Entschließungsantrag - B7-0243/2011Entschließungsantrag
B7-0243/2011

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu den Lehren für die Kernenergiesicherheit in Europa nach dem atomaren Unfall in Japan

4.4.2011

eingereicht im Anschluss an Erklärungen des Rates und der Kommission
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Bairbre de Brún, Takis Hadjigeorgiou, Nikolaos Chountis, Elie Hoarau, Marie-Christine Vergiat, Marisa Matias im Namen der GUE/NGL-Fraktion

Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B7-0236/2011

Verfahren : 2011/2650(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B7-0243/2011
Eingereichte Texte :
B7-0243/2011
Angenommene Texte :

B7‑0243/2011

Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Lehren für die Kernenergiesicherheit in Europa nach dem atomaren Unfall in Japan

Das Europäische Parlament,

–   gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass in Japan mehr als 12 000 Menschen ums Leben kamen, als der durch ein Erdbeben ausgelöste Tsunami am Freitag, dem 11. März über die Küste fegte und ganze Städte und auch das Kernkraftwerk Fukushima Daiichi niederwalzte,

B.  in der Erwägung, dass die internationalen Sicherheitsnormen für Kernenergie verschärft werden sollten,

C. in der Erwägung, dass neben dem nuklearen Unfall in Windscale in Großbritannien 1957, bei dem eine radioaktive Wolke in die Luft geschleudert wurde und radioaktive Nuklide über dem Land und über Nordeuropa herabregneten, oder dem allseits bekannten Unfall von 1979 in Three Mile Island in den Vereinigten Staaten, der Katastrophe von 1986 in Tschernobyl in der Ukraine oder der Manipulation der Sicherheitsdaten in der englischen Wiederaufbereitungsanlage Sellafield oder in der japanischen Kernanlage von Tepco in den vergangenen 12 Jahren Frankreich, Deutschland, Schweden und Ungarn schwere atomare Unfälle zu verzeichnen hatten, die nicht außer Acht gelassen werden dürfen,

D. in der Erwägung, dass im Jahre 2007 Japan schon einmal mit einem vergleichbaren Unfall zu tun hatte, nachdem durch ein schweres Erdbeben der Stärke 6,8 der Reaktorkomplex in Kashiwazaki beschädigt worden war, was dazu führte, dass die Transformatoren Feuer fingen, radioaktive Flüssigkeiten austraten und die Tokyo Electric Power Co., also dieselbe Betreibergesellschaft wie in Fukushima , sich schließlich gezwungen sah, die umfangreiche, sieben Einheiten umfassende Kernanlage jahrelang abzuschalten,

E.  in der Erwägung, dass der Unfall in Japan zeigt, dass die nationale japanische Regulierungsbehörde unzulänglich ist und deshalb verstärkt werden sollte, und dass alle nationalen für Sicherheit zuständigen Regulierungsbehörden der öffentlichen Hand gehören und rechenschaftspflichtig sein sollten,

F.  in der Erwägung, dass der Rat der für Energie zuständigen Minister am 21. März übereinkam, dass die Kommission in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten bis kommenden Juni gemeinsame Normen und Kriterien vorlegt, um die bestehenden 143 Kernanlagen in der EU einer umfassenden Risiko- und Sicherheitsprüfung, sogenannten Belastungsproben, zu unterziehen, da bislang in diesem Bereich noch nichts unternommen worden ist,

G. in der Erwägung, dass diese in der zweiten Jahreshälfte 2011 durchzuführenden Belastungsproben lediglich auf freiwilliger Basis stattfinden und dass bislang weder feststeht, welche Sicherheitsvorkehrungen während dieser Belastungsproben getroffen werden müssen noch wie die verbindlichen Entscheidungen über die Zukunft jener Kernanlagen aussehen sollen, die diesen Belastungsproben nicht auf gesicherte Weise standhalten,

H. in der Erwägung, dass der Europäische Rat am 25. März bekräftigt hat, dass diese Belastungsproben unter der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten durchgeführt werden, währenddessen aber unter Berücksichtigung der Tatsache, dass eine ganze Reihe von Kernanlagen in der Nähe nationaler Grenzen angesiedelt sind, ein gemeinsamer europäischer Sicherheitsansatz und eine entsprechende Zusammenarbeit erforderlich sind, um ein unionsweites Schutzniveau zu gewährleisten,

I.   in der Erwägung, dass unter Berücksichtigung der Tatsache, dass keine andere Technologie mit vergleichbaren Bedrohungen verbunden ist wie dem Risiko einer unumkehrbaren Verseuchung der Luft und der natürlichen Ressourcen, der Nahrungs- und Futtermittel sowie der Menschen , die Folgen eines atomaren Unfalls mit ihren dramatischen Auswirkungen keineswegs auf die nationalen Grenzen der Länder begrenzt bleiben, in denen sich Kernanlagen befinden, in denen es zu möglichen Unfällen kommen könnte,

