Entschließungsantrag - B7-0433/2012Entschließungsantrag
B7-0433/2012

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Lage in Syrien

10.9.2012 - (2012/2788(RSP))

eingereicht im Anschluss an eine Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Willy Meyer, Jean-Luc Mélenchon, Marie-Christine Vergiat, Sabine Lösing im Namen der GUE/NGL-Fraktion

Verfahren : 2012/2788(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B7-0433/2012
Eingereichte Texte :
B7-0433/2012
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Angenommene Texte :

B7‑0433/2012

Entschließung des Europäischen Parlaments

 
zur Lage in Syrien
(2012/2788(RSP))

Das Europäische Parlament,

–   gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass der Konflikt in Syrien nach der raschen Zuspitzung der dortigen Situation, der mit der gewaltsamen Niederschlagung der Demonstrationen durch die syrischen Sicherheits- und Streitkräfte im März 2011 begonnen hatte, und der sich im August 2012 weiter verschlechtert hat, eskaliert ist und sich zu einem Bürgerkrieg mit dem bewaffneten Eingreifen der syrischen Streit- und Sicherheitskräfte und Angriffen bewaffneter Gruppen auf Wohngebiete entwickelt hat;

B.  in der Erwägung, dass täglich Blut vergossen wird und Berichte vorliegen, denen zufolge die syrischen Streit- und Sicherheitskräfte schwerwiegende Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht begehen; in der Erwägung, das nach Schätzungen der Vereinten Nationen bisher 20 000 Menschen getötet worden sind; in der Erwägung, dass die Verletzten nicht angemessen versorgt werden; in der Erwägung, dass Berichte vorliegen, wonach Nahrungsmittel und andere Güter knapp werden;

C. in der Erwägung, dass Berichten zufolge die Anzahl bewaffneter Gruppen, zu denen auch die „Freie Syrische Armee“ gehört, zugenommen hat, wobei die Beweggründe der einzelnen Gruppen unterschiedlicher Natur sind und sie teilweise angeblich in das Land eingeschleust werden und illegal Waffen über die Grenzen einführen; in der Erwägung, dass Entführungen und religiös motivierte Gewalt zunehmen;

D. in der Erwägung, dass die Krise in Syrien eine erhebliche Gefahr für die instabile Lage der gesamten Region birgt; in der Erwägung, dass der Konflikt in Syrien die ganze Region betrifft und nicht absehbar ist, welche Auswirkungen und Folgen er haben wird;

E.  in der Erwägung, dass sich 235 000 Flüchtlinge aus Syrien bereits beim Hochkommissariat der Vereinten Nationen für Flüchtlinge registriert haben bzw. ihre Registrierung noch aussteht; in der Erwägung, dass den Vereinten Nationen zufolge in Syrien über 1,2 Millionen Menschen von Binnenvertreibung betroffen sind und etwa 3 Millionen Menschen dringend humanitäre Hilfe benötigen; in der Erwägung, dass die Nachbarländer Syriens dem Hohen Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge zufolge trotz ihrer eigenen Schwierigkeiten bisher alle Schutzsuchenden aufgenommen haben; in der Erwägung, dass der Druck, dem diese Länder angesichts der zunehmenden Anzahl an syrischen Flüchtlingen und Binnenvertriebenen ausgesetzt sind, zunimmt und sie Hilfe von internationaler Seite benötigen;

F.  in der Erwägung, dass der Generalsekretär der Vereinten Nationen und der Generalsekretär der Arabischen Liga, die Außenminister Chinas, Frankreichs, des Irak, Kuwaits, Katars, Russlands, der Türkei, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten sowie die Hohe Vertreterin der EU am 30. Juni 2012 als Syrien‑Aktionsgruppe zusammengetreten sind, deren Vorsitz der Sondergesandte der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga für Syrien innehat; in der Erwägung, dass diese Aktionsgruppe sich auf Grundsätze und Leitlinien für einen Übergang verständigt hat, der von den Syrern angeführt werden soll, und in dessen Rahmen eine Zukunftsperspektive für alle Menschen in Syrien geschaffen werden soll, die mit klaren Schritten und einem festen Zeitplan für deren Umsetzung verbunden ist, und die in einem Umfeld der allgemeinen Sicherheit, der Stabilität und der Ruhe zügig und ohne weiteres Blutvergießen bzw. ohne weitere Gewalt umgesetzt werden soll und glaubwürdig ist;

G. in der Erwägung, dass infolge der Entschließungen des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen unbewaffnete Militärbeobachter der Vereinten Nationen nach Syrien entsandt worden sind; in der Erwägung, dass diese Beobachtermission ihre Tätigkeiten am 20. August 2012 beendet hat;

H. in der Erwägung, dass Lakhdar Brahimi, ehemaliger Außenminister Algeriens, kürzlich zum neuen Sondergesandten der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga für Syrien ernannt wurde und nun Kofi Annans Rolle übernimmt;

I.   in der Erwägung, dass Russland und China mit ihren Vetos im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen darauf abzielen, einen militärischen Eingriff in Syrien zu verhindern, damit es nicht erneut zu einer Lage wie in Libyen kommt;

J.   in der Erwägung, dass das Engagement von Drittstaaten wie den Vereinigten Staaten und der Türkei offenbar über die bloße Bereitstellung diplomatischer Unterstützung für die syrischen Oppositionskräfte hinausgeht und Berichte vorliegen, denen zufolge Waffen über die türkische Grenze nach Syrien geliefert werden;

