Entschließungsantrag - B7-0027/2010Entschließungsantrag
B7-0027/2010

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu der Lage in Jemen

13.1.2010

eingereicht im Anschluss an die Erklärung der Hohen Vertreterin für die Außen- und Sicherheitspolitik
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Ryszard Antoni Legutko, Geoffrey Van Orden, Adam Bielan, Charles Tannock, Tomasz Piotr Poręba, Ryszard Czarnecki, Struan Stevenson, Konrad Szymański, Paweł Robert Kowal, Ashley Fox, Michał Tomasz Kamiński im Namen der ECR-Fraktion

Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B7-0021/2010

Verfahren : 2009/2813(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B7-0027/2010
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B7-0027/2010
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B7‑0027/2010

Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Lage in Jemen

Das Europäische Parlament,

–   unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates zu Jemen vom 27. Oktober 2009,

–   unter Hinweis auf die Erklärung des Ratsvorsitzes im Namen der Europäischen Union vom 27. Oktober 2009 zur Verschlechterung der Sicherheitslage in Jemen,

–   unter Hinweis auf das Strategiepapier der Europäischen Gemeinschaft zu Jemen für den Zeitraum 2007–2013,

–   unter Hinweis auf die Erklärung von Tobias Pflüger, amtierender Vorsitzender seiner Delegation für die Beziehungen zu den Golfstaaten einschließlich Jemen, nach der vom 22. bis 25. Februar 2009 nach Jemen unternommenen Reise des Vorstands der Delegation,

–   gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass Umar Faruk Abdulmutallab, der nigerianische Terrorist, der am 25. Dezember 2009 versucht hat, ein Flugzeug über Detroit zur Explosion zu bringen, in einem Al-Qaida-Lager in Jemen ausgebildet wurde,

B.  in der Erwägung, dass bei einer weiteren Verschlechterung der Sicherheitslage in Jemen terroristische und aufständische Gruppen in der Region, insbesondere Al-Qaida, ein sicheres Rückzugsgebiet erhalten würden, in dem sie spätere terroristische Aktionen planen, organisieren und unterstützen könnten,

C. in der Erwägung, dass Terrorismus in Jemen bereits vor dem 11. September 2001 seit vielen Jahren verbreitet war, was auch durch den Angriff von Al-Qaida auf die USS Cole vom 12. Oktober 2000 belegt ist, und dass sich der Terrorismus seit 2007 mit mehr als 30 Anschlägen auf Pipelines, Ölanlagen, Regierungsgebäude, Botschaften (darunter die italienische und die US-amerikanische), Schiffe und Touristen verschärft hat,

D. in der Erwägung, dass sich die Sicherheitslage durch den Bürgerkrieg gegen die Anhänger der Erweckungsbewegung „Zaidi Shi’i“ in der Region Sa’da im Norden und den von der Separatistenbewegung im Süden verursachten Gewaltausbruch weiter verschlechtert hat,

E.  in der Erwägung, dass die Kämpfe in der Region Sa’da eine über die Region hinausgehende Dimension annahmen, als das saudi-arabische Militär sich gezwungen sah, die Rebellen im Grenzgebiet anzugreifen, und mindestens zwei Vorstöße gegen Positionen der Rebellen unternahm,

F.  in der Erwägung, dass die Lebensmittelkrise von 2008 beträchtliche Konsequenzen für die ärmeren Schichten der jemenitischen Bevölkerung hatte, während die weltweite Finanzkrise und insbesondere die sinkenden Erdöleinkünfte erheblich zu einem unerträglichen Druck auf die Staatsfinanzen beigetragen haben, was durch die begrenzte Umsetzung überfälliger wirtschaftlicher und steuerlicher Reformen noch verschärft wurde,

G. in der Erwägung, dass die Ölvorräte Jemens, aus denen über 75% der Einkünfte des Landes stammen, beinahe ausgeschöpft sind und nur wenige rentable Optionen für eine nachhaltige Volkswirtschaft nach dem Versiegen der Vorräte existieren,

H. in der Erwägung, dass ein weiteres großes Problem Jemens die gravierende Wasserknappheit ist, die durch mehrere Faktoren verursacht wird, darunter den steigenden Inlandsverbrauch, unzureichende Wasserbewirtschaftung, Korruption, fehlendes Ressourcenmanagement und verschwenderische Bewässerungstechniken, sowie in der Erwägung, dass den Schätzungen der Regierung zufolge 99% aller Wasserentnahmen ohne Genehmigung erfolgen,

I.   in der Erwägung, dass der Mangel Jemens an Lebensmitteln und Wasser weiter kompliziert wird durch die Abhängigkeit der Bevölkerung von Kath, einer rasche Einkünfte erbringenden Pflanze, die einer umfangreichen Bewässerung bedarf und so extensiv angebaut wird, dass Jemen inzwischen ein Nettoimporteur von Lebensmitteln ist,

