Entschließungsantrag - B7-0095/2013Entschließungsantrag
B7-0095/2013

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Lage in Ägypten

6.3.2013 - (2013/2542(RSP))

eingereicht im Anschluss an eine Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Franziska Katharina Brantner, Judith Sargentini, Raül Romeva i Rueda im Namen der Verts/ALE-Fraktion

Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B7-0095/2013

Verfahren : 2013/2542(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B7-0095/2013
Eingereichte Texte :
B7-0095/2013
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Angenommene Texte :

B7‑0095/2013

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage in Ägypten

(2013/2542(RSP))

Das Europäische Parlament,

–   unter Hinweis auf seine vorangegangenen Entschließungen zu Ägypten und insbesondere auf seine Entschließung vom 16. Februar 2012 zu den jüngsten Entwicklungen in Ägypten[1] und seiner Entschließung vom 15. März 2012 zu Menschenhandel auf der Sinai-Halbinsel[2],

–   unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates zum Arabischen Frühling vom 8. Februar 2013,

–   unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen der Ko-Vorsitzenden der Taskforce EU-Ägypten vom 14. November 2012,

–   unter Hinweis auf die Erklärungen des Präsidenten des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy, nach seinen Treffen mit dem Präsidenten Ägyptens, Mohamed Mursi, vom 13. Januar 2013 und vom 13. September 2012,

–   unter Hinweis auf die Erklärungen der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der EU, Catherine Ashton, vom 25. Dezember 2012 zum Referendum in Ägypten und vom 5. Dezember 2012 zur Lage in Ägypten und auf die Erklärung ihres Sprechers vom 25. Januar 2013 zu den Todesfällen in Port Said,

–   unter Hinweis auf die Verordnung (EU) Nr. 1099/2012 des Rates vom 26. November 2012 zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 270/2011 des Rates über restriktive Maßnahmen gegen bestimmte Personen, Organisationen und Einrichtungen angesichts der Lage in Ägypten,

–   unter Hinweis auf das Assoziationsabkommen zwischen der Europäischen Union und Ägypten von 2004 und auf den Aktionsplan von 2007,

–   unter Hinweis auf die gemeinsame Mitteilung der Kommission und der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen mit dem Titel „Eine neue Antwort auf eine Nachbarschaft im Wandel“ vom 25. Mai 2011,

–   unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) von 1966, zu dessen Vertragsparteien Ägypten gehört,

–   gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass Ägypten sich noch mitten in einer schwierigen Zeit des politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Übergangs nach dem Sturz des Mubarak-Regimes befindet; in der Erwägung, dass die Erwartungen und die Bestrebungen des Volksaufstands, der den Regimewechsel bewirkte, in grundlegende und konkrete Menschenrechte und in demokratische Reformen gewendet und konsolidiert werden müssen, die den Willen und die Bestrebungen aller demokratischen Bestandteile der ägyptischen Gesellschaft widerspiegeln;

B.  in der Erwägung, dass Ägypten Gründungsmitglied der Partnerschaft Europa-Mittelmeer und ein wichtiger Partner der Europäischen Union im Mittelmeerraum ist; in der Erwägung, dass die politischen Entwicklungen in Ägypten in der gesamten Region und darüber hinaus deutliche Auswirkungen und erhebliche Folgen nach sich ziehen;

C. in der Erwägung, dass die 2012 in Ägypten durchgeführte Präsidentschaftswahl von der internationalen Gemeinschaft als frei und fair erachtet wurde und einen Meilenstein im Prozess des demokratischen Übergangs darstellte; in der Erwägung, dass die ägyptische Gesellschaft dennoch weiterhin im Hinblick auf Grundwerte wie die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten, die Rechtsstaatlichkeit, die Beziehungen zwischen Staat und Religion und die verantwortungsvolle Staatsführung tief gespalten ist;

D. in der Erwägung, dass Präsident Mursi am 22. November 2012 einen Erlass herausgab, mit dem er seine Macht erheblich ausweitete, indem er die Gerichte von einer Anfechtung präsidialer Entscheidungen ausschloss; in der Erwägung, dass dieser Erlass zu einer scharfen Konfrontation mit Teilen des Justizwesens und der politischen Klasse führte; in der Erwägung, dass bei öffentlichen Protesten gegen diesen Erlass mehrere Menschen getötet oder verletzt wurden; in der Erwägung, dass Präsident Mursi am 8. Dezember 2012 diesen Erlass größtenteils widerrief;