K. in der Erwägung, dass manche Staaten in der Region angeblich aus religiösen Gründen Einfluss auf das Land nehmen; in der Erwägung, dass der Führer von Al-Qaida seine Unterstützung für die Opposition erklärt hat;

L.  in der Erwägung, dass die syrische Opposition – die in verschiedene Gruppen zersplittert ist – erklärt, sie lehne jede Art von ausländischem und insbesondere militärischem Eingreifen ab;

M. in der Erwägung, dass die EU in mehreren Sanktionsrunden gegenüber Syrien gezielte Sanktionen verhängt hat, einschließlich eines Reiseverbots, des Einfrierens von Vermögenswerten, des Verbots der Ausfuhr von Luxusgütern und Gütern mit doppeltem Verwendungszweck nach Syrien, und das Waffenembargo gegenüber Syrien verschärft hat; in der Erwägung, dass diese Sanktionen im Hinblick darauf, den Konflikt zu beenden, bisher keinerlei Wirkung gezeigt haben;

1.  verurteilt entschieden die Gewalt des syrischen Regimes gegenüber der Bevölkerung des Landes; verurteilt entschieden den Einsatz von Zwangsmitteln und Gewalt durch die Militär- und Sicherheitskräfte der Regierung gegenüber Demonstranten und Zivilisten; fordert das syrische Regime auf, allen Folterungen und Menschenrechtsverletzungen unverzüglich ein Ende zu setzen, alle ohne rechtliche Grundlage inhaftierten Personen freizulassen, den Verletzten medizinische Versorgung zukommen zu lassen und die Grundfreiheiten zu achten; verurteilt auch die Gewalt der bewaffneten Oppositionsgruppen; fordert nachdrücklich ein Ende der Gewalt in Syrien, damit die derzeitige Bürgerkriegssituation ein Ende findet;

2.  bekundet seine tiefe Trauer angesichts der stetig wachsenden Zahl der Todesopfer und spricht den Familien der Opfer sein Beleid aus;

3.  betont, dass es ein Waffenstillstand benötigt wird, damit über die Beendigung des Konflikts in Syrien verhandelt werden kann;

4.  besteht darauf, den Konflikt auf politischer Ebene zu lösen, und zwar durch einen integrativen nationalen Dialog, bei dem die berechtigten Anliegen und Sorgen des syrischen Volkes wirklich berücksichtigt werden; vertritt die Ansicht, dass eine weitere Verschlechterung der Lage unabsehbare Folgen für die ganze Region hätte;

5.  unterstützt den ehemaligen algerischen Außenminister Lakhdar Brahimi bei seiner Aufgabe, als neuer Sondergesandter der Vereinten Nationen und der Arabischen Liga für Syrien zur Ermittlung einer friedlichen Lösung des Konflikts in Syrien beizutragen;

6.  begrüßt die Bemühungen der Nachbarländer Syriens in Bezug auf die Aufnahme syrischer Flüchtlinge und deren humanitäre Versorgung, und fordert die Staatengemeinschaft auf, in diesem Zusammenhang vermehrt Unterstützung zu leisten und Hilfen bereitzustellen; betont, dass unbedingt eine dauerhafte Lösung der humanitären Krise in Syrien und in Bezug auf die syrischen Flüchtlinge in den Nachbarländern gefunden werden muss; fordert die Nachbarländer Syriens auf, syrischen Flüchtlingen und Vertriebenen auch weiterhin Schutz zu bieten und im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen davon Abstand zu nehmen, diese Menschen des Landes zu verweisen und Rückführungen nach Syrien vorzunehmen;

7.  fordert, dass unverzüglich humanitäre Hilfe für alle Bedürftigen in Syrien bereitgestellt wird, insbesondere für Verwundete, Flüchtlinge, Binnenvertriebene, Frauen und Kinder;

8.  fordert, dass das künftige Schicksal Syriens ohne Einmischung von außen oder militärischem Eingreifen allein in den Händen des syrischen Volkes belassen wird; spricht sich entschieden gegen die „Verantwortung, Schutz zu gewähren“ als Vorwand zur Rechtfertigung militärischen Eingreifens aus; lehnt Pläne für eine Teilung des Landes entschieden ab;

9.  fordert ein sofortiges Ende jeglicher ausländischer Einmischung in dem Land, wozu auch ein Ende der Lieferung von Waffen und der Finanzierung bewaffneter Gruppen gehört; fordert die Vereinten Nationen und den Rat der Europäischen Union auf, ein Embargo für die Ausfuhr von Waffen nach Syrien zu verhängen; fordert die Nachbarstaaten auf, ihre Grenzübergänge zu Syrien zu kontrollieren, damit keine Waffen nach Syrien gelangen;

10. fordert die Mitglieder des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen auf, ihre Differenzen zu überwinden und sich in Zusammenarbeit mit der Arabischen Liga auf politische Maßnahmen zu einigen, mit denen die Gewalt in Syrien beendet und die Aufnahme eines integrativen politischen Dialogs gefördert wird, damit nachhaltige politische Lösungen für die Probleme gefunden werden;

11. verurteilt, dass die Präsenz verschiedener religiöser Gruppen und Konfessionen sowie Minderheiten dazu missbraucht wird, konfessionsgebundene Gewalt zu schüren und ein Eingreifen zu rechtfertigen;

12. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Regierung und dem Parlament der Arabischen Republik Syrien, dem Generalsekretär der Union für den Mittelmeerraum sowie der Arabischen Liga zu übermitteln.