ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zum Müllnotstand in Kampanien
26.1.2011
gemäß Artikel 115 Absatz 5 der Geschäftsordnung
Mara Bizzotto, Lorenzo Fontana, Mario Borghezio, Claudio Morganti, Rolandas Paksas, Jaroslav Paška, Fiorello Provera, Oreste Rossi, Matteo Salvini, Giancarlo Scottà, Francesco Enrico Speroni im Namen der EFD-Fraktion
B7‑0083/2011
Entschließung des Europäischen Parlaments zum Müllnotstand in Kampanien
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf die Anfragen zur mündlichen Beantwortung vom 16. November 2010 an die Kommission zum Müllnotstand in Kampanien (O-0188/2010 – B7-0667/2010), vom 30. November 2010 an die Kommission zum Müllnotstand in Kampanien (O-0197/2010 – B7-0801/2010), vom 7. Dezember 2010 an die Kommission zum Müllnotstand in Kampanien (O-0208/2010 – B7-0805/2010) und vom 7. Dezember 2010 an die Kommission zur Krise bei der Abfallbeseitigung in Neapel und in der Region Kampanien und zur Verwendung von EU-Mitteln (O-0209/2010 – B7-0806/2010),
– unter Hinweis auf die Debatte während der Plenartagung im Januar 2011 in Straßburg (Dienstag, 18. Januar) über den Müllnotstand in Kampanien;
– unter Hinweis auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (4. Kammer) vom 4. März 2010 – Kommission gegen Italienische Republik (Rechtssache C-297/08),
– unter Hinweis auf die Richtlinie 1999/31/EG über Abfalldeponien und die Richtlinie 2006/12/EG über Abfälle,
– unter Hinweis auf die Erklärung von Janez Potočnik, für Umweltschutz zuständiges Kommissionsmitglied, über die Situation der Abfallentsorgung in Kampanien vom 23. Oktober 2010,
– gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 und Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass nach italienischem Recht die Verantwortung für die Abfallbewirtschaftung allein bei den Gebietskörperschaften (Regionen, Provinzen und Kommunen) liegt,
B. in der Erwägung, dass die Mängel und Unzulänglichkeiten der Infrastruktur für die Abfallbewirtschaftung in Kampanien (insbesondere bei den Müllverbrennungsanlagen) infolge der ineffizienten lokalen Verwaltungen eine der Hauptursachen für diese Krise sind,
C. in der Erwägung, dass die verschiedenen in den vergangenen Jahren von den zuständigen Behörden ausgearbeiteten Abfallbewirtschaftungspläne nicht umgesetzt wurden, was letztlich das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 4. März 2010 (Rechtssache C-297/08) zur Folge hatte,
D. in der Erwägung, dass für diese Krise allein die seit Jahrzehnten bestehenden Verwaltungsmissstände sowie die Unterwanderung der gesamten Abfallwirtschaft und der öffentlichen Verwaltung durch die organisierte Kriminalität Ursache sind,
E. in der Erwägung, dass seit 1994 annähernd 500 Millionen Euro für Abfallentsorgungsprojekte in der Region Kampanien bereitgestellt wurden, von denen die Hälfte durch den EFRE kofinanziert wurde,
F. in der Erwägung, dass die Kommission aufgrund der im Zeitraum von 2002 bis 2006 festgestellten Unregelmäßigkeiten bei der Inanspruchnahme der Gemeinschaftsmittel für Abfallentsorgungsprogramme die Kofinanzierung von Ausgaben für Abfallentsorgungsprojekte aus dem EFRE ab dem 1. Januar 2005 für unzulässig erklärt hat,
G. in der Erwägung, dass die Kommission im Anschluss an die Einleitung des Vertragsverletzungsverfahrens von 2007 die EFRE-Kofinanzierung für den Zeitraum von 2007 bis 2014 (50 % von 270 Millionen Euro) von der wirksamen Umsetzung eines Abfallbewirtschaftungsplans in Kampanien abhängig gemacht hat, der den EU-Rechtsvorschriften entspricht,
H. in der Erwägung, dass es in Italien auch Modelle der regionalen Abfallbewirtschaftung gibt, die dem neusten Stand der Technik und den EU-Rechtsvorschriften entsprechen, was ein weiterer Beleg für den rein lokalen Charakter der Krise in Kampanien ist,
I. in der Erwägung, dass sich viele Bürger in Kampanien in den vergangenen Jahren und dabei insbesondere während der Zuspitzung des Müllnotstands in unverantwortlicher Weise verhalten haben, wozu das Anzünden von Müllhaufen und Mülltonnen, Zerstörung von Gerätschaften der Müllabfuhr, Arbeitsniederlegung und ungerechtfertigtes Fernbleiben vom Arbeitsplatz in den Müllabfuhr- und Abfallentsorgungsunternehmen, ungenehmigte Straßensperren, Blockaden von Mülldeponien und tätliche Angriffe auf im Umweltschutz eingesetzte Personen und die zu ihrem Schutz abgeordneten Ordnungskräfte gehörten,