E.  in der Erwägung, dass durch das im Dezember 2012 abgehaltene Referendum mit einer Beteiligung von 32,9 % der Stimmberechtigten eine neue Verfassung für Ägypten angenommen wurde; in der Erwägung, dass der Mangel an Inklusivität und Transparenz des Verfassungsprozesses und der vorweggenommene Erlass der neuen Verfassung die inneren Spaltungen innerhalb der ägyptischen Gesellschaft weiter vertieft haben; in der Erwägung, dass mehrere Artikel der neuen Verfassung, die den internationalen Zusagen Ägyptens im Bereich der Menschenrechte zuwiderlaufen – konkret in Bezug auf Religionsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Freiheit der Meinungsäußerung, Rechte der Frau, Gewaltenteilung, Unabhängigkeit der Justiz bei gleichzeitiger Beibehaltung der Militärgerichte –, sowohl in Ägypten als auch über seine Grenzen hinaus weithin Besorgnis ausgelöst haben;

F.  in der Erwägung, dass vom 22. April bis in den Juni 2013 eine Parlamentswahl zum Repräsentantenhaus mit vier Wahlgängen stattfinden soll; in der Erwägung, dass der Schura-Rat am 19. Januar 2013 ein neues Wahlgesetz erlassen hat, das auf Kritik und Widerspruch gestoßen ist; in der Erwägung, dass das Oberste Verfassungsgericht am 18. Februar 2013 mehrere Artikel dieses Gesetzes in einem Urteil als verfassungswidrig beanstandet hat, auf das weitere Auseinandersetzungen folgten; in der Erwägung, dass oppositionelle Kräfte unter der Führung der Nationalen Heilsfront aus Protest gegen den Mangel an rechtlichen Garantien für freie und faire Wahlen für die kommende Parlamentswahl einen Boykott angekündigt haben;

G. in der Erwägung, dass die innere politische Lage in Ermangelung eines konstruktiven und inklusiven Dialogs zwischen religiösen und weltlichen Gegnern äußerst angespannt und polarisiert ist und oft in gewaltsame Zwischenfälle mündet; in der Erwägung, dass ein echter nationaler Dialog mit sinnvoller Beteiligung aller politischen Kräfte der empfehlenswerte Weg ist, um die derzeitigen politischen und gesellschaftlichen Spaltungen zu überwinden und in Ägypten eine vertiefte und tragfähige Demokratie entstehen zu lassen; in der Erwägung, dass Aufrufe oppositioneller Kräfte zur Bildung einer Regierung der nationalen Einheit von Präsident Mursi verworfen wurden; in der Erwägung, dass Präsident Mursi am 26. Februar 2013 einen nationalen Dialog ausgerufen hat, der von führenden Kräften der Opposition boykottiert wurde;

H. in der Erwägung, dass es in Ägypten weiterhin zu Straßenprotesten und gewaltsamen Zusammenstößen kommt, zuletzt in Port Said, wo am 2. und 3. März 2013 bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften vier Menschen ums Leben kamen und hunderte verletzt wurden; in der Erwägung, dass staatliche Behörden nicht in der Lage waren, Ruhe und Ordnung wiederherzustellen; in der Erwägung, dass die übermäßige Anwendung von Gewalt gegen friedliche Demonstranten durch Sicherheitskräfte und einige politische Parteien und ebenso durch nicht identifizierte Gruppierungen im Großen und Ganzen ungestraft bleibt;

I.   in der Erwägung, dass der Schura-Rat am 28. Januar 2013 auf Ersuchen von Präsident Mursi neue Sicherheitsmaßnahmen ratifizierte, zu denen auch die Verhängung eines Notstands in den Kanalgouvernements Suez, Ismailia und Port Said und die Erteilung der Befugnis an die ägyptischen Streitkräfte, staatliche Organe vor Saboteuren zu schützen und die Sicherheit wiederherzustellen, gehören;

J.   in der Erwägung, dass Ägypten weiterhin mit einer besorgniserregenden Wirtschaftslage zu kämpfen hat, die durch ausbleibende Tourismuseinnahmen und ausländische Direktinvestitionen noch verschärft wird; in der Erwägung, dass Haushaltskonsolidierung, die Wiederherstellung des Vertrauens der Wirtschaft und der Investoren – was politische Stabilität voraussetzt – und der Kampf gegen Korruption für Bemühungen, eine starke ägyptische Wirtschaft zu schaffen, unerlässlich sind; in der Erwägung, dass die ägyptische Wirtschaft weiterer Unterstützung seitens der internationalen Gemeinschaft einschließlich der EU bedarf, um diese Herausforderungen zu meistern;

