ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu der Lage in Jemen
13.1.2010
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung
Patrick Le Hyaric, Marie-Christine Vergiat, Rui Tavares, Sabine Wils im Namen der GUE/NGL-Fraktion
B7‑0025/2010
Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Lage in Jemen
Das Europäische Parlament,
– gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass Jemen weltweit eines der am wenigsten entwickelten Länder ist, wobei Armut, Hunger und Unterernährung dort immer größere Ausmaße annehmen, und in der Erwägung, dass das Land unter steigender Arbeitslosigkeit und hohen Armutsraten leidet, wobei mehr als 45 % der Bevölkerung von weniger als 2 US$ pro Tag leben, dass das niedrige Bildungsniveau zu hohen Analphabetenquoten von 66 % bei Frauen und 27 % bei Männern geführt hat und dass die Lage der Frauen besonders besorgniserregend ist und die geschlechtsspezifischen Diskrepanzen in Jemen weltweit zu den gravierendsten gehören,
B. in der Erwägung, dass Jemen viele militärische Konflikte erlebt hat und dass seit dem 12. August 2009 erneut heftige Kämpfe im Norden aufgeflammt sind, die der Mitte Juli 2008 unterzeichneten Waffenruhe ein Ende machten und furchtbare Folgen für die Zivilbevölkerung haben,
C. in der Erwägung, dass die Zahl der Binnenvertriebenen laut UNO-Angaben inzwischen schätzungsweise 175.000 Personen umfasst, während 800.000 Menschen indirekt vom Konflikt betroffen sind, darunter Gemeinschaften, die Binnenvertriebene aufgenommen haben, und Anwohner, die den Zugang zu grundlegenden Versorgungsleistungen verloren haben,
D. in der Erwägung, dass sich die Kämpfe zwischen jemenitischen Regierungstruppen und Anhängern des verstorbenen schiitischen Geistlichen Hussein al-Huthi im November 2009 auf Saudi-Arabien ausweiteten und saudische Militärflugzeuge jemenitische Dörfer in von den Huthi-Rebellen kontrollierten Gebieten bombardierten,
E. in der Erwägung, dass Saudi-Arabien trotz der anhaltenden Kämpfe und der verzweifelten humanitären Lage in Jemen weiterhin eine Zwangsrückführung von Jemeniten betreibt, die nach Saudi-Arabien geflohen waren, und damit gegen seine völkerrechtlichen Verpflichtungen verstößt,
F. in der Erwägung, dass die Sicherheitskräfte der Regierung auf Forderungen nach einer Abspaltung des Südens mit der brutalen Unterdrückung der sogenannten Südlichen Bewegung reagiert haben, und in der Erwägung, dass die Sicherheitskräfte weit verbreitete Menschenrechtsverletzungen – rechtswidrige Morde, willkürliche Festnahmen, Anwendung körperlicher Gewalt, Einschränkungen der Versammlungs- und Redefreiheit, Verhaftungen von Journalisten – begangen haben, die den Konflikt anheizten, statt dass nach zivilen Lösungen für die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Probleme gesucht wurde,
G. in der Erwägung, dass die internationale Gemeinschaft viele Jahre lang ihre Augen vor der Lage in Jemen verschloss, dass sich aber seit dem jüngst vereitelten Terroranschlag auf eine Maschine der Delta Airlines die weltweite Aufmerksamkeit auf Jemen konzentriert, wobei das Problem allerdings auf mutmaßliche Al-Qaida-Verbindungen reduziert wird,
H. in der Erwägung, dass die jemenitische Regierung seit vielen Jahren Finanzhilfen erhält, die zur sogenannten „Terrorismusbekämpfung“ verwendet werden,
1. bekundet seine tiefe Sorge über die sich verschlechternde interne Lage in Jemen und deren Auswirkungen auf Frieden und Stabilität in der Region; betont, dass keine militärische Lösung für die vielfältigen Konflikte im Land existiert und dass nur das Bemühen um eine friedliche Lösung Ergebnisse zeitigen wird; verurteilt den Einsatz von Gewalt seitens aller betroffenen Parteien;
2. lehnt nachdrücklich jegliche ausländische Militärintervention in Jemen sowie das gesamte Konzept der „Präventivkriege“ ab;
3. fordert die jemenitische Regierung auf, sich verstärkt um einen Abbau der Spannungen im Land zu bemühen, indem sie einen umfassenden politischen Dialog einleitet und dem seit langem schwelenden Unmut und dessen Ursachen im Rahmen einer politischen Verhandlungslösung abhilft, an der alle Regionen und alle Elemente der jemenitischen Gesellschaft beteiligt werden;
4. fordert einen unverzüglichen Waffenstillstand in Sa’da; fordert Saudi-Arabien und andere nachdrücklich auf, den Konflikt in Jemen nicht anzuheizen, sondern zu einer friedlichen Regelung der Probleme beizutragen;
5. erinnert alle Parteien an ihre Verpflichtung, die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht zu achten; fordert die Parteien insbesondere auf, Zivilpersonen, die dem Konflikt entfliehen wollen, das Erreichen sicherer Orte zu ermöglichen, der UNO und den NRO den Zugang zu Regionen zu erleichtern, in denen sich Gruppen von Binnenvertriebenen aufhalten, und unverzüglich medizinische und humanitäre Soforthilfe für diese Binnenvertriebenen zu ermöglichen;
6. fordert Saudi-Arabien auf, unverzüglich die Zwangsrückführung von Jemeniten in das Kriegsgebiet einzustellen und eng mit den Hilfsagenturen zusammenzuarbeiten, um gefährdete Zivilpersonen an der Grenze zu unterstützen;
7. fordert die jemenitische Regierung auf, sicherzustellen, dass ihre Sicherheitskräfte künftig auf den Einsatz von Gewalt gegen protestierende Bürger verzichten, willkürliche Verhaftungen von Demonstranten und Kritikern einzustellen und alle willkürlich Verhafteten, darunter Kinder, freizulassen; fordert die jemenitische Regierung nachdrücklich auf, der Straflosigkeit der Sicherheitskräfte ein Ende zu machen und diejenigen, die widerrechtlich entsprechende Gewalttaten verübt haben, zur Rechenschaft zu ziehen;
8. vertritt die Auffassung, dass die internationale Hilfe für Jemen eine Neuorientierung erfahren und auf die humanitäre Hilfe für Zivilpersonen, Aussöhnung und Entwicklung konzentriert werden sollte; fordert die Europäische Kommission auf, entsprechend zu handeln;
9. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den EU-Mitgliedstaaten, der Regierung und dem Kongress der USA, den Regierungen von Jemen und Saudi-Arabien und dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zu übermitteln.