ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zum Erdbeben in Haiti
3.2.2010
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung
Charles Goerens, Louis Michel, Marielle De Sarnez, Frédérique Ries im Namen der ALDE-Fraktion
Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B7-0072/2010
B7‑0076/2010
Entschließung des Europäischen Parlaments zum Erdbeben in Haiti
Das Europäische Parlament,
– in Kenntnis der am 25. Januar 2010 in Montreal angenommenen Erklärung der mit Haiti befreundeten Länder,
– unter Hinweis auf die vom Europäischen Parlament am 20. Januar 2010 zum Erdbeben in Haiti organisierte Aussprache,
– in Kenntnis der in einer Sondersitzung des Rates der Außenminister am 18. Januar 2010 in Brüssel gezogenen Schlussfolgerungen,
– gestützt auf Artikel 214 Absatz 5 AEUV, der einen Rahmen für gemeinsame Beiträge schafft, in dem ein Europäisches Freiwilligenkorps für humanitäre Hilfe vorgesehen wird,
– gestützt auf Artikel 214 Absatz 7 AEUV, der vorsieht, dass die Union dafür Sorge trägt, dass ihre Maßnahmen der humanitären Hilfe mit den Maßnahmen der internationalen Organisationen und Einrichtungen, insbesondere derer, die zum System der Vereinten Nationen gehören, abgestimmt werden und im Einklang mit ihnen stehen,
– unter Hinweis auf die von Michel Barnier im Auftrag der Europäischen Union in seinem Bericht vom 9. Mai 2006 unterbreiteten Vorschläge für eine europäische Katastrophenschutztruppe namens EuropeAid,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Göteborg vom 15./16. Juni 2001 betreffend die Schaffung von Schutzkapazitäten zur Krisenbewältigung,
– unter Hinweis auf die gemeinsame Erklärung des Rates und der Kommission vom 29. September 2003 zur Nutzung des Verfahrens für den Katastrophenschutz zur Krisenbewältigung im Rahmen von Titel V des Vertrags über die Europäische Union,
– unter Hinweis auf die Elemente der von mehreren Mitgliedstaaten vorgeschlagenen Initiative „EU-FAST“,
– gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass Haiti am 12. Januar 2010 von einem Erdbeben der Stärke 7,3 auf der Richter-Skala getroffen wurde, das mindestens 150.000 Tote und 200.000 Verletzte forderte, und dass mehr als 3 Millionen Menschen von dieser Katastrophe direkt betroffen waren,
B. in der Erwägung, dass der Europäischen Union mit dem Vertrag von Lissabon neue Zuständigkeiten übertragen wurden und dass eine europäische Koordinierung bei Tragödien einen offensichtlichen Mehrwert erbringt,
C. in der Erwägung, dass im März in New York eine erste internationale Konferenz zum Wiederaufbau Haitis stattfinden wird, während es darum geht, den Übergang von der Soforthilfe zu langfristigen Investitionen zu planen, sowie unter besonderem Hinweis darauf, dass Haiti erhebliche strukturelle Erfordernisse verzeichnet, da dieses Land, das zu den ärmsten weltweit gehört, auf stabilen Grundlagen einer verantwortungsvollen Staatsführung und der Achtung der Menschenrechte wieder aufgebaut werden muss,
D. in der Erwägung, dass sich die internationale Gemeinschaft drei strategische Ziele gesetzt hat, nämlich die Stärkung der demokratischen Staatsführung in Haiti, die auf die Verringerung der Armut ausgerichtete wirtschaftliche Entwicklung und schließlich die Wiederherstellung des Justizsystems, der Sicherheit und der Rechtsstaatlichkeit,
E. in Erwägung des Vorschlags der Weltbank, einen einheitlichen Fonds für den Wiederaufbau zu verwalten,
F. in der Erwägung, dass die Europäische Union am Montag, 25. Januar 2010, beschlossen hat, eine 300 bis 350 Militärpolizisten umfassende Mission nach Haiti zu entsenden, die die Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Haiti (MINUSTAH) verstärken soll,
G. in der Erwägung, dass die meisten Hilfslieferungen für Haiti aus der Europäischen Union stammen,
H. in der Erwägung, dass die Bürger Haitis das Recht haben, selbst über ihre Zukunft zu entscheiden, und dass die Souveränität des Landes respektiert werden muss,
1. bekundet sein tief empfundenes Mitgefühl, seine Sympathie und seine Solidarität mit dem haitianischen Volk, allen anderen betroffenen Nationen und dem Personal der internationalen Organisationen, darunter der Vereinten Nationen und der Europäischen Kommission, nach diesem furchtbaren Drama;
