ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Lage der Menschenrechte in Tibet
11.6.2012 - (2012/2685(RSP))
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung
José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra, Thomas Mann, Ioannis Kasoulides, Filip Kaczmarek, Jarosław Leszek Wałęsa, Roberta Angelilli, Laima Liucija Andrikienė, László Tőkés, Bernd Posselt, Cristian Dan Preda, Tunne Kelam im Namen der PPE-Fraktion
Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B7-0312/2012
B7‑0319/2012
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage der Menschenrechte in Tibet
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu China und Tibet, insbesondere die Entschließungen vom 26. Oktober 2011 und vom 24. November 2010,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zum Verbot der Wahl der tibetischen Exil-Regierung in Nepal vom 7. April 2011,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte aus dem Jahr 1948,
– unter Hinweis auf Artikel 36 der Verfassung der Volksrepublik China, die allen Bürgern das Recht auf die Freiheit der religiösen Überzeugung garantiert,
– unter Hinweis auf die vorgesehene Ernennung des EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte,
– gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die Achtung der Menschenrechte und des Rechts auf freie Entfaltung der Identität und der Kultur sowie die Achtung der Religions- und Vereinigungsfreiheit Gründungsprinzipien der Europäischen Union und ihrer Außenpolitik sind;
B. in der Erwägung, dass der Menschenrechtsdialog EU-China nicht zu nennenswerten Verbesserungen der Menschenrechtslage der Tibeter geführt hat;
C. in der Erwägung, dass das Europäische Parlament die Besetzung Tibets durch die Volksrepublik China zur Kenntnis genommen hat;
D. in der Erwägung, dass sich die Gesandten Seiner Heiligkeit, des Dalai Lama, an die Regierung der Volksrepublik China gewandt haben, um eine friedliche und für beide Seiten vorteilhafte Lösung für die Tibet-Frage zu finden;
E. in der Erwägung, dass die Volksrepublik China im Jahr 2008 mit unverhältnismäßiger Gewalt gegen die Proteste in Tibet vorgegangen ist und seither restriktive Sicherheitsmaßnahmen verhängt hat, die die freie Meinungsäußerung, die Vereinigungsfreiheit und die Glaubensfreiheit einschränken;
F. in der Erwägung, dass infolge der Proteste im Jahr 2008 über 200 Opfer zu beklagen waren, die Zahl der Festgenommenen zwischen 4434 und über 6500 schwankte und es Ende 2010 insgesamt 831 bekannte politische Gefangene in Tibet gab, von denen 360 durch ein Gerichtsurteil verurteilt worden waren und 12 eine lebenslange Freiheitsstrafe verbüßten;
G. in der Erwägung, dass Berichten zufolge von den Behörden der Volksrepublik China in den Gefängnissen in Tibet Schläge, Elektroschockwaffen, langfristige Einzelhaft, Aushungerung und sonstige ähnliche Maßnahmen eingesetzt werden, um Geständnisse zu erzwingen;
H. in der Erwägung, dass sich Berichten zufolge seit 2009 38 Tibeter, zumeist Mönche und Nonnen, selbst verbrannt haben, einschließlich zweier Fälle in Lhasa, um gegen die restriktive Politik Chinas in Tibet zu demonstrieren und die Rückkehr des Dalai Lama sowie das Recht auf Religionsfreiheit im Kreis Aba/Ngaba in der Provinz Sichuan und in anderen Teilen des tibetischen Hochlandes zu fordern;
I. in der Erwägung, dass der derzeitige Gesundheitszustand und der Aufenthaltsort einiger Opfer von Selbstverbrennungen weiterhin unbekannt oder unklar sind, wie etwa von Chimey Palden, Tenpa Darjey, Jamyang Palden, Lobsang Gyatso, Sona Rabyang, Dawa Tsering, Kelsang Wangchuck, Lobsang Kelsang, Lobsang Kunchok und Tapey;
J. in der Erwägung, dass Gedhun Choekyi Nyima, der 11. Panchen Lama, von den Behörden der Volksrepublik China festgenommen wurde und seit 14 Mai 1995 nicht mehr gesehen wurde;
K. in der Erwägung, dass die tibetische Identität, Sprache, Kultur und Religion, das Zeugnis einer historisch reichen Zivilisation, durch die Neuansiedlung von Han-Chinesen in dem historischen Gebiet Tibets und die Ausrottung des traditionellen Nomadenlebens der Tibeter gefährdet sind;
L. in der Erwägung, dass die EU derzeit mit der Ausarbeitung des Mandats und der Ernennung des EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte befasst ist;
M. in der Erwägung, dass die früheren, an die Vizepräsidentin der Kommission/Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik gerichteten Aufforderungen des Europäischen Parlaments, mit ihren chinesischen Kollegen die Lage in Tibet zu erörtern, nicht die erwarteten Ergebnisse erbracht haben;
1. bekräftigt, dass sich die strategische Partnerschaft zwischen der EU und der Volksrepublik China auf gemeinsame Grundsätze und Werte stützen sollte;
2. fordert die Vizepräsidentin der Kommission/Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik auf, ihre Anstrengungen im Rahmen des Menschenrechtsdialogs zwischen der EU und China mit Blick auf die Verbesserung der Menschenrechtslage der Tibeter zu erhöhen und zu intensivieren;
