Entschließungsantrag - B7-0159/2010Entschließungsantrag
B7-0159/2010

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu EU 2020 – Follow-up der informellen Tagung des Europäischen Rates vom 11. Februar 2010

4.3.2010

eingereicht im Anschluss an die Anfrage zur mündlichen Beantwortung B7‑0000/2010
gemäß Artikel 115 Absatz 5 der Geschäftsordnung

Rebecca Harms, Daniel Cohn-Bendit im Namen der Verts/ALE-Fraktion


Werdegang im Plenum
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B7‑0159/2010

Entschließung des Europäischen Parlaments zu EU 2020 – Follow-up der informellen Tagung des Europäischen Rates vom 11. Februar 2010

Das Europäische Parlament,

–   unter Hinweis auf die informelle Tagung des Europäischen Rates vom 11. Februar 2010,

–   in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Vorsitzes im Anschluss an die Tagungen des Europäischen Rates im März 2000, 2001, 2005, 2006, 2007 und im Dezember 2009,

–   unter Hinweis auf die von der Kommission durchgeführte Konsultation der Öffentlichkeit zu „EU 2020“ und deren Ergebnis (SEK(2010)116),

–   in Kenntnis der Bewertung der Lissabon-Strategie durch die Kommission (SEK(2010)114),

–   gestützt auf Artikel 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,

–   unter Hinweis auf die Anfrage vom 23. Februar 2010 an die Kommission zu „Landwirtschaft und künftige EU-Strategie bis 2020“ (O-0023/2010 – B7-0000/2010),

–   gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 und Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass die Kommission bei ihrer Konsultation zur künftigen Strategie „EU 2020“ weder die Interessenvertreter noch das EP einbezogen hat,

B.  in der Erwägung, dass die in der Lissabon-Strategie festgelegten Ziele nicht erreicht wurden; in der Erwägung, dass die Festlegung der künftigen Strategie „EU 2020“ auf einer ordnungsgemäßen und eingehenden Bewertung der Lissabon-Strategie beruhen muss,

C. in der Erwägung, dass die Wirtschafts- und Finanzkrise die strukturelle Verwundbarkeit der EU und insbesondere der Eurozone verdeutlicht hat; in der Erwägung, dass die Lage in Griechenland und anderen krisenanfälligen WWU-Mitgliedstaaten höchst besorgniserregend ist und eine dringende Herausforderung darstellt, die eine breitere wirtschaftliche Integration der EU erfordert,

D. in der Erwägung, dass die Krise Millionen von Arbeitsplätzen zunichte gemacht und Beschäftigungsunsicherheit und Armut verschärft hat; in der Erwägung, dass 16 % der EU-Bevölkerung von Armut bedroht sind; in der Erwägung, dass 23 Millionen Einwohner der EU arbeitslos sind,

E.  in der Erwägung, dass die einfache Verfügbarkeit von Krediten, kurzfristiges Denken, die Deregulierung der Finanzmärkte und das Eingehen übertriebener Risiken auf den Finanzmärkten der Spekulation Vorschub geleistet haben, die wiederum zu von dieser Spekulationsblase getriebenem Wachstum und zur Zunahme nicht nachhaltiger Ungleichgewichte innerhalb der EU und weltweit geführt hat,

F.  in der Erwägung, dass der Klimawandel drastische und dringliche Maßnahmen erfordert,

G. in der Erwägung, dass die Abhängigkeit von herkömmlichen Treibstoffen und der ineffiziente Rohstoffeinsatz die Entwicklung der EU zu einer nachhaltigen Wirtschaft gefährden,

H. in der Erwägung, dass es keine andere Möglichkeit gibt, als den Übergang zu einer grünen, hocheffizienten Wirtschaft auf der Grundlage erneuerbarer Energieträger zu beschleunigen, um den Klimawandel und die Probleme in Bezug auf die Versorgungssicherheit zu bewältigen und eine hohe Beschäftigungsrate und sozialen Zusammenhalt sicherzustellen,

I.   in der Erwägung, dass nur ein effizienterer und geringerer Ressourceneinsatz ökologische Nachhaltigkeit gewährleisten kann,

J.   in der Erwägung, dass sich die Überalterung der Gesellschaft beschleunigt und die erwerbstätige Bevölkerung in der EU ab 2013/2014 zurückgehen wird,

