ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Lage in Syrien
10.9.2013 - (2013/2819(RSP))
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung
Charles Tannock, Geoffrey Van Orden, Nirj Deva, Adam Bielan im Namen der ECR-Fraktion
Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B7-0413/2013
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Syrien,
– unter Hinweis auf die früheren Entschließungen des Rates (Auswärtige Angelegenheiten) zu Syrien, von denen die letzte am 22. Juli 2013 angenommen wurde,
– unter Hinweis auf die früheren Erklärungen der Hohen Vertreterin / Vizepräsidentin der Kommission zu Syrien,
– unter Hinweis auf die Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen zu Syrien, insbesondere die Resolutionen 67/262 vom 15. Mai 2013, 66/253B vom 3. August 2012 und 66/253 vom 16. Februar 2012,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 22. Mai 2013 zur Lage syrischer Flüchtlinge in den Nachbarländern[1],
– unter Hinweis auf die Resolution 60/1 der VN-Generalversammlung vom 24. Oktober 2005 und insbesondere deren Ziffern 138−140 über die Verantwortung für den Schutz der Bevölkerung vor Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischer Säuberung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,
– unter Hinweis auf die Genfer Konvention von 1949 und ihre Zusatzprotokolle,
– unter Hinweis auf das Protokoll über das Verbot der Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Kriege, das am 17. Juni 1925 in Genf unterzeichnet wurde,
– unter Hinweis auf das Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und von Toxinwaffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen, das am 10. April 1972 in London, Moskau und Washington unterzeichnet wurde,
– unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, den Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, das Übereinkommen über die Rechte des Kindes und das dazugehörige Fakultativprotokoll betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten sowie die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes, zu deren Vertragsparteien Syrien durchweg gehört,
– unter Hinweis auf die Berichte der am 22. August 2011 vom VN-Menschenrechtsrat eingerichteten unabhängigen internationalen Untersuchungskommission für die Arabische Republik Syrien vom 4. Juni 2013, 22. März 2013 und 5. Februar 2013,
– unter Hinweis auf die gemeinsame Mitteilung der Kommission und der Hohen Vertreterin an das Europäische Parlament, den Rat, den Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 25. Mai 2011 mit dem Titel „Eine neue Antwort auf eine Nachbarschaft im Wandel“,
– unter Hinweis auf den zusammenfassenden Bericht der hochrangigen internationalen Geberkonferenz für Syrien, die am 30. Januar 2013 in Kuwait stattfand,
– gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die Unruhen und das Blutvergießen in Syrien nun das dritte Jahr andauern, ohne dass ein Ende der Kämpfe in Aussicht ist;
B. in der Erwägung, dass die Unruhen in der Bevölkerung und die brutale Unterdrückung des syrischen Volkes durch den syrischen Staat dazu geführt haben, dass sich das Land im Zustand eines Bürgerkriegs befindet, der wiederum die Gefahr eines weiterreichenden regionalen Konflikts birgt;
C. in der Erwägung, dass mehr als 100 000 Syrer seit Ausbruch der Kämpfe getötet wurden;
D. in der Erwägung, dass sich die Gesamtzahl der registrierten syrischen Flüchtlinge inzwischen nun auf über zwei Millionen beläuft und etwa vier Millionen Syrer vertrieben wurden;
E. in der Erwägung, dass Präsident Assad die zahllosen Appelle der internationalen Gemeinschaft, der furchtbaren Gewalt in Syrien ein Ende zu setzen, stets ignoriert hat;
F. in der Erwägung, dass eine stetige Zunahme der Gewalt, etwa durch den Einsatz schwerer Artillerie und die Bombardierung bewohnter Gebiete, und der von der syrischen Armee, den Sicherheitskräften und den Schabiha-Milizen sowie von unterschiedlichen Oppositionskräften begangenen entsetzlichen Tötungen zu verzeichnen ist;