J. in der Erwägung, dass es gleichermaßen dringend notwendig ist, die derzeit in Kampanien gelagerten sechs Millionen Tonnen „Öko-Pressballen“ zu entsorgen und einen neuen Abfallbewirtschaftungsplan zu erstellen und umzusetzen, da diese „Öko-Pressballen“ einer der größten Risikofaktoren für Gesundheit und Umwelt sind,
K. in der Erwägung, dass ähnlich geartete Krisen, die sich der Vergangenheit in anderen italienischen Regionen ereignet haben, durch verantwortungsgerechtes Handeln der lokalen Gebietskörperschaften und der beteiligten Bürger innerhalb angemessener Zeit bewältigt wurden,
1. ist der Auffassung, dass eine Überwindung der Abfallkrise nicht in Sicht ist, solange bei den für die Abfallbewirtschaftung verantwortlichen lokalen Gebietskörperschaften Kampaniens kein echter politischer Wille erkennbar ist und sie weiterhin lediglich auf Noteinsätze von Seiten der nationalen Behörden und der EU vertrauen;
2. fordert, dass der neue Abfallbewirtschaftungsplan, der der Kommission vor kurzem von der Region Kampanien vorgelegt wurde, den rechtlichen Verpflichtungen nachkommt, wie sie im EuGH-Urteil in der Rechtssache C-297/08 eingefordert wurden, und im Einklang mit den EU-Rechtsvorschriften (insbesondere Richtlinie 2006/12/EG einschließlich der nachfolgenden Änderungen und Ergänzungen und Richtlinie 1999/31/EG einschließlich der nachfolgenden Änderungen und Ergänzungen) steht, und fordert die Kommission auf, auf die Einhaltung dieser Rechtsnormen peinlich genau zu achten;
3. fordert die Region Kampanien auf, für die fristgemäße, wahrhaftige und nachprüfbare Umsetzung dieses neuen Abfallbewirtschaftungsplans zu sorgen, und fordert die übrigen beteiligten lokalen Gebietskörperschaften auf, ihrer jeweiligen Verantwortung gemäß ihrer Zuständigkeit in angemessener Weise nachzukommen;
4. fordert, dass ein solcher Plan auf Kriterien der größtmöglichen Transparenz beruht, was die Genehmigungsverfahren für die verschiedenen Stufen der Abfallbewirtschaftung anbetrifft, und sich zum Ziel setzt, eine Unterwanderung durch die organisierte Kriminalität sowie eine Auftragsvergabe an jene zu verhindern, die eine wirksame und genaue Umsetzung dieses Planes nicht gewährleisten;
5. unterstützt die Absicht der Kommission, eine künftige EFRE-Kofinanzierung von der Umsetzung des neuen von der Region Kampanien vorgelegten Abfallbewirtschaftungsplans abhängig zu machen;
6. ersucht die zuständigen Behörden in Kampanien, auf die bewährten Verfahren der Abfallbewirtschaftung anderer italienischer Regionen zurückzugreifen;
7. missbilligt vorbehaltlos das verantwortungslose Verhalten vieler Bürger in Kampanien, das eine Überwindung der Krise behindert und das die bereits sehr bedenklichen gesundheitlichen und ökologischen Verhältnisse in Kampanien merklich verschlimmert hat;
8. ersucht die zuständigen italienischen Behörden, umgehend eine Lösung für die Entsorgung von sechs Millionen Tonnen in Kampanien gelagerter „Öko-Pressballen“ zu finden;
9. empfiehlt, dass im Falle des erneuten Auftretens ähnlicher Ereignisse in Kampanien oder anderswo, andere unbeteiligte Gebiete, die keinen Grund zu Beanstandungen geben, nicht verpflichtet werden, für die Entsorgung unbehandelter Abfälle aus diesen Müllnotstandsgebieten zu sorgen;
10. fordert, dass die nationalen Behörden und die lokalen Behörden in Kampanien zusammenarbeiten und dabei in engem Kontakt zur Kommission stehen, damit der neue Abfallbewirtschaftungsplan wirksam und effizient umgesetzt und ein neues Vertragsverletzungsverfahren samt den sich daraus ergebenden Sanktionen vermieden wird;
11. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Kommission, der italienischen Regierung, dem Präsidenten der Regionalregierung von Kampanien, den Präsidenten der Provinzen der Region Kampanien und dem Bürgermeister von Neapel zu übermitteln.