ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Lage im Irak
19.2.2014 - (2014/2565(RSP))
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung
José Ignacio Salafranca Sánchez-Neyra, Elmar Brok, Mairead McGuinness, Cristian Dan Preda, Ria Oomen-Ruijten, Tunne Kelam, Francisco José Millán Mon, György Schöpflin, Bernd Posselt, Krzysztof Lisek, Alf Svensson, Esther de Lange, Roberta Angelilli, Sari Essayah, Alejo Vidal-Quadras, Dubravka Šuica, Elena Băsescu, Davor Ivo Stier im Namen der PPE-Fraktion
Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B7-0188/2014
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zum Irak,
– unter Hinweis auf das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen (PKA) zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Irak andererseits,
– unter Hinweis auf die anlässlich des Internationalen Tags der Menschenrechte vor Ort im Irak abgegebene EU-Erklärung vom 10. Dezember 2013,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates (Auswärtige Angelegenheiten) zum Irak, insbesondere die Schlussfolgerung vom 10. Februar 2014,
– unter Hinweis auf die Erklärungen der Vizepräsidentin der Kommission / Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (VP/HV), Catherine Ashton, zum Irak, insbesondere die Erklärungen vom 5. Februar 2014, vom 16. Januar 2014 und vom 18. Dezember 2013,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Sprechers der VP/HV vom 28. Dezember 2013 zur Tötung der Bewohner des Lagers Hurrija,
– unter Hinweis auf die Erklärung des Vorsitzes des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 10. Januar 2014 zum Irak,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,
– unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 1966, zu dessen Vertragsparteien der Irak gehört,
– gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass der UN-Sicherheitsrat am 10. Januar 2014 die Anschläge der Gruppe „Islamischer Staat im Irak und in der Levante“ (ISIL), die sich gegen die irakische Bevölkerung richteten und das Land und den ganzen Raum destabilisieren sollten, verurteilt und festgestellt hat, dass die irakischen Sicherheitskräfte, die örtliche Polizei und die Stämme in der Provinz Anbar sehr mutig gegen die ISIL in ihren Städten vorgehen, um sie zu bezwingen;
B. in der Erwägung, dass den Angaben der Hilfsmission der Vereinten Nationen für Irak (UNAMI) vom 1. Februar 2014 über Opferzahlen zufolge im Januar 2014 bei Terrorakten und Gewalttaten insgesamt 733 Iraker getötet und weitere 1 229 verletzt wurden; in der Erwägung, dass bei den Zahlen für Januar 2014 die Opfer der andauernden Kämpfe in der Provinz Anbar nicht mitgezählt wurden, weil es schwierig ist, diese Zahlen zu überprüfen und festzustellen, wie viele Menschen umgebracht bzw. verletzt wurden;
C. in der Erwägung, dass am 5. Februar 2014 das irakische Außenministerium in Bagdad angegriffen wurde und dass am 10. Februar 2014 der Konvoi des Sprechers des Repräsentantenrats, Osama al-Nudschaifi, in Mosul in der Provinz Ninawa angegriffen wurde;
D. in der Erwägung, dass am 13. Februar 2014 mehr als 63 000 von den Kämpfen in der Provinz Anbar betroffene Familien als Binnenvertriebene registriert waren; in der Erwägung, dass viele Menschen in andere Landesteile geflüchtet sind, beispielsweise in die Provinzen Kerbala, Bagdad und Arbil, während andere in den Randgebieten der Provinz Anbar Schutz suchen oder nicht imstande sind, vor den Kämpfen zu fliehen; in der Erwägung, dass ihre Situation nach wie vor unsicher ist, da die Lebensmittel- und Trinkwasservorräte zur Neige gehen, die sanitären Verhältnisse schlecht sind und die medizinische Versorgung eingeschränkt ist;
E. in der Erwägung, dass der Sonderbeauftragte des UN-Generalsekretärs für den Irak, Nikolaj Mladenow, am 13. Februar 2014 erklärte, seit Anfang Januar 2014 hätten die Vereinten Nationen ihre Zusammenarbeit mit der Regierung und den lokalen Behörden fortgesetzt, um den von den Kämpfen in der Provinz Anbar betroffenen Menschen zu helfen, und seine Besorgnis darüber bekundete, dass sich die Lage in Falludscha zusehends verschlimmert, wo viele Einwohner im Kampfgebiet festsitzen; in der Erwägung, dass die Vereinten Nationen weiterhin darauf dringen, dass humanitäre Hilfe in die Stadt gelassen wird;
F. in der Erwägung, dass die Sicherheit im Irak nach wie vor von bewaffneten Gruppen erheblich gefährdet wird, die Gewalt fördern und versuchen, die Bevölkerung zu spalten; in der Erwägung, dass interne politische Differenzen und religiöse Spannungen ebenfalls wesentlich zur Verschlechterung der Sicherheitslage im Irak beitragen;
