Entschließungsantrag - B7-0272/2013Entschließungsantrag
B7-0272/2013

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur demokratischen Beschlussfassung in der WWU

10.6.2013 - (2013/2672(RSP))

eingereicht im Anschluss an Erklärungen des Rates und der Kommission
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Derk Jan Eppink im Namen der ECR-Fraktion

Verfahren : 2013/2672(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B7-0272/2013
Eingereichte Texte :
B7-0272/2013
Angenommene Texte :

B7‑0272/2013

Entschließung des Europäischen Parlaments zur demokratischen Beschlussfassung in der WWU

(2013/2672(RSP))

Das Europäische Parlament,

–   unter Hinweis auf die Mitteilungen der Kommission mit dem Titel „Vorabkoordinierung größerer wirtschaftspolitischer Reformvorhaben“ (COM(2013) 166) und dem Titel „Einführung eines Instruments für Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit“ (COM(2013) 165),

–   unter Hinweis auf den Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion vom 2. März 2012, nachfolgend „Fiskalpakt“,

–  unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 13. und 14. Dezember 2012,

–   unter Hinweis auf das Konzept der Kommission für eine vertiefte, echte Wirtschafts- und Währungsunion vom 28. November 2012,

–   unter Hinweis auf den Bericht des Präsidenten des Europäischen Rates mit dem Titel „Auf dem Weg zu einer echten Wirtschafts- und Währungsunion“ vom 5. Dezember 2012,

–   unter Hinweis auf die Verordnungen (EU) Nr. 1176/2011 und Nr. 1175/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011, nachfolgend „Sechserpaket“,

–   unter Hinweis auf die Verordnung (EU) Nr. …/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates über gemeinsame Bestimmungen für die Überwachung und Bewertung der Übersichten über die Haushaltsplanung und für die Gewährleistung der Korrektur übermäßiger Defizite der Mitgliedstaaten im Euro-Währungsgebiet und unter Hinweis auf die Verordnung (EU) Nr. …/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates über den Ausbau der wirtschafts- und haushaltspolitischen Überwachung von Mitgliedstaaten im Euro-Währungsgebiet, die von gravierenden Schwierigkeiten in Bezug auf ihre finanzielle Stabilität betroffen oder bedroht sind, nachfolgend „Zweierpaket“,

–   gestützt auf die Artikel 5, 6 und 7 des Protokolls über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, das dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union beigefügt ist,

–   gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass eine Vertiefung der europäischen Integration unbedingt mit wirksamen institutionellen Kontrollen und Gegenkontrollen einhergehen sollte, um für mehr demokratische Legitimität, Rechenschaftspflicht, Transparenz und Zustimmung durch die Bürger zu sorgen;

B.  in der Erwägung, dass eine Vertiefung der europäischen Integration eine stärkere Einbindung der Parlamente auf nationaler und auf Unionsebene mit sich bringen sollte;

C. in der Erwägung, dass im Hinblick auf das Vorhaben der Kommission, eine vertiefte und echte Wirtschafts- und Währungsunion zu schaffen, wie es in dem Konzept heißt, die demokratische Legitimität verbessert werden muss, indem mittels geeigneter verfahrensrechtlicher Bestimmungen sowohl die nationalen Parlamente – insbesondere im Euro-Währungsgebiet – als auch das Europäische Parlament in die laufenden Legislativverfahren und in die Ausarbeitung möglicher künftiger Änderungen der Verträge eingebunden werden müssen;

D. in der Erwägung, dass durch die Krise erhebliche Demokratiedefizite in der Wirtschafts- und Finanzpolitik und somit in Bereichen der EU-Politik offengelegt wurden, die für die Bürger von besonderer Bedeutung sind; in der Erwägung, dass einige Mitgliedstaaten nun Sparmaßnahmen umsetzen müssen, die ihre eigenen Parlamente von sich aus niemals beschlossen hätten, während andere Mitgliedstaaten sich gezwungen sehen, beträchtliche Sicherheiten zu gewähren, um ein Auseinanderbrechen des Euro-Währungsgebiets zu verhindern; in der Erwägung, dass den nationalen Parlamenten ihre Budgethoheit tatsächlich entzogen wurde, da sich die nationalen wirtschafts- und finanzpolitischen Entscheidungen auf die Volkswirtschaften anderer Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets auswirken;

E.  in der Erwägung, dass die Wechselwirkungen zwischen der WWU und den nicht dem Euro-Währungsgebiet angehörenden Mitgliedstaaten gebührend berücksichtigt werden sollten;

