ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu Côte d'Ivoire
4.4.2011
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung
Marie-Christine Vergiat, Jacky Henin, Patrick Le Hyaric, Elie Hoarau, Sabine Lösing, Gabriele Zimmer, Joao Ferreira, Willy Meyer im Namen der GUE/NGL-Fraktion
B7‑0261/2011
Entschließung des Europäischen Parlaments zu Côte d'Ivoire
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Côte d’Ivoire, insbesondere diejenige vom Dezember 2010,
– in Kenntnis der Erklärung von Bamako zur Demokratie, den Rechten und den Freiheiten vom 3. November 2000,
– unter Hinweis auf die Resolution 1975 der Vereinten Nationen,
– gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. angesichts der schweren politischen und institutionellen Krise, in der sich Côte d'Ivoire seit dem zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen vom 28. November 2010 befindet; in Kenntnis der Tatsache, dass diese Krise bereits mindestens mehrere hundert Todesopfer und mehr als 1 Millionen Vertriebener gefordert hat,
B. in der Erwägung, dass seit einigen Tagen die bewaffnete Offensive, die von den Anhängern von Ouattara ausgeht, bekräftigt hat, dass Côte d'Ivoire im Bürgerkrieg versinkt, und in der Erwägung, dass die militärische Eskalation zwischen den beiden rivalisierenden Lagern immer mehr zivile Opfer zu fordern droht,
C. in Kenntnis der Tatsache, dass die Kämpfe der letzten Tage in Abidjan besonders heftig waren, und in Kenntnis der Aussagen mehrerer internationaler Menschenrechtsorganisationen in der Region von Duékoué, dass alle Konfliktparteien schwere Menschenrechtsverletzungen und -verstöße begangen haben, insbesondere rechtswidrige Hinrichtungen sowie Vergewaltigungen und sexuelle Gewalttaten gegen Frauen; in Kenntnis der Tatsache, dass mehrere hundert Menschen bei der Einnahme von Duékoué ihr Leben lassen mussten;
D. in der Erwägung, dass nach Aussagen des Amts der Hohen Kommissarin für Menschenrechte der Vereinten Nationen die Kräfte, die Ouattara unterstützen, Plünderungen und schwere Menschenrechtsverletzungen, wie etwa Entführungen, willkürliche Verhaftungen und Misshandlungen der Zivilbevölkerung, begangen hätten,
E. in der Erwägung, dass die Krise, die Côte d'Ivoire durchläuft, historische Wurzeln hat, wie dies in der Erklärung von Bamako vom November 2000 zum Ausdruck kam, in der bereits festgestellt wurde, dass es neben der unbestreitbaren Leistung der Einrichtung einer liberalen Demokratie Mängel und Misserfolge gibt: Wiederaufflackern von Konflikten, Unterbrechung der demokratischen Prozesse, Völkermord und Massaker, schwere Menschenrechtsverletzungen, Fortbestehen von Verhaltensweisen, die die Entwicklung einer demokratischen Kultur bremsen, mangelnde Unabhängigkeit bestimmter Institutionen und Zwänge wirtschaftlicher, finanzieller und sozialer Art, die dazu führen, dass sich die Bürger vom demokratischen Ideal abwenden; in der Erwägung, dass die Pläne zur Strukturanpassung, die seit Jahren vom IWF vorgeschrieben werden, zur Unterwanderung dieses Systems beigetragen haben,
F. in der Erwägung, dass die „Vermittlung“ der internationalen Gemeinschaft sogar dazu geführt hat, dass das Klima der Teilung im Land noch verschlimmert wurde; in der Erwägung, dass die kriegerischen Anwandlungen einiger Mächte, insbesondere Frankreichs, nur zu einer zusätzlichen Eskalation der Gewalt führen können,