K. in der Erwägung, dass es unerlässlich ist, Arbeit und Betreuungsaufgaben gerechter zwischen Männern und Frauen aufzuteilen und die Lage der Frauen auf dem Arbeitsmarkt sowie im Allgemeinen die Gleichberechtigung von Männern und Frauen zu verbessern,

L.  in der Erwägung, dass Investitionen in allgemeine und berufliche Bildung und lebenslanges Lernen wesentlich für bessere Lebensbedingungen und eine wissens- und innovationsgestützte Wirtschaft sind,

M. in der Erwägung, dass die Kommission in ihrer Vision für die Zukunftsstrategie „EU 2020“ die wichtige Rolle der Artenvielfalt und der Landwirtschaft sowie die allgemeinere Rolle der Agrarwirtschaft für die Sicherung der Nahrungsmittelversorgung, die Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen und die Beschäftigung ebenso wie ihr großes Potenzial in Bezug auf die Begrenzung des Klimawandels und andere Herausforderungen außer Acht lässt; in der Erwägung, dass der Verlust der Artenvielfalt weltweit ökologische, soziale und wirtschaftliche Kosten verursacht, die im Bericht über den ökonomischen Wert von Ökosystemen und biologischer Vielfalt für das Jahr 2008 auf 1,35 bis 3,1 Bio. EUR bzw. bis 2050 auf 7 % des weltweiten BIP geschätzt werden,

N. in der Erwägung, dass dieses Versäumnis darauf hinzudeuten scheint, dass der Kommission nicht klar ist, dass die Gemeinsame Agrarpolitik und die Politik für die Entwicklung des ländlichen Raums tiefgreifenden Reformen unterzogen werden müssen, um diese Herausforderungen bewältigen zu können, durch Wasser- und Bodenbewirtschaftung nachhaltige Verfahren einzuführen, die Abhängigkeit von Öl zu verringern und die Artenvielfalt zu erhalten sowie die Beschäftigung in der Landwirtschaft und der Agrarwirtschaft nachhaltig zu diversifizieren,

O. in der Erwägung, dass sich der EU-Haushalt nur auf 2,5 % der gesamten öffentlichen Ausgaben in der EU und weniger als 1 % des BIP der EU beläuft,

I. „EU 2020“: Von der Krisenanfälligkeit zur Nachhaltigkeit: Ziele der neuen Strategie

1.  betont, dass die Strategie „EU 2020“ Europa zur treibenden Kraft der grünen Revolution des 21. Jahrhunderts machen muss, die eine menschliche Entwicklung mit den physischen Grenzen des Planeten Erde vereinbaren muss;

2.  fordert daher, dass der Schwerpunkt der Strategie „EU 2020“ nicht auf dem alleinigen Streben nach BIP-Wachstum, sondern auf einem breiteren politischen Konzept für die Zukunft der EU als soziale und nachhaltige Union liegen muss, die die Menschen und den Umweltschutz in das Zentrum ihrer Politik stellt und sich bemüht, allen Lebensqualität und die besten Chancen zu bieten; betont in diesem Zusammenhang, dass Wettbewerbsfähigkeit an sich kein Ziel darstellt;

3.  ist der Ansicht, dass die neue Strategie abgesehen vom BIP auch eine Reihe von Indikatoren in Bezug auf die Lebensqualität und zur Berücksichtigung allgemeiner wirtschaftlicher Nebeneffekte und der Umweltbelastung umfassen sollte und dass diese Indikatoren in demokratischen und innovativen Verfahren festgelegt, angenommen und bewertet werden sollten;

4.  weist darauf hin, dass der Europäische Rat im Rahmen der Halbzeitbewertung im März 2005 bekräftigt hat, dass die Strategie im weiteren Kontext der nachhaltigen Entwicklung gesehen werden muss, die als wesentlicher Grundsatz aller Politiken und Tätigkeiten der Union anzusehen ist;

5.  ist beunruhigt darüber, dass die Kommission in ihrer Vorbereitung die Strategie für 2020 nicht auf eine Führungsrolle in einer Welt ausgerichtet ist, die mit dem Klimawandel und einer bedenklichen Ausbeutung der natürlichen Ressourcen konfrontiert ist und in der die globalen Ökosysteme kurz vor dem Kollaps stehen;

