ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu einem generellen Verbot des Zyanideinsatzes in der Bergbautechnik in der EU
19.4.2010
gemäß Artikel 115 Absatz 5 der Geschäftsordnung
Daciana Octavia Sârbu, Csaba Sándor Tabajdi im Namen der S&D-Fraktion
Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B7-0238/2010
B7‑0239/2010
Entschließung des Europäischen Parlaments zu einem generellen Verbot des Zyanideinsatzes in der Bergbautechnik in der EU
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf Artikel 191 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf das in der Rio-Erklärung über Umwelt und Entwicklung und in dem Übereinkommen über die biologische Vielfalt von 1992 (Rio de Janeiro) verankerte Vorsorgeprinzip,
– unter Hinweis auf die Umweltziele der Wasserrahmenrichtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000,
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2006/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über die Bewirtschaftung von Abfällen aus der mineralgewinnenden Industrie, die den Einsatz von Zyanid im Bergbau unter Festlegung der höchstzulässigen Zyanidkonzentration gestattet,
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2003/105/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2003 zur Änderung der Richtlinie 96/82/EG des Rates (Seveso II) zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen, in der es heißt, dass bestimmte Lagerungs- und Aufbereitungsverfahren im Bergbau schwerwiegende Folgen haben können,
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Umwelthaftung, nach der die Mitgliedstaaten vorsehen können, dass der Betreiber die Kosten von Umweltschäden nicht tragen muss, sofern das Vorliegen bestimmter Bedingungen nachgewiesen wird,
– unter Hinweis auf das Achtzehnmonatsprogramm des spanischen, belgischen und ungarischen Ratsvorsitzes, was dessen Prioritäten in den Bereichen Wasserpolitik und biologische Vielfalt betrifft,
– unter Hinweis auf den Bericht der Bewertungsmission des UNEP und des OCHA vom März 2000 zu dem Austreten von Zyanid aus einem Auffangbecken bei Baia Mare (Rumänien) und auf den Bericht der internationalen Arbeitsgruppe zur Untersuchung des Unglücks bei Baia Mare vom Dezember 2000,
– unter Hinweis auf die Maßnahmen der Tschechischen Republik zum allgemeinen Verbot des Zyanideinsatzes durch Änderung des Bergbaugesetzes Nr. 44/1988 im Jahr 2000, auf die Änderung des ungarischen Bergbaugesetzes Nr. 48/1993 im Jahr 2009, durch die ein Verbot des Zyanideinsatzes in der Bergbautechnik auf ungarischem Territorium eingeführt wurde, und auf die 2002 in Deutschland erlassene Verordnung zum Verbot von Zyanidlauge im Bergbau,
– unter Hinweis auf die Anfrage vom 17. März 2010 an die Kommission zu einem Verbot für die Verwendung von Cyanid bei Bergbautechniken in der EU (O-0035/2010 – B7‑0206/2010),
– gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 und Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die Vereinten Nationen das Jahr 2010 zum Internationalen Jahr der Artenvielfalt erklärt haben und die Welt somit aufgefordert ist, im Jahr 2010 Maßnahmen zu ergreifen, um die Vielfalt des Lebens auf der Erde zu schützen,
B. in der Erwägung, dass Zyanid eine im Goldbergbau eingesetzte hochgiftige Chemikalie ist, die auch als wichtiger Schadstoff gemäß Anhang VIII der Wasserrahmenrichtlinie gilt und die katastrophale, irreversible Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen und die Umwelt und folglich auf die biologische Vielfalt haben kann,