F.  in der Erwägung, dass auf dem Weg zu einer vertieften und echten WWU der Wille der Mitgliedstaaten respektiert werden sollte, die eine Ausstiegsoption aus der Verpflichtung zur Einführung des Euro haben, um ihre jeweilige Landeswährung beibehalten zu können;

G. in der Erwägung, dass die politischen Entscheidungsträger und Abgeordneten auf Unionsebene und nationaler Ebene ihren Bürgerinnen und Bürgern ständig die Vorteile und potenziellen Nachteile einer gemeinsamen Währung erläutern und dabei auch auf die Kosten und Risiken eingehen sollten, die mit einem Auseinanderbrechen des Euro-Währungsgebiets verbunden sind;

H. in der Erwägung, dass die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU wie auch die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten im Allgemeinen und der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets im Besonderen es in der Hand haben, glaubwürdig auf die dringend notwendige Wiederherstellung des Vertrauens hinzuwirken, indem sie die politischen Entscheidungen, die im Konzept der Kommission vorgeschlagen werden, transparenter machen, mit größerer demokratischer Legitimität versehen und für die Einbindung der Parlamente in diese Entscheidungen sorgen;

I.   in der Erwägung, dass die Regierungen der Mitgliedstaaten wie auch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU zur Abfederung der Wirtschafts- und Finanzkrise und als Reaktion auf strukturelle Defizite bei der Gestaltung der Wirtschafts- und Währungsunion eine breite Palette von Maßnahmen getroffen haben, um die Finanzstabilität zu wahren und die wirtschaftspolitische Steuerung zu verbessern;

J.   in der Erwägung, dass manche dieser Bemühungen nur die Mitgliedstaaten, die dem Euro-Währungsgebiet angehören, betreffen, beispielsweise einige Sonderregeln für finanzielle Sanktionen im Rahmen des Sechserpakets, die Einrichtung des ESM und das Zweierpaket; in der Erwägung, dass die Mitgliedstaaten, die dem Euro-Währungsgebiet angehören, und sechs Mitgliedstaaten, die dem Euro-Währungsgebiet nicht angehören, den Euro-Plus-Pakt angenommen haben, und dass die Mitgliedstaaten, die dem Euro-Währungsgebiet angehören, und acht Mitgliedstaaten, die dem Euro-Währungsgebiet nicht angehören, den Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion geschlossen haben; in der Erwägung, dass zwei Mitgliedstaaten eine Ausstiegsoption aus der Verpflichtung zur Einführung des Euro haben;

K. in der Erwägung, dass eine monetäre Finanzierung von Regierungen nach Artikel 123 AEUV untersagt ist; in der Erwägung, dass es in der Öffentlichkeit keine Unterstützung für die Schaffung eines förmlichen Systems für Finanztransfers innerhalb der Wirtschafts- und Währungsunion gibt;

1.  bekräftigt, dass bei der Steuerung der WWU nicht in die Vorrechte der nationalen Parlamente und des Europäischen Parlaments eingegriffen werden darf, insbesondere dann nicht, wenn eine Souveränitätsübertragung in Betracht gezogen wird; betont, dass ordnungsgemäße Legitimität und Rechenschaftspflicht demokratische Beschlüsse erfordern und auf geeigneter nationaler Ebene bzw. auf EU-Ebene durch nationale Parlamente bzw. das Europäische Parlament sichergestellt werden müssen; regt an, dass zur Steigerung der demokratischen Legitimität Volksabstimmungen in den Mitgliedstaaten abgehalten werden, in denen dies gemäß ihrer Verfassung zulässig ist;

2.  nimmt die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Vorabkoordinierung größerer wirtschaftspolitischer Reformvorhaben“ (COM(2013) 166) zur Kenntnis; bedauert, dass die Kommission bei den gefassten Beschlüssen nur eine sehr begrenzte parlamentarische Rechenschaftspflicht vorsieht; fordert eine gewissenhafte Gestaltung des Verfahrens, demzufolge die Kommission dem Parlament des jeweiligen Mitgliedstaats auf dessen Antrag hin ihre Stellungnahme zu größeren wirtschaftspolitischen Reformvorhaben vorlegen und alle ihre Empfehlungen für Anpassungen der vorgeschlagenen Reformen begründen sollte, bevor das Parlament des jeweiligen Mitgliedstaats mit einfacher Mehrheit über Annahme oder Ablehnung dieser Stellungnahme abstimmt;

