ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Modernisierung der MwSt.-Rechtsvorschriften zur Ankurbelung des digitalen Binnenmarkts
15.11.2011
gemäß Artikel 115 Absatz 5 der Geschäftsordnung
Marielle Gallo, Jean-Paul Gauzès im Namen der PPE-Fraktion
Kay Swinburne Ashley Fox
Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B7-0608/2011
B7‑0610/2011
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Modernisierung der MwSt.-Rechtsvorschriften zur Ankurbelung des digitalen Binnenmarkts
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf die Anfrage [vom 30. September 2011] an die Kommission betreffend die Modernisierung der MwSt.-Rechtsvorschriften zur Ankurbelung des digitalen Binnenmarkts (O–000226/2011 – B7–00648/2011),
– gestützt auf Artikel 113 und 167 AEUV,
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem,
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2008/8/EG zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG bezüglich des Ortes der Dienstleistung,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Europa 2020: Eine Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum“,
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission über eine digitale Agenda für die Zukunft,
– unter Hinweis auf das Grünbuch der Kommission über die Zukunft der Mehrwertsteuer,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. Mai 2011 zu der Erschließung des Potenzials der Kultur- und Kreativindustrien,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. Oktober 2011 zu der Zukunft der Mehrwertsteuer,
– unter Hinweis auf die Leitlinien der OECD zur Mehrwertsteuerneutralität,
– gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 und Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die Strategie „Europa 2020“ die Leitinitiative zur Schaffung eines digitalen Binnenmarkts enthält;
B. in der Erwägung, dass der digitale Binnenmarkt der EU immer noch uneinheitlich ist und dass dies zum Teil auf das Steuersystem der EU und insbesondere auf die Verbrauchssteuern auf Waren und Dienstleistungen zurückzuführen ist;
C. in der Erwägung, dass die Wirtschaftskrise die Chancen für Wirtschaftswachstum in Europa schwer beeinträchtigt hat und dass die Digitalwirtschaft das Potenzial hat, erheblich zum Wohlstand Europas in den kommenden Jahren beizutragen;
D. in der Erwägung, dass die Europäische Union das Potenzial des Binnenmarkts voll ausschöpfen muss, indem sie den Online- und länderübergreifenden Handel unter den Mitgliedstaaten erleichtert;
E. in der Erwägung, dass die Kommission derzeit die Zukunft der Mehrwertsteuer überdenkt und der Strategie „Europa 2020“ Rechnung getragen werden sollte;
1. weist darauf hin, dass der geltende Rechtsrahmen und insbesondere Anhang 3 der Richtlinie 2006/112/EG ein Hindernis für die Entwicklung neuer digitaler Dienstleistungen ist und dementsprechend nicht mit den Zielen der digitalen Agenda in Einklang steht;
2. ist der Ansicht, dass sich an den für Bücher geltenden Mehrwertsteuersätzen die Mängel der gegenwärtigen Rechtslage deutlich erkennen lassen; stellt fest, dass die Mitgliedstaaten ermäßigte Mehrwertsteuersätze für die Bereitstellung von Büchern auf sämtlichen physischen Datenträgern festlegen können, während für E-Bücher ein standardisierter Satz von mindestens 15 % gilt; vertritt die Auffassung, dass diese Diskriminierung angesichts des potenziellen Wachstums dieses Marktsegments untragbar ist;
3. betont, dass die Europäische Union sich hohe Ziele setzen und nicht nur die Unstimmigkeiten in den geltenden Rechtsvorschriften beseitigen muss; ist der Ansicht, dass es ein vorrangiges Anliegen bei der Überarbeitung der Mehrwertsteuervorschriften sein sollte, Unternehmen darin zu bestärken, neue europaweite Online-Dienstleistungen zu entwickeln und anzubieten;
4. verweist auf das Beispiel des „Internet Tax Freedom Act“ (Gesetz über die Steuerfreiheit im Internet) in den Vereinigten Staaten, der 1998 in Kraft trat und seither kontinuierlich ausgeweitet wurde; stellt fest, dass dieses Gesetz, das es der US-Bundesregierung und den regionalen Regierungen untersagt, diskriminierende Mehrwertsteuersätze auf Online-Verkäufe zu erheben, beträchtliche Auswirkungen auf den elektronischen Handel hatte und zur Gründung von Unternehmen beitrug, die den Markt weltweit beherrschen;
5. weist jedoch darauf hin, dass die Europäische Union maßgeschneiderte Lösungen für den eigenen Bedarf ausarbeiten sollte; hält es für denkbar, die Rechtsvorschriften der Europäischen Union so zu gestalten, dass die Mitgliedstaaten befristet einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz für auf elektronischem Weg angebotene Dienstleistungen kulturellen Inhalts anwenden dürfen, damit ein echter digitaler Binnenmarkt entsteht;
6. vertritt die Auffassung, dass diese neue Kategorie, die in Anhang III der Richtlinie 2006/112/EG aufgenommen werden würde, die Bereitstellung von Online-Diensten wie Fernsehen, Musik, Büchern oder Presseerzeugnissen durch einen in der EU ansässigen Anbieter für alle ebenfalls in der EU ansässigen Verbraucher abdecken könnte;
7. vertritt die Auffassung, dass die Anwendung eines ermäßigten Mehrwertsteuersatzes auf kulturelle Online-Inhalte zwangsläufig die Schöpfung, die Erzeugung und den Vertrieb digitaler Inhalte in der Europäischen Union über alle Plattformen ankurbeln wird;
8. verweist auf die Leitsätze der OECD zur Besteuerung des elektronischen Geschäftsverkehrs, die auf der Konferenz in Ottawa 1998 vereinbart wurden; stellt fest, dass nach diesen Leitsätzen die Vorschriften für Verbrauchssteuern, beispielsweise die Mehrwertsteuer, die Besteuerung am Ort des tatsächlichen Verbrauchs bewirken sollten; macht darauf aufmerksam, dass die Leitsätze der OECD gemäß der Richtlinie 2008/8/EG ab dem 1. Januar 2015 gelten;
9. vertritt die Auffassung, dass die größere Flexibilität in Bezug auf ermäßigte Mehrwertsteuersätze, die den Mitgliedstaaten im Zuge einer Überarbeitung der Mehrwertsteuervorschriften eingeräumt wird, mit der Überprüfung der ermäßigten Mehrwertsteuersätze sowie mit der Anwendung der in der Richtlinie 2008/8/EG festgelegten Grundsätze einhergehen sollte; weist allerdings darauf hin, dass der Grundsatz der Besteuerung in dem Mitgliedstaat, in dem der Verbrauch erfolgt, so rasch wie möglich angewendet werden sollte, damit alle Mitgliedstaaten gleichermaßen vom digitalen Binnenmarkt profitieren können; betont, dass eine Überarbeitung zu der Vereinfachung des Mehrwertsteuersystems, beispielsweise zu einer zentralen Anlaufstelle für Mehrwertsteuerfragen, sowie zur Beseitigung von Doppelbesteuerungen führen sollte;
10. fordert deshalb die Kommission auf, die Möglichkeit einer Überarbeitung der Richtlinie 2008/8/EG dahingehend, dass die Mehrwertsteuer schon vor dem 1. Januar 2015 im Einklang mit dem Bestimmungsland-Prinzip entrichtet wird, zu prüfen;
11. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission sowie den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.