Entschließungsantrag - B7-0428/2013Entschließungsantrag
B7-0428/2013

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Lage in Syrien

10.9.2013 - (2013/2819(RSP))

eingereicht im Anschluss an eine Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Hannes Swoboda, Véronique De Keyser, Libor Rouček, Pino Arlacchi, Saïd El Khadraoui, Ana Gomes, Roberto Gualtieri, Richard Howitt, Maria Eleni Koppa, María Muñiz De Urquiza, Raimon Obiols, Pier Antonio Panzeri, Joanna Senyszyn, Catherine Trautmann, Boris Zala im Namen der S&D-Fraktion

Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B7-0413/2013

Verfahren : 2013/2819(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B7-0428/2013
Eingereichte Texte :
B7-0428/2013
Aussprachen :
Angenommene Texte :

B7‑0428/2013

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage in Syrien

(2013/2819(RSP))

Das Europäische Parlament,

–   unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Syrien, insbesondere die Entschließung vom 23. Mai 2013 zur Lage syrischer Flüchtlinge in den Nachbarländern[1],

–   unter Hinweis auf die von Präsident Barroso im Vorfeld des Gipfeltreffens der G20 in Sankt Petersburg am 5. September 2013 abgegebene Erklärung,

–   unter Hinweis auf die Erklärungen der Hohen Vertreterin Catherine Ashton vom 7. September 2013 im Anschluss an das informelle Treffen der EU-Außenminister in Vilnius, vom 23. August 2013 zu der Notwendigkeit, umgehend zu einer politischen Lösung des Konflikts in Syrien zu kommen, und vom 21. August 2013 zu den jüngsten Berichten über den Einsatz von Chemiewaffen in Damaskus,

–   unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates und die Erklärung des Rates vom 27. Mai 2013 zu Syrien,

–   unter Hinweis auf die Charta der Vereinten Nationen von 1945,

–   unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,

–   unter Hinweis auf die Genfer Konventionen von 1949 und ihre Zusatzprotokolle,

–   unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966,

–   unter Hinweis auf das Genfer Protokoll (zum Haager Übereinkommen) von 1925 über das Verbot der Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie von bakteriologischen Mitteln im Kriege,

–   unter Hinweis auf das Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen (Chemiewaffenübereinkommen) von 1993,

–   unter Hinweis auf das Schlusskommuniqué der Aktionsgruppe für Syrien (das „Genfer Kommuniqué“) vom 30. Juni 2012,

–   gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass seit März 2011 im Verlauf der gewaltsamen Krise in Syrien, die durch das brutale Vorgehen des Regimes gegen die eigene Bevölkerung ausgelöst wurde, über 100 000 Menschen ums Leben gekommen sind; in der Erwägung, dass die Zahl der Flüchtlinge aus Syrien auf über zwei Millionen angestiegen ist, darunter über eine Million Kinder, die gezwungen waren, aus ihrem Heimatland zu fliehen; in der Erwägung, dass die Zahl der Binnenvertriebenen innerhalb Syriens fünf Millionen übersteigt;

B.  in der Erwägung, dass am 21. August 2013 durch den Einsatz chemischer Waffen im Damaszener Stadtteil Ghuta hunderte Zivilisten, darunter viele Kinder, getötet wurden; in der Erwägung, dass diese Aktion, wenn sie von den VN-Inspektoren bestätigt wird, die größte Massentötung mit chemischen Waffen seit dem Angriff der Streitkräfte des früheren irakischen Diktators Saddam Hussein gegen die kurdische Stadt Halabdscha und weitere kurdische Dörfer im Nordirak ist; in der Erwägung, dass auf diesen Angriff in derselben Gegend an den Tagen nach dem Chemiewaffeneinsatz ein schwerer Beschuss durch die syrische Armee folgte;