G. in der Erwägung, dass am 25. Dezember 2013 bei Bombenanschlägen in den christlichen Bezirken von Bagdad mindestens 35 Menschen getötet und Dutzende verletzt wurden; in der Erwägung, dass die christliche Gemeinschaft im Irak seit vielen Jahren Zielscheibe willkürlicher und grundloser Angriffe von Terroristen ist; in der Erwägung, dass seit 2003 vermutlich mindestens die Hälfte der irakischen Christen das Land verlassen haben;
H. in der Erwägung, dass die UNAMI mit Besorgnis darauf hingewiesen hat, dass am 8. und 9. Oktober 2013 42 zum Tode verurteilte Menschen hingerichtet wurden, was vom irakischen Justizministerium bestätigt wurde;
I. in der Erwägung, dass die EU ihre Zusage bekräftigt hat, den Irak beim Übergang zur Demokratie zu unterstützen, und darauf hingewiesen hat, dass die Einheit und die territoriale Unversehrtheit des Irak wesentliche Elemente beim Aufbau eines sicheren und prosperierenden Staates für alle Bürger und bei der Stabilisierung des gesamten Raums darstellen;
J. in der Erwägung, dass der Kooperationsrat der EU und der Republik Irak am 20. Januar 2014 in Brüssel seine erste Sitzung abgehalten hat; in der Erwägung, dass der Kooperationsrat, der im Rahmen des PKA zwischen der EU und dem Irak tagt, erneut die Bereitschaft beider Parteien bekräftigt hat, ihre Beziehungen weiter zu stärken; in der Erwägung, dass die EU weiterhin die Zusammenarbeit in allen in beiderseitigem Interesse liegenden Bereichen intensivieren und auf gemeinsam vereinbarten Gebieten zielgerichtet Hilfe leisten wird;
1. verurteilt scharf die Anschläge der Gruppe ISIL in der Provinz Anbar; würdigt die Bemühungen der irakischen Sicherheitskräfte und der irakischen lokalen Polizei, deren Angehörige ebenfalls Ziel und Opfer terroristischer Anschläge sind; unterstützt den Appell des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen an die irakische Bevölkerung einschließlich der irakischen Stämme, der führenden lokalen Entscheidungsträger und der irakischen Sicherheitskräfte in der Provinz Anbar, ihre Zusammenarbeit im Kampf gegen Gewalt und Terror weiterzuführen, auszuweiten und zu intensivieren; betont, dass die Gruppe ISIL Ziel der mit den Resolutionen 1267 (1999) und 2083 (2012) des UN-Sicherheitsrats verhängten Maßnahmen – eines Waffenembargos und des Einfrierens von Vermögenswerten – ist und dass diese Maßnahmen unbedingt schnell und wirksam umgesetzt werden müssen;
2. ist zutiefst beunruhigt angesichts der Entwicklungen in der Provinz Anbar und der großen Anzahl von Binnenvertriebenen, die aus den Konfliktgebieten fliehen; fordert, dass humanitäre Hilfe nach Falludscha gelassen wird; begrüßt die Zusage der irakischen Regierung, die Zivilbevölkerung in Falludscha und anderenorts zu schützen und humanitäre Hilfe zu leisten; legt der irakischen Regierung nahe, weiterhin mit der UNAMI und mit humanitären Organisationen zusammenzuarbeiten, um die Lieferung humanitärer Hilfsgüter sicherzustellen; begrüßt die Anstrengungen der Vereinten Nationen, den von den Kämpfen in der Provinz Anbar betroffenen Menschen trotz der Schwierigkeiten aufgrund der immer schlechteren Sicherheitslage und der laufenden Operationen in der Provinz zu helfen; fordert sicheres Geleit für Zivilisten, die in Konfliktgebieten eingeschlossen sind, und die sichere Rückkehr von Binnenvertriebenen, wenn die Umstände es erlauben;
3. verurteilt scharf alle terroristischen Akte, darunter die jüngste Serie von Bombenanschlägen, und alle religiös motivierten Gewalttaten im Irak; ist zutiefst beunruhigt über die Verschlechterung der Sicherheitslage im Land, die zunehmende terroristische Bedrohung im Irak und die deutliche Zunahme der Gewalt; weist auf die negativen Auswirkungen des syrischen Konflikts auf die Sicherheit im Irak hin; spricht den Familienangehörigen und Freunden der Toten und Verletzten sein Beileid aus;