3. lobt den sehr wichtigen und erfolgreichen Demokratisierungsprozess bei der Führung von Tibetern im Exil durch Seine Heiligkeit, den Dalai Lama, und die Tatsache, dass er vor kurzem seine politischen Befugnisse und Zuständigkeiten auf den demokratisch gewählten Kalon Tripa der Regierung der Exiltibeter („Central Tibetan Administration“) übertragen hat, der die Hoffnungen des tibetischen Volkes repräsentiert;
4. lobt die Entscheidung der demokratisch gewählten neuen tibetischen politischen Führung, an der Politik des Mittelweges Seiner Heiligkeit, des Dalai Lama, festzuhalten, durch die echte Autonomie für Tibeter innerhalb der Volksrepublik China und im Rahmen der chinesischen Verfassung angestrebt wird;
5. billigt die im Memorandum über echte Autonomie für das tibetische Volk enthaltenen Grundsätze, die von Gesandten Seiner Heiligkeit, des Dalai Lama, ihren chinesischen Partnern im Jahr 2008 vorgeschlagen wurden und die die Grundlage für eine realistische und nachhaltige politische Lösung der Tibet-Frage bilden;
6. weist die Auffassung der Regierung der Volksrepublik China zurück, dass Kontakte von Regierungen mit Seiner Heiligkeit, dem Dalai Lama, und Mitgliedern der gewählten tibetischen Führung sowie der Ausdruck von Unterstützung durch Regierungen für eine friedliche Lösung der Tibet-Frage durch Dialog und Verhandlungen einen Verstoß gegen die Ein-China-Politik darstellten;
7. fordert die Staatsorgane der Volksrepublik China auf, dem historischen Gebiet Tibets eine sinnvolle Autonomie zu gewähren;
8. ist weiterhin äußerst besorgt über die Politik der Volksrepublik China gegenüber dem tibetischen Buddhismus sowie ihre Praktiken, durch die die Erhaltung und Entwicklung anderer Aspekte der gesonderten Identität des tibetischen Volkes, einschließlich seiner Kultur, Sprache, Bräuche, Lebensweise und Traditionen, zerstört, unterdrückt oder behindert werden;
9. äußert sich enttäuscht über den mangelnden Willen der Regierung der Volksrepublik China, seit Januar 2010 den Dialog mit den Gesandten Seiner Heiligkeit, des Dalai Lama, fortzusetzen, und legt den chinesischen Staatsorganen nahe, in eine gehaltvolle Diskussion mit den Vertretern der Regierung der Exiltibeter („Central Tibetan Administration“) über die Zukunft Tibets einzutreten;
10. weist nachdrücklich darauf hin, dass die Staatsorgane der Volksrepublik China die freie Meinungsäußerung, die Vereinigungsfreiheit und die Glaubensfreiheit der Tibeter achten müssen;
11. fordert die Staatsorgane der Volksrepublik China mit Nachdruck auf, eine unabhängige internationale Untersuchung der Proteste im Jahr 2008 und ihrer Folgen zu ermöglichen, und fordert die Freilassung der politischen Gefangenen;
12. verurteilt jede Form von Folter von Menschen, die sich in Gewahrsam befinden, und ersucht die Staatsorgane der Volksrepublik China, eine unabhängige internationale Inspektion der Gefängnisse und Hafteinrichtungen in Tibet zuzulassen;
13. bekräftigt, dass es das anhaltende harte Vorgehen der chinesischen Staatsorgane gegen tibetische Klöster ablehnt, und fordert die chinesische Regierung auf, die Religionsfreiheit der Bevölkerung Tibets sowie aller seiner Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten;
14. besteht darauf, dass die chinesischen Staatsorgane das Schicksal und den Aufenthaltsort aller Opfer von Selbstverbrennung in Tibet bekannt geben;
15. besteht darauf, dass die chinesischen Staatsorgane das Schicksal und den Aufenthaltsort von Chedun Choekyi Nyima, dem 11. Panchen Lama, offenbaren;
16. fordert die chinesischen Staatsorgane auf, die Freiheit der Tibeter in Bezug auf Sprache, Kultur und Religion sowie andere Grundfreiheiten zu wahren und Abstand davon zu nehmen, Han-Chinesen in die historischen Gebiete Tibets umzusiedeln und tibetische Nomaden dazu zu zwingen ihre traditionelle Lebensweise aufzugeben;
17. erwartet, dass der EU-Sonderbeauftragte für Menschenrechte regelmäßig einen Bericht über die Menschenrechtslage in der Volksrepublik China unter besonderer Berücksichtigung Tibets vorlegt;
18. fordert die Vizepräsidentin der Kommission/Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik auf, die Menschenrechtslage in Tibet bei jedem Treffen mit den Vertretern der Volksrepublik China anzusprechen;
19. legt der Vizepräsidentin der Kommission/Hohe Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik nahe, einen EU-Sonderbeauftragten für Tibet zu ernennen, um die Achtung der Menschenrechte des tibetischen Volkes voranzutreiben, einschließlich seines Rechts auf Bewahrung und Weiterentwicklung seiner charakteristischen Identität und deren religiöser, kultureller und sprachlicher Erscheinungsformen; befürwortet den konstruktiven Dialog und die Verhandlungen zwischen der Regierung der Volksrepublik China und den Gesandten Seiner Heiligkeit, des Dalai Lama und die Unterstützung tibetischer Flüchtlinge, insbesondere in Nepal und in Indien;
20. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Regierung und dem Parlament der Volksrepublik China, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, seiner Heiligkeit, dem Dalai Lama, und der Führung der Regierung der Exiltibeter („Central Tibetan Administration“) zu übermitteln.