ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Energiesicherheit
14.9.2009
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung
Michał Tomasz Kamiński, Charles Tannock, Roberts Zīle, Adam Bielan, Tomasz Piotr Poręba, Ryszard Antoni Legutko im Namen der ECR-Fraktion
Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B7-0040/2009
B7‑0058/2009
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Energiesicherheit
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 26. September 2007 mit dem Titel „Auf dem Weg zu einer gemeinsamen europäischen Energieaußenpolitik“,
– unter Hinweis auf das am 13. Juli 2009 in Ankara unterzeichnete zwischenstaatliche Abkommen zwischen Bulgarien, Österreich, Rumänien, Ungarn und der Türkei über das Nabucco-Gaspipeline-Projekt,
– unter Hinweis auf den Erwerb einer beträchtlichen Aktienminderheit (21,2 %) an dem zum Nabucco-Konsortium gehörenden ungarischen petrochemischen Unternehmen MOL durch die russische Erdöl- und Erdgasgesellschaft Surgutneftegaz,
– unter Hinweis auf das am 6. August 2009 in Ankara unterzeichnete Protokoll über die Zusammenarbeit zwischen Russland und der Türkei in der Gaswirtschaft, demzufolge die Türkei den Bau der South-Stream-Pipeline in türkischen Hoheitsgewässern vorläufig genehmigt und Russland erlaubt dort Erkundungsarbeiten für die Pipeline durchzuführen,
– unter Hinweis auf die am 13. Juli 2009 von 12 EU-Unternehmen unterzeichnete Absichtserklärung zur Gründung der DESERTEC-Industrie-Initiative zur Entwicklung eines umfassenden Solarenergieprojekts im Nahen Osten und Nordafrika,
– unter Hinweis auf die zweite Überprüfung der Energiestrategie,
– unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission für eine Verordnung des Parlaments und des Rates über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Erdgasversorgung und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/67/EG (KOM(2009)0363),
– unter Hinweis auf den Vorschlag der Kommission für eine Verordnung über die Mitteilung von Investitionsvorhaben für Energieinfrastruktur in der Europäischen Gemeinschaft an die Kommission und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 736/96 des Rates (KOM(2009)0361),
– gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die Sicherung der Energieversorgung als ein wesentliches Element für Sicherheit, Stabilität und Wohlstand in der Europäischen Union insgesamt sowie als ein Schlüsselelement für die weitere wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Europa angesehen werden muss, für die allerdings noch keine Grundlage in den Verträgen besteht,
B. in der Erwägung, dass die Abhängigkeit der EU von Energieimporten zurzeit erheblich ist und unter den derzeitigen Bedingungen voraussichtlich weiter steigen wird;
C. in der Erwägung, dass trotz des Sinkens der Erdöl- und Erdgaspreise infolge der Weltfinanzkrise die langsamen Fortschritte bei der Umstellung auf nachhaltigere Brennstoffe, der Rückgang der Fördermengen aus den Öl- und Gasfeldern der Welt und der kontinuierliche Anstieg der Nachfrage zwangsläufig wieder dazu führen werden, dass die Märkte für fossile Brennstoffe wieder anziehen und die Abhängigkeit der Verbraucherländer von den Einfuhren zunimmt, sobald die Krise überwunden ist,
D. in der Erwägung, dass mehrere Mitgliedstaaten stark von einem einzigen Erdgaslieferanten abhängig sind und dass unerwartete Lieferunterbrechungen eine tiefe Krise auslösen können, wie die Gaskrise zwischen Russland und der Ukraine Anfang dieses Jahres gezeigt hat,
E. in der Erwägung, dass zahlreiche Mitgliedstaaten nicht über ausreichende natürliche Vorkommen verfügen, um mit krisenhaften Situationen fertig zu werden,
F. in der Erwägung, dass sich aufgrund der derzeit bestehenden und immer stärker ausgeprägten Abhängigkeit der Europäischen Union in Fragen der Energieversorgung von politisch instabilen Regionen die Bemühungen zur Sicherung der Energieversorgung allein auf nationaler Ebene als unzureichend erwiesen haben und die langfristigen Interessen aller EU-Mitgliedstaaten auf diese Weise nicht gewahrt werden,
G. in der Erwägung, dass sich die bestehenden Frühwarnsysteme bei der Vorhersage der Gaskrise im Januar 2009 nicht bewährt haben,
H. in der Erwägung, dass es vorhersagbare Bedrohungen der Energiesicherheit so lange geben wird, wie sich die Energielieferanten- und die Transitländer nicht an allgemeine und transparente Regeln halten, wie sie in der Energiecharta und dem Transitprotokoll niedergelegt sind,