K. in der Erwägung, dass diesbezüglich die Landeswährung 8 % ihre Werts eingebüßt hat und die Rücklagen der ägyptischen Zentralbank unter Druck gesetzt worden sind, was eine ohnehin schon reichlich instabile und prekäre Wirtschaftslage weiter verschärft; in der Erwägung, dass die ägyptische Regierung entschlossen ist, mit den Verhandlungen um ein Darlehen des Internationalen Währungsfonds fortzufahren;

L.  in der Erwägung, dass Justizorgane und Richter weiterhin Druck, Angriffen, Einschüchterungen und Einmischungen verschiedener politischer Akteure und Kräfte ausgesetzt sind; in der Erwägung, dass das Verfassungsgericht im November 2012 seine Arbeit wegen einer Sitzblockade von Unterstützern des Präsidenten und seiner Verbündeten in ihren Räumlichkeiten aussetzte; in der Erwägung, dass die Entlassung des Generalstaatsanwalts im Oktober 2012 und die Ernennung eines neuen Generalstaatsanwalts auf heftige Kritik von Richtern, Gerichtsbeamten und anderen stieß, die auch dagegen demonstrierten; in der Erwägung, dass die Einmischungen in die Justiz das Vertrauen der Bevölkerung in die Fairness und Unparteilichkeit des Justizwesens untergraben;

M. in der Erwägung, dass ägyptische Frauen in der aktuellen Übergangszeit besonders gefährdet sind; in der Erwägung, dass Berichten ägyptischer und internationaler Menschenrechtsorganisationen zufolge Angriffe gegen Demonstrantinnen, darunter auch Vergewaltigungen, durch nicht identifizierte koordinierte Gruppierungen in jüngster Zeit zugenommen haben und organisierter und systematischer geworden sind, womit Frauen von der Teilnahme an Protesten abgeschreckt werden sollen, insbesondere am Abend des 25. Januar 2013 und danach, und dass Demonstrantinnen oft Gewalt, sexuellen Übergriffen, darunter in der Vergangenheit auch Jungfräulichkeitstests, und anderen Formen erniedrigender Behandlung ausgesetzt sind, auch seitens der Sicherheitskräfte, während Verfechterinnen von Frauenrechten bedroht und schikaniert werden; in der Erwägung, dass Frauen im Bereich der politischen Teilhabe erhebliche Rückschläge erlitten haben; in der Erwägung, dass Frauen im informellen Sektor, insbesondere in den Bereichen Landwirtschaft und Hausarbeit, oft unter gefährlichen und erniedrigenden Arbeitsbedingungen ohne Krankenversicherung und jeglichen Schutz vor Verletzungen arbeiten;

N. in der Erwägung, dass die ägyptische Zivilgesellschaft und internationale nichtstaatliche Organisationen steigendem Druck ausgesetzt sind und bei einer Betätigung in Ägypten auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen; in der Erwägung, dass die Gesetzentwürfe über Vereinigungen und Stiftungen und über öffentliche Demonstrationen, wenn sie so verabschiedet würden, wie sie derzeit als Vorschlag vorliegen, deren Betätigung und ihr Recht auf friedliche öffentliche Versammlung erheblich beeinträchtigen und die Finanzierung aus dem Ausland drastisch einschränken würden; in der Erwägung, dass unabhängige Gewerkschaften über zunehmenden Druck auf ihre Organisationen und Mitglieder berichten; in der Erwägung, dass körperliche Gewalt und Schikanen gegen Journalisten erheblich zugenommen haben; in der Erwägung, dass eine Reihe von Gerichtsverfahren gegen oppositionelle Medien wegen Beleidigung des Präsidenten eingeleitet worden sind;

O. in der Erwägung, dass ein Gericht in Kairo am 26. Januar 2013 aufgrund von Fußballkrawallen in Port Said, bei denen im Frühjahr 2012 insgesamt 74 Menschen ums Leben kamen, 21 Menschen zum Tode verurteilt hat; in der Erwägung, dass es in seiner Entschließung vom 16. Februar 2012 eine unabhängige Untersuchung der Vorfälle, die zu dem Unglück geführt haben, gefordert und verlangt hat, dass die Verantwortlichen vor Gericht gestellt werden; jedoch in der Erwägung, dass sich die EU entschlossen und grundsätzlich gegen die Todesstrafe ausspricht und dass die Abschaffung der Todesstrafe ein Hauptziel seiner Menschenrechtspolitik ist;

