ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Achtung des Grundrechts auf Freizügigkeit in der EU
13.1.2014 - (2013/2960(RSP))
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung
Rebecca Harms, Daniel Cohn-Bendit, Jean Lambert, Elisabeth Schroedter, Judith Sargentini, Franziska Keller, Marije Cornelissen, Hélène Flautre, Malika Benarab-Attou im Namen der Verts/ALE-Fraktion
Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B7-0016/2014
B7‑0016/2014
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Achtung des Grundrechts auf Freizügigkeit in der EU
Das Europäische Parlament,
– gestützt auf Artikel 45 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union[1],
– unter Hinweis auf die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten[2],
– unter Hinweis auf die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit[3] und die Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit[4],
– unter Hinweis auf die Erklärung des Kommissionsmitglieds László Andor vom 1. Januar 2014 über die Aufhebung der Beschränkungen der Freizügigkeit von Arbeitnehmern aus Bulgarien und Rumänien,
– unter Hinweis auf die Erklärung der Kommission vom 25. November 2013 über das Festhalten an der Personenfreizügigkeit,
– unter Hinweis auf die Europäische Charta der Grundrechte,
– in Kenntnis der Erklärungen des Rates und der Kommission vom 15. Januar 2014 zur Achtung des Grundrechts auf Freizügigkeit in der EU,
– gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass das Prinzip der Freizügigkeit ein Grundrecht für alle Bürger der Union darstellt, das im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union verankert ist;
B. in der Erwägung, dass die Freizügigkeit ein zentraler Wert der Union ist, durch den die EU‑Bürger die Möglichkeit haben, in einem anderen Mitgliedstaat zu leben und zu arbeiten, was zu Mobilität und Fortschritt auf dem Arbeitsmarkt, im Bildungssystem und darüber hinaus führt;
C. in der Erwägung, dass die Freizügigkeit der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen Mobilität erleichtert, jedoch keine weiteren Rechte gewährt als das Recht, sich in einem anderen Mitgliedstaat bis zu drei Monate lang aufzuhalten und dort zu leben;
D. in der Erwägung, dass die Freizügigkeit der Arbeitnehmer mit Rechten und Pflichten verbunden ist und nicht als uneingeschränkt gelten kann;
E. in der Erwägung, dass die Freizügigkeit von Bürgern, die innerhalb der EU nach neuen Möglichkeiten und neuen Perspektiven für ihr Leben suchen, teilweise auf die Armut in manchen Gebieten der Union zurückzuführen ist;
F. in der Erwägung, dass Armut ein Grund für Bürger sein kann, ihre Heimatländer zu verlassen und innerhalb der EU nach Perspektiven zu suchen; in der Erwägung, dass sich die Mitgliedstaaten insbesondere darum bemühen sollten, die Armut in der gesamten EU zu mindern; in der Erwägung, dass Armut allein niemals ein Grund für eine Rückführung oder eine Zwangsrückkehr von einem Mitgliedstaat in einen anderen sein kann;
G. in der Erwägung, dass die Armutsminderung ein eigens genanntes Ziel des Europäischen Sozialfonds und der Strategie Europa 2020 ist und in der Erwägung, dass es den Mitgliedstaaten obliegt, die dafür bestimmten Mittel entsprechend zu nutzen;
H. in der Erwägung, dass der Grundsatz der Nichtdiskriminierung und der Gleichbehandlung auf dem Arbeitsmarkt ein Grundprinzip ist, das uneingeschränkt beachtet werden muss;
I. in der Erwägung, dass den Mitgliedstaaten ausreichend Zeit zur Verfügung stand, um ihre Systeme der sozialen Sicherheit an die Freizügigkeit von Arbeitnehmern in der EU anzupassen, insbesondere diejenigen Mitgliedstaaten, die die Übergangsregelungen angewendet haben;