I. in der Erwägung, dass eine enge Zusammenarbeit im Bereich der Energieversorgung eine der wirksamsten und wichtigsten Vertrauen schaffenden Maßnahmen in den Beziehungen zwischen der Europäischen Union und ihren Nachbarländern darstellt,
J. in der Erwägung, dass es trotz einiger bereits ergriffener Maßnahmen nötig ist, eine wirkliche gemeinsame Energiepolitik im Hinblick auf die Binnenmarktregulierung sowie im Hinblick auf die externen Aspekte zu schaffen, die die politischen und wirtschaftlichen Interessen aller Mitgliedstaaten berücksichtigt, wobei jedoch die Festlegung des Energiemixes weiterhin den Mitgliedstaaten selbst überlassen bleibt;
K. in der Erwägung, dass eine gemeinsame europäische Energieaußenpolitik auf der Grundlage von Solidarität, Diversifizierung, Einigkeit im Kampf für die gemeinsamen Interessen, verbesserte Zusammenarbeit mit den wichtigsten Energie erzeugenden Ländern sowie den Transit- und Abnehmerländern Synergien schaffen würde, mit denen sich Versorgungssicherheit für die Europäische Union erreichen ließe, und die außenpolitische Konsequenz und Handlungsfähigkeit der EU und ihre Glaubwürdigkeit als globaler Akteur stärken würde,
1. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, mit der Festlegung einer echten gemeinsamen europäischen Energieaußenpolitik eine stärkere strategische Führungsrolle zu übernehmen, wie es in der Entschließung des Parlaments vom 26. September 2007 mit dem Titel „Auf dem Weg zu einer gemeinsamen europäischen Energieaußenpolitik“ gefordert wird;
2. begrüßt die Maßnahmen zur Diversifizierung und Verbesserung der Energieversorgungssicherheit der EU, wie sie von der Kommission in der zweiten Überprüfung der Energiestrategie vorgeschlagen werden; vertritt jedoch die Ansicht, dass klar definierte Prioritäten und zügiges Handeln nötig sind, um sie umzusetzen, wobei das Parlament diesbezüglich umfassend informiert werden muss;
3. weist erneut darauf hin, dass ein gut funktionierender Energiebinnenmarkt ebenso von entscheidender Bedeutung für die Vermeidung künftiger Störungen und Krisen im Bereich der Gasversorgung ist, wie die Diversifizierung der Energiequellen; hebt deshalb hervor, dass verstärkt in erneuerbare und kohlenstoffarme Energieträger und in Energieeffizienz investiert werden muss, wobei diese Investitionen einen zentralen Bestandteil des energiepolitischen Aktionsplans für den Zeitraum 2010-2014 bilden sollten;
4. begrüßt die neuen Vorschlage für Verordnungen über Maßnahmen zur Gewährleistung einer sicheren Gasversorgung und über Investitionsprojekte für Energieinfrastruktur innerhalb der Europäischen Gemeinschaft, die durch mehr Transparenz und Bürokratieabbau und indem die Mitgliedstaaten vorbeugende Maßnahmen ergreifen und die Mechanismen zur Krisenbewältigung verbessern müssen, zu einer erhöhten Sicherheit der Gasversorgung in der Europäischen Union beitragen;
5. hebt hervor, wie dringlich die Umsetzung von strategischen Vorhaben mit dem Ziel der Diversifizierung der Energieversorgung ist, insbesondere im südlichen Korridor; beglückwünscht in diesem Zusammenhang die Regierungen von Bulgarien, Österreich, Rumänien, Ungarn und der Türkei zu der am 13. Juli erfolgten Unterzeichnung des Regierungsabkommens über den rechtlichen Rahmen des Nabucco-Gaspipeline-Vorhabens, das einen wichtigen Schritt bei dessen Umsetzung darstellt, betont jedoch gleichzeitig die Bedeutung einer allgemeinen Regelung für die Entwicklung eines von einem bestimmten Unternehmen oder einer bestimmten Pipeline unabhängigen Korridors zur Verbindung der EU mit neuen Gasquellen im Mittleren Osten und der Region am Kaspischen Meer, die vor allem auf die zügige Herstellung dieser Verbindung gerichtet ist; fordert die betroffenen Unternehmen und Mitgliedstaaten auf, in enger Zusammenarbeit mit der Kommission für erste Vereinbarungen mit künftigen Lieferanten über die Belieferung der Pipelines zu sorgen;
6. fordert die Kommission auf, die Bemühungen zur Diversifizierung der Energieformen und ‑quellen zu intensivieren; erwartet ein konsequentes Engagement der EU für die Nabucco-Pipeline und bekräftigt seinerseits seine Unterstützung dafür; ist der Ansicht, dass dieses Projekt für die Europäische Union eine Priorität mit adäquater spezifischer Unterstützung aus dem EU-Haushalt darstellen sollte; fordert die Kommission auf, ihre Anstrengungen zur Verabschiedung einer echten gemeinsamen Energieaußenpolitik fortzusetzen, ohne jedoch das Subsidiaritätsprinzip zu verletzen;
