Entschließungsantrag - B7-0471/2013Entschließungsantrag
B7-0471/2013

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Aussetzung des SWIFT-Abkommens infolge der Überwachungsmaßnahmen der NSA

16.10.2013 - (2013/2831(RSP))

eingereicht im Anschluss an eine Erklärung der Kommission
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Jan Philipp Albrecht im Namen der Verts/ALE-Fraktion

Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B7-0468/2013

Verfahren : 2013/2831(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B7-0471/2013
Eingereichte Texte :
B7-0471/2013
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B7‑0471/2013

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Aussetzung des SWIFT-Abkommens infolge der Überwachungsmaßnahmen der NSA

(2013/2831(RSP))

Das Europäische Parlament,

–   gestützt auf Artikel 16 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV),

–   gestützt auf Artikel 87 AEUV,

–   gestützt auf Artikel 225 AEUV,

–   gestützt auf Artikel 226 AEUV,

–   gestützt auf Artikel 218 AEUV,

–   gestützt auf Artikel 234 AEUV,

–   gestützt auf Artikel 314 AEUV,

–   unter Hinweis auf das Abkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Verarbeitung von Zahlungsverkehrsdaten und deren Übermittlung aus der Europäischen Union an die Vereinigten Staaten von Amerika für die Zwecke des Programms zum Aufspüren der Finanzierung des Terrorismus[1],

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 4. Juli 2013 zu dem Überwachungsprogramm der Nationalen Sicherheitsagentur der Vereinigten Staaten, den Überwachungsbehörden in mehreren Mitgliedstaaten und den entsprechenden Auswirkungen auf die Privatsphäre der EU-Bürger[2],

–   unter Hinweis auf den Beschluss 2010/412/EU des Rates vom 13. Juli 2010 über den Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Verarbeitung von Zahlungsverkehrsdaten und deren Übermittlung aus der Europäischen Union an die Vereinigten Staaten für die Zwecke des Programms zum Aufspüren der Finanzierung des Terrorismus[3] und die dazugehörigen Erklärungen der Kommission und des Rates,

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. September 2009 zu dem geplanten internationalen Abkommen, demgemäß dem Finanzministerium der Vereinigten Staaten Finanztransaktionsdaten zum Zwecke der Prävention und Bekämpfung des Terrorismus und der Terrorismusfinanzierung zur Verfügung gestellt werden sollen[4],

–   unter Hinweis auf seine legislative Entschließung vom 11. Februar 2010 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Verarbeitung von Zahlungsverkehrsdaten und deren Übermittlung aus der Europäischen Union an die Vereinigten Staaten für die Zwecke des Programms zum Aufspüren der Finanzierung des Terrorismus[5],

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 5. Mai 2010 zu den Empfehlungen der Kommission an den Rat betreffend die Ermächtigung zur Aufnahme von Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über ein internationales Abkommen über die Bereitstellung von Daten über Finanztransaktionen für das Finanzministerium der Vereinigten Staaten zu Zwecken der Verhütung und Bekämpfung des Terrorismus und der Terrorismusfinanzierung[6],

–   unter Hinweis auf seine legislative Entschließung vom 8. Juli 2010 zu dem Vorschlag für einen Beschluss des Rates über den Abschluss des Abkommens zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Verarbeitung von Zahlungsverkehrsdaten und deren Übermittlung aus der Europäischen Union an die Vereinigten Staaten für die Zwecke des Programms zum Aufspüren der Finanzierung des Terrorismus[7] und auf die Empfehlung seines Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres,

–   unter Hinweis auf die Berichte vom 30. März 2011 (SEC(2011)0438) und vom 14. Dezember 2012 (SWD(2012)0454) über die gemeinsame Überprüfung der Umsetzung des Abkommens zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Verarbeitung von Zahlungsverkehrsdaten und deren Übermittlung aus der Europäischen Union an die Vereinigten Staaten für die Zwecke des Programms zum Aufspüren der Finanzierung des Terrorismus,

–   unter Hinweis auf den Bericht vom 1. März 2011 über die im November 2010 von der gemeinsamen Kontrollinstanz von Europol vorgenommene Überprüfung der Umsetzung des TFTP-Abkommens durch Europol,

–   unter Hinweis auf die öffentliche Erklärung der gemeinsamen Kontrollinstanz von Europol vom 14. März 2012 zur Umsetzung des TFTP-Abkommens,

