Entschließungsantrag - B7-0496/2013Entschließungsantrag
B7-0496/2013

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Stärkung der sozialen Dimension der Wirtschafts- und Währungsunion“

18.11.2013 - (2013/2841 (RSP))

eingereicht im Anschluss an die Anfrage zur mündlichen Beantwortung B7‑0524/2013
gemäß Artikel 115 Absatz 5 der Geschäftsordnung

Pervenche Berès im Namen des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten


Verfahren : 2013/2841(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B7-0496/2013
Eingereichte Texte :
B7-0496/2013
Angenommene Texte :

B7‑0496/2013

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Stärkung der sozialen Dimension der Wirtschafts- und Währungsunion“

(2013/2841(RSP))

Das Europäische Parlament,

–   unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 2. Oktober 2013 mit dem Titel „Stärkung der sozialen Dimension der Wirtschafts- und Währungsunion“ (COM(2013) 690),

–   unter Hinweis auf den Bericht des Präsidenten des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy, für den Europäischen Rat vom 26. Juni 2012 mit dem Titel „Auf dem Weg zu einer echten Wirtschafts- und Währungsunion“[1],

–   unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 30. November 2012 mit dem Titel „Ein Konzept für eine vertiefte und echte Wirtschafts- und Währungsunion: Auftakt für eine europäische Diskussion“ (COM(2012) 777),

–   unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 14. Dezember 2012 zum Fahrplan für die Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion[2],

–   unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 20. März 2013 mit dem Titel „Auf dem Weg zu einer vertieften und echten Wirtschafts- und Währungsunion: Einführung eines Instruments für Konvergenz und Wettbewerbsfähigkeit“ (COM(2013) 165),

–   unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 20. März 2013 mit dem Titel „Auf dem Weg zu einer vertieften und echten Wirtschafts- und Währungsunion: Vorabkoordinierung größerer wirtschaftspolitischer Reformvorhaben“ (COM(2013) 166),

–   in Kenntnis der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 14. März 2013[3], vom 28. Juni 2013[4] und vom 25. Oktober 2013[5],

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 20. November 2012 „Auf dem Weg zu einer echten Wirtschafts- und Währungsunion“[6],

–   unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 20. Februar 2013 mit dem Titel „Sozialinvestitionen für Wachstum und sozialen Zusammenhalt – einschließlich Durchführung des Europäischen Sozialfonds 2014−2020“ (COM(2013) 83) und seine diesbezügliche Entschließung vom 12. Juni 2013[7],

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 30. September 2013 zum Europäischen Semester für die Koordinierung der Wirtschaftspolitik: Umsetzung der Prioritäten für 2013[8],

–   in Kenntnis der Mitteilung der Kommission vom 20. Oktober 2009 mit dem Titel „Solidarität im Gesundheitswesen: Abbau gesundheitlicher Ungleichheit in der EU“ (COM(2009) 567),

–   unter Hinweis auf die vom Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten beantragte öffentliche Anhörung vom 9. Juli 2013 zu dem Thema „Die soziale Dimension der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) − Europäisches System der Arbeitslosenunterstützung“,

–   unter Hinweis auf das Arbeitspapier der Generaldirektion Beschäftigung, Soziales und Integration der Kommission vom 4. Oktober 2013 zu automatischen Stabilisatoren,

–   unter Hinweis auf das Themendossier des European Policy Center (EPC) vom 13. September 2013 mit dem Titel „Developing the social dimension of a deep and genuine Economic and Monetary Union‟ [Entwicklung der sozialen Dimension einer vertieften und echten Wirtschafts- und Währungsunion],

–   unter Hinweis auf die Veröffentlichung von Notre Europe „Blueprint for a Cyclical Shock Insurance Scheme in the Euro Area“ [Blaupause für ein Versicherungssystem zur Abfederung zyklischer Schocks im Euro-Währungsgebiet] vom September 2013,

–   unter Hinweis auf das Diskussionspapier des Internationalen Währungsfonds (IWF) vom September 2013 mit dem Titel „Toward a fiscal union for the Euro area“ [Auf dem Weg zu einer Fiskalunion für das Euro-Währungsgebiet][9],