6.  ist besorgt, dass in der Strategie für 2020 keine konkreten Ziele im Bereich der Artenvielfalt für das Jahr 2020 festgelegt oder auch nur erwähnt werden; fordert daher, dass messbare Ziele angenommen werden, die darauf ausgerichtet sind, den Verlust der Artenvielfalt und der Ökosystemdienstleistungen aufzuhalten und diese nach Möglichkeit bis 2020 wieder herzustellen;

7.  weist darauf hin, dass jedes Ziel, die Treibhausgasemissionen in der EU um weniger als 30 % gegenüber 1990 zu senken, stark von den wissenschaftlichen Erkenntnissen abweicht und die dramatischen Folgen des galoppierenden Klimawandels nicht verhindern wird; ist ferner der Ansicht, dass es den Verlust der Führungsrolle der EU in der weltweiten Klimapolitik besiegeln würde; fordert daher mit Nachdruck, dass sich die EU eine Verringerung um 40 % zum Ziel setzen sollte; lehnt Beihilfen für zweifelhafte und riskante Technologien ab, die nur eine Verringerung der Treibhausgasemissionen herbeiführen können, die nicht weit genug geht und zu spät kommt, wie etwa die Kernenergie und die Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS);

8.  betont, dass die ökologische Nachhaltigkeit von einem absoluten Rückgang des Ressourceneinsatzes abhängt; fordert in diesem Zusammenhang die Annahme eines Ziels zur Verbesserung der Ressourceneffizienz um mindestens 3 % jährlich abzüglich der BIP-Entwicklung;

9.  fordert die EU auf, als ersten Schritt zu einer grünen, hocheffizienten Wirtschaft auf der ausschließlichen Grundlage erneuerbarer Energieträger verbindliche Ziele für 2020 im Hinblick auf die Verringerung ihres Energieverbrauchs um mindestens 20 % gegenüber 1990 und die Steigerung des Anteils der erneuerbaren Energieträger auf mindestens 25 % bis 2020 festzusetzen und gleichzeitig technische und nichttechnische Barrieren für die weitere Entwicklung der nachhaltigen erneuerbaren Energieträger abzubauen;

10. betont, dass die EU ihre Bemühungen um eine Politik des echten sozialen Zusammenhalts auf der Grundlage von starken Rechten und der Nichtdiskriminierung verstärken muss und dabei auf eine Verringerung der Ungleichheiten und die Annäherung zwischen Reich und Arm, bessere Leistungen im Gesundheitswesen und im Bildungswesen, die Verringerung der Kriminalität und die Stärkung einer ganzen Reihe anderer sozialer Rechte und Güter, die durch Armutsbekämpfung alleine nicht erreicht werden können, abzielen muss;

11. ist in diesem Zusammenhang der Auffassung, dass die Strategie „EU 2020“ ausdrücklich auch ehrgeizige Ziele im Bereich der Armutsbekämpfung umfassen sollte, wobei die Armutsrate alle fünf Jahre halbiert werden sollte (d. h. das Zielniveau der Armut sollte 2015 bei 8,5 und 2020 bei 4 % liegen), ebenso wie im Bereich der Verringerung von Ungleichheiten und insbesondere des Gefälles zwischen Reich und Arm; ist daher der Ansicht, dass Armut als „relative Armut“ zu messen ist, um auch jene zu erfassen, die von Ausgrenzung bedroht sind, und dass der Gini-Koeffizient ein explizites Instrument der Strategie „EU 2020“ sein sollte;

12. fordert, dass ein wesentlicher Schwerpunkt auf die Gleichberechtigung von Männern und Frauen gelegt werden muss, indem festgelegt wird, dass 60 % der arbeitenden Frauen genug verdienen müssen, um wirtschaftlich unabhängig zu sein, sowie dass sich das Geschlechtergefälle alle fünf Jahre um die Hälfte verringern muss (d. h. das Geschlechtergefälle sollte bis 2015 auf 8,5 % und bis 2020 auf 4 % gesenkt werden), und indem der Zugang zu Kinderbetreuungseinrichtungen für mindestens 50 % der Kinder unter und 100 % der Kinder über drei Jahren verbessert wird, indem eine europäische Beobachtungsstelle für Gewalt gegen Frauen eingerichtet wird und indem eine Quote für einen 40 %-igen Frauenanteil in Unternehmensvorständen gesetzt wird;