J.   in der Erwägung, dass alle drei Pfeiler des Atomwaffensperrvertrags, nämlich die Nichtverbreitung, die Abrüstung und die Kontrollmechanismen für die zivile Nutzung der Kernenergie weiter verstärkt und die Bemühungen zur Gewährleistung der weltweiten und effizienten Umsetzung der Bestimmungen und Rechtsinstrumente bezüglich der Nichtverbreitung insbesondere durch eine Optimierung und Verstärkung der Überprüfungsmöglichkeiten intensiviert werden müssen,

1.  bekräftigt seine Unterstützung für die Menschen, die in Japan von diesem Atomunfall betroffenen sind, bei dem es sich um die bedeutendste Tragödie mit schwersten Folgen für Mensch und Umwelt gleichermaßen handelt, und betont deshalb, dass aus dieser Katastrophe weltweit Lehren gezogen werden müssen;

2.  bekräftigt, dass ein mittel- bis langfristiger Ausstieg aus der Atomenergie unverzichtbar ist, wie dies in Deutschland und Spanien bereits der Fall ist;

3.  fordert ein Moratorium für den Bau neuer Kernkraftwerke nach Maßgabe des Vorsichtsprinzips und besteht darauf, dass in Erdbebengebieten keine Kernanlagen errichtet werden sollten;

4.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, nach diesem Unfall ihre Energiepolitik zu überdenken und ihre Ziele in Bezug auf erneuerbare Energien und höhere Normen der Energieeffizienz zu steigern und für Energie aus erneuerbaren Ressourcen sowie für Maßnahmen der Energieeffizienz und der Energieeinsparung entsprechende Haushaltsmittel bereitzustellen und Anreize für Forschung und Innovation in diesem Bereich vorzusehen;

5.  besteht darauf, dass die Belastungsproben mit den allgemein anerkannten höchsten Normen verbindlich vorgeschrieben und dazu vielfältige und komplexe Faktoren von der geologisch sicheren Ansiedlung von Kernkraftwerken und ihrer Aussetzung gegenüber gefährlichen Risikoereignissen bis hin zur Überprüfung und Aktualisierung der Notfallmaßnahmen berücksichtigt werden sollten, um damit diese Prüfungen gemäß der Forderung der Richtlinie 2009/71 in den nationalen Rechtsrahmen für nukleare Sicherheit einzubeziehen;

6.  fordert, dass im Rahmen der Belastungsproben die Zuverlässigkeit der gesamten Produktionskette der atomaren Produktion, des Lebenszyklus der Anlage ab der Prüfung der Planung, der Bauanforderungen, der Produktion, der Verbringung und der Abfallbehandlung sowie der Maßnahmen zur sicheren Lagerung abgebrannter Brennstäbe geprüft werden sollte;

7.  fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, gegenüber allen Bürgern, den einschlägigen Beteiligten, den Gewerkschaften und den Umweltverbänden ein hohes Maß an Information und Transparenz in Bezug auf den Zeitplan und die Ergebnisse der Belastungsproben einschließlich der zu treffenden Entscheidungen für den Fall, dass die geprüften Anlagen kritische und nicht hinnehmbare Sicherheitsmängel für ihren aktuellen und künftigen Betrieb aufweisen, zu gewährleisten, und fordert diesbezüglich eine dringend notwendige öffentliche Diskussion über die Deckung des künftigen Energiebedarfs und über die Notwendigkeit einer Verstärkung der Sicherheit, der Energievielfalt und der Bekämpfung des Klimawandels;

8.  schlägt vor, dass die Mitgliedstaaten im Zuge der Vorbereitung einer umfassenden Risiko- und Sicherheitsüberprüfung ihrer Kernanlagen als Vorsichtsmaßnahme und in Erwartung einer endgültigen und zuverlässigen Prüfung ihres Lebenszyklus gegebenenfalls einen möglichen Beschluss über die vorübergehende Stilllegung jener Kernanlagen fassen, die seit mehr als 25 Jahren in Betrieb sind; ist der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten im Wege der Zusammenarbeit geeignete Maßnahmen ergreifen sollten, um zu vermeiden, dass derartige befristete Maßnahmen mit untragbaren finanziellen Zusatzbelastungen für den Endverbraucher verbunden sind;

9.  betont, dass durch die Bereitstellung von Haushaltsmitteln gemäß der Verordnung 300/2007 die Nachbarländer der Union, insbesondere die Beitrittskandidaten und die aufgrund ihrer geographischen Lage eher erdbebengefährdeten Länder dazu gebracht werden müssen, für ihre Kernkraftwerke ähnliche Sicherheitstests vorzusehen bzw. ihre geplanten Anlagen und die Anforderungen für laufende Ausschreibungen einer erneuten Prüfung zu unterziehen, damit sie den aktualisierten strengeren Sicherheitsvorschriften entsprechen;

10. betont, dass die Stärkung des NVV als Kernstück der globalen Nichtverbreitungsregelung von wesentlicher Bedeutung ist und daher alles Erdenkliche unternommen werden sollte, damit der Vertrag in allen Aspekten umgesetzt wird; bekräftigt, dass multilaterale Bemühungen nur dann erfolgreich sein können, wenn sie im Rahmen einer konkret ausgestalteten Vision im Hinblick auf die möglichst baldige Verwirklichung einer kernwaffenfreien Welt erfolgen;

11. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Kommission, dem Rat, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, Euratom und der ENSREG zu übermitteln.