ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Vierten Konferenz der Vereinten Nationen zu den am wenigsten entwickelten Ländern
30.3.2011
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung
Thijs Berman, Michael Cashman, Corina Creţu, Patrice Tirolien im Namen der S&D-Fraktion
Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B7-0228/2011
B7‑0232/2011
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Vierten Konferenz der Vereinten Nationen zu den am wenigsten entwickelten Ländern
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf den im Jahre 2008 von der UN-Generalversammlung gefassten Beschluss über die Einberufung der Vierten UN-Konferenz zu den LDC, die vom 9.‑13. Mai 2011 in Istanbul stattfinden wird,
– unter Hinweis auf das während der Dritten UN-Konferenz zu den LDC in Brüssel im Jahre 2001 angenommene Brüsseler Aktionsprogramm für die LDC für den Zehnjahreszeitraum 2001-2010, dessen Ziel darin besteht, die extreme Armut und den Hunger durch gezielte Maßnahmen in miteinander verknüpften Bereichen zu verringern und die nachhaltige Entwicklung zu fördern,
– unter Hinweis auf die Millenniums-Entwicklungsziele (2000-2015), deren Ziel darin besteht, die Armut bis 2015 um die Hälfte zu verringern,
– unter Hinweis auf die Ergebnisse des Hochrangigen Treffens im Rahmen der Vereinten Nationen zu den MEZ im September 2010,
– unter Hinweis auf die Initiative zugunsten der schwer verschuldeten armen Länder (HIPC),
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 9. Februar 2011 zu steigenden Nahrungsmittelpreisen,
– unter Hinweis auf die EU-Initiative unter dem Motto „Alles außer Waffen“,
– unter Hinweis auf die Ursprungsregeln im Rahmen der Präferenzhandelsregelungen der EU (1. Januar 2011),
– gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass sich die Zahl der LDC seit 1971 verdoppelt hat und es gegenwärtig 48 Länder gibt, bei denen es sich um die ärmsten und anfälligsten Mitglieder der Völkergemeinschaft handelt; unter Hinweis darauf, dass es während des letzten Jahrzehnts nur zwei Ländern – Kap Verde und die Malediven – gelungen ist, vom Status eines LDC aufzusteigen,
B. unter Hinweis darauf, dass die LDC sowohl für endogene als auch exogene Schocks wie Finanz- und Lebensmittelkrisen, Klimawandel und Energiekrisen etc., die ihre Lage verschlechtern, am anfälligsten sind,
C. unter Hinweis darauf, dass derzeit 78 % der Bevölkerung in den LDC von weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag leben,
D. unter Hinweis darauf, dass ungeachtet positiver Entwicklungen in den LDC das Brüsseler Aktionsprogramm für die LDC weiterhin ein nicht erledigter Tagungsordnungspunkt ist und die internationale Gemeinschaft, die die Umsetzung der Empfehlungen im Rahmen des Brüsseler Aktionsprogramms zugesagt hat, ihren Versprechungen nicht nachgekommen ist,
E. in der Erwägung, dass die offizielle Entwicklungshilfe (ODA) zwar beträchtlich zugenommen hat, die Hilfe jedoch weit unter der im Brüsseler Aktionsprogramm festgelegten Zielvorgabe bleibt und die meisten LDC noch immer mit extremer Armut, einem Mangel an Infrastrukturen, einem Mangel an Produktionskapazität und wachsenden Arbeitslosenzahlen konfrontiert sind,
F. unter Hinweis darauf, dass auf der Vierten Konferenz zu den LDC eine umfassende Bewertung der Umsetzung des Brüsseler Aktionsprogramms vorgenommen und ein neues Aktionsprogramm für den Zeitraum 2011-2020 angenommen werden wird; unter Hinweis darauf, dass die Konferenz ebenfalls Herausforderungen, mit denen sich die LDC im Laufe des nächsten Jahrzehnts konfrontiert sehen werden, und die erforderlichen Maßnahmen ermitteln wird,
G. in der Erwägung, dass auf der Vierten Konferenz zu den LDC die weltweite Verpflichtung zu Partnerschaft bei der Bewältigung der Bedürfnisse der LDC bekräftigt werden wird; in der Erwägung, dass der laufende Prozess zur Vorbereitung der Vierten UN-Konferenz zu den LDC nationale Konsultationen, regionale Treffen und Konferenzen eingeschlossen hat, an denen ein breites Spektrum von Akteuren wie Parlamentariern sowie Vertretern der Zivilgesellschaft und des Privatsektors teilgenommen hat,
H. in der Erwägung, dass sich die fehlende politische Kohärenz bei den entwicklungspolitischen Zielvorgaben, wie sie gemäß den Bestimmungen des Vertrags zwischen Handel, Investitionen und Landwirtschaft erforderlich ist, und Rohstoffpreisspekulationen negativ auf das Potenzial der LDC für eine nachhaltige Entwicklung ausgewirkt haben,
I. in der Erwägung, dass die Landwirtschaft die wirtschaftliche Grundlage vieler LDC ist und in ihr bis zu 90 % der Arbeitskräfte beschäftigt sind; in der Erwägung, dass die Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung dennoch bedroht ist,
J. in der Erwägung, dass die Entwicklung eine gemeinsame Herausforderung für die Industrienationen darstellt, die die Verantwortung und die Verpflichtung haben, den Entwicklungsländern Hilfestellung dabei zu leisten, sich aus der Armut zu befreien,
K. in der Erwägung dass die Entwicklungsländer die primäre Verantwortung für ihre eigene Entwicklung tragen, indem sie angemessene Politiken konzipieren und durchführen und eine gute Regierungsführung verwirklichen mit dem Ziel, ihrer Bevölkerung aus der Armut zu verhelfen,