4. ist zutiefst beunruhigt über die anhaltende Gewalt gegen die Zivilbevölkerung, schutzbedürftige Bevölkerungsgruppen und Religionsgemeinschaften, wie die christliche Minderheit; fordert den irakischen Staat nachdrücklich auf, gegen Terrorismus und religiös motivierte Gewalt vorzugehen, die Zivilbevölkerung vor weiterer Gewalt zu schützen, die schutzbedürftigen Bevölkerungsgruppen zu schützen, die Religionsgemeinschaften einschließlich der Christen zu schützen, die Sicherheitslage und die öffentliche Ordnung zu verbessern und alles in seiner Macht Stehende zu unternehmen, um diejenigen, die Gewaltakte und terroristische Anschläge begehen, organisieren, finanzieren oder anderweitig unterstützen, zur Verantwortung zu ziehen; fordert alle Staaten nachdrücklich auf, in dieser Hinsicht gemäß ihren Verpflichtungen nach dem Völkerrecht und den einschlägigen Resolutionen des UN-Sicherheitsrats aktiv mit dem irakischen Staat zusammenzuarbeiten; begrüßt, dass die EU die irakischen Staatsorgane bei der Bekämpfung des Terrorismus unterstützt und bereit ist, mit dem Irak zusammenzuarbeiten, damit dieser weltweiten Bedrohung umfassend und unter Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts begegnet werden kann; nimmt erfreut den Beschluss des irakischen Ministerrats vom 21. Januar 2014 zur Kenntnis, eine Studie über die Schaffung einer Provinz in der Ninawa-Ebene auszuarbeiten, die den größten christlichen Bevölkerungsanteil im Irak aufweist;
5. fordert die politischen und religiösen Führer im Irak nachdrücklich auf, in einen Dialog zu treten und sich gegen religiös motivierte Spaltungsversuche und Gewalt auszusprechen; fordert die irakische Regierung auf, die Rechtsstaatlichkeit zu stärken und entschiedene Maßnahmen zur Förderung von Inklusion und Aussöhnung zu ergreifen; befürwortet die Anstrengungen der EU, den Irak bei der Förderung der Demokratie, der Menschenrechte, der verantwortungsvollen Staatsführung und der Rechtsstaatlichkeit zu unterstützen und sich dabei auf die Erfahrungen und Ergebnisse der Mission EUJUST LEX-Iraq zu stützen, ebenso wie die Anstrengungen der UNAMI und des Sonderbeauftragten des UN-Generalsekretärs, mit denen die irakische Regierung dabei unterstützt wird, ihre demokratischen Institutionen und Prozesse zu stärken, die Rechtsstaatlichkeit zu fördern, den regionalen Dialog zu erleichtern, die Grundversorgung zu verbessern und die Menschenrechte zu schützen; begrüßt das am 22. Januar 2014 eingeleitete, von der EU finanzierte und vom Büro der Vereinten Nationen für Projektdienste umgesetzte Programm für den Aufbau von Kapazitäten, mit dem das irakische Hochkommissariat für Menschenrechte bei der Wahrnehmung seines Mandats zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte im Irak unterstützt werden soll;
6. begrüßt die Woche der interreligiösen Harmonie (World Interfaith Harmony Week), die vom 1. bis 7. Februar 2014 im Irak stattfand; unterstützt diese von den Vereinten Nationen initiierte jährliche Veranstaltung, mit der allen Staaten die Bedeutung des Dialogs zwischen verschiedenen Glaubensrichtungen und Religionen nahegebracht werden soll;
7. ist zutiefst beunruhigt über die hohe Zahl von Hinrichtungen im Irak; fordert die irakischen Staatsorgane auf, die Vollstreckung aller Todesurteile auszusetzen;
8. begrüßt, dass am 4. November 2013 Änderungen des irakischen Wahlrechts verabschiedet wurden, mit denen der Weg für die Parlamentswahl geebnet wurde, die am 30. April 2014 stattfinden soll; betont die Bedeutung dieser Wahl für den weiteren Übergang zur Demokratie im Irak; fordert alle Akteure auf, für eine inklusive, transparente und glaubwürdige Wahl zum geplanten Termin zu sorgen; begrüßt, dass der Irak um Wahlunterstützung nachgesucht hat und die EU alle Möglichkeiten einer Unterstützung des Irak prüft;
9. begrüßt die Fortschritte bei der Umsetzung des PKA, einschließlich der erfolgreichen Veranstaltung mehrerer Treffen auf Sachverständigenebene im Oktober und November 2013 und der ersten Sitzung des Kooperationsrates EU-Irak am 20. Januar 2014;
10. verurteilt scharf den Raketenangriff vom 26. Dezember 2013 auf das Flüchtlingslager Hurrija, bei dem verschiedenen Meldungen zufolge mehrere Bewohner des Lagers ums Leben kamen und weitere verletzt wurden; betont, dass die Umstände dieses brutalen Vorfalls aufgeklärt werden müssen; fordert den irakischen Staat auf, die Sicherheitsvorkehrungen um das Lager herum zu erhöhen, damit die Bewohner vor weiteren Gewalttaten geschützt werden; fordert die irakische Regierung nachdrücklich auf, die Täter zu finden und sie zur Verantwortung zu ziehen; stellt fest, dass die EU allen Parteien nahelegt, die Bemühungen des Hohen Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen zu unterstützen, für alle Einwohner des Lagers Hurrija so schnell wie möglich eine ständige und sichere Unterkunft außerhalb des Irak zu finden;
11. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Vizepräsidentin der Kommission / Hohen Vertreterin der Union für die Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen und der Regierung und dem Repräsentantenrat des Irak zu übermitteln.