Entschließungsantrag - B7-0028/2010Entschließungsantrag
B7-0028/2010

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Lage in Jemen

13.1.2010

eingereicht im Anschluss an die Erklärungen der Hohen Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Alyn Smith, Jan Philipp Albrecht, Barbara Lochbihler und Malika Benarab-Attou im Namen der Verts/ALE-Fraktion

Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B7-0021/2010

Verfahren : 2009/2813(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B7-0028/2010
Eingereichte Texte :
B7-0028/2010
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Angenommene Texte :

B7‑0028/2009

Entschließung des Europäischen Parlaments on the situation in Yemen

Das Europäische Parlament,

–   in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Rates vom 27. Oktober 2009 zu Jemen,

–   unter Hinweis auf die Erklärung des Ratsvorsitzes im Namen der Europäischen Union vom 27. Oktober 2009 zur Verschlechterung der Sicherheitslage in Jemen,

–   unter Hinweis auf das Strategiepapier der Europäischen Gemeinschaft zu Jemen für den Zeitraum 2007–2013,

–   gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass der nigerianische Terrorist Umar Faruk Abdulmutallab, der am 25. Dezember 2009 versucht hat, ein Sprengstoffattentat auf ein Flugzeug über Detroit zu verüben, in einem Al-Qaida-Lager in Jemen ausgebildet wurde,

B.  in der Erwägung, dass bei einer weiteren Verschlechterung der Sicherheitslage in Jemen Terroristen und aufständische Gruppen in der Region, insbesondere Al-Qaida, ein sicheres Rückzugsgebiet erhalten würden, in dem sie spätere terroristische Aktionen planen, organisieren und unterstützen könnten,

C. in der Erwägung, dass in Jemen seit 2007 mehr als 30 Terroranschläge auf Pipelines, Ölanlagen, Regierungsgebäude, Botschaften (darunter die italienische und die US-amerikanische), Schiffe und Touristen verübt wurden,

D. in der Erwägung, dass sich die Sicherheitslage durch den Bürgerkrieg gegen die Anhänger der Erweckungsbewegung „Zaidi Shi’i“ in der Region Sa’da im Norden und den von der Separatistenbewegung im Süden des Landes verursachten Gewaltausbruch weiter verschlechtert hat,

E.  in der Erwägung, dass die Kämpfe in der Region Sa’da die gesamte Region erfasst haben, als saudische Streitkräfte die Aufständischen im Grenzgebiet von Saudi-Arabien und Jemen angriffen und mindestens zwei Vergeltungsschläge gegen die Stellungen der Aufständischen durchführten, bei denen es angeblich zu Verlusten unter der Zivilbevölkerung gekommen kam,

F.  in der Erwägung, dass die Nahrungsmittelkrise im Jahr 2008 vor allem die ärmeren Schichten der jemenitischen Bevölkerung hart getroffen hat und die globale Finanzkrise und insbesondere die sinkenden Öleinnahmen zu einem starken Druck auf die öffentlichen Finanzen beigetragen haben, der sich durch die unzureichende Durchführung überfälliger Wirtschafts- und Steuerreformen weiter erhöhte,

G. in der Erwägung, dass Jemen 75 % seiner Einnahmen aus dem Ölgeschäft erzielt, die Ölreserven des Landes jedoch fast erschöpft sind; sowie in der Erwägung, dass für das Land kaum realistische Optionen für eine nachhaltige Wirtschaft nach dem Versiegen der Ölquellen bestehen,

H. in der Erwägung, dass zu den weiteren schwerwiegenden Problemen, denen sich Jemen gegenübersieht, Umweltprobleme und insbesondere ernste Wasserengpässe gehören, die durch verschiedene Faktoren verursacht werden, unter anderem durch den steigenden Wasserverbrauch der Haushalte, schlechtes Wassermanagement, Korruption, fehlende Ressourcenverwaltung und verschwenderische Bewässerungstechniken; sowie in der Erwägung, dass nach Schätzungen der Regierung 99 % der Wasserentnahmen illegal sind,

I.   in der Erwägung, dass die durch Knappheit an Nahrungsmitteln und Wasser in Jemen verursachte Lage zusätzlich verschärft wird durch die Abhängigkeit der Bevölkerung von Kat, einer Pflanze, mit der schnell Geld verdient werden kann, die jedoch stark bewässert werden muss, um zu gedeihen, und die in so großem Umfang angebaut wird, dass Jemen zu einem Nettoimporteur von Nahrungsmitteln geworden ist,

J.   in der Erwägung, dass Jemen das ärmste Land in der arabischen Welt ist, in dem die Hälfte der Bevölkerung weniger als 2 Euro pro Tag verdient, die Arbeitslosenquote bei 35 % liegt und dass das Land gleichzeitig eine der weltweit höchsten Bevölkerungswachstumsraten aufweist, was zu zusätzlichen wirtschaftlichen, bildungspolitischen und sozialen Problemen führt,