J.   in der Erwägung, dass Jemen mit einem jährlichen Pro-Kopf-Einkommen von weniger als 650 EUR das ärmste Land der arabischen Welt ist und dass fast die Hälfte der Bevölkerung weniger als 2 EUR pro Tag verdient, dass die Arbeitslosenquote 35% beträgt und gleichzeitig eine der weltweit höchsten Bevölkerungswachstumsraten verzeichnet wird, was zusätzliche wirtschaftliche, das Bildungswesen betreffende und soziale Probleme schafft,

K. in der Erwägung, dass die zunehmenden Aktivitäten von Piraten im Golf von Aden und der anhaltende Migrationsdruck vom Horn von Afrika weitere Faktoren sind, die die Stabilität des Landes beeinflussen,

L.  in der Erwägung, dass die 18 Meilen breite Meerenge von Bab el Mandeb zwischen Jemen und Dschibuti große strategische Bedeutung hat, da dadurch pro Tag 3,3 Mio. Fässer Öl (4% der täglich weltweit geförderten Menge) verschifft werden,

M. in der Erwägung, dass die EU Jemen seit 2004 mehr als 144 Mio. Euro Hilfe leitstete, wovon der Löwenanteil in die wirtschaftliche Entwicklung floss, und bilaterale Hilfsprogramme durchgeführt hat, um Jemens Polizei und Küstenwache zu unterstützen,

N. in der Erwägung, dass die britische und die US-amerikanische Regierung nach dem fehlgeschlagenen Bombenanschlag von Detroit ihre militärische und humanitäre Hilfe für Jemen erheblich ausweiten und auch gemeinsam eine spezifische jemenitische Anti-Terror-Polizeieinheit finanzieren und die jemenitische Küstenwache unterstützen wollen,

O. in der Erwägung, dass das jemenitische Bildungssystem immer noch unzureichend entwickelt ist, wobei auf nationaler Ebene eine Analphabetenrate von ca. 50% und fast 70% bei Frauen verzeichnet wird und es an qualifizierten Lehrern fehlt,

P.  in der Erwägung, dass Reformen der Verwaltungsstrukturen von der jemenitischen Regierung in der Nationalen Reformagenda als vorrangig eingestuft wurden,

Q. in der Erwägung, dass die für April 2009 geplanten Parlamentswahlen verschoben wurden, um es den Regierungsstellen zu ermöglichen, die wesentlichen Reformen des Wahlsystems umzusetzen, und dass bisher keine konkreten Schritte im Hinblick auf dieses Ziel unternommen wurden,

R.  in der Erwägung, dass die Entwicklungen in Jemen weiterhin großen Anlass zur Sorge geben, was Demokratie, Menschenrechte und die Unabhängigkeit der Justiz, vor allem unfaire Verfahren vor dem berüchtigten Sonderstrafgericht des Landes und den Einsatz von Folter, angeht, und in der Erwägung, dass Fälle einer Strafverfolgung von Journalisten existieren und dass die Lage der Frauen aufgrund von Zwangsheiraten und fehlender Gleichberechtigung von Frauen und Männern vor dem Gesetz besonders schwierig ist,

S.  in der Erwägung, dass sechs europäische Bürger – fünf Deutsche und ein Brite – seit ihrer Entführung im Juni 2009 weiterhin in Geiselhaft gehalten werden, während drei weitere Personen aus dieser Gruppe unmittelbar nach ihrer Entführung tot aufgefunden wurden, sowie in der Erwägung, dass mehrere lokale Stammesführer angedeutet haben, Al-Qaida sei für die Entführungen verantwortlich,

1.  bekundet seine Sorge über die seit langem verzeichnete Präsenz von Al-Quaida in Jemen, terroristische Verbindungen zu EU-Mitgliedstaaten sowie das Scheitern jemenitischen Behörden, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, und betont, dass dies zu einer weiteren Untergrabung der Autorität der Zentralregierung und zu einer Destabilisierung der Region in einem in Somalia oder Afghanistan verzeichneten Ausmaß führen könnte, was wiederum Gelegenheiten für von Al-Quaida gelenkte oder inspirierte Extremisten böte, sich zu sammeln, zu organisieren, Ausbildungsmaßnahmen durchzuführen und von jemenitischem Hoheitsgebiet aus weltweit Terroranschläge zu starten;

2.  fordert die Mitgliedstaaten auf, zu Maßnahmen beizutragen, die der Ausweitung der jemenitischen Kapazitäten zur Terrorbekämpfung dienen, insbesondere in Bezug auf die Einsetzung einer neuen spezifischen jemenitischen Antiterror-Polizeieinheit;

3.  erinnert alle Konfliktparteien an ihre Verpflichtung, die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht zu achten; fordert die Parteien auf, Zivilpersonen, die dem Konflikt entfliehen wollen, das Erreichen sicherer Orte zu ermöglichen, der UNO und NRO den Zugang zu Gruppen von Binnenvertriebenen zu erleichtern und unverzüglich medizinische und humanitäre Soforthilfemaßnahmen für diese Binnenvertriebenen zu ermöglichen;