P.  in der Erwägung, dass die Sitzung der Taskforce EU-Ägypten vom 13./14. November 2012 in Kairo mit über 500 Teilnehmern – darunter führende Politiker, Parlamentarier, führende Unternehmer und Vertreter der Zivilgesellschaft beider Seiten – stattfand, die ein außergewöhnlich breites Spektrum an Themen erörterten, beispielsweise politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit, verantwortungsvolle Staatsführung und Menschenrechte, Vermögensrückführung, Handel, Tourismus, Infrastruktur, Informations- und Kommunikationstechnologie und Wissenschaft;

Q. in der Erwägung, dass die EU Ägyptens wichtigster Wirtschaftspartner und seine Hauptquelle für Auslandsinvestitionen und Entwicklungszusammenarbeit ist; in der Erwägung, dass die EU und mit ihr assoziierte Finanzinstitute in der Sitzung der Taskforce Ägypten für den Zeitraum 2012–2013 Zuschüsse, Vorzugsdarlehen und Darlehen von einem Gesamtwert von über 5 Mrd. EUR angeboten haben; in der Erwägung, dass die Taskforce ferner eine Verdopplung der ägyptischen Beteiligung an den Programmen Erasmus Mundus und Tempus ankündigte, um ägyptische Studenten und Wissenschaftler nach Europa zu holen; in der Erwägung, dass die Einhaltung dieser Zusagen und eine beschleunigte Bereitstellung von EU-Unterstützung für Ägypten lebenswichtig sind;

R.  in der Erwägung, dass die Taskforce ihr Engagement für die Förderung und Einhaltung der Menschenrechte (einschließlich der Rechte der Frau und der Gleichstellung der Geschlechter, um die Entfaltung der Fähigkeiten von Frauen in allen Bereichen zu fördern), die freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit und die Religions- oder Glaubensfreiheit unterstrichen und alle Formen der Anstachelung zu religiösem Hass, Intoleranz, Feindschaft oder Gewalt verurteilt hat;

S.  in der Erwägung, dass die EU angeboten hat, zu der anstehenden Parlamentswahl zum Repräsentantenhaus eine Wahlbeobachtungsmission zu entsenden, wenn sie von Ägypten dazu eingeladen wird; in der Erwägung, dass der ägyptische Oberste Wahlausschuss kürzlich beschlossen hat, zu akzeptieren, dass diese Wahl beobachtet wird, und mehrere internationale Akteure, darunter auch die EU, dazu eingeladen hat;

T.  in der Erwägung, dass die Rückführung von Vermögenswerten, die vom ehemaligen Regime gestohlen wurden, nicht nur wirtschaftlich einen Beitrag leisten kann, sondern auch um dem ägyptischen Volk Gerechtigkeit zuteilwerden zu lassen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen, und daher ein wichtiges politisches Thema von hoher symbolischer Bedeutung für die Beziehungen zwischen der EU und Ägypten ist; in der Erwägung, dass die in der EU befindlichen Vermögenswerte von 19 Personen, die für die Veruntreuung ägyptischer staatlicher Gelder verantwortlich sind, darunter der ehemalige Präsident Mubarak, seit März 2011 eingefroren sind; in der Erwägung, dass der Rat am 26. November 2012 eine neue Verordnung erlassen hat, um die Rückführung dieser veruntreuten Gelder zu erleichtern; in der Erwägung, dass die Taskforce vereinbart hat, innerhalb von drei Monaten einen Fahrplan zu erstellen, der auch die Einrichtung einer vom EAD koordinierten Gruppe für die Rückführung von Vermögen beinhalten könnte;

U. in der Erwägung, dass der Grundsatz „Mehr für mehr“ und der Grundsatz einer Partnerschaft mit der Gesellschaft Ecksteine der neu gestalteten Europäischen Nachbarschaftspolitik der EU sind;

1.  bekräftigt seine Solidarität mit dem ägyptischen Volk und seine Unterstützung für das ägyptische Volk in dieser schwierigen und anspruchsvollen Phase des politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Übergangs; bekräftigt die unveränderte Entschlossenheit der EU, das ägyptische Volk bei diesem historischen Umwandlungsprozess zu unterstützen;