–   unter Hinweis auf seine Entschließung vom 4. Juli 2013 zu den Auswirkungen der Krise auf den Zugang von schutzbedürftigen Bevölkerungsgruppen zu Leistungen der Fürsorge[10],

–   unter Hinweis auf den Quartalsbericht der Kommission vom Oktober 2013 über die soziale Lage und die Beschäftigungssituation in der EU,

–   unter Hinweis auf die Anfrage an die Kommission zu ihrer Mitteilung mit dem Titel „Die Stärkung der sozialen Dimension der Wirtschafts- und Währungsunion“ (O-000122/2013 – B7 0524/2013),

–   gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 und Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.  in der Erwägung, dass die Arbeitslosigkeit in der EU mit 26,6 Millionen Betroffenen einen alarmierend hohen Stand erreicht hat[11];

B.   in der Erwägung, dass die Jugendarbeitslosigkeit höher ist als je zuvor und in der EU insgesamt bei durchschnittlich 23 % liegt;

C.  in der Erwägung, dass die Langzeitarbeitslosigkeit in den meisten Mitgliedstaaten angestiegen ist und in der EU insgesamt ihren bisherigen Höchststand erreicht hat;

D.  in der Erwägung, dass die strukturelle Arbeitslosigkeit und der Mangel an Übereinstimmung des Angebots und der Nachfrage an Arbeit zugenommen haben;

E.   in der Erwägung, dass die Armut in der EU seit 2007 zugenommen hat und die Einkommen der Haushalte gesunken sind, was dazu geführt hat, dass derzeit 24,2 % der EU-Bevölkerung von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind;

F.   in der Erwägung, dass die Erwerbstätigenarmut seit dem Ausbruch der Krise beständig zugenommen hat;

G.  in der Erwägung, dass die zunehmende Erwerbstätigenarmut und die immer größere Anzahl an Erwerbslosenhaushalten zu einem Anstieg der Kinderarmut geführt haben;

H.  in der Erwägung, dass die Ungleichheiten innerhalb und zwischen den Mitgliedstaaten, insbesondere im Euro-Währungsgebiet, zugenommen haben;

I.    in der Erwägung, dass weiterhin Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bestehen, die zu einer raschen Konzentration der Arbeitslosigkeit führen, und in der Erwägung, dass diese Unterschiede in einigen Ländern auch zwischen den einzelnen Regionen und Gesellschaftsgruppen größer werden;

J.    in der Erwägung, dass die soziale Ungleichheit innerhalb des Euro-Währungsgebiets schneller zugenommen hat als in der EU als Ganzes;

K.  in der Erwägung, dass der Anzeiger für die Leistungsfähigkeit des Sozialschutzes wichtige soziale Tendenzen aufgedeckt hat, die beobachtet werden sollten;

L.   in der Erwägung, dass die Arbeitslosenquote am Rand des Euro-Währungsgebiets 2012 bei durchschnittlich 17,3 % lag, während sie sich in seinem Zentrum auf 7,1 % belief;

M.  in der Erwägung, dass der Anteil junger Menschen, die weder eine Arbeit haben noch eine schulische oder berufliche Ausbildung absolvieren, 2012 am Rand des Euro‑Währungsgebiets bei durchschnittlich 22,4 % lag, während er im Zentrum des Euro-Währungsgebiets 11,4 % betrug;

N.  in der Erwägung, dass das Armutsniveau in zwei Dritteln der EU-Mitgliedstaaten angestiegen ist, sich im übrigen Drittel aber stabilisiert hat;

O.  in der Erwägung, dass bedeutende Schritte unternommen wurden, um die wirtschaftspolitische Steuerung der EU zu verbessern; in der Erwägung, dass die Fundamente der EU-Integration, wie etwa die Kohäsionspolitik, die sozialen Standards und die Strategie „EU 2020“, derzeit bedroht sind;

P.   in der Erwägung, dass Debatten über soziale Ungleichheiten derselbe Rang wie Debatten über makroökonomische Ungleichgewichte eingeräumt werden sollte;