L. in der Erwägung, dass demokratische Regierungsführung, die Achtung der Menschenrechte und eine stärkere Schwerpunktsetzung auf die Konfliktbeilegung, die Schaffung von Frieden und den staatlichen Aufbau erforderlich sind, um den Übergang von Zerbrechlichkeit hin zu Frieden und Sicherheit abzustützen und nachhaltige und integrative Institutionen zu stärken,
1. ist der Auffassung, dass die Vierte Konferenz zu den LDC ergebnisorientiert arbeiten sollte, eindeutige Indikatoren festlegen und das Ziel anstreben sollte, auf der Grundlage effizienter und transparenter Überwachungs- und Kontrollmechanismen die Zahl der LCD bis zum Jahre 2020 um die Hälfte zu verringern;
2. fordert die internationale Gemeinschaft mit Nachdruck auf, ihren Verpflichtungen nachzukommen und sich weiterhin darum zu bemühen, das ODA-Ziel von 0,15 bis 0,20 % des BNE für die LDC zu verwirklichen, indem sie in erster Linie einheimische Ressourcen mobilisiert, die durch innovative Finanzierungsmechanismen ergänzt werden und an denen private Partner, IFI und IFM mitwirken; fordert die Entwicklungspartner auf, die Erklärung von Paris zu Effizienz der Entwicklungshilfe und den Aktionsplan von Accra uneingeschränkt umzusetzen; weist jedoch darauf hin, dass diese Ziele Mindesterwartungen sind und dass selbst bei Verwirklichung aller Zielvorgaben weiterhin umfangreiche Mittel erforderlich sein werden, um die Armut zu bekämpfen und den Gesundheits- und Bildungsstandard für die Ärmsten der Welt zu heben;
3. fordert die EU und ihre Mitgliedstaaten auf, auf der Vierten Konferenz zu den LDC die Umsetzung innovativer Mechanismen der Entwicklungsfinanzierung wie z.B. eine Finanztransaktionssteuer zu erörtern; betont, dass die ODA-Verpflichtungen und innovative Finanzierungsmechanismen im Kampf gegen die Armut als entscheidend und komplementär zu betrachten sind;
4. verweist auf die Notwendigkeit, der Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung Priorität einzuräumen, indem Produktionskapazitäten in der Landwirtschaft, in der Industrie, im Dienstleistungssektor und im Bereich der Infrastrukturen aufgebaut werden, während man sich gleichzeitig um integratives wirtschaftliches Wachstum, den Zugang zu Technologien sowie die humane und soziale Entwicklung in den LDC bemüht;
5. fordert die EU und andere Industrienationen auf, die strukturbedingten Hindernisse zu beseitigen, die es den LDC verwehren, ihre grundlegenden Bedürfnisse einer nachhaltigen Entwicklung zu erfüllen, indem eine Reform der internationalen Wirtschaftspolitik durchgeführt wird, die Folgendes einschließt: eine Reform der WTO, eine Regulierung des internationalen Handels, die Einführung eines verbindlichen Mechanismus zur Verhinderung von illegaler Kapitalflucht und Steuerflucht aus den LDC, während gleichzeitig Maßnahmen eingeführt werden, um die uneingeschränkte Transparenz bei den internationalen Finanztransaktionen zu gewährleisten;
6. verweist auf die Notwendigkeit, Hilfestellung bei der Entwicklung der Steuersysteme der Entwicklungsländer sowie einer verantwortungsvollen Steuerpolitik zu leisten; fordert die EU und die internationale Gemeinschaft insgesamt auf, für Unternehmen, die in Entwicklungsländern investieren und dort tätig sind, eine angemessene Transparenz zur Auflage zu machen, wozu auch die Berichterstattung über die Abführung von Steuern auf nationaler Grundlage und aufgeschlüsselt nach Projekten gehört;
7. fordert die Einführung fairer und gerechter Handelsregelungen und die Umsetzung einer integrierten Politik bei einer breiten Palette von wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Fragen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung;
8. fordert, dass effektive Maßnahmen getroffen werden, um Preisschwankungen entgegenzuwirken und die Transparenz der Preise, regulierte Finanzmärkte, den Schutz und einen behutsamen Umgang mit der Verwundbarkeit der LDC sicherzustellen;
9. verweist mit Nachdruck auf die Notwendigkeit, die Fähigkeit der LDC zur Bekämpfung der negativen Auswirkungen des Klimawandels zu steigern, indem der Technologietransfer gefördert wird, Maßnahmen entsprechend dem Rahmenabkommen von Cancun zur Anpassung an den Klimawandel gefördert werden und eine ökologisch nachhaltige Politik entsprechend der Vereinbarung von Kopenhagen praktiziert wird;
10. verweist erneut auf den Grundsatz der Allgemeingültigkeit der Menschenrechte und der Nichtdiskriminierung als Grundlage für die Ausweitung einer legitimen demokratischen Staatsführung und des politischen Dialogs mit den LDC;
11. vertritt die Auffassung, dass das Ergebnis des Gipfeltreffens vom September 2010 zu den Millenniums-Entwicklungszielen (MEZ) als Rahmen genutzt werden sollten, um die Ausmerzung der Armut zu beschleunigen;
12. fordert einen Schuldenerlass für die LDC;
13. fordert mit Nachdruck, dass sich die Vierte Konferenz zu den LDC auf die Verwirklichung politischer Kohärenz zugunsten der Entwicklung konzentriert und dabei die Bereiche Handel und Entwicklungszusammenarbeit, Klimawandel, Verkehr, Energie, Lebensmittelsicherheit, Migration sowie die gemeinsame Agrar- und Fischereipolitik eingeschlossen werden;
14. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.