ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Lage in Kirgisistan
5.7.2010
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung
Michał Tomasz Kamiński, Adam Bielan, Jacek Olgierd Kurski, Tomasz Piotr Poręba, Charles Tannock, Konrad Szymański, Zbigniew Ziobro, Janusz Wojciechowski, Ryszard Czarnecki im Namen der ECR-Fraktion
Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B7-0419/2010
B7‑0434/2010
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage in Kirgisistan
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine vorangegangenen Entschließungen zu Kirgisistan und Zentralasien, insbesondere seine Entschließung vom 6. Mai 2010,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 20. Februar 2008 zu einer Strategie der EU für Zentralasien,
– unter Hinweis auf die Erklärungen der Vizepräsidentin/Hohen Vertreterin, Catherine Ashton, vom 11. Juni 2010 zu den neuen Zusammenstößen in Kirgisistan und vom 28. Juni 2010 zum Verfassungsreferendum,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ vom 14. Juni 2010,
– unter Hinweis auf die vom Europäischen Rat am 21./22. Juni 2007 angenommene EU-Strategie für eine neue Partnerschaft mit Zentralasien,
– unter Hinweis auf das 1999 in Kraft getretene Partnerschafts- und Kooperationsabkommen (PKA) zwischen der EU und Kirgisistan,
– unter Hinweis auf das regionale Strategiepapier der Europäischen Gemeinschaft betreffend die Unterstützung für Zentralasien für den Zeitraum 2007-2013,
– gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. unter Hinweis darauf, dass es am 11. Juni zu gewaltsamen Zusammenstößen in den südkirgisischen Städten Osch und Dschalabad gekommen ist, die bis zum 14. Juni eskalierten; unter Hinweis darauf, dass Berichten zufolge hunderte von bewaffneten Männern die Straßen der Stadt stürmten, auf Zivilpersonen schossen und Geschäfte in Brand setzten, wobei sie ihre Ziele nach ethnischer Zugehörigkeit auswählten,
B. unter Hinweis darauf, dass den kirgisischen Regierungsstellen zufolge bei den Zusammenstößen etwa 300 Menschen umgekommen sind, dass jedoch Befürchtungen - auch von der Präsidentin der Interimsregierung Rosa Otunbajewa - geäußert worden sind, dass die tatsächliche Zahl höher sein könnte; unter Hinweis darauf, dass über 2000 Menschen verletzt wurden bzw. im Krankenhaus behandelt werden mussten und viele Personen noch immer vermisst werden,
C. unter Hinweis darauf, dass Schätzungen zufolge aufgrund der gewaltsamen Auseinandersetzungen 300.000 Menschen vertrieben worden sind und 100.000 Menschen im benachbarten Usbekistan Zuflucht gesucht haben; unter Hinweis darauf, dass die Regierung in Taschkent den Flüchtlingen mit Unterstützung der internationalen Organisationen humanitäre Hilfe geleistet hat, jedoch am 14. Juni die Grenzen des Landes zu Kirgisistan geschlossen hat mit der Begründung, es verfüge nicht über die Kapazitäten, mehr Menschen aufzunehmen,
D. unter Hinweis darauf, dass die Interimsregierung den Ausnahmezustand in der Region erklärte und die Sicherheitskräfte, die offensichtlich bisweilen den Befehlen nicht gehorchten, nicht in der Lage waren, die Lage unter Kontrolle zu bringen, unter Hinweis darauf, dass von Interimspräsidentin Rosa Otunbajewa an den russischen Präsidenten Medwedew und die Organisation des Vertrags über kollektive Sicherheit gerichtete Aufrufe zur Unterstützung bei der Wiederherstellung der Ordnung abschlägig beschieden worden sind; in der Erwägung, dass ein Ersuchen um Entsendung einer internationalen Polizeitruppe weitergeleitet wurde und gegenwärtig von der OSZE geprüft wird,
E. unter Hinweis darauf, dass die Kommission 5 Millionen Euro für medizinische Soforthilfe, humanitäre Hilfe, andere Hilfslieferungen sowie den Schutz und die psychologische Betreuung von Personen bereitgestellt hat, die von der Krise betroffen sind; unter Hinweis darauf, dass dies in keinem Vergleich zu dem dringenden Aufruf der Vereinten Nationen nach Bereitstellung eines Betrags von 71 Millionen Dollar für Soforthilfe steht;
