006 and Trends in 2007“ (SEK(2008)2870), „Europe's current and future energy position, Demand – resources – investments” (SEK(2008)2871) und „Energy Sources, Production Costs and Performance of Technologies for Power Generation, Heating and Transport” (SEK(2008)2872),
- unter Hinweis auf das Grünbuch mit dem Titel „Hin zu einem sicheren, nachhaltigen und wettbewerbsfähigen europäischen Energienetz“ (KOM(2008)0782), zusammen mit dem Begleitdokument „Oil Infrastructures: An assessment of the existing and planed oil infrastructures within and towards the EU“ (SEK(2008)2869),
- unter Hinweis auf seine Entschließung vom 26. September 2007 mit dem Titel „Auf dem Weg zu einer gemeinsamen europäischen Energieaußenpolitik“,
- in Kenntnis des Grünbuchs der Kommission „Eine europäische Strategie für nachhaltige, wettbewerbsfähige und sichere Energie“ (KOM(2006)0105),
- unter Hinweis auf das erste Treffens des EU-Netzes von Energiesicherheitskorrespondenten (NESCO) vom 10. Mai 2007 in Brüssel,
- in Kenntnis des gemeinsamen Papiers der Kommission und des Hohen Vertreters der GASP mit dem Titel „Außenpolitik im Dienste der Energieinteressen Europas“, das dem Europäischen Rat am 15./16. Juni 2006 vorgelegt wurde,
- unter Hinweis auf seinen Standpunkt vom 18. Mai 2006 zu dem Entwurf für einen Beschluss des Rates über den Abschluss des Vertrags zur Gründung der Energiegemeinschaft durch die Europäische Gemeinschaft[1],
- unter Hinweis auf seine Entschließung vom 23. März 2006 zur Sicherheit der Energieversorgung in der Europäischen Union[2],
- unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission an den Europäischen Rat vom 12. Oktober 2006 mit dem Titel „Energiepolitische Außenbeziehungen – Grundsätze – Maßnahmen“ (KOM(2006)0590),
- unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates vom 23./24. März 2006 zur Billigung des Grünbuchs „Eine Energiepolitik für Europa“ durch den Europäischen Rat sowie vom 15./16. Juni 2006 zum gemeinsamen Papier der Kommission und des Hohen Vertreters über die Außenbeziehungen im Energiebereich,
- unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission an den Europäischen Rat und das Europäische Parlament „Eine Energiepolitik für Europa“ (KOM(2007)0001),
- unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates vom 8./9. März 2007 und des Aktionsplans (2007–2009) des Europäischen Rates für eine Energiepolitik für Europa (EPE),
- in Kenntnis des Abkommens vom 13. Juli 2009 zwischen der EU und der Türkei über den rechtlichen Rahmen für die Nabucco-Gaspipeline,
- unter Hinweis auf die am 13. Juli 2009 von 12 EU-Unternehmen unterzeichnete Absichtserklärung zur Gründung der DESERTEC-Industrie-Initiative zur Entwicklung des umfassenden Solarenergie-Potenzials im Nahen Osten und in Nordafrika,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates vom 19. und 20. März 2009,
– gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass Energiesicherheit eine wesentliche Komponente der allgemeinen Sicherheit, der Stabilität und des Wohlstands der Europäischen Union darstellt, für die es jedoch immer noch keine Grundlage in den Verträgen gibt,
B. in der Erwägung, dass trotz einiger bereits unternommener Schritte die Notwendigkeit besteht, eine wirklich gemeinsame Energiepolitik sowohl im Hinblick auf die Binnenmarktregulierung als auch im Hinblick auf externe Aspekte, die den politischen und wirtschaftlichen Interessen aller Mitgliedstaaten Rechnung trägt, zu schaffen,
C. in der Erwägung, dass trotz des Sinkens der Erdöl- und Erdgaspreise infolge der Weltfinanzkrise die langsamen Fortschritte bei der Umstellung auf nachhaltigere Brennstoffe, der Rückgang der Fördermengen aus den Öl- und Gasfeldern der Welt trotz der Entdeckung neuer Vorkommen und der kontinuierliche Anstieg der Nachfrage zwangsläufig erneut zur Anspannung der Märkte für fossile Brennstoffe und zu steigender Abhängigkeit der Verbraucherländer von den Einfuhren führen werden, sobald die Krise überwunden ist,
D. in der Erwägung, dass mehrere Mitgliedstaaten in hohem Maße von einem einzigen Erdgaslieferanten abhängig sind und unzulässige Störungen der Erdgaslieferungen zu ernsthaften Schwierigkeiten führen können, wie die letzte Gaskrise zwischen Russland und der Ukraine Anfang 2009 gezeigt hat,
E. in der Erwägung, dass zahlreiche Mitgliedstaaten nicht über ausreichende Rohstoffvorräte zur Krisenbewältigung verfügen,
F. in der Erwägung, dass sich die bestehenden Frühwarnsysteme als unzureichend für die Vorhersage der Gaskrise im Januar 2009 erwiesen haben,
