Entschließungsantrag - B7-0022/2013Entschließungsantrag
B7-0022/2013

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu den Opfern der jüngsten Brände in Textilfabriken, insbesondere in Bangladesch

9.1.2013 - (2012/2908(RSP))

eingereicht im Anschluss an Erklärungen des Rates und der Kommission
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Willy Meyer, Paul Murphy, Marie-Christine Vergiat im Namen der GUE/NGL-Fraktion

Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B7-0004/2013

Verfahren : 2012/2908(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B7-0022/2013
Eingereichte Texte :
B7-0022/2013
Angenommene Texte :

B7‑0022/2013

Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Opfern der jüngsten Brände in Textilfabriken, insbesondere in Bangladesch

(2012/2908(RSP))

Das Europäische Parlament,

–   unter Hinweis auf seine bisherigen Berichte über die soziale Verantwortung von Unternehmen,

–   unter Hinweis auf den Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, der am 16. Dezember 1966 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen wurde, am 3. Januar 1976 in Kraft getreten ist und am 5. Oktober 1998 von Bangladesch ratifiziert wurde,

–   unter Hinweis auf die wichtigsten Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO), insbesondere das Übereinkommen 138 über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung, das Übereinkommen 182 über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit, das Übereinkommen 184 über den Arbeitsschutz in der Landwirtschaft, das Übereinkommen 87 über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes, das Übereinkommen 98 über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen, das Übereinkommen 141 über die Verbände ländlicher Arbeitskräfte und ihre Rolle in der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung und das Übereinkommen 155 über Arbeitsschutz und Arbeitsumwelt, sowie auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes,

–   gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass Bangladesch mit einem Gesamtexportvolumen von 19 Milliarden Dollar im Jahr 2011 der weltweit zweitgrößte Exporteur von Kleidung ist; in der Erwägung, dass Bangladesch nach China und Vietnam der drittgrößte Textillieferant für die Europäische Union ist; in der Erwägung, dass dieser Sektor 13 % des BIP des Landes erwirtschaftet und zu 80 % zu den Ausfuhren des Landes beiträgt;

B.  in der Erwägung, dass nach Angaben der Organisation Transparency International Bangladesch zu den Ländern mit der weltweit höchsten Korruptionsquote zählt (2010 belegte es von insgesamt 178 aufgelisteten Ländern den 134. Platz);

C. in der Erwägung, dass 40 % der Bevölkerung Bangladeschs unter der Armutsgrenze (d. h. von weniger als 1,25 Dollar pro Tag) leben, wodurch das Land auf dem Index der menschlichen Entwicklung den 146. Platz von insgesamt 182 aufgelisteten Ländern belegt; in der Erwägung, dass diese extreme Situation zu zahlreichen Unruhen geführt hat, u. a. den Hungeraufständen von 2008;

D. in der Erwägung, dass es unter den Textilarbeitern und ‑arbeiterinnen (die knapp 40 % der Arbeitskräfte in der Industrie, d. h. drei Millionen Menschen, ausmachen, von denen drei Viertel Frauen sind) regelmäßig zu Aufständen kommt, bei denen die schlechten Arbeitsbedingungen und die Kluft zwischen den Löhnen der Beschäftigten und dem Gewinn der im Verband der Textilerzeuger und -exporteure Bangladeschs zusammengeschlossenen Arbeitgeber (BGMEA) angeprangert werden;

E.  in der Erwägung, dass diese Aufstände von den Streitkräften systematisch niedergeschlagen wurden und Dutzende von Toten und Hunderte von Verletzten zur Folge hatten;

F.  in der Erwägung, dass das Land bereits 1967 das Übereinkommen über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes von 1948 ratifiziert hat; jedoch in der Erwägung, dass nur sehr wenige Organisationen zum Schutz der Arbeitnehmer eine amtliche Zulassung erhalten und dass viele davon ständiger Schikanierung vonseiten der Behörden ausgesetzt sind;

G. in der Erwägung, dass am Samstag, den 24. November 2012 mehr als 1000 Beschäftigte des Unternehmens Tazreen Fashions – das für westliche Firmen wie den niederländischen Konzern C&A, den französischen Konzern Carrefour, den schwedischen Konzern Ikea oder den US-amerikanischen Konzern Walmart produziert hat – beim Brand eines Fabrikgebäudes in einem Außenbezirk von Dhaka von den Flammen eingeschlossen wurden; in der Erwägung, dass dabei 110 Menschen zu Tode gekommen sind und mehr als hundert Menschen verletzt wurden;

I.   in der Erwägung, dass am 26. November 2012 erneut ein Brand in einer Textilfabrik in Dhaka ausgebrochen ist; in der Erwägung, dass dieser Brand, der keine Opfer gefordert hat, in einem zwölfstöckigen Gebäude, in dem vier Textilunternehmen untergebracht sind, ausgebrochen ist;

J.   in der Erwägung, dass nach Angaben nichtstaatlicher Organisationen seit 2006 in Bangladesch etwa 700 Beschäftigte der Textilindustrie bei Bränden ums Leben gekommen sind;

K. in der Erwägung, dass am Dienstag, den 11. September 2012 bei einem Brand in einer Textilfabrik im südpakistanischen Ballungsraum Karatschi 310 Menschen umgekommen sind; in der Erwägung, dass wenige Stunden zuvor ein ähnliches Unglück in einer Schuhfabrik in Lahore, der zweitgrößten Stadt Pakistans, 21 Todesopfer gefordert hatte;