13. fordert den Europäischen Rat und die Kommission auf, eine ehrgeizige Agenda für menschenwürdige Arbeit festzulegen und anzunehmen, die das Ziel eines existenzsichernden Lohns, verbindliche Benchmarks für die Jugendarbeitslosigkeit, die nicht über der durchschnittlichen allgemeinen Arbeitslosenrate liegen darf, sowie einen durch angemessene staatliche Rentenregelungen gestützten Ansatz auf der Basis der Gesamtlebensperspektive für die Beschäftigung umfasst;

14. fordert den Rat und die Kommission auf, eine europäische Beschäftigungsgarantie für Jugendliche einzuführen, die das Recht jedes jungen Menschen in der EU auf Beschäftigung, eine Lehrstelle, zusätzliche Weiterbildung oder kombinierte Arbeit und Berufsbildung nach höchstens sechs Monaten Arbeitslosigkeit gewährleistet;

15. ist der Ansicht, dass die Strategie „EU 2020“ das Ziel umfassen sollte, beim Sekundarunterricht die Zielsetzung von 100 % zu erreichen, und klare Qualitätsziele und Indikatoren für den Primär- und Sekundarunterricht vorgeben sollte;

16. fordert, dass das Ziel gesetzt wird, dass die Ausgaben für Forschung und Entwicklung und Innovation 4 % des BIP betragen sollen; ist in diesem Zusammenhang der Ansicht, dass explizite Ziele für KMU-freundliche Finanzierungsinstrumente sowie zur Förderung von offenen Standards festgelegt werden sollten, um die digitale Interoperabilität und Zugänglichkeit zu gewährleisten;

17. macht darauf aufmerksam, dass die Regelung für die Rechte an geistigem Eigentum überarbeitet werden muss, da ein übersteigertes Patent- und Exklusivrecht-System Innovation behindern und den Zugang zu wesentlichen Ressourcen einschränken kann; betont, dass unnötige Barrieren für den freien Verkehr von Wissen ausgeräumt werden sollten, da die gemeinsame Nutzung von Kenntnissen eine wesentliche Voraussetzung für Wohlstand ist;

18. betont, dass FuE-Ausgaben für militärische Zwecke und für die Kernforschung aus dem 4 %-Ziel für FuE und Innovation ausgenommen werden sollten;

19. fordert die klare Einbeziehung der EU-Ziele für Öko-Innovation unter das 4 %-Ziel;

20. betont, dass die Handelsstrategie der Kommission „Globales Europa“, mit der die Zusammenarbeit im Bereich verbindlicher Standards für sozial und ökologisch nachhaltige Handelsbeziehungen gefördert werden soll, eingehend überarbeitet werden muss; fordert in diesem Zusammenhang, dass die Unterzeichnung der Freihandelsabkommen (FTA) mit Kolumbien, Peru und Korea ausgesetzt wird und ein Moratorium für die laufenden FTA-Verhandlungen mit Indien, Kanada, den Golfstaaten und einer Reihe von AKP-Staaten im Rahmen der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (WPA) verhängt wird;

II. Bessere Governance für die Strategie „EU 2020“

21. ist der Ansicht, dass die Strategie „EU 2020“ verbindliche Ziele und Mechanismen der Erfüllungskontrolle vorgeben sollte, die eine Harmonisierung auf hohem Niveau mit Flexibilität verbinden;

22. fordert in diesem Zusammenhang den Europäischen Rat und die Kommission auf, zur wirksamen Unterstützung der Ziele von „EU 2020“ wirtschaftliche Anreize wie zusätzliche EU-Mittel, aber auch Sanktionen wie etwa zusätzliche Gebühren zu beschließen;

23. ist der Ansicht, dass jeder Mitgliedstaat der Kommission sein nationales Programm für 2020 vorlegen sollte, das von seiner besonderen Ausgangssituation ausgeht und mit den Zielen von „EU 2020“ vereinbar ist;

24. fordert den Europäischen Rat und die Kommission auf, eine ehrgeizige EU-weite Governance einschließlich der gemeinsamen Verabschiedung des Stabilitäts- und Konvergenzprogramms und nationaler Reformprogramme in einem gemeinsamen Rahmen in die Strategie „EU 2020“ aufzunehmen;