G. in der Erwägung, dass vorhersehbare Gefahren für die Sicherheit von Energielieferungen weiterhin bestehen werden, solange sich die Energieliefer- und Transitländer nicht an gemeinsame und transparente Regeln halten, wie sie im Vertrag über die Energiecharta (ECT) und im Transitprotokoll festgelegt sind,
H. in der Erwägung, dass eine gemeinsame europäische Energieaußenpolitik auf der Grundlage von Solidarität, Diversifizierung, Einheit in der Verteidigung der gemeinsamen Interessen, verstärkter Zusammenarbeit mit den wichtigsten Energieerzeugern, Transit- und Verbraucherländern und Förderung der Nachhaltigkeit das Schaffen von Synergien unterstützen könnte, mit denen sich die Versorgung der Europäischen Union sichern ließe und der Einfluss und die außenpolitische Handlungsfähigkeit der EU sowie ihre Glaubwürdigkeit als globaler Akteur gestärkt würde,
1. erwartet, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten eine strategische Führungsrolle bei der Schaffung einer gemeinsamen europäischen Energieaußenpolitik übernehmen, wie es in seiner Entschließung vom 26. September 2007 mit dem Titel „Auf dem Weg zu einer gemeinsamen europäischen Energieaußenpolitik“ gefordert wird;
2. bekräftigt, dass die Verringerung der Energieabhängigkeit der EU von Drittländern durch die maximale Nutzung einheimischer Energiequellen – insbesondere erneuerbarer Energiequellen, die die wichtigsten potenziellen Energiequellen der EU sind – sowie der Verbesserung der Energieeffizienz um 20% bis zum Jahr 2020, indem diese zu einem rechtlich verbindlichen Ziel erklärt wird, von ausschlaggebender Bedeutung für die Energieversorgungssicherheit der EU ist;
3. begrüßt die Maßnahmen zur Diversifizierung und Verbesserung der Energieversorgungssicherheit der EU, wie sie von der Kommission in der zweiten Überprüfung der Energiestrategie vorgeschlagen werden; vertritt jedoch die Ansicht, dass klar definierte Prioritäten und zügiges Handeln nötig sind, um diese umzusetzen, wobei das Parlament diesbezüglich umfassend informiert werden muss;
4. begrüßt, dass die Kommission kürzlich einen Vorschlag für eine Verordnung über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Erdgasversorgung (KOM (2009)0363) angenommen hat;
5. betrachtet die Verbesserung der Verbindungen innerhalb Europas als wesentlich, da das Schließen der vorhandenen Lücken von entscheidender Bedeutung für das wirksame Funktionieren des Binnenmarktes und der Energiesolidarität ist; begrüßt in diesem Zusammenhang die Einigung zur Finanzierung der Infrastrukturprojekte als Teil des Europäischen Konjunkturprogramms;
6. unterstreicht die Bedeutung eines koordinierten europäischen Energiesicherheitssystems, in das Nabucco und andere anstehende oder von Mitgliedstaaten der EU vereinbarte Projekte, wie Nordstream, ITGI, Medgaz und South Stream, einbezogen werden; begrüßt zwar die in Bezug auf Nabucco bislang erreichten Fortschritte, betont aber die Bedeutung einer allgemeinen Regelung für die Entwicklung eines von einem bestimmten Unternehmen oder einer bestimmten Pipeline unabhängigen Korridors zur Verbindung der EU mit neuen Gasquellen im Nahen Osten und der Region am Kaspischen Meer, die auf die zügige Herstellung dieser Verbindung gerichtet ist; fordert die beteiligten Unternehmen und Mitgliedstaaten auf, in enger Zusammenarbeit mit der Kommission erste Vereinbarungen mit künftigen Lieferanten über die Einspeisung in die Gasleitungen zu schließen;
7. fordert die EU auf, mit den Ländern des Mittelmeerraums und Nordafrikas zusammenzuarbeiten, insbesondere wegen des enormen Potenzials dieser Länder in Bezug auf Energieressourcen und der bedeutenden Entwicklungschancen für Afrika; insbesondere sollte die Nutzung der Solar- und der Windenergie im Rahmen des Barcelona‑Prozesses „Union für den Mittelmeerraum“ geprüft und gefördert werden; betont, dass das Konzept der EU zu dem DESERTEC-Projekt schlüssig sein und ein aktiver Beitrag zur Entwicklung der Staaten in Nordafrika und im Nahen Osten sein muss; fordert daher die an diesem Vorhaben beteiligten Unternehmen und Mitgliedstaaten – in enger Zusammenarbeit mit der Kommission – auf, die Entwicklung durch echten Technologietransfer zugunsten ortsansässiger Unternehmen sowie durch Kapazitätsaufbau bei diesen Unternehmen und der Zivilgesellschaft zur Sicherstellung der eigenverantwortlichen Beteiligung und Mitwirkung zu fördern und eine dauerhafte Partnerschaft mit den Mittelmeerländern aufzubauen, in denen DESERTEC entwickelt werden wird;