G. unter Hinweis darauf, dass Frankreich, das in Côte d'Ivoire ständig militärisch präsent ist, sein militärisches Personal in den letzten Tagen von 900 auf 1 400 Mann aufgestockt hat; in Kenntnis der Tatsache, dass zwei zusätzliche Kompanien, das heißt fast 300 Mann, nach Abidjan entsandt wurden; in Kenntnis der Tatsache, dass die französische Mission Licorne die Kontrolle über den Flughafen Félix Houphouët Boigny ohne jedes internationale Mandat übernommen hat,
H. in der Erwägung, dass zu der politischen und institutionellen Krise heute die wirtschaftliche, soziale und humanitäre Krise hinzukommt; in der Erwägung, dass die europäischen Sanktionen zu einem sprunghaften Anstieg der Arbeitslosigkeit, einen Kraftstoffmangel, Inflation und einer Verknappung von Grundgütern geführt haben; unter Hinweis darauf, dass die Einwohner von Côte d'Ivoire die ersten Opfer dieser Situation sind,
1. erklärt sich äußerst besorgt über die Bürgerkriegssituation in Côte d'Ivoire und die Übergriffe, die von beiden Lagern begangen wurden; verurteilt, dass man Gewalt anwendet, um die politische Krise in Côte d'Ivoire zu lösen, anstatt den Konflikt diplomatisch beizulegen;
2. verurteilt den Verstoß gegen die Resolution 1975 der Vereinten Nationen durch die Kräfte von Ouattara; appelliert an alle Kampfverbände, das Feuer einzustellen, das humanitäre Völkerrecht und das Völkerrecht im Bereich der Menschenrechte zu achten, Plünderungen und Morden ein Ende zu setzen sowie das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Pressefreiheit zu gewährleisten;
3. verurteilt die vor kurzem vorgekommenen Plünderungen und Angriffe auf den Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Côte d'Ivoire;
4. fordert die internationale Gemeinschaft auf, einen Fonds für humanitäre Soforthilfe einzurichten, um auf die wirtschaftlichen und sozialen Probleme, die die Krise aufwirft, reagieren und die Versorgung der Flüchtlinge sicherstellen zu können;
5. bedauert die Tatsache, dass die internationale Gemeinschaft das Klima der Teilung im Land noch verschlimmert hat; ist der Meinung, dass alle anwesenden Kräfte für einen friedlichen und politischen Ausweg aus der Krise eintreten müssen; lehnt deshalb jede militärische Intervention ab, wie sie von Frankreich befürwortet wird, denn sie würde nur zu noch mehr Massakern führen;
6. verurteilt folglich die von Frankreich seit einigen Tagen unter Verstoß gegen das Völkerrecht durchgeführte bewaffnete Offensive; unterstützt die Afrikanische Union bei ihrer Forderung nach dem sofortigen Rückzug der französischen Truppen;
7. betont, wie wichtig es ist, angesichts der Mängel und Misserfolge des wirtschaftlichen, sozialen, politischen und institutionellen Systems, wie sie in der Erklärung von Bamako festgestellt wurden, eine Lösung zu finden, um die derzeitige Krise langfristig zu überwinden;
8. bedauert, dass die Vermittlungsversuche der Afrikanischen Union und des südafrikanischen Präsidenten Jacob Zuma keinen Erfolg hatten;
9. fordert deshalb alle Parteien auf, die Möglichkeiten einer politischen Lösung der Gesamtheit der Afrikanischen Union auszubauen, insbesondere durch die Ernennung eines Hohen Vertreters, der die Aufgabe hat, die politische Lösung der Gesamtheit durchzusetzen, wie es in dem Beschluss des Gipfeltreffens des Friedens- und Sicherheitsrates der Afrikanischen Union vom 10. März 2011 heißt;
10. fordert, dass die Verantwortlichen für die in den vergangenen Wochen begangenen Übergriffe der internationalen Justiz – dem Haager Gerichtshof oder dem IStGH – überstellt werden;
11. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Vereinten Nationen, der Afrikanischen Union, der ECOWAS und den staatlichen Stellen von Côte d'Ivoire zu übermitteln.