Entschließungsantrag - B7-0162/2010Entschließungsantrag
B7-0162/2010

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Lage der Zivilgesellschaft und der nationalen Minderheiten in Belarus

4.3.2010

eingereicht im Anschluss an Erklärungen des Europäischen Rates und der Kommission
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Helmut Scholz, Jiří Maštálka im Namen der GUE/NGL-Fraktion

Werdegang im Plenum
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B7-0162/2010
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B7-0162/2010
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B7‑0162/2010

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage der Zivilgesellschaft und der nationalen Minderheiten in Belarus

Das Europäische Parlament,

–   unter Hinweis auf seine frühere Entschließung zu Belarus,

–   gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass ein Fünftel der Bevölkerung von Belarus aus Vertretern von 130 Nationalitäten besteht, darunter Russen (11%), Polen (3,9%) und Ukrainer (2,4%) sowie Armenier, Tataren, Roma, Litauer, Aserbaidschaner, Moldauer, Deutsche, Georgier und andere, und dass jede Nationalität über gesetzlich festgelegte Rechte verfügt, die es ihr ermöglichen, ihre Sprache, Kultur, Sitten und Traditionen zu bewahren und zu entwickeln,

B.  in der Erwägung, dass der Bund der Polen in Belarus (ZPB) 1990 gegründet wurde und es außer ihm in Belarus noch andere polnische Vereinigungen sowie 12 Zeitungen und Zeitschriften in polnischer Sprache sowie zwei polnische Schulen (in Hrodna and Valkavysk) gibt,

C. in der Erwägung, dass die Konflikte über die Wahl einer neuen Leitung des Bundes der Polen 2005 eine Teilung der Organisation zur Folge hatten, wobei das Original von Borys geleitet wird (ZPB-B) und der andere Teil unter der Führung von Stanislaw Siemaszko steht (ZPB-S), dass die belarussischen Behörden nur die ZPB-S zugelassen haben, die polnische Regierung jedoch die ZPB-B als einzige rechtmäßige Vertretung der Angehörigen der polnischen Minderheit in Belarus anerkennt,

D. in der Erwägung, dass belarussische Polizeibeamte am 8. Februar mit der Behauptung in das Polnische Haus in Iwieniec eingedrungen sind, dass eine Abspaltung der Union der Polen in Belarus das Haus widerrechtlich übernommen habe, und dass ein weißrussisches Gericht nur einige Tage später, am 17. Februar, in seinem Urteil erklärte, dass das Hauptgebäude der Organisation dem ZPB-S übergeben werden müsse, sowie in der Erwägung, dass Andżelika Borys, die Vorsitzende des Bundes der Polen (ZPB), zusammen mit etwa 40 anderen Aktivisten auf dem Weg zu einer Kundgebung in Waloschyn am 15. Februar 2010 festgenommen, später aber wieder freigelassen wurde,

E.  in der Erwägung, dass diese Ereignisse eine Eskalation der Spannungen zwischen Polen und Belarus zur Folge hatten und dass Polen nach den verstärkten Repressionen gegen Angehörige der polnischen Minderheit am 9. Februar 2010 seinen Botschafter abberief und seitdem damit droht, Fortschritte in den Beziehungen zwischen der EU und Belarus zu verhindern und beim IWF für eine Einstellung der Hilfszahlungen einzutreten,

F.  in der Erwägung, dass die Lage der bürgerlichen und demokratischen Menschenrechte in Belarus weiterhin nicht zufriedenstellend ist, und in der Erwägung, dass es 2009 einige Fortschritte gegeben hat, darunter die Wiederaufnahme des staatlichen Verkaufs von drei unabhängigen Presseorganen und die Zulassung eines Radiosenders sowie einer Nichtregierungsorganisation, und dass 2008 alle politischen Gefangenen freigelassen worden waren,

G. in der Erwägung, dass Belarus der einzige Staat in Europa ist, indem die Todesstrafe weiterhin zur Anwendung kommt, wobei 2009 zumindest zwei Personen zum Tode verurteil worden sind,

1.  bedauert zutiefst die Politisierung und Internationalisierung des Konflikts um den Bund der Polen in Belarus, vertritt die Auffassung, dass es sich hierbei nicht um das Problem einer nationalen Minderheit handelt, sondern um ein internes Problem innerhalb einer der Minderheitenorganisationen in Belarus, das nur von dieser Organisation selbst gelöst werden kann;

2.  ist tief besorgt über die Spannungen zwischen Polen und Belarus und ruft beide Länder dazu auf, den Dialog über alle bilateralen Fragen unverzüglich wieder aufzunehmen;

3.  fordert die Fortsetzung des Ausbaus konstruktiver Beziehungen zwischen der EU und Belarus von 2009; vertritt die Auffassung, dass das Europäische Parlament diese Maßnahmen durch die Einrichtung normaler interparlamentarischer Beziehungen unterstützen sollte; ist der Auffassung, dass dies ein angemessener Rahmen für einen umfassenden Dialog über Themen von gemeinsamen Interesse ist, auch wenn die Partner zu einigen Themen fundamental unterschiedliche Auffassungen vertreten;

4.  wünscht, dass sich die Östliche Partnerschaft zu einem Projekt gleichrangiger Partner entwickelt; fordert nachdrücklich, dass die Beteiligung an der interparlamentarischen Versammlung EURO-NEST ohne jegliche Diskriminierung auf der Grundlage einer Übereinstimmung zwischen allen beteiligten Parlamenten vereinbart werden sollte;

5.  weist darauf hin, dass weitere Maßnahmen notwendig sind, um die demokratischen Standards und die Wahlkriterien der OSZE zu erfüllen, unter anderem:

-    Achtung von Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit,

-    Freilassung aller verbleibenden politischen Gefangenen,

-    Schaffung günstiger Bedingungen für die Tätigkeit von politischen Parteien, nichtstaatlichen Organisationen (NGO) und unabhängigen Medien,

-    Änderungen des Wahlrechts im Einklang mit den Empfehlungen von OSZE/BDIMR;

6.  verurteilt die wiederholte Verhängung der Todesstrafe in Belarus aufs Schärfste und weist darauf hin, dass dies den Erklärungen der staatlichen Stellen von Belarus in den letzten Jahren entgegensteht, dass sie die Todesstrafe nach und nach einschränken würden; fordert Belarus auf, im Hinblick auf die Abschaffung der Todesstrafe ein Moratorium bezüglich deren Vollstreckung zu beschließen; erwartet, dass dieses Thema im Rahmen des kürzlich aufgenommenen Menschenrechtsdialogs zwischen Belarus und der EU konkret behandelt wird;

7.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Parlamenten und Regierungen der Mitgliedstaaten, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, den Parlamentarischen Versammlungen der OSZE und des Europarates, dem Sekretariat der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten sowie dem Parlament und der Regierung von Belarus zu übermitteln.