ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Lage in Kirgisistan
5.7.2010
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung
Elmar Brok, José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra, Paolo Bartolozzi, Cristian Dan Preda und Mario Mauro im Namen der PPE-Fraktion
Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B7-0419/2010
B7‑0420/2010
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage in Kirgisistan
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine vorangegangenen Entschließungen zu Kirgisistan, insbesondere auf seine Entschließung vom 12. Mai 2005 und seine Entschließung zur Lage in Kirgisistan vom 6. Mai 2010,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 20. Februar 2008 zur Strategie der EU für Zentralasien,
– unter Hinweis auf die vom Europäischen Rat am 21./22. Juni 2007 angenommene EU-Strategie für eine neue Partnerschaft mit Zentralasien,
– unter Hinweis auf das 1999 in Kraft getretene Partnerschafts- und Kooperationsabkommen (PKA) zwischen der EU und Kirgisistan,
– in Kenntnis des EU-Programms zur Verhütung gewaltsamer Konflikte, das 2001 vom Europäischen Rat in Göteborg verabschiedet wurde,
– unter Hinweis auf die Erklärung der Vizepräsidentin/Hohen Vertreterin, Catherine Ashton, vom 7. und 11. Juni 2010 zur Lage in Kirgisistan,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ vom 14. Juni 2010,
– in Kenntnis der Gemeinsamen Erklärung des Sondergesandten des amtierenden Vorsitzenden der OSZE, des UN-Sonderbeauftragten und des Sonderbeauftragten der EU für Kirgisistan zur Lage in Kirgisistan vom 16. Juni 2010,
– gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die EU ein großes Interesse an einem friedlichen, demokratischen und wirtschaftlich florierenden Kirgisistan hat; sowie in der Erwägung, dass die Verpflichtung Kirgisistans auf das Völkerrecht, auf Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte, demokratische Werte sowie eine marktwirtschaftliche Ordnung Sicherheit und Stabilität fördern werden,
B. in der Erwägung, dass die EU sich insbesondere im Rahmen der Strategie für Zentralasien verpflichtet hat, als Partner der Länder in dieser Region aufzutreten; sowie in der Erwägung, dass jetzt ein sehr viel stärkeres internationales Engagement dringend notwendig ist und sich die Antwort der EU auf ihre Glaubwürdigkeit als Partner auswirken wird,
C. in der Erwägung, dass bei den jüngsten Zusammenstößen laut amtlichen Angaben rund 300 Menschen getötet wurden, jedoch die Befürchtung geäußert wurde, einschließlich von der Chefin der Übergangsregierung Rosa Otunbajewa, dass tatsächlich möglicherweise 2000 Personen ums Leben gekommen sind; sowie in der Erwägung, dass tausende Menschen verwundet wurden und nach wie vor viele Personen vermisst werden,
D. in der Erwägung, dass die Europäische Kommission fünf Millionen Euro bereitgestellt hat, um den von der Krise betroffenen Menschen medizinische Soforthilfe, humanitäre Hilfe, Hilfsgüter, Schutz und psychologische Unterstützung zukommen zu lassen,
E. in der Erwägung, dass die VN in einem dringenden Hilfsappell die Bereitstellung von Soforthilfe in Höhe von 71 Millionen USD gefordert hat,
F. unter Hinweis darauf, dass ein Referendum, das am 27. Juni unter friedlichen Bedingungen und mit einer hohen Beteiligungsquote durchgeführt wurde, die Zustimmung von über 90 % der Wähler zu einer neuen Verfassung zur Folge hatte, in der die Befugnisse der Präsidentin und des Parlaments in einen Ausgleich gebracht wurden, Rosa Otunbajewa als Interimspräsidentin bis zum 31. Dezember 2011 bestätigt wurde und der Verfassungsgerichtshof entlassen wurde; unter Hinweis darauf, dass für den 10. Oktober 2010 Parlamentswahlen geplant sind,
G. in der Erwägung, dass die EU in den Beziehungen zu Drittstaaten ihr Bekenntnis zu Menschenrechten, Demokratie und Rechtstaatlichkeit durchsetzen und demokratische Reformen fördern muss,
1. verurteilt die jüngsten Gewaltakte im Süden von Kirgisistan, denen vor allem die usbekische Bevölkerung zum Opfer fiel; beklagt den Verlust von Menschenleben und hofft, dass für den Konflikt in Kirgisistan auf der Grundlage demokratischer Prinzipien, Rechtstaatlichkeit und der Einhaltung der Menschenrechte eine friedliche Lösung gefunden wird;
2. fordert die Übergangsregierung auf, alle erdenklichen Bemühungen zu unternehmen, um wieder normale Lebensverhältnisse herzustellen, und alle notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, damit die Flüchtlinge und Vertriebenen freiwillig in Sicherheit und Würde in ihre Häuser zurückkehren können; fordert die örtlichen Behörden mit Nachdruck auf, effektive vertrauensbildende Maßnahmen zu ergreifen und einen wirklichen Dialog mit Vertretern aller ethnischen Gemeinschaften im Süden von Kirgisistan aufzunehmen, um einen glaubwürdigen Prozess der Wiederaussöhnung in Gang zu setzen;