F. unter Hinweis darauf, dass die EU eine entschiedenere Rolle bei der Unterstützung des Landes übernehmen sollte; in der Erwägung, dass sich die EU verpflichtet hat, insbesondere mit ihrer Strategie für Zentralasien, den Ländern in der Region ein Partner zu sein; unter Hinweis darauf, dass jetzt ein sehr viel stärkeres internationales Engagement dringend notwendig ist und sich die Antwort der EU auf ihre Glaubwürdigkeit als Partner auswirken wird,
G. unter Hinweis darauf, dass ein Referendum, das am 27. Juni unter relativ friedlichen Bedingungen und mit einer hohen Beteiligungsquote durchgeführt wurde, die Zustimmung von über 90% der Wähler zu einer neuen Verfassung zur Folge hatte, in der die Befugnisse der Präsidenten und des Parlaments in einen Ausgleich gebracht werden, Rosa Otunbajewa als Interimspräsidentin bis zum 31. Dezember 2011 bestätigt wurde und der Verfassungsgerichtshof entlassen wurde; unter Hinweis darauf, dass für den 10. Oktober 2010 Parlamentswahlen geplant sind,
H. in der Erwägung, dass die EU ein klares Interesse an einem friedlichen, demokratischen und wirtschaftlich florierenden Kirgisistan hat; in der Erwägung ferner, dass das Bekenntnis Kirgisistans zur Rechtstaatlichkeit, zu den Menschenrechten und demokratischen Werten sowie zur Marktwirtschaft die Sicherheit und die Stabilität in Zentralasien fördern wird,
I. in der Erwägung, dass viele Länder in Zentralasien von Armut, einer mangelhaften Staatsführung, starken autoritären Strukturen und mangelhaften oder gar völlig fehlenden rechtlichen Möglichkeiten zur Bekundung von Unzufriedenheit und zur Förderung politischer Veränderungen betroffen gewesen sind; in der Erwägung, dass es infolgedessen einen potentiellen Nährboden für radikal-islamistische Untergrundbewegungen gibt,
J. in der Erwägung, dass sich die EU unvermindert dazu bekennen muss, in allen Vereinbarungen mit Drittstaaten den Menschenrechten, der Demokratie und der Rechtstaatlichkeit einen hohen Stellenwert einzuräumen und anhand einer in sich schlüssigen Politik demokratische Reformen zu fördern und damit gleichzeitig ihre Glaubwürdigkeit als regionaler Akteur zu erhöhen,
1. bekundet seine tiefe Besorgnisse über die tragischen und gewaltsamen Zusammenstöße, die im südlichen Teil Krigisistans ausgebrochen sind, und bekundet den Familienangehörigen aller Opfer sein Mitgefühl;
2. verurteilt mit Nachdruck alle Angriffe und Gewalthandlungen und fordert die Interimsregierung auf, eine glaubwürdige, unparteiische und unabhängige Untersuchung der Vorfälle mit Unterstützung internationaler Akteure durchzuführen, um die Gewalttäter vor Gericht zu bringen und die Anschuldigungen zu klären, dass Mitglieder der kirgisischen Sicherheitskräfte an den Ausschreitungen beteiligt waren;
3. fordert die verantwortlichen Stellen der Interimsregierung auf, alle erdenklichen Bemühungen zu unternehmen, um wieder normale Lebensverhältnisse herzustellen, und alle erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit die Flüchtlinge und Vertriebenen freiwillig in Sicherheit und Würde in ihre Häuser zurückkehren können; fordert die örtlichen Behörden mit Nachdruck auf, effektive vertrauensbildende Maßnahmen zu ergreifen und einen wirklichen Dialog mit allen ethnischen Gruppierungen in Südkirgisistan aufzunehmen mit dem Ziel, einen glaubwürdigen Prozess der Wiederaussöhnung in die Wege zu leiten;
4. unterstreicht, dass die Werte, denen sich die Europäische Union verbunden fühlt, die Union verpflichten, umfassend auf dieses Leiden zu reagieren, indem sie mehr als den bisher mobilisierten Betrag von 5 Millionen Euro bereitstellt, und ist der Auffassung, dass der bereitgestellte Betrag dem dringenden Hilfsappell der Vereinten Nationen, die die Bereitstellung von 71 Millionen US Dollar an humanitärer Hilfe gefordert hat, entsprechen sollte;
5. fordert die Kommission in diesbezüglich auf, die humanitäre Hilfe in Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen zu intensivieren und kurz- und mittelfristige Programme zum Wiederaufbau der zerstörten Häuser und zur Ersetzung von verlorenem Vermögen sowie Projekte zur Rehabilitation in Zusammenarbeit mit den kirgisischen Regierungsstellen und anderen Gebern einzuleiten, um günstige Bedingungen für die Rückkehr der Flüchtlinge und Vertriebenen zu schaffen; macht diesbezüglich auf die Bedeutung lokaler Entwicklungsprojekte aufmerksam;