C. in der Erwägung, dass die Umweltminister der Tschechischen Republik, Ungarns, Polens und der Slowakei in der von ihnen auf dem 14. Treffen der Umweltminister der Staaten der Visegrád-Gruppe am 25. Mai 2007 in Prag (Tschechische Republik) verabschiedeten gemeinsamen Position zur Nachhaltigkeit im Bergbau ihren Bedenken darüber Ausdruck verliehen haben, dass an mehreren Standorten in der Region gefährliche Verfahren im Bergbau zum Einsatz kommen bzw. ihr Einsatz geplant ist, die erhebliche Gefahren für die Umwelt mit möglicherweise grenzüberschreitenden Folgen mit sich bringen,
D. in der Erwägung, dass sich die Vertragsparteien des Übereinkommens von Sofia über die Zusammenarbeit zum Schutz und zur verträglichen Nutzung der Donau darauf geeinigt haben, dass abgesehen von den prioritären gefährlichen Stoffen gemäß der Wasserrahmenrichtlinie Zyanid als einschlägiger gefährlicher Stoff gilt,
E. in der Erwägung, dass vor zehn Jahren über 100.000 Kubikmeter zyanidbelastetes Wasser aus einem Auffangbecken eines Goldbergwerks in Baia Mare (Rumänien) in das Flusssystem von Someș/Szamos, Theiß und Donau gelangt sind und die seinerzeit schwerste Umweltkatastrophe Mitteleuropas verursacht haben, in der Erwägung, dass zahlreiche Organismen durch Giftstoffe getötet und über viele Jahre das Ökosystem geschädigt, die Nahrungskette gestört und die für die Bevölkerung lebenswichtige Nutzung des Flusses beeinträchtigt wurden, in der Erwägung, dass in dem am stärksten verseuchten Abschnitt der Theiß 100 % des Planktons, 82 % der Fische und 50–60 % der wirbellosen Wassertiere vernichtet worden sein sollen,
F. in der Erwägung, dass es in den letzten 25 Jahren weltweit zu über 30 größeren Unfällen kam, bei denen Zyanid freigesetzt wurde, und dass es keine wirkliche Garantie gibt, dass sich solche Unfälle nicht wiederholen, insbesondere, wenn man in Betracht zieht, dass es immer häufiger zu extremen Wetterverhältnissen kommt, unter anderem zu heftigen und häufigen Niederschlägen, wie sie im Vierten Sachstandsbericht der Zwischenstaatlichen Sachverständigengruppe für Klimaänderungen vorausgesagt werden,
G. in der Erwägung, dass in mehreren EU-Mitgliedstaaten noch immer neue, groß angelegte Goldtagebauprojekte, bei denen in dicht besiedeltem Gebiet Zyanid zum Einsatz käme, geplant sind, was eine weitere potenzielle Gefahr für Mensch und Umwelt darstellt,
H. in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten nach der Wasserrahmenrichtlinie verpflichtet sind, den „guten Zustand“ der Wasserressourcen zu erreichen und zu erhalten sowie deren Verschmutzung durch gefährliche Stoffe zu verhindern, dass die Qualität des Wassers aber auch von der Wasserqualität im jeweiligen Einzugsgebiet abhängen könnte, das in Nachbarländern liegt, in denen Zyanid im Bergbau eingesetzt wird,
I. in der Erwägung, dass die grenzüberschreitenden Auswirkungen von Zyanid-Unfällen, vor allem was die Verseuchung großer Einzugsgebiete und von Grundwasserressourcen betrifft, deutlich werden lassen, wie notwendig ein Vorgehen der EU gegen die ernsthafte Gefährdung der Umwelt durch den Einsatz von Zyanid im Bergbau ist,
J. in der Erwägung, dass es immer noch keine Aufsichtsvorschriften und angemessenen finanziellen Garantien gibt und dass die Umsetzung der bestehenden Rechtsvorschriften über den Einsatz von Zyanid im Bergbau auch vom Geschick der Exekutive in den einzelnen Mitgliedstaaten abhängt, sodass es nur eine Frage der Zeit ist, wann es durch menschliche Fahrlässigkeit wieder zu einer Katastrophe kommt,