Q.  in der Erwägung, dass sein Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten am 9. Juli 2013 eine öffentliche Anhörung zu dem Thema „Die soziale Dimension der Wirtschafts- und Währungsunion − Europäisches System der Arbeitslosenunterstützung“ abgehalten hat, in der das Konzept automatischer Stabilisatoren im Euro-Währungsgebiet debattiert und die möglichen Modalitäten für ihre Einführung erörtert wurden;

R.   in der Erwägung, dass die Troika bestätigt hat, dass eine engagierte Beteiligung der Sozialpartner und ein intensiver sozialer Dialog − auch auf nationaler Ebene – notwendig sind und zum Erfolg von Reformen und insbesondere von Reformen der WWU beitragen können;

S.   in der Erwägung, dass Sparmaßnahmen die Qualität der Arbeitsplätze, die soziale Absicherung und die Gesundheits- und Sicherheitsstandards beeinträchtigt haben;

1.  begrüßt die Mitteilung der Kommission mit dem Titel „Stärkung der sozialen Dimension der Wirtschafts- und Währungsunion“ und erachtet sie als einen ersten Schritt hin zur Schaffung einer sozialen Dimension der WWU;

2.  ist jedoch der Überzeugung, dass gezieltere Vorschläge notwendig sind, um sicherzustellen, dass die wirtschaftliche Steuerung der sozialen Dimension Rechnung trägt;

3.  fordert mit Nachdruck, dass soziale Erwägungen ins Zentrum der europäischen Integration gestellt werden und in alle Politikbereiche und Initiativen der EU Eingang finden;

4.  ist der Auffassung, dass die soziale Dimension zu mehr Kohärenz und einer stärkeren Angleichung im Sinne von Benchlearning (Lernen durch Leistungsvergleich) führen sollte;

5.  stellt fest, dass der Zweck der sozialen Dimension der WWU darin besteht, den derzeitigen und künftigen Generationen soziale Sicherheit und einen ausreichenden Lebensstandard zu gewährleisten; hält es daher für wichtig, dass die europäischen Bürger zur Kenntnis nehmen, dass die Union in der Lage ist, den sozialen Fortschritt zu fördern;

6.  ist der Auffassung, dass sich der Aufbau eines sozialen Europas mit dem Ziel einer Sozialunion zwingend aus der europäischen Integration ergibt;

7.  unterstützt die vorgeschlagene Einrichtung einer „Anzeigetafel“ für die wichtigsten Beschäftigungs- und Sozialindikatoren, die das Verfahren bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht (MIP) ergänzt, um die sozialen Folgen wirtschaftspolitischer und sonstiger Maßnahmen durch Ex-ante- und Ex-Post-Folgenabschätzungen oder Kontrollen transparenter zu machen; schlägt vor, dass diese „Anzeigetafel“ für die Erstellung des gemeinsamen Beschäftigungsberichts der Kommission genutzt werden könnte;

8.  lehnt sämtliche Harmonisierungen und Anpassungen ab, die zu einer Herabsetzung des sozialen Standards in den Mitgliedstaaten führen;

9.  bedauert, dass die vorgeschlagenen Indikatoren nicht ausreichend sind, um die Beschäftigungssituation und die soziale Lage in den Mitgliedstaaten vollständig zu erfassen;

10. fordert die Kommission auf, dafür zu sorgen, dass alle einschlägigen Indikatoren nach Geschlecht differenziert sind;

11. fordert, dass der vorgeschlagene Indikator für die Höhe der Jugendarbeitslosigkeit junge Menschen im Alter bis zu 30 Jahren auf freiwilliger Grundlage erfasst, wie dies im Rahmen der Jugendgarantie vorgesehen ist;

12. fordert, dass Indikatoren für Kinderarmut, den Zugang zur Gesundheitsfürsorge und Obdachlosigkeit sowie ein Index für menschenwürdige Arbeit in die „Anzeigetafel“ aufgenommen werden, um eine angemessene Bewertung der sozialen Situation in Europa zu ermöglichen;