G. in der Erwägung, dass es zu mehreren Massakern und gezielten Massentötungen (durch Schüsse aus nächster Nähe) von Männern, Frauen und Kindern gekommen ist;
H. in der Erwägung, dass Folter, Massenverhaftungen und die großflächige Zerstörung bewohnter Gebiete in den vergangenen Monaten dramatisch zugenommen haben;
I. in der Erwägung, dass der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge erklärt hat, dass der Konflikt in Syrien weit mehr als nur eine humanitäre Krise ist und die Gefahr birgt, die gesamte Weltregion zu erfassen und sich zu einer politischen, sicherheitspolitischen und humanitären Katastrophe auszuweiten, die die Reaktionsfähigkeit der internationalen Gemeinschaft vollkommen überfordern würde;
J. in der Erwägung, dass täglich Tausende Syrer vor den Kämpfen in die Nachbarländer fliehen, um dort Sicherheit und Schutz zu suchen, jedoch in den Flüchtlingslagern weiterhin Gefahren ausgesetzt sind;
K. in der Erwägung, dass Jordanien, der Libanon und die Türkei die drei Länder sind, die durch den Konflikt und den Flüchtlingsstrom am stärksten betroffen sind;
L. in der Erwägung, dass der Osten von Ghouta am 21. August 2013 bombardiert wurde und die Anwohner über unmittelbar auftretende Symptome wie Krämpfe, Atemnot und Ausfall der Muskelbeherrschung als Folge des Einsatzes von Chemiewaffen klagten;
M. in der Erwägung, dass bei dem Angriff Berichten zufolge 1300 Menschen, darunter etwa 400 Kinder, getötet und mehrere Hundert verletzt wurden, und dass das Gebiet bereits zuvor täglich von den Streitkräften der Regierung beschossen wurde, was es unmöglich machte, den hunderttausenden Bewohnern die grundlegendste Versorgung zukommen zu lassen, wie vom Centre for Documentation of Violations in Syria berichtet wurde;
N. in der Erwägung, dass zahlreiche unabhängige Berichte den Einsatz von Chemiewaffen beim Angriff auf den Osten von Ghouta bestätigen;
O. in der Erwägung, dass der Einsatz von Chemiewaffen nach dem Genfer Protokoll und dem Statut des Internationalen Strafgerichtshofs ein Kriegsverbrechen ist;
P. in der Erwägung, dass Syrien zwar eines der wenigen Länder ist, die das Chemiewaffenübereinkommen der Vereinten Nationen nicht unterzeichnet haben, dass aber argumentiert werden kann, dass die Bestimmungen des Übereinkommens aufgrund des Völkergewohnheitsrechts dennoch gelten;
Q. in der Erwägung, dass ein Waffeninspektorenteam der Vereinten Nationen in Syrien vier Tage lang den Einsatz von Chemiewaffen am 21. August 2013 im Osten von Ghouta untersuchte und dabei den Auftrag hatte zu prüfen, ob tatsächlich Chemiewaffen verwendet wurden, aber nicht, zu untersuchen, wer die Täter waren;
R. in der Erwägung, dass die Arabische Liga am 27. August 2013 eine Erklärung abgab, in der sie das syrische Regime verurteilte und Präsident Assad des Völkermords beschuldigte, wobei sie in einer ungewöhnlich deutlichen Sprache feststellte, dass das Regime für das schreckliche Verbrechen voll verantwortlich sei, und forderte, dass alle, die dieses ruchlose Verbrechen begangen hätten, vor ein internationales Gericht gestellt werden;
S. in der Erwägung, dass sich der VN-Sicherheitsrat am 30. August 2013 nicht auf die notwendigen Interventionsmaßnahmen einigen konnte, um auf die von Präsident Assad während der Syrien-Krise begangenen Verletzungen der internationalen Normen zu reagieren;
T. in der Erwägung, dass in seiner Entschließung vom 18. Dezember 2008 zu den Entwicklungsperspektiven für Friedensschaffung und Nationenbildung im Anschluss an die Konfliktbeilegung[2] Folgendes eindeutig festgelegt ist: „betont, dass die „Verantwortung für den Schutz der Bevölkerung“ als Mittel zur Förderung der Sicherheit der Menschen betrachtet werden sollte; ist der Überzeugung, dass durch Betonung der Tatsache, dass die vorrangige Verantwortung zur Verhütung von Völkermord, Kriegsverbrechen, ethnischen Säuberungen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegenüber der Bevölkerung beim Staat selbst liegt, die Verantwortung jeder Regierung für den Schutz ihrer eigenen Bürgerinnen und Bürger verstärkt wird; vertritt indessen die Auffassung, dass in den Fällen, in denen Regierungen nicht in der Lage oder nicht bereit sind, einen derartigen Schutz zu gewährleisten, die Verantwortung für die Einleitung geeigneter Maßnahmen zur kollektiven Verantwortung der gesamten internationalen Gemeinschaft wird; stellt ferner fest, dass solche Maßnahmen sowohl präventiv als auch reaktiv sein sollten und militärische Zwangsmaßnahmen nur als absolut letztes Mittel angewandt werden sollten“;