3. unterstreicht, dass die Werte, denen sich die Europäische Union verpflichtet fühlt, die Union in die Pflicht nehmen, umfassend auf dieses Leiden zu reagieren, indem sie z. B. mehr als den bisher mobilisierten Betrag von lediglich fünf Millionen Euro bereitstellt und dabei den dringenden Hilfsappell der Vereinten Nationen auf Bereitstellung von 71 Millionen USD berücksichtigt;
4. unterstreicht, dass die humanitäre Antwort, die zur Deckung des unmittelbaren Bedarfs bestimmt ist, mit Bemühungen zur Stabilisierung der Situation und zur Verringerung des beträchtlichen Risikos des erneuten Ausbruchs von Gewalthandlungen einhergehen muss, die ebenfalls eine Bedrohung für Frieden und Sicherheit in anderen Teilen des Ferghana-Tals, das von Usbekistan, Kirgisistan und Tadschikistan geteilt wird, darstellen;
5. bekräftigt seine Forderung, dass die Sicherheit der Menschen im Mittelpunkt der EU-Politik gegenüber Zentralasien stehen muss; weist darauf hin, dass es hierzu im Süden Kirgisistans unter anderem erforderlich ist, die physische Sicherheit aller ethnischen Gruppen zu garantieren, den Wiederaufbau der zerstörten Häuser und die Ersetzung von verlorenem Eigentum zu unterstützen, gegen Diskriminierungen der Behörden und im öffentlichen Leben vorzugehen, den Zugang zu ordentlichen Rechtsverfahren sicherzustellen, indem allgemein rechtsstaatliche Grundsätze gestärkt werden, und die Möglichkeiten zu verbessern, einen Arbeitsplatz zu finden und einen geregelten Lebensunterhalt zu bestreiten;
6. fordert eine verstärkte Ausrichtung der EU-Hilfe auf die Entwicklung lokaler Projekte, die die Lebensbedingungen der Menschen verbessern; weist darauf hin, dass oft das Risiko besteht, dass die EU-Mittel infolge der verbreiteten Korruption, fehlender Verwaltungskapazitäten und anderer Probleme in der Region verloren gehen, und dieses Risiko bei lokalen Entwicklungsprojekten wesentlich geringer ist und solche Projekte in der Regel zu einem schnelleren und unmittelbareren Nutzen führen; weist ferner darauf hin, dass lokale Entwicklungsprojekte deshalb einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung leisten;
7. begrüßt den friedlichen Verlauf des Verfassungsreferendums in Kirgisistan vom 27. Juni; betont, dass die Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung und zu rechtsstaatlichen Grundsätzen für die langfristige Stabilisierung der Lage in dem Land von großer Bedeutung ist; weist darauf hin, dass die kommenden Parlamentswahlen, die im Oktober 2010 stattfinden sollen, die verfassungsmäßige Grundlage für eine Regierung legen sollten, die über ein hohes Maß an Legitimität verfügt und auf eine breite Unterstützung der Öffentlichkeit zählen kann; fordert deshalb die Behörden in Kirgisistan auf, vor den kommenden Parlamentswahlen umgehend entschlossene Maßnahmen einzuleiten, um die Probleme zu beheben, auf die das OSZE/BDIMR hingewiesen hat; sieht der Schaffung fester interparlamentarischer Kontakte mit dem künftigen Parlament Kirgisistans erwartungsvoll entgegen;
8. weist auf die gemeinsamen Interessen Kirgisistans, seiner Nachbarn, Russlands, Chinas, der EU, der USA und der übrigen internationalen Gemeinschaft hin, eine Destabilisierung der Lage und einer Zunahme der Auffassung in frustrierten und eingeschüchterten Bevölkerungsteilen entgegenzuwirken, nach der nur extreme Ideologien Aussichten auf mehr Ordnung und ein besseres Leben bieten;
9. ist besorgt angesichts der Schwierigkeiten beim Demokratisierungsprozess in Kirgisistan, die offenbar auf die Schwäche der Übergansregierung und die einflussreichen kriminellen Netzwerke in dem Land zurückzuführen sind, zu denen auch die Drogenhändler im südlichen Landesteil gehören; vertritt die Auffassung, dass die Schaffung eines politischen Systems, das der Vertretung der verschiedenen Interessen und Schlichtungsversuchen zwischen ihnen ausreichend Raum bietet, erforderlich ist, um Spannungen abzubauen und neuerliche Gewaltausbrüche zu vermeiden, und dass die EU und ihre Mitgliedstaaten den Demokratisierungsprozess aktiv unterstützen und danach streben müssen, die unterschiedlichen Standpunkte der internationalen Akteure einander anzugleichen, um so die Aussichten auf einen erfolgreichen Reformprozess in Kirgisistan zu verbessern;
10. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Parlamenten und Regierungen der Mitgliedstaaten, der Übergangsregierung von Kirgisistan, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, dem Generalsekretär der OSZE und dem Generalsekretär des Europarats zu übermitteln.