C. in der Erwägung, dass die Regierung Syriens am 25. August 2013, vier Tage nach dem Chemiewaffenangriff, einer Ortsbesichtigung durch VN-Inspektoren zustimmte; in der Erwägung, dass die VN-Inspektionsgruppe am 26. August mehrfach von nicht identifizierten Heckenschützen beschossen wurde, was seine Ermittlungen weiter verzögerte; in der Erwägung, dass die VN-Inspektoren Syrien am 31. August verlassen haben; in der Erwägung, dass VN-Generalsekretär Ban Ki-moon die Inspektionsgruppe aufgefordert hat, ihre Erkenntnisse möglichst bald vorzulegen; jedoch in der Erwägung, dass sich das Mandat der VN-Inspektionsmission darauf beschränkt festzustellen, ob chemische Waffen eingesetzt wurden oder nicht, wobei es nicht um die Frage geht, wer für diese Aktion verantwortlich war;

D. in der Erwägung, dass der Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten des US-Senats am 4. September 2013 dafür gestimmt hat, begrenzte Militärschläge gegen das syrische Regime während eines Zeitraums von 60 Tagen mit der Möglichkeit einer Verlängerung um 30 Tage nach einer Konsultation mit dem Kongress, aber ohne Einsatz amerikanischer Bodentruppen zu genehmigen;

E.  in der Erwägung, dass die EU-Mitgliedstaaten unterschiedliche Standpunkte zu einer möglichen internationalen Militärintervention in Syrien geäußert haben; in der Erwägung, dass das Parlament des Vereinigten Königreichs am 29. August 2013 einen Antrag der Regierung auf vorläufige Genehmigung einer militärischen Intervention abgelehnt hat;

F.  in der Erwägung, dass die Europäische Union die Nationale Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte als rechtmäßige Vertreterin des syrischen Volkes akzeptiert und deren Erklärung vom 20. April 2013 begrüßt hat, in der sie die Grundsätze eines demokratischen, pluralistischen und inklusiven Syriens erklärte, in dem die Menschenrechte, einschließlich der Rechte religiöser und ethnischer Minderheiten, und die Rechtsstaatlichkeit geachtet werden, Extremismus ablehnte und sich verpflichtete, die Sicherheit der im Land lagernden chemischen Waffen zu garantieren, die internationalen Nichtverbreitungsbemühungen zu unterstützen und seinen diesbezüglichen internationalen Verpflichtungen nachzukommen; jedoch in der Erwägung, dass die syrischen Oppositionsgruppen weiterhin in erheblichem Maße innerlich gespalten und zersplittert sind;

G. in der Erwägung, dass die gewaltsame Krise in Syrien eine erhebliche Bedrohung der Stabilität und Sicherheit in der gesamten Nahostregion und darüber hinaus darstellt;

H. in der Erwägung, dass der Rat (Auswärtige Angelegenheiten) in seinen Schlussfolgerungen vom 27. Mai 2013 die vom syrischen Regime begangenen Gräueltaten, bei denen es sich dem Bericht der unabhängigen Untersuchungskommission zufolge um Verbrechen gegen die Menschlichkeit handelt, scharf verurteilt und ferner die von bewaffneten Gruppen von Regierungsgegnern verübten schlimmen Übergriffe, darunter auch Kriegsverbrechen, die in dem Bericht der Untersuchungskommission dokumentiert sind, bedauert hat, obschon diese Übergriffe weder in ihrer Intensität noch in ihrem Ausmaß mit den von den Regierungstruppen und ihren verbündeten Milizen verübten Übergriffen vergleichbar seien; in der Erwägung, dass VN-Generalsekretär Ban Ki-moon das Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das am 21. August im Damaszener Stadtteil Ghuta begangen wurde, verurteilt hat;

I.   in der Erwägung, dass der Rat (Auswärtige Angelegenheiten) am 27. Mai 2013 vereinbart hat, die Sanktionsregelung gegen Syrien zu verlängern, und die Zusage der Mitgliedstaaten zur Kenntnis genommen hat, dass der Verkauf, die Lieferung, die Weitergabe oder die Ausfuhr von Militärausrüstung oder von zu interner Repression verwendbarer Ausrüstung für die Nationale Koalition der syrischen Oppositions- und Revolutionskräfte erfolgt und für den Schutz von Zivilisten bestimmt ist, wobei angemessene Garantien zum Schutz gegen Missbrauch erteilter Genehmigungen, insbesondere zweckdienliche Angaben zum Endverwender und zum Endverbleib der Lieferungen, gefordert werden;