1. weist darauf hin, dass das Prinzip der Freizügigkeit ein Grundrecht für alle Unionsbürger darstellt und dass in Bezug auf dieses Grundrecht keine Abweichung vom EU-Recht akzeptiert werden kann;
2. bedauert, dass verschiedene führende Politiker Europas in den Tagen vor dem Ende des Übergangszeitraums für Rumänien und Bulgarien die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Freizügigkeit negativ und ungerechtfertigt in den Vordergrund gerückt haben;
3. widerspricht nachdrücklich diesen führenden europäischen Politikern, die Veränderungen und Einschränkungen der Freizügigkeit von Bürgern fordern; betont, dass die Einschränkung der Rechte einer Gruppe von Bürgern eine Ausschließung und Ausgrenzung dieser Gruppe zur Folge hat, dass dies als ungerechte Behandlung durch die EU betrachtet wird, dass es das Risiko mit sich bringt, dass diese Gruppen Opfer von fremdenfeindlichen Anschlägen werden und dass dies weiter reichende Folgen hinsichtlich der Zunahme von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in allen Mitgliedstaaten hat;
4. hält den Standpunkt einiger politischer Parteien, dass die Migration eine Belastung für die nationalen Sozialsysteme sei und dass der so genannte „Sozialtourismus“ eine große Bedrohung für Mitgliedstaaten darstelle, für falsch; betont, dass keiner der Mitgliedstaaten, die von einer Belastung sprechen, der Kommission wie gefordert entsprechende Belege vorgelegt hat;
5. weist darauf hin, dass die Richtlinie 2004/38/EG bereits die Einschränkung vorsieht, der zufolge die betroffenen Personen nachweisen müssen, dass sie über ausreichende Mittel verfügen, um dem Sozialsystem des Aufnahmestaats nicht zur Last zu fallen;
6. fordert die Kommission und die Mitgliedstaaten auf, über die strikte Anwendung des Arbeitsrechts zu wachen, um die Gleichbehandlung aller EU-Arbeitnehmer sicherzustellen; betont, dass die Mitgliedstaaten alles dafür tun müssen, um der Ausbeutung von schutzbedürftigen Arbeitnehmern ein Ende zu setzen und dass dies dem fairen Wettbewerb und fairen Arbeitsmärkten zugutekommt;
7. stellt fest, dass es so genannte Hotspots – das heißt Orte, an den sich Gruppen von sehr armen Bürgern aus anderen Mitgliedstaaten niedergelassen haben – tatsächlich gibt und dass dies zu Spannungen in den betroffenen Städten führt; erklärt, dass die Behörden vor Ort und Kommunen konstruktiv daran gearbeitet haben, diese Probleme zu lösen;
8. vertritt jedoch die Auffassung, dass solche Spannungen gelöst werden könnten und sollten, indem – etwa über den Europäischen Sozialfonds – sowohl die betroffenen Individuen als auch die betroffenen Regionen unterstützt werden;
9. fordert die Mitgliedstaaten dazu auf, das Recht der Freizügigkeit von Arbeitnehmern unnachgiebig als ein Grundrecht zu verteidigen, das durch angemessene Sozial- und Arbeitnehmerrechte und die strikte Durchsetzung von Arbeitsgesetzen untermauert werden sollte;
10. betont, dass die Rechte und Pflichten von EU-Bürgern, die am gleichen Ort leben und arbeiten, nicht von ihrer Staatsbürgerschaft abhängig sein sollten;
11. fordert die Mitgliedstaaten dazu auf, jede Möglichkeit zu nutzen, um gegen die armutsbedingte Migration innerhalb der EU anzugehen, ohne dabei das Prinzip der Freizügigkeit von Arbeitnehmern und ihren Familienangehörigen zu beeinträchtigen;
12. fordert die Mitgliedstaaten dazu auf, für die Gleichbehandlung von ausländischen Arbeitnehmern aus der EU und inländischen Arbeitnehmern zu sorgen;
13. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Kommission, dem Rat und den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.