7. fordert die Kommission auf, die Bemühungen um den Bau der Nabucco-Pipeline zu beschleunigen, da dies die seriöseste Alternative zu den Projekten ist, die in Zusammenarbeit mit Russland verwirklicht werden und die alle potentiell zu einer zunehmenden wirtschaftlichen und politischen Abhängigkeit der EU-Mitgliedstaaten von Russland führen, das vor kurzem erklärt hat, es habe sich von jeglicher Teilnahme an der Energiecharta formal zurückgezogen;
8. hebt hervor, dass das South-Stream-Gaspipelineprojekt, das unter der Federführung der Unternehmen Gazprom und ENI steht, ein Risiko für das Nabucco-Vorhaben darstellt, das für die EU eine strategische Vorrangstellung einnehmen sollte;
9. hebt hervor, dass Russland nach seinen wiederholten Unterbrechungen der Gaszufuhr nach Europa nicht als verlässlicher Energielieferant für Europa angesehen werden kann; betont, dass die Verlässlichkeit der Handelspartner und die Solidarität zwischen den EU-Mitgliedstaaten für die zukünftige Sicherheit der Gasversorgung in Europa wesentlich ist;
10. fordert die Kommission auf, Unternehmen, die an der Umsetzung strategischer Vorhaben beteiligt sind oder eine Beteiligung daran anstreben, politische, rechtliche und finanzielle Unterstützung zu gewähren und eine Führungsrolle bei der Normierung von Vereinbarungen im Bereich der Entwicklung von Erdgasleitungen zu übernehmen;
11. betrachtet die Verbesserung der Verbindungen innerhalb Europas als wesentlich, da das Schließen der vorhandenen Lücken von entscheidender Bedeutung für das wirksame Funktionieren des Binnenmarktes und die Energiesolidarität ist; begrüßt in diesem Zusammenhang die Einigung über die Finanzierung der Infrastrukturprojekte als Teil des Europäischen Konjunkturprogramms; weist jedoch nachdrücklich darauf hin, dass eine allgemeine Erhöhung der öffentlichen Ausgaben im Bereich der Energiesicherheit unerlässlich ist;
12. fordert die Mitgliedstaaten auf, einander gegenseitig sowie auch die Kommission über strategische Entscheidungen und Abkommen zu Energieinfrastrukturprojekten zu informieren; stellt fest, dass die jüngste Einigung über das dritte Liberalisierungspaket den Mechanismus für Ausnahmeregelungen für neue Infrastrukturen bestehen ließ und den rechtlichen Rahmen für die Zertifizierung als Übertragungsnetzbetreiber in Bezug auf Drittstaaten festlegt;
13. fordert die Kommission auf, unverzüglich gegen feindliche Übernahmeversuche von nicht-transparenten ausländischen Unternehmen auf dem EU-Energiemarkt vorzugehen und die EU-Wettbewerbsregeln konsequent anzuwenden; äußert sich besorgt über den jüngsten Erwerb einer Beteiligung an dem ungarischen Energieunternehmen MOL durch Surgutneftegaz sowie darüber, dass Surgutneftegaz nicht imstande ist, seine Eigentümerstruktur sowie die Identität seines letztendlichen Eigentümers offenzulegen, wie es die ungarische Regulierungsbehörde für den Energiemarkt in Übereinstimmung mit ihren Befugnissen verlangt hat;
14. fordert den Rat und die Kommission auf, mit den Ländern des Mittelmeerraums und Nordafrikas in Anbetracht ihres bedeutenden Potenzials an Energieressourcen und der erheblichen Entwicklungschancen für Afrika zusammenzuarbeiten; unterstützt insbesondere die Nutzung der Solar- und Windenergie in diesen Regionen; begrüßt den jüngst erzielten Fortschritt der DESERTEC-Industrie-Initiative zur Entwicklung eines umfassenden Solarenergieprojekts im Nahen Osten und Nordafrika;
15. hebt die strategische Bedeutung des Arktischen Raums für die EU sowohl im Hinblick auf Energieressourcen als auch auf Umwelt- und Verkehrsfragen hervor. betont angesichts der durch die Auswirkungen des Klimawandels immer leichter werdenden Zugänglichkeit von Ressourcen die Notwendigkeit, eine umfassende Strategie für eine Zusammenarbeit im Hohen Norden zu entwickeln; ist daher der Auffassung, dass zur Sicherung ihrer langfristigen Interessen die EU die Partner in der Region, wie Norwegen und Island, aktiv in eine derartige Strategie einbeziehen sollte; fordert, gemeinsam mit anderen Beteiligten wie etwa Russland, den Vereinigten Staaten und Kanada neue Überlegungen zu einer pragmatischen langfristigen Strategie der EU im Bereich Energie und Versorgungssicherheit sowie Verkehr und Umwelt anzustellen, um mögliche Konflikte in dieser sensiblen Region zu verhindern;
16. betont, dass Fortschritte bei der Schaffung einer gemeinsamen europäischen Energiepolitik vom gemeinsamen politischen Willen aller 27 Mitgliedstaaten abhängen fordert die EU und die Mitgliedstaaten mit Nachdruck auf, Maßnahmen zu ergreifen, um eine rechtliche Grundlage für eine gemeinsame europäische Energieversorgung und -versorgungssicherheit zu schaffen;
17. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.