8. empfiehlt den Mitgliedstaaten, ihre Gasvorräte, die schnell freigegeben werden können, einschließlich Flüssigerdgas (LNG), zu vergrößern;
9. fordert die EU auf, mit den Ländern in der Nordseeregion im Hinblick auf ihr beachtliches Potenzial als Standorte von Energiequellen, insbesondere durch die Produktion von Offshore-Windenergie, zusammenzuarbeiten;
10. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, eine angemessene „Solidaritätsklausel“, mit der u.a. die Bedingungen und Verfahren für ein Eingreifen in Notfällen bei Unterbrechung der Energieversorgung in anderen Mitgliedstaaten festgelegt werden, im Einklang mit dem Vertrag von Lissabon zu entwickeln;
11. fordert die Kommission auf, eine Richtlinie zur Speicherung von Mindestgasreserven zu erarbeiten; stellt fest, dass die Einrichtung von Mindestgasreserven wirksame Abstimmung, Planung und Investitionen durch die Mitgliedstaaten erfordert; während der Nutzen von Mindestgasreserven (Versorgungssicherheit) bei weitem die damit für die meisten Mitgliedstaaten verbundenen Kosten überwiegen, sollte der Tatsache gebührende Aufmerksamkeit geschenkt werden, dass die Lagerung von Erdgas teuer ist; fordert daher angemessene finanzielle Hilfe für die Mitgliedstaaten, die planen, ihre Gasspeicherkapazität zu vergrößern;
12. begrüßt den Vorschlag der Kommission zur Schaffung eines gemeinsamen Rahmens für die Übermittlung von Daten und Informationen zu Investitionsvorhaben für die Energieinfrastruktur an die Kommission (KOM(2009)0361);
13. begrüßt die Bemühungen der Kommission zur Intensivierung der Dialoge über Energiefragen, die insbesondere zu einer Reihe von Absichtserklärungen mit den östlichen Nachbarländern und Ländern Zentralasiens geführt hat, und sieht weiteren Fortschritten im Dialog mit den südlichen Partnerländern erwartungsvoll entgegen;
14. betont, dass die Energiedialoge keinesfalls auf Kosten offener und ergebnisorientierter Dialoge zu den Menschenrechten geführt werden sollten;
15. fordert die Kommission auf, die bestehenden Frühwarnmechanismen, das Netz von Energiesicherheitskorrespondenten (NESCO) und andere Instrumente, die sich angesichts der Energiekrise zwischen Russland und der Ukraine im Jahr 2009 als ineffizient erwiesen haben, dringend zu überprüfen;
16. fordert die Kommission und den Rat auf, den Vertrag über die Energiecharta (ECT) zu fördern, und fordert die Partner der EU, die den ECT und das dazugehörige Transitprotokoll unterzeichnet haben, auf, deren Regelungen und Grundsätze einzuhalten;
17. fordert die Mitgliedstaaten auf, sich gegenseitig sowie auch die Kommission über strategische Entscheidungen und Vereinbarungen zu Energieinfrastrukturprojekten zu informieren; nimmt zur Kenntnis, dass mit der vor kurzem erzielten Einigung über das dritte Liberalisierungspaket der Mechanismus für Ausnahmeregelungen für neue Infrastrukturen beibehalten und der Rechtsrahmen für die Zertifizierung als Betreiber von Verteilungsnetzen gegenüber Drittländern festgelegt wurde;
18. fordert die Kommission auf, unmittelbar gegen feindliche Übernahmeversuche von nicht-transparenten ausländischen Unternehmen auf dem EU-Energiemarkt vorzugehen; äußert sich besorgt über den jüngsten Erwerb einer Beteiligung an der ungarischen Energiegesellschaft MOL durch Surgutneftegaz und dessen Unfähigkeit, seine Eigentumsstrukturen und sowie die Identität seines letztendlichen Eigentümers offenzulegen, wie es die ungarische Regulierungsbehörde für den Energiemarkt zu Recht verlangt hat; fordert die Kommission auf, die Tätigkeit von nicht-transparenten ausländischen Unternehmen wie CENTREX, die kürzlich eine Beteiligung von 20 % an den Handels- und Lagereinrichtungen in Baumgarten (Österreich) erwarb, zu untersuchen;
19. betont, dass Fortschritte bei der Schaffung einer gemeinsamen europäischen Energiepolitik in hohem Maße vom Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon abhängen; fordert die EU und die Mitgliedstaaten mit Nachdruck auf, Maßnahmen zu ergreifen, um eine verbindliche, progressive und allumfassende Grundlage für eine gemeinsame Politik der europäischen Energieversorgung und Energieversorgungssicherheit im Vertrag zu gewährleisten; unterstützt den Vertrag von Lissabon, der eine Solidaritätsklausel für die Energieversorgung beinhaltet und eine gemeinsame Verantwortung der EU und der Mitgliedstaaten für die Energiepolitik vorsieht, als einen Schritt in die richtige Richtung;
20. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.