J.   in der Erwägung, dass die Europäische Union über 1,3 Mrd. EUR an humanitärer Hilfe für diejenigen in Syrien und seinen Nachbarländern, die derzeit unter den Folgen des laufenden gewaltsamen Konflikts leiden, bereitgestellt hat;

K. in der Erwägung, dass der VN-Sicherheitsrat das rechtmäßige Forum für die Beilegung größerer internationaler Konflikte bleibt; jedoch in der Erwägung, dass dieses Forum weiterhin von Russland und China blockiert wird, wenn es darum geht, angemessen auf die Krise und humanitäre Katastrophe in Syrien zu reagieren;

L.  in der Erwägung, dass am 9. September 2013 VN-Generalsekretär Ban Ki-moon den Vorschlag begrüßte, die chemischen Waffen des syrischen Regimes der internationalen Gemeinschaft zur Vernichtung zu übergeben; in der Erwägung, dass er ferner mitteilte, er erwäge, den Sicherheitsrat aufzufordern, die sofortige Verbringung der Vorräte an diesen Waffen und von Vorläufersubstanzen an Orte innerhalb von Syrien zu fordern, an denen sie sicher verwahrt und vernichtet werden können;

1.  verurteilt aufs Schärfste die Massentötung von Zivilisten bei dem Chemiewaffenangriff vom 21. August 2013 im Damaszener Stadtteil Ghuta, dem hunderte Zivilisten, darunter viele Kinder, zum Opfer fielen;

2.  unterstreicht, dass zwar verschiedene Quellen darauf hinzudeuten scheinen, dass für diesen Angriff das syrische Regime verantwortlich ist, aber jeder weitere Schritt nur auf der Grundlage der Erkenntnisse der VN-Ermittlungen unternommen werden sollte;

3.  betont, dass der nachgewiesene Einsatz chemischer Waffen, insbesondere gegen Zivilisten, ein offenkundiger Verstoß gegen das Völkerrecht, ein Kriegsverbrechen und ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist, was eine eindeutige und nachdrückliche Reaktion erfordert, um klarzustellen, dass solche Verbrechen nicht hinnehmbar sind, und um jeden weiteren Einsatz chemischer Waffen in Syrien oder anderswo zu vermeiden;

4.  unterstreicht, dass der VN-Sicherheitsrat, um eine Antwort mit breiter internationaler Unterstützung zu erreichen, seiner Verantwortung nachkommen und einen gemeinsamen Standpunkt zu der Krise in Syrien formulieren sollte, auch um jeden weiteren Einsatz chemischer Waffen in dem Konflikt zu verhindern; fordert Russland und China insbesondere auf, sich diesbezüglich ihrer Verantwortung zu stellen, um dem Völkerrecht zur Durchsetzung zu verhelfen; fordert überdies, vor weiteren Schritten die Koordinierung mit staatlichen und überstaatlichen Partnern in der Region, insbesondere der Arabischen Liga, zu intensivieren;

5.  unterstützt den Vorschlag, die chemischen Waffen des syrischen Regimes zur Vernichtung unter internationale Kontrolle zu stellen, und fordert in diesem Zusammenhang die syrische Regierung auf, alle ihre chemischen Waffen der internationalen Gemeinschaft zu übergeben und unverzüglich das Chemiewaffenübereinkommen zu unterzeichnen und zu ratifizieren;

6.  ist der Überzeugung, dass sich eine dauerhafte Lösung für die derzeitige Krise in Syrien nur durch einen politischen Prozess unter syrischer Führung mit Rückendeckung der internationalen Gemeinschaft erreichen lässt; unterstützt in diesem Sinne weiterhin die Anstrengungen der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten sowie des gemeinsamen Sonderbeauftragten der VN und der Arabischen Liga, Lakhdar Brahimi, im Rahmen des Genf-II-Prozesses und auf Ebene des VN-Sicherheitsrats Fortschritte zu erzielen;