25. betont, dass einige konzeptionelle Mängel der WWU und bis zu einem gewissen Grad die Wirtschaftspolitik der Partnerstaaten es den Mitgliedstaaten erschweren, ihre Finanzen in Ordnung zu bringen; bedauert insbesondere, dass sich die Koordinierung der Finanzpolitik auf die Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts beschränkt, in dem es nur um das öffentliche Defizit und die öffentliche Verschuldung geht;

26. weist darauf hin, dass der derzeitige Mechanismus der politischen Koordinierung innerhalb der Eurozone erweitert werden muss, um insbesondere auf aktuelle und zukünftige Ungleichgewichte und Unterschiede innerhalb der Eurozone reagieren zu können; bedauert in diesem Zusammenhang, dass es keine bindende Verpflichtung der Regierungen gibt, die Koordinierung innerhalb der WWU und allgemeiner in der EU durchzusetzen;

27. ist der Ansicht, dass die Kommission Empfehlungen zur Durchführbarkeit der nationalen Ziele abgeben und die Möglichkeit bewerten sollte, in einem Dreijahreszeitraum zusätzliche Mittel bereitzustellen; fordert die Kommission auf, bei der Bewertung der nationalen Programme Verfahren zur öffentlichen Anprangerung von Mitgliedstaaten anzunehmen, die bei ihren Zielen nicht weit genug gehen;

28. betont, dass das Europäische Parlament die Umsetzung der Strategie „EU 2020“ jährlich bewerten und als Arm der Haushaltsbehörde die Bereitstellung zusätzlicher Mittel von diesen Bewertungen abhängig machen sollte;

29. ist der Ansicht, dass demokratische Unterstützung eine wesentliche Voraussetzung für Erfolg ist und dass die einzelstaatlichen Parlamente daher aktiv an der Festlegung und Durchführung der Strategie „EU 2020“ beteiligt werden sollten; ist in diesem Sinne auch der Auffassung, dass Regionen, Gemeinden, Sozialpartner und NRO aktiv in die Festlegung und Durchführung der Strategie einbezogen werden sollten;

30. ist der Ansicht, dass die strategischen und operationellen Schnittstellen der Strategie „EU 2020“ zur übergeordneten Strategie für nachhaltige Entwicklung, aber auch zum Energie-Klima-Paket sowie zur Sozialagenda, zur EU-Strategie für Artenvielfalt und zur Gemeinsamen Agrarpolitik verbessert werden sollten; fordert in diesem Zusammenhang die Kommission auf, eine jährliche Mitteilung zu den Wechselwirkungen zwischen diesen Strategien und zu ihrer Kohärenz vorzulegen;

31. fordert die Kommission auf, die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik und der Politik der Entwicklung des ländlichen Raums in die Strategie „EU 2020“ aufzunehmen, so dass die Ziele Kohäsion, Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit als drei untrennbare Ziele behandelt werden, wie es bereits in der Lissabon- und der Göteborg-Agenda der Union vorgesehen war;

III. Sicherstellung der wesentlichen Mittel und Instrumente für den Erfolg der neuen Strategie

32. fordert die Länder mit einem Leistungsbilanzüberschuss auf, die Beschäftigung und die Inlandsnachfrage unter Berücksichtigung der Regeln des SWP unter anderem dadurch anzukurbeln, dass sie die Lohnzurückhaltung aufgeben, Mindestlöhne einführen, falls es noch keine gibt, und zusätzliche Investitionen in die Nachhaltigkeit tätigen; fordert die Länder mit einem Leistungsbilanzdefizit auf, übermäßigen Verbrauch einzudämmen und verstärkt nachhaltige Investitionen zu tätigen;

33. betont, dass Lohnzurückhaltung auch das Wachstum der Einkommen der Haushalte und damit den privaten Verbrauch bremst; warnt daher davor, in erster Linie in einer Lohnzurückhaltung eine Möglichkeit zur Erreichung der Preisstabilität zu sehen; weist darauf hin, dass der verstärkte globale Wettbewerb bereits zu einem Abwärtsdruck auf die Löhne beigetragen hat, während höhere Rohstoffpreise die Kaufkraft der Verbraucher in der EU beeinträchtigt haben;