2.  ist ernsthaft besorgt über die sich verschlechternde Menschenrechtslage in Ägypten und die mangelnde Entschlossenheit der ägyptischen Staatsorgane, diesen beunruhigenden Trend umzukehren; unterstreicht, dass das Ausmaß und der Umfang des Engagements der EU für Ägypten gemäß ihrer neu gestalteten Europäischen Nachbarschaftspolitik nach dem Arabischen Frühling und konkret dem Konzept „Mehr für mehr“ von den Fortschritten abhängt, die das Land bei der Einhaltung seiner Zusagen in Bezug auf Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Gleichstellung der Geschlechter erzielt;

3.  fordert diesbezüglich den EAD, die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, Unterstützung, wirtschaftliche Integration und andere im Rahmen der Taskforce EU-Ägypten vorgesehene Leistungen streng an spürbaren Fortschritt zu knüpfen, unter anderem durch den Erlass und die Umsetzung des notwendigen Rechtsrahmens, besonders in den in dieser Entschließung angesprochenen Bereichen;

4.  bekräftigt seinen Aufruf an die ägyptischen Staatsorgane, die uneingeschränkte Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sicherzustellen, unter anderem: Rechte der Frau; Religions‑, Gewissens- und Gedankenfreiheit; Minderheitenschutz; Verbot der Diskriminierung aus Gründen der sexuellen Orientierung; Vereinigungsfreiheit und das Recht, sich friedlich zu versammeln; Recht auf freie Meinungsäußerung und Redefreiheit; Freiheit der Presse und der Medien, die wesentliche Bestandteile einer vertieften und tragfähigen Demokratie sind; fordert in diesem Zusammenhang die transparente und inklusive Entwicklung eines nationalen Plans für eine Reform der Menschenrechte im Land;

5.  betont die Bedeutung der anstehenden Wahl zum Repräsentantenhaus, die einen weiteren Meilenstein im Prozess des demokratischen Übergangs darstellt; weist darauf hin, dass es wichtig ist, die internationalen Standards für demokratische Wahlen einzuhalten und inländische und internationale Wahlbeobachter zuzulassen; ermutigt die ägyptische Regierung und alle politischen Kräfte, die anstehende Wahl als Chance wahrzunehmen, einen dringend benötigten umfassenden und inklusiven nationalen Dialog zu entwickeln; begrüßt den Beschluss des ägyptischen Obersten Wahlausschusses, die EU zur Beobachtung der anstehenden Parlamentswahl einzuladen;

6.  nimmt die Annahme der neuen ägyptischen Verfassung durch die Volksabstimmung am 15. und 22. Dezember 2012 zur Kenntnis; weist auf die von zahlreichen ägyptischen Beobachtern geäußerte Sorge hin, dass eine Reihe von Bestimmungen in der neuen Verfassung zu den internationalen Zusagen des Landes im Bereich der Menschenrechte im Widerspruch stehen; ist der Auffassung, dass ein stärker inklusiv und partizipativ geprägter Verfassungsprozess dazu hätte beitragen können, dass in der gespaltenen ägyptischen Gesellschaft ein breiterer Konsens über den grundlegenden politischen Rahmen, der für die Zukunft des Landes benötigt wird, erreicht wird;

7.  ist alarmiert über die zunehmende innere Polarisierung in der ägyptischen Gesellschaft, die durch andauernde gewaltsame Zwischenfälle und ein Klima der Straflosigkeit noch weiter angeheizt wird; erinnert die ägyptischen Staatsorgane und Sicherheitskräfte an ihre Pflicht, das Recht auf friedliche Versammlungen zu schützen und unter strikter Einhaltung innerstaatlichen Rechts und internationaler Grundsätze hinsichtlich der Praxis der Strafverfolgung die Sicherheit und Ordnung aufrechtzuerhalten; fordert, alle Gewaltakte einschließlich derjenigen, die von Strafverfolgungsbeamten begangen worden sein sollen, unvoreingenommen zu untersuchen und die Täter vor Gericht zu stellen; fordert in diesem Zusammenhang die Mitgliedstaaten auf, sich in Bezug auf Ägypten strikt an den Gemeinsamen Standpunkt 2008/944/GASP des Rates betreffend gemeinsame Regeln für die Kontrolle der Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern zu halten, insbesondere was das Kriterium 2 bezüglich der Achtung der Menschenrechte anbelangt;