7.  ist besorgt darüber, dass die syrische Opposition weiterhin innerlich tief gespalten und zersplittert ist und dass im Land die religiös oder ethnisch motivierte Gewalt zunimmt; ruft die Nationale Koalition der syrischen Oppositions- und Revolutionskräfte dazu auf, bei der Bildung einer stärker geeinten, inklusiveren und intern und extern besser organisierten Oppositionsfront eine Führungsrolle zu übernehmen, und fordert in diesem Zusammenhang weitere Unterstützung der EU für die Koalition;

8.  ist tief besorgt darüber, dass an der Krise in Syrien extremistische Gruppen und ausländische nichtstaatliche Akteure beteiligt sind und dass die Gewalt womöglich auf Nachbarländer übergreift, was die Stabilität und Sicherheit im Nahen Osten und darüber hinaus erheblich gefährdet;

9.  betont, dass es für die internationale Gemeinschaft und die Europäische Union eine Priorität sein muss, unverzüglich dafür zu sorgen, dass humanitäre Hilfe und Unterstützung diejenigen erreichen, die infolge der gewaltsamen Krise in Syrien – sowohl im Land selbst als auch in seinen unmittelbaren Nachbarländern, insbesondere Irak, Jordanien, Libanon und der Türkei – grundlegender Güter und Dienstleistungen bedürfen; fordert alle Konfliktparteien auf, die Bereitstellung von humanitärer Hilfe und Unterstützung über alle möglichen Kanäle, auch über Grenzen und Konfliktlinien hinweg, zu erleichtern und die Sicherheit aller medizinischen und humanitären Helfer zu gewährleisten;

10. fordert eine gemeinsame europäische Politik, die sowohl die Unionsebene als auch die Mitgliedstaaten umfasst, um die Lage der über zwei Millionen Flüchtlinge aus Syrien zu verbessern; unterstreicht, dass jede weitere Eskalation oder Intensivierung dieses gewaltsamen Konflikts zu einer Erhöhung der Zahl der Flüchtlinge führen würde, was die regionale Stabilität und Sicherheit zusätzlich bedroht; fordert, der Lage der in Syrien lebenden Palästinenser besondere Beachtung zu schenken, die in der Gewalt gefangen sind, ohne nach Jordanien oder Libanon ausweichen zu können;

11. bekräftigt seine Forderung an die internationale Gemeinschaft, Schutzgebiete entlang der türkisch-syrischen Grenze und nach Möglichkeit innerhalb Syriens einzurichten sowie humanitäre Korridore zu schaffen; fordert erneut alle Staaten auf, den von ihnen auf der Geberkonferenz vom 30. Januar 2013 in Kuwait gemachten Zusagen nachzukommen;

12. betont, dass die Krise in Syrien einen kohärenten gemeinsamen Ansatz der EU-Mitgliedstaaten erfordert; ersucht daher die Hohe Vertreterin Catherine Ashton, eine außerordentliche Tagung des Rates (Auswärtige Angelegenheiten) einzuberufen, um den aktuellen Stand, die humanitäre Unterstützung der EU für die Binnenvertriebenen innerhalb Syriens und Flüchtlinge aus Syrien, weitere Maßnahmen, die die Union unternehmen könnte, um die demokratischen Kräfte in der syrischen Opposition zu unterstützen, und Wege des Dialogs mit wichtigen internationalen Akteuren, zu denen auch Russland und Iran gehören, zu erörtern;

13. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Parlamenten und Regierungen der Mitgliedstaaten, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen, dem Kongress und dem Präsidenten der Vereinigten Staaten, dem Parlament und der Regierung der Volksrepublik China, dem Parlament und der Regierung der Russischen Föderation, dem Parlament und der Regierung Iraks, dem Parlament und der Regierung Jordaniens, dem Parlament und der Regierung Libanons, dem Parlament und der Regierung der Türkei, der Nationalen Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte sowie der Regierung und dem Parlament der Arabischen Republik Syrien zu übermitteln.