1. bedauert die Gewalt, Einschüchterung und Folter, die von den am internen Konflikt in Syrien Beteiligten an Männern, Frauen und Kindern verübt wurde;
2. verurteilt die am 21. August 2013 begangene Massentötung von Zivilisten mit Chemiewaffen aufs Schärfste; stellt mit großer Sorge fest, dass es sich hierbei um die größte Massentötung mit Chemiewaffen seit dem Angriff von Saddam Husseins Streitkräften handelt, bei dem 1988 etwa 5000 irakische Kurden in Halabja im Nordirak ums Leben kamen; betont, dass der Einsatz von Chemiewaffen nach dem Völkerrecht rechtswidrig ist, Verstöße dagegen streng geahndet werden müssen und Syrien eines der wenigen Länder ist, die das internationale Chemiewaffenübereinkommen nicht unterzeichnet haben, jedoch Vertragspartei des Genfer Protokolls von 1925 ist, in dem der Einsatz von Chemiewaffen untersagt wird;
3. ist der Überzeugung, dass der Einsatz von Chemiewaffen, die zusammen mit den atomaren und biologischen Waffen zu den Massenvernichtungswaffen zählen, nicht ohne Reaktion bleiben darf und dass die internationale Gemeinschaft möglichst unter der Federführung der VN im Rahmen des Völkerrechts alle Möglichkeiten für eine Reaktion auf den Angriff vom 21. August erwägen sollte;
4. ist der Überzeugung, dass die internationale Gemeinschaft moralisch zu einer Reaktion verpflichtet ist, um die Zivilbevölkerung zu schützen und zu verhindern, dass in dem Konflikt noch einmal Chemiewaffen oder andere Massenvernichtungswaffen eingesetzt werden;
5. fordert die Vereinten Nationen auf, die eingehende Untersuchung der Massentötungen in Syrien am 21. August so bald wie möglich abzuschließen und die Verantwortlichen auszumachen;
6. bedauert, dass der VN-Sicherheitsrat keine Maßnahmen als Reaktion auf die Syrien-Krise getroffen hat;
7. fordert den VN-Sicherheitsrat mit Nachdruck auf, die Massentötungen in Syrien und die Verletzungen der internationalen Übereinkommen auf der Grundlage der Feststellungen der VN-Sachverständigengruppe zu behandeln und umgehend auf den Einsatz von Chemiewaffen in Syrien zu reagieren;
8. fordert insbesondere Russland und China als ständige Mitglieder des VN-Sicherheitsrates auf, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und das Erreichen eines gemeinsamen Standpunktes und einer Lösung für die Syrien-Krise zu erleichtern; bedauert, dass Russland und China als ständige Mitglieder des VN-Sicherheitsrates in Bezug auf die Situation in Syrien wiederholt von ihrem Vetorecht Gebrauch gemacht und so verhindert haben, dass die internationale Gemeinschaft Frieden und Sicherheit für diese Region fordert, wie in der VN-Charta gefordert;
9. nimmt die Erklärung der Arabischen Liga vom 27. August zur Kenntnis, in der die im VN-Sicherheitsrat vertretene internationale Gemeinschaft aufgefordert wird, interne Meinungsverschiedenheiten zu überwinden und Maßnahmen gegen diejenigen zu ergreifen, die dieses Verbrechen verübt haben, für das die syrische Regierung verantwortlich sei;
10. betont, dass die Situation in Syrien einen kohärenten gemeinsamen Ansatz der NATO-Mitgliedstaaten, der EU-Mitgliedstaaten und der weiteren internationalen Gemeinschaft erforderlich macht; fordert deshalb die EU und ihre Mitgliedstaaten auf zu prüfen, welche Maßnahmen die EU treffen könnte, um die demokratischen Kräfte in der syrischen Opposition zu unterstützen, den Dialog und die Festlegung eines gemeinsamen Ansatzes mit anderen internationalen Akteuren, einschließlich der Arabischen Liga, zu erleichtern und weitere humanitäre Hilfe für die Bevölkerung in Syrien und in den Nachbarländern zu leisten;