13. fordert den Rat und die Kommission auf, konkrete Maßnahmen zu ergreifen, um die sozialen Auswirkungen von politischen Maßnahmen und Reformen durch Ex-ante- und Ex-post-Folgenabschätzungen sowie die Beobachtung politischer Reformen transparenter zu machen;

14. fordert den Rat auf, konkrete Richtwerte für die Beschäftigungs- und Sozialindikatoren in Form eines EU-Mindestniveaus für den Sozialschutz festzulegen, um so nach oben ausgerichtete soziale Konvergenz und sozialen Fortschritt zu fördern;

15. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, die Einbindung des Parlaments und der Sozialpartner in die Festlegung von Beschäftigungs- und Sozialindikatoren zu ermöglichen;

16. betont, dass das große Potenzial, welches das soziale Unternehmertum für alle Aspekte der sozialen Innovation auf europäischer Ebene birgt, gefördert werden muss, um die nationalen Sozialsysteme zu stärken, das Wachstum anzukurbeln und insbesondere für junge Menschen neue Arbeitsplätze in den „weißen“ und „grünen“ Wirtschaftszweigen in allen Mitgliedstaaten und Regionen zu schaffen;

17. betont, dass sichergestellt werden muss, dass die Überwachung von Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt und im gesellschaftlichen Leben zu einem bessere Verständnis der sozialen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten führt und darauf abzielt, diese zu verringern und Sozialdumping vorzubeugen;

18. fordert die Kommission auf, darüber zu wachen, dass die Berichte aller Mitgliedstaaten den Zielen der Strategie „Europa 2020‟ entsprechen, vor allem was die Reduzierung der Armut und die Senkung der Arbeitslosigkeit angeht, und Wechselbeziehungen und Abhängigkeiten zwischen verschiedenen politischen Maßnahmen gebührend zu berücksichtigen;

19. bedauert, dass bei der Risikobewertung, die Teil des MIP ist, die sozialen Konsequenzen der wirtschaftlichen Abhängigkeit der Mitgliedstaaten voneinander nicht ausreichend berücksichtigt werden;

20. bedauert, dass die Aufgaben von Stabilisatoren und die diesbezüglichen Verfahrensweisen in der vorstehend genannten Mitteilung der Kommission vom 2. Oktober 2013 nicht behandelt werden;

21. begrüßt, dass die Sozialpartner in jedem Jahr unter anderem im Rahmen des Ausschusses für den sozialen Dialog vor der Annahme des Jahreswachstumsberichts in das Verfahren des Europäischen Semesters eingebunden werden sollen;

22. begrüßt die Forderung nach einer optimalen Nutzung des EU-Haushalts, um die soziale Dimension der WWU zu entwickeln und die freiwillige Mobilität von Arbeitnehmern weiter zu unterstützen, damit das Beschäftigungspotenzial der EU bestmöglich ausgeschöpft wird;

23. fordert eine noch aktivere Rolle der Sozialpartner im Rahmen des Europäischen Semesters; bedauert, dass der makroökonomische Dialog zu formal ist;

24. fordert die Kommission auf, die vorstehend genannte Entschließung des Parlaments vom 30. September 2013, die vorstehend genannte Mitteilung der Kommission vom 2. Oktober 2013 und die diesbezügliche Entschließung des Parlaments bei der Ausarbeitung des Jahreswachstumsberichts 2014 stärker zu berücksichtigen;

25. weist darauf hin, dass die Steuerung der WWU nur dann effektiv sein und Wirkung entfalten kann, wenn alle Interessenträger, einschließlich der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft, eingebunden sind; fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, dafür zu sorgen, dass der demokratische Grundsatz des zivilen Dialogs durch eine strukturierte Einbindung einschlägiger zivilgesellschaftlicher Organisationen in die wirtschaftspolitische Steuerung und insbesondere in das Europäische Semester befolgt wird;

26. fordert den Europäischen Rat auf, im Rahmen seiner Tagung im Dezember 2013 konkrete Schritte hin zum Aufbau einer sozialen Säule als Teil der WWU auf der Grundlage der Gemeinschaftsmethode festzulegen;

27. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Kommission, dem Rat und dem Europäischen Rat zu übermitteln.