8.  betrachtet die negativen Indikatoren für die Rechtsstaatlichkeit, die Unabhängigkeit der Justiz und den Kampf gegen Folter in Ägypten mit ernsthafter Sorge; fordert die ägyptische Regierung auf, die Unabhängigkeit und Integrität von Justizbehörden im Land uneingeschränkt zu achten, zu unterstützen und zu fördern; ermutigt die ägyptischen Staatsorgane, einen echten Prozess der Übergangsjustiz einzuleiten, um sicherzustellen, dass für Menschenrechtsverletzungen, die vor, während und nach der Revolution von 2011 begangen wurden, die Täter zur Rechenschaft gezogen werden;

9.  teilt die von Aktivisten der ägyptischen Zivilgesellschaft geäußerte ernsthafte Besorgnis über die Gesetzentwürfe über Vereinigungen und Stiftungen und über Demonstrationen, die, wenn sie verabschiedet würden, den Betätigungsspielraum der Zivilgesellschaft im Land noch weiter einschränken würden; fordert die ägyptische Regierung auf, einen echten öffentlichen Konsultationsprozess aufzunehmen und neue Gesetzentwürfe vorzulegen, die den internationalen Zusagen Ägyptens in Bezug auf die Menschenrechte gerecht werden und unter anderem für ein Umfeld sorgen, dass die Betätigung von Organisationen der Zivilgesellschaft und den friedlichen Ausdruck von Widerspruch ermöglicht; fordert ein Ende der Einmischung der Regierung und jeglicher Form von Druck, Einschüchterung oder Schikanierung gegen Aktivisten der Zivilgesellschaft und der Gewerkschaften sowie gegen Journalisten;

10. bekundet seine ernsthafte Sorge über das vorherrschende Klima der Gewalt gegen Frauen in Ägypten und den Mangel an Fortschritt im Hinblick auf die faktische und rechtliche Gleichstellung der Geschlechter; fordert, alle Formen sexueller Belästigung und geschlechtsspezifischer Gewalt, auch gegen Demonstrantinnen und Frauenrechtlerinnen, unverzüglich zu beenden, alle derartigen Verbrechen ernsthaft und unvoreingenommen zu untersuchen und die Täter vor Gericht zu stellen; fordert die ägyptischen Staatsorgane auf, den notwendigen Rahmen anzupassen, um der Gewalt gegen Frauen entgegenzuwirken und dieses Phänomen auch auf höchster Ebene öffentlich zu verurteilen; fordert die Regierung auf, die politische Teilhabe von Frauen zu fördern und zu unterstützen, indem sie den derzeitigen negativen Trend in diesem Bereich umkehrt;

11. bekräftigt seine Besorgnis über den andauernden Menschenschmuggel und Menschenhandel und über die Lage undokumentierter Migranten im Land, vor allem in der Region Sinai; fordert die ägyptischen Staatsorgane auf, ihre Anstrengungen, diese Fragen zu regeln, weiter zu intensivieren, nicht zuletzt indem sie das innerstaatliche Flüchtlingsrecht vollständig umsetzen und indem sie VN-Behörden und Menschenrechtsorganisationen uneingeschränkten Zugang zu den Betroffenen auf der Sinai-Halbinsel gewähren;

12. bekräftigt die nachdrückliche und grundsätzliche Ablehnung der Todesstrafe durch die EU und fordert ein vollständiges Moratorium jeglicher Fälle von Todesurteilen in Ägypten; fordert Ägypten auf, das Zweite Fakultativprotokoll zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zur Abschaffung der Todesstrafe zu ratifizieren; fordert die Umwandlung der am 26. Januar 2013 verkündeten Todesurteile gegen 21 Anhänger des Fußballvereins Al-Masry;

13. bedauert, dass bei der Rückführung von durch das ehemalige Regime veruntreuten Vermögenswerten an das ägyptische Volk kein spürbarer Fortschritt zu verzeichnen ist; fordert den EAD und die Mitgliedstaaten auf, diese wichtige symbolische und finanzielle Angelegenheit mit gebührender Aufmerksamkeit zu behandeln, und fordert die EU auf, eine Gruppe von Ermittlern, Juristen und Staatsanwälten aus den Mitgliedstaaten zu bilden, die beauftragt sind, Ägypten bei diesem Prozess rechtliche Hilfe und Unterstützung zu leisten;

14. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Parlamenten und Regierungen der Mitgliedstaaten sowie dem Präsidenten, der Regierung und dem Schura-Rat Ägyptens zu übermitteln.