4.  bekräftigt seine Unterstützung für ein vereinigtes, stabiles, sicheres und demokratisches Jemen und fordert die Mitgliedstaaten daher auf, ihre finanzielle und technische Hilfe für die jemenitische Regierung aufzustocken;

5.  fordert die jemenitische Regierung auf, die überfälligen institutionellen, wirtschaftlichen und steuerlichen Reformen durchzuführen, d.h. die Funktion und die Kapazitäten der demokratisch gewählten Institutionen auf zentraler und lokaler Ebene und die staatlichen Institutionen zu stärken, die Bedingungen für Unternehmen zu verbessern, die Integration Jemens in die globale und regionale Wirtschaft zu fördern, Sozialleistungen auszuweiten und Beschäftigungs- und Bildungsmöglichkeiten zu begünstigen und dabei Korruption, Inflation und Arbeitslosigkeit zu bekämpfen sowie die staatlichen Subventionen einzuschränken;

6.  fordert die jemenitische Regierung auf, die notwendigen Reformen durchzuführen, um die Menschenrechtssituation im Land zu verbessern und insbesondere die Freiheit der Medien, das Recht auf ein faires Verfahren, die Gleichbehandlung von Frauen und Männern und die Abschaffung von Zwangsheiraten sicherzustellen; begrüßt in diesem Zusammenhang ein jüngst erlassenes Gesetz, mit dem das Mindestheiratsalter auf 17 Jahre festgesetzt wird;

7.  hebt hervor, wie wichtig es ist, 2011 Wahlen zu organisieren, und ermutigt alle politischen Parteien, ihre Vereinbarungen umzusetzen, die die erforderlichen Maßnahmen beinhalten, um das Wahlsystem zu verbessern und die Demokratie zu vertiefen, wobei insbesondere die Empfehlungen der EU-Wahlbeobachtungsmission im Anschluss an die demokratischen Präsidentschafts- und Kommunalwahlen von 2006 berücksichtigt werden sollten; fordert die Kommission und den Rat auf, den Prozess der Verfassungs- und Wahlrechtsreform zu überwachen, der zur Verschiebung der Parlamentswahlen geführt hat;

8.  begrüßt die von der Regierung bereits unternommenen Schritte zur Korruptionsbekämpfung, insbesondere die Einrichtung der Obersten Rechnungsprüfungsbehörde und der Obersten Nationalen Behörde für die Bekämpfung der Korruption;

9.  fordert die Golfstaaten auf, Jemen im Austausch gegen die notwendigen Reformen, darunter Fortschritten bei der Eindämmung von staatlichen Subventionen, Korruptionsbekämpfung und Umsetzung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheitslage, die Mitgliedschaft im Golf-Kooperationsrat in Aussicht zu stellen; fordert in diesem Zusammenhang die Kommission und den Rat auf, den Golf-Kopperationsrat zu ermutigen, als Vermittler tätig zu werden, der die verschiedenen jemenitischen Parteien an den Verhandlungstisch bringen und einen umfassenden politischen Dialog begründen könnte;

10. ermutigt die jemenitische Regierung, eine aktive Rolle im Rahmen der internationalen Sicherheitsstrategien wie der Operation Atalanta und der Operation Allied Protector zu übernehmen;

11. fordert die Kommission und den Rat auf, dafür zu sorgen, dass die von der internationalen Gemeinschaft und insbesondere aus dem Haushalt der Europäischen Union geleistete Hilfe verwendet wird, um Projekte zu finanzieren, die direkt so vielen Menschen wie möglich zugute kommen und deren Wirksamkeit vor Ort bewertet werden kann;

12. fordert, dass die notwendigen Schritte unternommen werden, um sicherzustellen, dass die internationale Finanzhilfe ordnungsgemäß kontrolliert und wirksam verwaltet wird;

13. fordert die jemenitischen Behörden auf, die Küstenwache und die Grenzpatrouillen zu verstärken und bessere Ausbildungsmaßnahmen und Programme für Polizisten durchzuführen, um eine größere Professionalität des Gefängnispersonals zu erreichen und so die Sicherheitslage im Land und dessen Fähigkeit zur Terrorismusbekämpfung zu verbessern;

14. fordert die Kommission und den Rat auf, ein andere internationale Maßnahmen verstärkendes oder ergänzendes spezifisches Hilfsprogramm für Jemen durchzuführen, das (nach dem Vorbild von EUJUST LEX in Irak) Ausbildungsmaßnahmen außerhalb des Landes für jemenitische Beamte und (nach dem Vorbild der Maßnahmen der EU in Bosnien-Herzegowina) die Entsendung von Ausbildern in wichtige Ministerien einschließt;

15. fordert die jemenitische Regierung auf, ihre Anstrengungen zu verstärken, um die Freilassung der sechs europäischen Geiseln sicherzustellen, die auf ihrem Hoheitsgebiet festgehalten werden;

16. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Regierung und dem Parlament von Jemen und dem Golf-Kooperationsrat zu übermitteln.