3.  nimmt die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Einführung eines Instruments für Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit“ (COM(2013) 165) als Mittel zur Verbesserung der Eigenverantwortlichkeit und Wirksamkeit der Wirtschaftspolitik zur Kenntnis; hebt hervor, dass die Teilnahme an derartigen Instrumenten sowohl für Mitgliedstaaten, die dem Euro-Währungsgebiet angehören, als auch für Mitgliedstaaten, die dem Euro-Währungsgebiet nicht angehören, auf rein freiwilliger Basis erfolgen sollte; schlägt vor, bei derartigen Instrumenten Artikel 352 AEUV als Rechtsgrundlage für Mechanismen zur finanziellen Unterstützung heranzuziehen;

4.  fordert die Kommission auf, eine Liste der künftigen institutionellen Entwicklungen auszuarbeiten, die sie in den kommenden zwölf Monaten zur Stärkung der Strukturen der WWU als notwendig erachtet, und die Gesetzgeber unverzüglich davon in Kenntnis zu setzen, damit die nationalen Parlamente ihr erweitertes Kontrollrecht, ob bei den einschlägigen Vorschlägen das Subsidiaritätsprinzip und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt wurden, ausüben können;

5.  betont, dass die Umsetzung bereits gebilligter Maßnahmen Vorrang vor etwaigen neuen Vorschlägen haben muss; fordert die Kommission nachdrücklich auf, den Mehrwert neuer Vorschläge im Bereich wirtschaftspolitische Steuerung in einer unabhängigen externen Folgenabschätzung nachweisen zu lassen, insbesondere dann, wenn eine Souveränitätsübertragung in Betracht gezogen wird;

6.  stellt fest, dass die Eurogruppe der Finanzminister als Forum für die Koordinierung der Wirtschaftspolitik an Effizienz eingebüßt hat, nachdem ihre Arbeitsmethoden im Zuge der Einrichtung eines ständigen Sekretariats und eines Vorsitzes mit fester Amtszeit formalisiert worden sind; spricht sich deshalb gegen eine weitere Formalisierung und auch gegen den Vorschlag aus, einen ständigen hauptamtlichen Vorsitz der Eurogruppe einzurichten;

7.  vertritt die Auffassung, dass die Demokratie in der EU und der WWU nicht nachhaltig sein kann, wenn keine Dezentralisierung der Befugnisse durch deren Übertragung auf die nationalen Parlamente erfolgt; regt an, zusätzlich zur „Gelben Karte“ eine „Rote Karte“ einzuführen, mit der die nationalen Parlamente erwirken würden, dass die Kommission unerwünschte Legislativvorschläge zurückziehen muss;

8.  begrüßt, dass derzeit ein einheitlicher Aufsichtsmechanismus eingerichtet wird, der das gesamte Euro-Währungsgebiet abdeckt und allen EU-Mitgliedstaaten offensteht; ist der Ansicht, dass bei der vorgeschlagenen Bankenunion an die Reform des Finanzdienstleistungssektors in der Union – die auch die Schaffung der EBA, der ESMA, der EIOPA und des ESRB sowie die gestärkte wirtschaftspolitische Steuerung, vor allem im Euro-Währungsgebiet, und den neuen haushaltspolitischen Rahmen des Europäischen Semesters umfasst – angeknüpft werden sollte, um die strukturellen Mängel der Wirtschafts- und Währungsunion zu überwinden und das weit verbreitete sorglose Verhalten wirksam einzudämmen, damit der Bankensektor der Union widerstands- und wettbewerbsfähiger wird, das Vertrauen in ihn gestärkt wird und größere Kapitalrückstellungen vorgenommen werden, um zu verhindern, dass die öffentlichen Haushalte der Mitgliedstaaten künftig die Kosten von Bankenrettungen tragen müssen;

9.  vertritt die Auffassung, dass ein Mitgliedstaat, dessen Währung der Euro ist und der nicht bereit ist, weitere Bereiche der Budgethoheit abzutreten, die Möglichkeit erhalten sollte, aus dem Euro-Währungsgebiet auszutreten; fordert die Kommission und die Eurogruppe – in Zusammenarbeit mit der EZB – auf, den jeweiligen Mitgliedstaat in einem solchen Szenario mit praktischen Maßnahmen zu unterstützen, um ihm den Austritt aus dem Euro-Währungsgebiet zu ermöglichen und für einen möglichst reibungslosen Austritt zu sorgen;

10. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat und der Kommission zu übermitteln.