11. fordert die internationale Gemeinschaft und alle am Syrien-Konflikt beteiligen Akteure auf, auf die Einberufung der Genf-II-Konferenz hinzuwirken in dem gemeinsamen Wunsch, eine politische Lösung zur Beendigung der Kämpfe in Syrien zu finden; appelliert an die internationale Gemeinschaft, sich mit konkreten Plänen für einen demokratischen Übergang in Syrien in der Zeit nach der Assad-Herrschaft zu befassen;
12. fordert die Einsetzung einer internationalen Untersuchungskommission, der zusammen mit den VN-Waffeninspektoren Zugang zu den betroffenen Gebieten zu gewähren ist, um nicht nur den konkreten Einsatz von Chemiewaffen zu dokumentieren und zu verifizieren, sondern auch um zu bestimmen, wer für den rechtswidrigen Einsatz von Chemiewaffen verantwortlich ist;
13. fordert, dass diejenigen, die für die Verbrechen gegen die Menschlichkeit und die großflächigen, systematischen und grausamen Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind, angeklagt und vom VN-Sicherheitsrat der Anklagebehörde überstellt werden, damit sie nach entsprechenden Ermittlungen vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag angeklagt werden;
14. erklärt sich tief besorgt über die anhaltende humanitäre Krise in Syrien und ihre Auswirkungen auf die Nachbarländer; ist außerdem besorgt darüber, dass der Flüchtlingsstrom aus Syrien noch weiter zunimmt;
15. bedauert, dass unlängst auf dem G20-Gipfel in Sankt Petersburg der Versuch gescheitert ist, eine einstimmige internationale Antwort auf den Chemiewaffen-Angriff vom 21. August in Syrien zu finden;
16. lobt die Bereitstellung von humanitärer Hilfe für syrische Flüchtlinge durch die Regierungen der Nachbarländer, insbesondere der Türkei und des Libanon; ist sich bewusst, dass die bestehenden Dienste und die Haushalte in den jeweiligen Ländern durch die Bereitstellung dieser Unterstützung zusätzlich belastet werden; fordert die internationale Gemeinschaft auf, die betroffenen Länder zu unterstützen;
17. teilt die vom Untergeneralsekretär für humanitäre Angelegenheiten und Nothilfekoordinator der Vereinten Nationen vorgebrachten Bedenken, dass die einfache Bevölkerung den Preis dafür bezahlt, dass eine Beendigung des Konflikts, der bisher zu zwei Millionen Flüchtlingen und 100 000 Toten geführt hat, gescheitert ist;
18. weist darauf hin, dass Präsident Assad als verfassungsmäßiges und gesetzliches Oberhaupt des syrischen Staates die letztendliche Verantwortung für alle Maßnahmen der Streitkräfte in Syrien trägt; fordert Präsident Assad mit Nachdruck auf anzuerkennen, dass seine Regierung vom syrischen Volk abgelehnt wird, und zum Wohle seines Landes und der Einheit seines Volkes zurückzutreten;
19. fordert alle Menschen in Syrien auf, sich den Grundsätzen der Menschenrechte und der Demokratie zu verschreiben und zusammen mit der internationalen Gemeinschaft auf eine friedliche Beilegung des Konflikts hinzuwirken;
20. betrachtet es als dringend notwendig, die internationalen und regionalen Anstrengungen zu bündeln, um die Krise in Syrien beizulegen; hält an seiner nachdrücklichen Forderung an alle Mitglieder des VN-Sicherheitsrates fest, ihrer Verantwortung im Zusammenhang mit der Krise in Syrien nachzukommen; fordert alle Länder, die sich aktiv für eine Beilegung der Krise einsetzen, auf, diese Bemühungen zu unterstützen; ist der Ansicht, dass dieser Prozess auf den Grundsätzen der Genfer Erklärung vom 30. Juni 2012 und der Resolution 2042 des VN-Sicherheitsrates basieren sollte;
21. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Hohen Vertreterin der Union für die Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Generalsekretär der Arabischen Liga, den Regierungen und dem Parlament der Arabischen Republik Syrien und den Regierungen und Parlamenten der Nachbarländer Syriens zu übermitteln.
- [1] Angenommene Texte, P7_TA(2013)0223.
- [2] ABl. C 45E vom 23.2.2010, S. 74.