2. fordert die Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik auf, konkrete Initiativen zu ergreifen, um eine kohärente und wirksame Vorgehensweise im zivilen und humanitären Bereich sicherzustellen, und betont, dass der Einrichtung einer „EU-FAST“-Initiative Vorrang einzuräumen ist, damit die Europäische Union binnen 24 Stunden nach einer Katastrophe über die geeigneten Mittel verfügen kann, um eine erste humanitäre Soforthilfe zu organisieren;
3. hebt die Merkmale des europäischen Instrumentariums für Kriseneinsätze hervor:
· ausschließlich ziviler und/oder humanitärer Charakter,
· dauerhafter Charakter,
· Einsatzmöglichkeit jederzeit und innerhalb kürzester Frist,
· Durchführung von Maßnahmen unter der Flagge der Europäischen Union,
· Achtung des humanitären Völkerrechts,
· Offenheit für die Zusammenarbeit mit anderen humanitären Akteuren,
· Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem System der Vereinten Nationen,
· Offenheit für Beiträge von Drittländern,
· Achtung der Freiwilligkeit der Beteiligung der Mitglieder an dem zu schaffenden Instrumentarium,
· Bereitschaft zur ständigen Aktualisierung der jederzeit einsetzbaren humanen und materiellen Kapazitäten,
· Prinzip der „Lastenteilung“ als Basis;
4. fordert die Kommission und den Rat auf, die Mitgliedstaaten zu ermutigen, ihnen mitzuteilen, welche Interventionskapazitäten sie innerhalb kürzester Frist im Rahmen einer zivilen Einsatztruppe bereitstellen könnten;
5. fordert die Kommission zu diesem Zweck auf, eine aktuelle Liste der im Bereich des Katastrophenschutzes und der humanitären Soforthilfe geforderten Kapazitäten zu führen;
6. ersucht die Kommission, die Einsatzmodalitäten zu definieren und dafür zu sorgen, dass die von den Mitgliedstaaten angekündigten Beiträge in die Einsätze im Rahmen künftig zu erwartender Krisensituationen einbezogen werden können;
7. fordert die Kommission auf, ihm innerhalb kürzester Frist ihre Auffassungen betreffend die Planung und notwendige Zusammenarbeit mit weiteren humanitären Akteuren weltweit, insbesondere den Vereinten Nationen, mitzuteilen;
8. ersucht die Kommission darüber hinaus, die möglichen Modalitäten einer Zusammenarbeit mit den NRO zu prüfen;
9. fordert die UNO und die Weltbank auf, eng mit Haiti zusammenzuarbeiten, um eine koordinierte Bewertung des Bedarfs nach der Katastrophe vorzunehmen und die Wirksamkeit der Hilfe zu garantieren, um den langfristigen Wiederaufbau sicherzustellen;
10. ersucht nachdrücklich alle Mitgliedstaaten des Pariser Clubs, Verhandlungen mit den geeigneten Institutionen aufzunehmen, um ihre Zusagen von 2009 betreffend den Erlass der 1 Mrd. Dollar umfassenden Schulden Haitis einzuhalten; betont, dass jegliche Unterstützung zur Stabilisierung und zum Wiederaufbau nach diesem Erdbeben in Form von Spenden und nicht von Krediten, die neue Schulden nach sich ziehen, gewährt werden muss;
11. fordert die Kommission auf, den Regierungsstellen Haitis unverzüglich logistische Hilfe zu leisten, und fordert, dass im Rahmen des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (UNDP) ein Beitrag geleistet wird zur Errichtung von Lagern für Binnenvertriebene, wobei der medizinischen Versorgung und den sanitären Einrichtungen besondere Aufmerksamkeit zu widmen ist;
12. fordert die NRO, die sich für den Schutz von Kindern einsetzen, darunter UNICEF, auf, der Familienzusammenführung vor Ort in Haiti Vorrang einzuräumen, damit die nach dem Erdbeben eingeleiteten Adoptionsverfahren nur als letzte Möglichkeit genutzt werden, und dabei die internationalen Normen zu beachten;
13. ersucht die Kommission, die Kontrolle der Effektivität der Hilfe zu verstärken, um die Ziele des Wiederaufbaus und der nachhaltigen Entwicklung zu erreichen, deren Haiti dringend bedarf;
14. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik/Vizepräsidentin der Kommission, dem Präsidenten der Europäischen Kommission, dem Präsidenten und der Regierung von Haiti, dem Untergeneralsekretär für humanitäre Angelegenheiten und Nothilfekoordinator der UNO sowie den Regierungen der Mitgliedstaaten zu übermitteln.