34. ist der Ansicht, dass das Volumen des EU-Haushalts nicht ausreicht, um die Ungleichgewichte zwischen den Mitgliedstaaten wirksam zu begrenzen und eine ausreichende antizyklische Wirkung zu erzielen; regt daher eine Aufstockung an; ist der Ansicht, dass die bevorstehende Debatte über die Finanzielle Vorausschau Gelegenheit bietet, eine Reflexion im Hinblick auf die Aufstockung des EU-Haushalts einzuleiten, die klar in den Revisionsprozess „EU 2020“ einbezogen werden sollte;

35. hält es für wesentlich, innerhalb der EU weitere Solidaritätsmechanismen zu entwickeln, um auf asymmetrische Schocks reagieren zu können; fordert die Kommission auf zu prüfen, ob es möglich ist, einen Solidaritätsfonds zu schaffen, in den die Länder in guten Zeiten einzahlen würden, um besser mit asymmetrischen Schocks fertig zu werden;

36. stimmt mit der Kommmission darin überein, dass die Finanzmarktaufsicht und -regulierung mit dem Ziel der Erhaltung der finanziellen Stabilität und der Vermeidung von Spekulationsblasen sowie der Begrenzung der binnen- und außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte für die erfolgreiche Weiterentwicklung der EU von entscheidender Bedeutung sind;

37. ist der Auffassung, dass eine ausgeglichene grenzüberschreitende Grundlage für alle grenzübergreifend tätigen (europäischen und nicht europäischen) Unternehmen und Marktteilnehmer in der EU erforderlich ist;

38. ist der Ansicht, dass alle Finanzmärkte, Akteure und Instrumente sowie auch alle systemisch wichtigen Finanzinfrastrukturen wie Zahlungs-, Clearing-, Abwicklungssysteme, ‑mechanismen und -plattformen sowie die damit zusammenhängende Wertpapierverwahrung reguliert werden müssen;

39. hält eine effektive und verbesserte Finanzregelung für wesentlich, um Einlagen und Ersparnisse für nachhaltige und grüne Investitionen und die Arbeitsplatzschaffung zu nutzen; betont, dass eine einheitliche europäische Aufsichtsbehörde für alle grenzübergreifend und branchenübergreifend tätigen Einrichtungen geschaffen werden muss; fordert angemessene Instrumente, um gegen Spekulation mit Vermögenswerten und Rohstoffen vorzugehen und Finanzinnovationen zu überwachen;

40. ist der Ansicht, dass die Aufsicht erheblich verstärkt werden muss und strengere und höherwertige Anforderungen wie antizyklische Kapital- und Liquiditätsanforderungen, Leverage-Effekte sowie progressive Kapital- und Liquiditätsanforderungen je nach Größe des Unternehmen umfassen sollte;

41. ist der Ansicht, dass sich Banken wieder auf ihr traditionelles kommerzielles Kerngeschäft (Spareinlagen und Kreditvergabe) konzentrieren sollten und dass sie stark reguliert und streng überwacht werden sollten und im Gegenzug von Unterstützungen als Kreditgeber letzter Instanz und Börsenmakler letzter Instanz profitieren würden; vertritt die Auffassung, dass andere Bankgeschäfte jedoch auf einer anderen Grundlage und nach den gleichen Prinzipien wie andere systemisch wichtige Märkte und Nichtbanken mit einer hohen Risiko/Eigenkapital-Relation wie Hedgefonds und Kapitalanlagefonds reguliert und überwacht werden sollten;

42. ist tief besorgt über die untragbar hohe öffentliche Verschuldung und die prognostizierte rasche Zunahme dieser Verschuldung in den Jahren 2010 und 2011 infolge der zur Bekämpfung der Krise erforderlichen expansiven Finanzpolitik, wobei diese Verschuldung eine umso größere Belastung darstellt, als die künftigen Generationen auch die wachsenden ökologischen Schulden und privaten finanziellen Verbindlichkeiten erben werden; weist darauf hin, dass die Privatverschuldung in vielen Mitgliedstaaten in der Zeit vor der Krise auf ein untragbares Niveau angestiegen ist;

43. betont, dass die übermäßige Vergabe von Krediten das Risiko einer Vermögenswertblase verschärft; fordert daher die EZB und das Europäische System der Zentralbanken auf, angemessene Maßnahmen zu prüfen, wie etwa die Anpassung der Reserven, um die finanzielle Stabilität dadurch zu schützen, dass ein übermäßiges Ansteigen der Privatverschuldung verhindert wird;