K. in der Erwägung, dass auch die Zunahme der Piraterie im Golf von Aden und der andauernde Migrationsdruck, der vom Horn von Afrika ausgeht, die Stabilität des Landes beeinträchtigen,

L.  in der Erwägung, dass die EU Jemen seit 2004 Hilfsmittel in Höhe von mehr als 144 Mio. Euro gewährt hat, von denen der größte Teil der wirtschaftlichen Entwicklung zugute kam, und bilaterale Hilfsprogramme durchgeführt wurden, um Jemens Polizei und Küstenwache zu unterstützen,

M. in der Erwägung, dass das Bildungssystem in Jemen weiterhin unterentwickelt ist, wie die landesweite Analphabetenrate von fast 50 % und bei Frauen beinahe 70 % zeigt, sowie die Anzahl qualifizierter Lehrkräfte hinter dem Bedarf zurückbleibt,

N. in der Erwägung, dass Governance-Reformen von der jemenitischen Regierung im Rahmen der Nationalen Reformagenda als Priorität anerkannt worden sind,

O. in der Erwägung, dass die Parlamentswahlen, die ursprünglich im April 2009 stattfinden sollten, verschoben wurden, um es den Behörden zu ermöglichen, die wesentlichen Reformen des Wahlsystems umzusetzen; sowie in der Erwägung, dass bisher keine konkreten Schritte zur Umsetzung dieses Ziels unternommen wurden,

P.  in der Erwägung, dass hinsichtlich der Entwicklung in Jemen in den Bereichen Demokratie, Menschenrechte und Unabhängigkeit der Justiz, insbesondere wegen unfairer Verfahren vor dem berüchtigten Besonderen Kriminalgericht des Landes (Specialised Criminal Court) und der Anwendung der Folter zur Erzwingung falscher Geständnisse nach wie vor schwerwiegende Bedenken bestehen; sowie in der Erwägung, dass nachweislich 13 Hinrichtungen vollstreckt wurden, hunderte Menschen auf ihre Hinrichtung warten und die Pressefreiheit eingeschränkt ist,

Q. in der Erwägung, dass die Lage der Frauen aufgrund von Zwangsheiraten, bei denen die Mädchen oft gerade einmal acht Jahre alt sind, und fehlender Gleichberechtigung von Frauen und Männern vor dem Gesetz besonders schwierig ist,

R.  in der Erwägung, dass sich sechs europäische Bürger – fünf Deutsche und ein Brite – seit ihrer Entführung im Juni 2009 in der Hand von Geiselnehmern befinden, während drei andere Mitglieder derselben Gruppe unmittelbar nach der Entführung tot aufgefunden wurden; sowie in der Erwägung, dass einige lokale Stammesführer Ort Al-Qaida für diese Entführung verantwortlich gemacht haben,

1.  ist angesichts der sich verschlechternden Sicherheitslage sowie politischen und wirtschaftlichen Situation in Jemen tief beunruhigt; fordert sichtbare Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft, damit eine Eskalation der aktuellen Krise vermieden wird;

2.  nimmt die zunehmende Präsenz von Al-Qaida-Mitgliedern in Jemen zur Kenntnis und betont, dass ein Ausbleiben konkreter Maßnahmen zu einem weiteren Verfall der Autorität der Zentralregierung und zu einer Destabilisierung der Region in einem in Somalia oder Afghanistan verzeichneten Ausmaß führen könnte, was wiederum Gelegenheiten für von Al-Quaida gelenkte oder inspirierte Extremisten bieten wird, sich auf jemenitischem Hoheitsgebiet zu sammeln und von dort aus weltweit Terroranschläge von Gotteskriegern zu organisieren, entsprechende Personen auszubilden und Anschläge durchzuführen;

3.  bekräftigt seine Forderung nach einem sofortigen Waffenstillstand in der Region Sa’da und im Süden des Landes und vertritt die Auffassung, dass nur eine umfassende politische Lösung zu einem dauerhaften Frieden führen kann;

4.  weist alle Konfliktparteien auf ihre Verpflichtung hin, die Menschenrechte und das humanitäre Völkerrecht zu achten; appelliert insbesondere an die Parteien, allen Zivilisten, die aus den Konfliktzonen in sichere Gebiete flüchten möchten, dies auch zu ermöglichen, den VN und den NRO den Zugang zu den Gebieten, in denen sich Binnenvertriebene aufhalten, zu erleichtern und zu gestatten, dass diese unverzüglich medizinische und humanitäre Notfallhilfe erhalten;