–   unter Hinweis auf die von der gemeinsamen Kontrollinstanz von Europol am 18. März 2013 vorgenommene Bewertung des Ergebnisses der dritten Überprüfung der Umsetzung der Befugnisse, die Europol im Rahmen des TFTP-Abkommens übertragen wurden,

–   unter Hinweis auf das Schreiben des Vertreters der niederländischen Datenschutzbehörde, Paul Breitbarth, vom 18. April 2011 an den Vorsitzenden der Delegation des gemeinsamen Überprüfungsteams für das TFTP-Abkommen,

–   unter Hinweis auf das von Jacob Kohnstamm im Namen der Artikel‑29‑Datenschutzgruppe an die stellvertretende Staatssekretärin des US-Finanzministeriums, Melissa A. Hartman, gerichtete Schreiben vom 7. Juni 2011,

–   unter Hinweis auf das von Jacob Kohnstamm im Namen der Artikel‑29‑Datenschutzgruppe an den Vorsitzenden des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres, Juan Fernando López Aguilar, gerichtete Schreiben vom 21. Dezember 2012,

–   unter Hinweis auf das Schreiben des Mitglieds der Kommission Malmström an den für Terrorismus und Geldwäsche zuständigen Ministerialdirektor des US-Finanzministeriums, David Cohen, vom 12. September 2013 und auf das Antwortschreiben des Ministerialdirektors Cohen vom 18. September 2013,

–   unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 13. Juli 2011 mit dem Titel „Optionen für ein EU-System zum Aufspüren der Terrorismusfinanzierung“ (COM(2011)0429),

–   unter Hinweis auf die schriftlichen Anfragen E‑11200/2010, E‑2166/2011, E‑2762/2011, E‑2783/2011, E‑3148/2011, E‑3778/2011, E‑3779/2011, E‑4483/2011, E‑6633/2011, E‑8044/2011, E‑8752/2011, E‑617/2012, E‑2349/2012, E‑3325/2012, E‑7570/2012 und E‑000351/2013,

–   gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A. in der Erwägung, dass das Abkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über die Verarbeitung von Zahlungsverkehrsdaten und deren Übermittlung aus der Europäischen Union an die Vereinigten Staaten für die Zwecke des Programms zum Aufspüren der Finanzierung des Terrorismus, nachstehend „Abkommen“ genannt, am 1. August 2010 in Kraft trat;

B.  in der Erwägung, dass Presseberichten zufolge die nationale Sicherheitsbehörde der USA (NSA) direkten Zugang zu den Datenverarbeitungssystemen mehrerer privater Unternehmen gehabt hat und ihr von einem derzeit unter das Abkommen fallenden Anbieter internationaler Finanztransaktionsdienste direkter Zugang zu Finanztransaktionsdaten und damit verbundenen Daten eingeräumt wurde;

C. in der Erwägung, dass das Parlament in seiner Entschließung vom 4. Juli 2013 zu dem Überwachungsprogramm der Nationalen Sicherheitsagentur der Vereinigten Staaten, den Überwachungsbehörden in mehreren Mitgliedstaaten und den entsprechenden Auswirkungen auf die Privatsphäre der EU-Bürger den Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres damit beauftragt hat, diesen Sachverhalt zusammen mit den nationalen Parlamenten und der von der Kommission gebildeten EU‑US‑Sachverständigengruppe eingehend zu untersuchen und bis Jahresende Bericht zu erstatten;

D. in der Erwägung, dass das Europäische Parlament nach der Ablehnung des vorläufigen TFTP‑Abkommens bedauerlicherweise lediglich dem derzeitigen TFTP‑Abkommen mehrheitlich seine Zustimmung erteilt hat, obwohl in dem Abkommen keine Garantien zur Verhinderung der Übermittlung großer Datenmengen vorgesehen waren und keine unabhängige gerichtliche Kontrolle gegeben war;

E.  in der Erwägung, dass das US-Finanzministerium zahlreiche einschlägige Informationen zu diesem Abkommen als „EU Geheim“ eingestuft hat;

F.  in der Erwägung, dass das gegenwärtige Verfahren für die Wahrnehmung des Rechts auf Zugang der Artikel-29‑Datenschutzgruppe zufolge ungeeignet sein könnte und dass es in der Praxis unter Umständen nicht möglich sein könnte, das Recht auf Berichtigung, Löschung und Sperrung wahrzunehmen;

G. in der Erwägung, dass die Europäische Union der Kommission zufolge ein System einführen sollte, durch das die Extraktion der Daten auf dem Gebiet der EU ermöglicht wird;