44. hält es für notwendig, die Regeln des SWP zu überarbeiten, die weder für die nach der Krise erwartete Höhe der akkumulierten Verschuldung in vielen Mitgliedstaaten noch für die Überwachung der Entwicklung der Privatverschuldung entworfen wurden; regt in diesem Zusammenhang an, dass das Verfahren des SWP bei einem übermäßigen Defizit auf Mitgliedstaaten mit einem übermäßigen Leistungsbilanzüberschuss oder einer übermäßigen Privatverschuldung ausgeweitet wird;

45. weist darauf hin, dass öffentliche Defizite äußerst besorgniserregend sind und die Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der Konjunkturlage einschließlich der Höhe der Privatverschuldung und der Leistungsbilanz angemessene Maßnahmen zu ihrer Verringerung treffen müssen; warnt vor den Gefahren einer Deflationsfalle, wenn das öffentliche Defizit und die Lohnzahlungen unabhängig von der allgemeinen Finanzlage des Mitgliedstaates und konkreter unabhängig von der Produktionslücke verringert werden;

46. ist in diesem Zusammenhang auch der Ansicht, dass die Lohnentwicklung zumindest mit der Produktivität plus Zielinflation Schritt halten muss;

47. fordert die Kommission auf, eine Reihe von Maßnahmen vorzuschlagen, die es den Mitgliedstaaten erleichtern sollen, ihre öffentlichen Finanzen wieder ins Gleichgewicht zu bringen und öffentliche Investitionen durch folgende Maßnahmen zu finanzieren:

a)  Eurobonds oder ähnliche Maßnahmen, um die Aufwendungen für Zinsen zur Bedienung der öffentlichen Schulden zu verringern, da die Zinsspannen zwischen den Mitgliedstaaten nicht unter das Niveau vor der Krise gesunken sind;

b)  Übergang von einem Steuerwettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten zu einer steuerlichen Zusammenarbeit einschließlich eines Zeitplans für die Einführung einer gemeinsamen konsolidierten steuerlichen Bemessungsgrundlage für Unternehmensgewinne und eines Mechanismus zur Sicherstellung einer Mindestkoordinierung im Bereich der Körperschaftssteuersätze auf einem ähnlichen Niveau wie derzeit bei der MwSt.;

c)  koordinierte Einführung von Umweltsteuern, um die Steuerlast von der Arbeit auf nicht nachhaltige Tätigkeiten und Produkte zu verlagern;

d)  eine EU-weite Besteuerung von Finanztransaktionen wie die Tobin-Spahn-Steuer;

e)  Einführung einer länderspezifischen Berichterstattung über Gesellschaftseinkommen und die darauf entrichteten Steuern sowie eines automatischen Informationsaustauschs;

f)   Schließung von Steueroasen, beginnend mit jenen innerhalb der EU;

48. fordert die Kommission, Eurostat und die Mitgliedstaaten auf, auf die Entwicklung von Instrumenten hinzuarbeiten, mit denen sich die nationalen Haushaltspläne hinsichtlich der verschiedenen Ausgabenkategorien besser vergleichen lassen und mit denen der Kommission das Recht verliehen wird, nationale Statistiken öffentlich zu überprüfen;

49. weist ferner darauf hin, dass auch gegen globale Ungleichgewichte, die mit Wechselkursschwankungen unter anderem zwischen dem Dollar und dem Renminbi und dem Euro zusammenhängen, vorgegangen werden muss, um in Zukunft Finanzkrisen zu vermeiden; fordert die Eurogruppe, den Rat und die EZB daher auf, die Koordinierung ihres Vorgehens auf dem Gebiet der Wechselkurspolitik zu intensivieren;

50. hebt hervor, dass die Eurozone letzten Endes über einen einzigen Sitz in den einschlägigen internationalen Finanzinstitutionen verfügen und in der Wechselkurspolitik mit einer einzigen Stimme sprechen muss;

51. fordert die Kommission auf, künftig die im Lissabon-Vertrag enthaltenen allgemeingültigen Rechtsvorschriften zu achten, wie etwa die neue horizontale Sozialklausel (Artikel 9) und die Klauseln zu Nichtdiskriminierung (Artikel 8 und 10), nachhaltiger Entwicklung (Artikel 11) und Verbraucherschutz (Artikel 12); ist der Ansicht, dass das Verfahren der Folgenabschätzung entsprechend verfeinert werden sollte;