5.  bekräftigt seine Unterstützung für ein vereinigtes, stabiles und demokratisches Jemen;

6.  fordert die jemenitische Regierung auf, überfällige institutionelle, wirtschaftliche und steuerliche Reformen durchzuführen und in diesem Zusammenhang die Funktion und die Kapazitäten der demokratisch gewählten Institutionen auf zentraler und lokaler Ebene sowie die staatlichen Institutionen zu stärken, die Bedingungen für Unternehmen zu verbessern, die Integration Jemens in die globale und regionale Wirtschaft zu fördern, Sozialleistungen sowie Beschäftigungs- und Bildungsmöglichkeiten auszuweiten und dabei Korruption, Inflation und Arbeitslosigkeit zu bekämpfen sowie die Subventionen von Regierungsseite einzuschränken;

7.  fordert die jemenitische Regierung auf, notwendige Reformen durchzuführen, um die Menschenrechtssituation im Land zu verbessern, und insbesondere die Freiheit der Medien, das Recht auf ein faires Verfahren, die Gleichbehandlung von Frauen und Männern und die Abschaffung von Zwangsheiraten sicherzustellen; begrüßt in diesem Zusammenhang ein jüngst erlassenes Gesetz, mit dem das Mindestalter für Heiraten auf 17 Jahre festgesetzt wird;

8.  hebt hervor, wie wichtig es ist, 2011 Wahlen abzuhalten, und ermutigt alle politischen Parteien, ihre Vereinbarungen umzusetzen, die die erforderlichen Maßnahmen beinhalten, um das Wahlsystem zu verbessern und die Demokratie zu vertiefen, wobei insbesondere die Empfehlungen der EU-Wahlbeobachtungsmission im Anschluss an die demokratischen Präsidentschafts- und Kommunalwahlen von 2006 berücksichtigt werden sollten; fordert die Kommission und den Rat auf, den Prozess der Verfassungs- und Wahlrechtsreform zu überwachen, der zur Verschiebung der Parlamentswahlen geführt hat;

9.  begrüßt die von der Regierung bereits unternommenen Schritte zur Korruptionsbekämpfung, insbesondere die Einrichtung einer zentralen Organisation für Kontrolle und Rechnungsprüfung und einer obersten nationalen Behörde zur Korruptionsbekämpfung;

10. fordert die Schaffung einer eigenständigen Delegation der Kommission in Jemen, der die Verantwortung für die Verwaltung der Hilfe übertragen und zusätzliches Vor-Ort-Personal zugewiesen werden sollte, um so dazu beizutragen, dass die Hilfsmitteln effizient eingesetzt werden;

11. fordert den Rat und die Kommission auf, Jemen in Zusammenarbeit mit anderen internationalen Akteuren umfangreichere Entwicklungshilfe zukommen zu lassen, um die politische Lage zu stabilisieren und die wirtschaftliche Situation und die Lebensbedingungen der Bevölkerung in Jemen zu verbessern;   fordert insbesondere, hierbei auch Sonderhilfsmaßnahmen im Rahmen des Stabilitätsinstruments in Betracht zu ziehen, insbesondere ein Programm zur Verbesserung der Bildung mit Mitteln aus dem Instrument für die Entwicklungszusammenarbeit (DCI);

12. fordert die jemenitische Regierung auf, in enger Zusammenarbeit mit den Gebern durch entsprechende Koordinierungs-, Verteilungs- und Umsetzungsmechanismen eine stärkere Wirksamkeit der Hilfe sicherzustellen;

13. fordert die Kommission und den Rat auf, dafür zu sorgen, dass die aus dem Haushalt der Europäischen Union geleistete Hilfe verwendet wird, um Projekte zu finanzieren, die direkt so vielen Menschen wie möglich zugute kommen und deren Wirksamkeit vor Ort bewertet werden kann;

14. fordert die Golfstaaten auf, Jemen nach Umsetzung erforderlicher Reformen, darunter Fortschritte bei der Eindämmung von Regierungssubventionen, der Korruptionsbekämpfung und der Umsetzung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheitslage im Gegenzug die Mitgliedschaft im Golf-Kooperationsrat in Aussicht zu stellen; fordert in diesem Zusammenhang die Kommission und den Rat auf, den Golf-Kopperationsrat vorzuschlagen, als Vermittler tätig zu werden und die verschiedenen jemenitischen Parteien an den Verhandlungstisch zu bringen und einen umfassenden politischen Dialog in Gang zu setzen;

15. fordert die jemenitische Regierung auf, verstärkt auf die Freilassung der sechs europäischen Geiseln hinzuwirken, die auf ihrem Hoheitsgebiet festgehalten werden;

16. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Regierung und dem Parlament von Jemen sowie dem Golf-Kooperationsrat zu übermitteln.