H. in der Erwägung, dass die Kommission aufgefordert war, dem Parlament und dem Rat spätestens am 1. August 2011 einen rechtlichen und technischen Rahmen für die Extraktion der Daten auf dem Gebiet der EU zu unterbreiten;

I.   in der Erwägung, dass die Kommission den rechtlichen und technischen Rahmen für die Extraktion der Daten auf dem Gebiet der EU nicht unterbreitet, stattdessen aber am 13. Juli 2011 die einzelnen Maßnahmen vorgestellt hat, die sie im Hinblick auf die Errichtung dieses rechtlichen und technischen Rahmens ergriffen hat, wobei sie ohne Angabe von Details über die vorläufigen Ergebnisse und über theoretische Optionen für ein EU-System zum Aufspüren der Terrorismusfinanzierung informierte;

1.  ist der Auffassung, dass das wichtigste Ziel der EU darin besteht, die Freiheit des Einzelnen zu fördern, und dass aus diesem Grund Sicherheitsmaßnahmen (auch Maßnahmen zur Terrorismusbekämpfung) zum Schutz dieser Freiheit im Einklang mit rechtsstaatlichen Grundsätzen und unter Einhaltung der aus den Grundrechten erwachsenden Verpflichtungen umgesetzt werden müssen, was auch die Rechte auf Privatsphäre und auf Datenschutz beinhaltet;

2.  bringt erneut seine Ablehnung des Abkommens zum Ausdruck, da dieses keine ausreichenden Garantien gegen die Massenübertragung personenbezogener Daten und keine unabhängige Kontrolle bietet;

3.  weist darauf hin, dass Abkommen über den Datenaustausch mit den USA auf einem kohärenten rechtlichen Rahmen zum Datenschutz begründet sein müssen, durch den rechtlich verbindliche Standards zum Schutz personenbezogener Daten bereitgestellt werden, die auch Zweckbeschränkung, Datenminimierung, Information, Zugang, Berichtigung, Löschung und Rechtsbehelf umfassen;

4.  ist der Auffassung, dass das Abfangen von SWIFT-Daten durch die NSA außerhalb des Abkommens an sich bereits einen Verstoß gegen Artikel 4 des Abkommens darstellen könnte und aus diesem Grund automatisch die Forderung nach einer Beendigung des Abkommens zur Folge haben müsste;

5.  bedauert, dass kein einziger Mitgliedstaat das Zentrum für die Bekämpfung der Cyberkriminalität innerhalb von Europol aufgefordert hat, den Vorwürfen nachzugehen, gemäß denen die US-Behörden über einen nicht genehmigten Zugang zu den SWIFT-Servern verfügen bzw. etwaige Zugangskanäle zu diesen Servern geschaffen haben;

6.  ist der Überzeugung, dass das Abkommen im Allgemeinen nicht gemäß seinen Bestimmungen und insbesondere nicht gemäß den Artikeln 4, 12, 13, 15 und 16 umgesetzt wurde, und dass deshalb die Grundsätze des Datenschutzes hinsichtlich Zweckbeschränkung, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit nicht eingehalten wurden;

7.  fordert die Kommission auf, unverzüglich die für eine Beendigung des Abkommens notwendigen Schritte einzuleiten;

8.  erwartet, dass die Kommission unverzüglich einen Vorschlag für einen rechtlichen und technischen Rahmen für die Extraktion der Daten auf dem Gebiet der EU unterbreitet; erwartet, dass durch diesen Vorschlag sichergestellt wird, dass

     a)  die EU-Datenschutzvorschriften vollständig eingehalten werden;

b)  keine Daten des Europäischen Zahlungsverkehrsraums (SEPA) oder keine anderen nationalen Finanzdaten extrahiert werden, wobei es keine Rolle spielt, durch welches System sie verarbeitet werden;

c)  keine Daten ohne vorherige Genehmigung extrahiert oder gespeichert werden;

d)  anstelle von Europol ein unabhängiges Rechtsorgan von Fall zu Fall prüfen wird, ob Anträge auf die Extraktion von Daten im Einklang mit den Bestimmungen des Vorschlags gerechtfertigt sind;

9.  fordert, dass den nationalen Parlamenten und dem Europäischen Parlament unverzüglich alle einschlägigen Informationen und Unterlagen auch nachrichtendienstlicher Art zur Prüfung bereitgestellt werden;

10. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und Europol zu übermitteln.