52. ist der Auffassung, dass durch eine von allen Mitgliedstaaten umgesetzte und verwaltete EU-Rahmenrichtlinie ein angemessenes Grundeinkommen sowie bessere öffentliche Finanzen auf der Grundlage der progressiven Besteuerung und wirksamen Steuereinziehung gewährleistet werden sollten, damit das Ziel der sozialen Integration erreicht werden kann;

53. fordert die Kommission auf, eine umfassende Analyse der bisherigen Auswirkungen der Liberalisierung vorzulegen und die Fortschritte unter Anwendung des neuen Protokolls über Dienste von allgemeinem Interesse zu prüfen;

54. weist darauf hin, dass der allgemeine Zugang zu erschwinglichen hochwertigen Diensten sichergestellt werden muss und fordert – um dieses Ziel zu erreichen – eine EU-Rahmenrichtlinie, in der die besondere Rolle der Dienste von allgemeinem Interesse anerkannt wird, sowie eine EU-Richtlinie über Sozial- und Gesundheitsdienste;

55. fordert die Sozialpartner auf, in Zusammenarbeit mit der Kommission gemeinsame europäische Initiativen zur Bekämpfung des Sozialdumping und zur Verringerung der Erwerbsarmut einzuleiten; fordert die Kommission auf, wie vom Rat vereinbart, jährlich Indikatoren für die Qualität der Arbeitsplätze zu veröffentlichen;

56. ist der Ansicht, dass die EU eine grüne Beschäftigungsstrategie mit Schwerpunkt auf Qualifikationen, Anpassung des Arbeitsumfelds und gesellschaftlichem Wandel braucht, um eine intelligentere, nachhaltigere und integrativere Wirtschaft zu verwirklichen; ist der Ansicht, dass diese Strategie Folgendes umfassen sollte: intelligente Investitionen zur Schaffung neuer grüner Arbeitsplätze, Anreize zur Umwandlung bestehender Arbeitsplätze in grüne Arbeitsplätze, Investitionen in die berufliche Bildung und das lebenslange Lernen, um die Arbeitnehmer bei ihrer Weiterentwicklung und erforderlichenfalls bei einem Wechsel des Arbeitsplatzes zu unterstützen, ein Rahmenabkommen über Sicherheit bei Übergängen einschließlich des Rechts auf berufliche Bildung und angemessenen Sozialschutz bei Stellenwechseln, ein Abkommen der Sozialpartner über das Recht auf lebenslanges Lernen und Berufsbildung am Arbeitsplatz sowie umfassende Unterstützung bei der Anpassung der Qualifikationen und der Arbeitsplatzorganisation;

57. betont, dass die Strategie „EU 2020“ eine echte Sozialagenda umfassen sollte, einschließlich einer entsprechenden Ausrichtung des Europäischen Sozialfonds und von Progress, einer Agenda für aktive Integration mit entsprechenden Finanzmitteln und Governance-Instrumenten, der klaren Ausrichtung auf die Absicherung der Bürger in allen Lebenssituationen, auch außerhalb der Arbeit (EU-Rahmen für Sicherheit bei Übergängen), sowie von an finanzielle Anreize gebundenen Zielen für die Mitgliedstaaten;

58. fordert die umfassende Anerkennung und Förderung der Sozialwirtschaft als alternatives Wirtschaftsmodell, das wirtschaftliche Tätigkeiten mit der Verwirklichung sozial-, gesundheits-, beschäftigungs- und wohnungspolitischer Ziele verbindet, die den Erfordernissen auf lokaler Ebene und dem Ziel der Schaffung von Arbeitsplätzen gerecht werden;

59. fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass die EU-Strukturfonds an strenge soziale und ökologische Auflagen gebunden sein und daher zu den EU-Klimazielen beitragen sollten, indem für alle Strukturfondsinterventionen, beginnend mit unmittelbar bevorstehenden Großprojekten, ein „Klimacheck“ eingeführt wird;

60. fordert, dass Innovation durch Patentpools, Patentplattformen, Innovationspreise und Anreizprämien, Lizenzvergabe mit vollen Rechten und Wissenscluster, Zwangslizenzen sowie andere IP-Tools zur Vereinbarung von Zugang und Innovation gefördert wird;

61. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Europäischen Rat und der Kommission zu übermitteln.