K. in der Erwägung, dass die Richtlinie über die Bewirtschaftung von Abfällen aus der mineralgewinnenden Industrie in einigen Mitgliedstaaten nicht voll umgesetzt wurde,
L. in der Erwägung, dass der Bergbau, bei dem Zyanid zum Einsatz gelangt, nur wenig Arbeitsplätze schafft, und dies auch nur für einen Zeitraum von acht bis 16 Jahren, gleichzeitig aber die Gefahr riesiger grenzüberschreitender Umweltschäden birgt, für die in der Regel nicht die verantwortlichen Betreiberunternehmen, die meistens verschwinden oder Konkurs anmelden, sondern der Staat, d. h. die Steuerzahler, aufkommen,
M. in der Erwägung, dass die Betreiberunternehmen keine langfristige Versicherung abgeschlossen haben, die die Kosten bei einem Unfall oder künftigen Betriebsstörungen deckt,
N. in der Erwägung, dass eine Tonne geringhaltiger Erze abgebaut werden muss, um zwei Gramm Gold zu gewinnen, sodass an den Grubenstandorten enorme Mengen an Bergbauabfall entstehen, während die Abraumhalde letztlich noch 25–50 % des Goldes enthält, in der Erwägung, dass darüber hinaus in großen Bergbauvorhaben, bei denen Zyanid eingesetzt wird, jedes Jahr mehrere Millionen Kilogramm Natriumzyanid verwendet werden, dessen Transport und Lagerung an sich schon das Potenzial katastrophaler Folgen im Falle einer Störung birgt,
O. in der Erwägung, dass es Alternativen zum Zyanideinsatz im Bergbau gibt, die auf Zyanid basierende Verfahren ersetzen könnten,
P. in der Erwägung, dass es in ganz Europa heftige öffentliche Proteste gegen fortgesetzte Bergbauvorhaben, bei denen Zyanid eingesetzt wird, gibt, und zwar nicht nur von einzelnen Bürgern, lokalen Gebietskörperschaften und nichtstaatlichen Organisationen, sondern auch von staatlichen Organisationen, Regierungen und Politikern,
1. ist der Auffassung, dass die Einhaltung der Ziele der EU gemäß der Wasserrahmenrichtlinie, vor allem die Erreichung eines guten chemischen Zustands und der Schutz der Wasserressourcen sowie der Schutz der biologischen Vielfalt, nur erreicht werden kann, wenn der Zyanideinsatz im Bergbau nicht erlaubt wird;
2. fordert die Kommission auf, einen Vorschlag für ein vollständiges Verbot des Zyanideinsatzes im Bergbau in der Europäischen Union vor Ende 2011 vorzulegen, da dies der einzige sichere Weg ist, unsere Wasserressourcen und Ökosysteme vor der Verseuchung durch Zyanid aus dem Bergbau zu schützen, und gleichzeitig eine ordnungsgemäße Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen;
3. nimmt die einschlägigen Initiativen innerhalb der EU und der VN zur Kenntnis und ermutigt nachdrücklich zur Ausarbeitung und Anwendung sicherer – insbesondere zyanidfreier – Alternativen im Bergbau;
4. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, in der EU keine Bergbauvorhaben zu unterstützen, bei denen direkt oder indirekt Zyanid eingesetzt wird, bis das allgemeine Verbot in Kraft tritt, und solche Vorhaben auch nicht in Drittländern zu unterstützen;
5. fordert die Kommission auf, einen Vorschlag zur Änderung der geltenden Rechtsvorschriften über die Bewirtschaftung von Abfällen aus der mineralgewinnenden Industrie vorzulegen, durch die die Betreiberunternehmen zum Abschluss einer Versicherung verpflichtet werden, die für die Schäden aufkommt und alle Kosten der Wiederherstellung des ursprünglichen ökologischen und chemischen Zustands nach einem Unfall oder einer Betriebsstörung übernimmt;
6. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und den Parlamenten und Regierungen der Mitgliedstaaten zu übermitteln.