L.  in der Erwägung, dass trotz der „Verhaltenskodizes“, auf die einige westliche Unternehmen immer wieder verweisen, die Arbeitsbedingungen – insbesondere was Arbeitszeit, Löhne, Ausbeutung Minderjähriger und Arbeitssicherheit anbelangt – nach wie vor beklagenswert sind; in der Erwägung, dass jedes Jahr mehrere Fabriken, die in baufälligen Gebäuden untergebracht sind und in denen zu viele Menschen arbeiten, ein Raub der Flammen werden;

M. in der Erwägung, dass diese Brände nach ersten Erkenntnissen auf Sicherheitsmängel zurückzuführen sind, in deren Folge ein Kurzschluss ausgelöst wurde und es zum Ausbruch des Feuers kam;

N. in der Erwägung, dass die Umweltauswirkungen des Baumwollanbaus durch einen übermäßigen Einsatz von Pestiziden (10 % des weltweiten Verbrauchs), Insektiziden (25 % des weltweiten Verbrauchs) und Wasser, der zur Verarmung der Böden, zu Umweltverschmutzung und zum Verlust der biologischen Vielfalt führt, noch erheblich verstärkt werden;

1.  drückt den Angehörigen der Opfer sein Mitgefühl aus; ist der Auffassung, dass diese Tragödien erneut zeigen, welch erbärmliche Arbeitsbedingungen in den textilexportierenden Unternehmen Bangladeschs und Pakistans herrschen;

2.  unterstützt die Forderung mehrerer nichtstaatlicher und Arbeitnehmerorganisationen nach einer unabhängigen Untersuchung, damit die Verantwortlichen ermittelt und die notwendigen Sanktionen ergriffen werden können; vertritt die Ansicht, dass für eine angemessene Entschädigung der Angehörigen der Opfer gesorgt werden muss und dass die Untersuchungsberichte veröffentlicht und deren Schlussfolgerungen umgesetzt werden müssen, damit es nicht noch einmal zu einer solchen Tragödie kommt;

3.  betont, dass zwar immer wieder auf die gefährlichen Arbeitsbedingungen in diesen Unternehmen und die Brandgefahr hingewiesen wurde, die Behörden und betreffenden multinationalen Unternehmen sich jedoch nie ernsthaft um Abhilfe bemüht haben;

4.  fordert die Regierung Bangladeschs und die betreffenden Unternehmen auf, umgehend die erforderlichen Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten durchzuführen, um alle ermittelten Gefahrenquellen auszuschalten; fordert, dass die einzelnen multinationalen Unternehmen ihre Zusammenarbeit mit Lieferanten, die sich weigern, die für die umfassende Sicherheit ihrer Beschäftigten notwendigen Instandsetzungsarbeiten durchzuführen, einstellen;

5.  fordert die Regierung Bangladeschs auf, für die Sicherheit der Arbeitnehmer Sorge zu tragen, indem sie im Einklang mit den von Bangladesch ratifizierten internationalen Übereinkommen der IAO effiziente und unparteiische Arbeitsaufsichtsbehörden, denen die Kontrolle der Industriebauten obliegt, errichtet und diese Behörden mit den für die Erfüllung ihrer Aufgaben notwendigen Ressourcen ausstattet, von den Arbeitnehmern geleitete Ausschüsse für Arbeitssicherheit einrichtet sowie Vereinigungsfreiheit und das Recht auf Gründung von Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretungen, die an den Kollektivverhandlungen teilnehmen, gewährleistet;

6.  unterstützt die Mobilisierung der Beschäftigten dieser Unternehmen, insbesondere die Mobilisierung infolge der jüngsten Brände, und betont, dass die dabei erhobenen Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen, Lohnerhöhungen und besserem Arbeitsschutz als Grundrechte betrachtet werden sollten;

7.  verurteilt die Nichtbeachtung der Arbeitnehmerrechte durch europäische Unternehmen, obgleich diese doch „Verhaltenskodizes“angenommen haben; fordert die zuständigen Stellen der Europäischen Union und der Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, auf der Grundlage der vorliegenden Untersuchungsergebnisse und in Zusammenarbeit mit den zuständigen internationalen Gremien eine unabhängige Untersuchung der bemängelten Praktiken durchzuführen, damit durch einschlägige Maßnahmen gewährleistet werden kann, dass sich diese Unternehmen keine Menschenrechtsverletzungen in Drittstaaten zuschulden kommen lassen; betont, dass ein rechtsverbindliches und somit durchsetzbares System im Hinblick auf die soziale Verantwortung von Unternehmen erforderlich ist, und zwar als Schritt hin zur Beendigung dieser schamlosen Ausbeutung;

8.  fordert alle Interessenträger des Baumwollsektors nachdrücklich auf, Umweltschädigungen, einschließlich des Wasserverbrauchs und des Einsatzes von Pestiziden und Insektiziden, drastisch, d. h. auf ein Minimum, zu verringern; betont, dass diese nicht nachhaltigen Produktionsmittel die Zukunft der Baumwollerzeugung untergraben;

9.  beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Mitgliedstaaten der Südasiatischen Vereinigung für regionale Zusammenarbeit sowie der Regierung von Bangladesch zu übermitteln.