6. fordert den Rat auf, die Vorreiterrolle bei der Einberufung einer internationalen Geberkonferenz für Kirgisistan zu übernehmen, auf der die humanitären Probleme und die Grundbedürfnisse Kirgisistans zur Sprache kommen und die notwendige Hilfe für die nachhaltige Entwicklung des Landes bereitgestellt wird;
7. unterstreicht, dass die humanitäre Antwort, die zur Deckung des unmittelbaren Bedarfs bestimmt ist, mit Bemühungen um die Stabilisierung der Lage und die Verringerung und Vorbeugung des beträchtlichen Risikos des erneuten Ausbruchs von Gewalthandlungen einhergehen muss, die ebenfalls eine Bedrohung für Frieden und Sicherheit in anderen Teilen des Ferghana-Tals, das von Usbekistan, Kirgisistan und Tadschikistan geteilt wird, darstellen;
8. bekräftigt seine Forderung nach einer Schwerpunktsetzung auf eine umfassend festgelegte Sicherheitsdimension in der Politik der EU gegenüber Zentralasien; stellt fest, dass dies im Süden Kirgisistans unter anderem impliziert, dass man dabei hilft, die interne Sicherheit für die Menschen zu gewährleisten, die allen anderen ethnischen Gruppen angehören;
9. fordert die HV/VP und die Mitgliedstaaten auf, die zügige Entsendung einer OSZE-Polizeimission zu unterstützen und aktiv dazu beizutragen mit dem Ziel, dem Ausbruch neuer Gewalthandlungen vorzubeugen, die Lage in den von den Zusammenstössen betroffenen Städten zu stabilisieren, die Opfer und die verwundbarsten Bevölkerungsgruppen zu schützen sowie die Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen zu erleichtern;
10. nimmt den friedlichen Verlauf und das Ergebnis des Verfassungsreferendums vom 27. Mai zur Kenntnis, das den Weg für die Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung ebnet; fordert den Rat und die Kommission auf, Wege zu finden, um der Interimsregierung Kirgisistans Hilfestellung zu leisten und den Regierungsstellen dabei zu helfen, Fortschritte auf dem Weg demokratischer Reformen und bei der Stärkung der Rechtsstaatlichkeit zu erzielen, gegen Diskriminierung im öffentlichen Leben vorzugehen, Zugang zu glaubwürdigen Gerichtsverfahren zu gewährleisten und das Leben der Menschen durch eine nationale Entwicklung und die Einbeziehung der Bürger in Zusammenarbeit mit sämtlichen Akteuren und der kirgisischen Zivilgesellschaft zu verbessern;
11. fordert eine umfassende Nutzung des Stabilitätsinstrumentes und fordert die Kommission auf, Vorschläge für eine Neuzuweisung von Mitteln aus dem Instrument für Entwicklungszusammenarbeit vorzubereiten, um sicherzustellen, dass die EU kurz- und mittelfristig angemessen auf die neue Lage in Kirgisistan antworten kann;
12. bekundet seine Besorgnis über Berichte von Verhaftungen einiger Menschenrechtsaktivisten in Kirgisistan und fordert die kirgisischen Behörden auf, alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um zu gewährleisten, dass die Menschenrechtsaktivisten ihre Arbeit im Bereich der Förderung und des Schutzes der Menschenrechte ungehindert durchführen können;
13. weist darauf hin, dass die Entwicklungen in Kirgisistan die regionalen und die internationalen Entwicklungen beeinflussen und auch von diesen beeinflusst werden; bekundet seine Überzeugung, dass es Überschneidungen zwischen Russland, den USA und anderen Großmachtinteressen gibt, insbesondere in Bezug auf Afghanistan und die Zunahme des islamischen Radikalismus in dieser Region, darunter auch in Kirgisistan; vertritt die Auffassung, dass dies die Möglichkeit bieten sollte, den geopolitischen Wettbewerb zu begrenzen und nach Synergien zu suchen; bekundet seine Überzeugung, dass ein entsprechender Erfolg umfassende positive Auswirkungen auf die internationalen Beziehungen und auf die internationale Sicherheit hätte; fordert deshalb die Übergangsregierung Kirgisistans und die übrigen betroffenen Akteure auf, Hilfestellung dabei zu leisten, eine ungehinderte Nachschubroute für die NATO und die anderen internationalen Truppen für deren Mission in Afghanistan zu gewährleisten;
14. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Vizepräsidentin/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Rat, der Kommission und der OSZE zu übermitteln.