ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Lage in Venezuela
25.2.2014 - (2014/2600(RSP))
gemäß Artikel 110 Absatz 2 der Geschäftsordnung
Willy Meyer, Inês Cristina Zuber, João Ferreira, Sabine Lösing, Jacky Hénin, Jean-Luc Mélenchon, Nikolaos Chountis, Marisa Matias, Alda Sousa im Namen der GUE/NGL-Fraktion
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf Kapitel 1 Artikel 1 Nummer 2 der Charta der Vereinten Nationen, in der es als Ziel bezeichnet wird, „freundschaftliche, auf der Achtung vor dem Grundsatz der Gleichberechtigung und Selbstbestimmung der Völker beruhende Beziehungen zwischen den Nationen zu entwickeln und andere geeignete Maßnahmen zur Festigung des Weltfriedens zu treffen“,
– unter Hinweis auf Artikel 1 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte wie auch Artikel 1 des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, die mit diesem Text beginnen: „Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung. Kraft dieses Rechts entscheiden sie frei über ihren politischen Status und gestalten in Freiheit ihre wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung.“,
– unter Hinweis auf den Grundsatz der Nichteinmischung im Sinn der Charta der VN,
– unter Hinweis auf die Erklärung der EU-CELAC-Staats-und Regierungschefs vom 27. Januar 2013, in der die Unterzeichner ihr Eintreten für alle Ziele und Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen und ihren Beschluss bekräftigen, alle Anstrengungen zu unterstützen, um die souveräne Gleichheit aller Staaten zu wahren und ihre territoriale Integrität und politische Unabhängigkeit zu achten,
– unter Hinweis auf die Erklärungen der Vizepräsidentin der Kommission / Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik zu Venezuela, insbesondere die Erklärungen vom 14. und vom 21. Februar 2014,
– unter Hinweis auf die Erklärungen des argentinischen Friedensnobelpreisträgers Adolfo Pérez Esquivel zu Venezuela,
– unter Hinweis auf die Erklärungen des Mercosur, der Unasur und der CELAC zur Lage in Venezuela,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Venezuela, insbesondere die Entschließungen vom 24. Mai 2007[1], 23. Oktober 2008[2], 7. Mai 2009[3], 11. Februar 2010[4], 8. Juli 2010[5] und 24. Mai 2012[6],
– gestützt auf Artikel 110 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. unter Hinweis darauf, dass am 12. Februar 2014 von mit rechten und rechtsextremen Parteien verbundenen Studenten eine Demonstration veranstaltet wurde und dass nach dieser Demonstration eine kleine Gruppe gewaltbereiter Demonstranten mit Schusswaffen und stumpfen Gegenständen das Gebäude der Generalstaatsanwaltschaft und mehrere staatliche Gebäude in Caracas und anderen Städten des Landes angriff, Gewalthandlungen und Zerstörungen öffentlichen Eigentums verübte und die wichtigste Verkehrsachse von Caracas blockierte;
B. unter Hinweis darauf, dass während der entsprechenden Auseinandersetzungen zwei Personen erschossen wurden – der militante Linke Juan Montoya und der der Opposition nahe stehende Student Basil Da Costa; unter Hinweis darauf, dass beide in einer Weise in den Kopf geschossen worden, die an den Tod der Personen erinnert, die am 11. April 2002 von Scharfschützen umgebracht wurden, um einen Vorwand für den Putsch zu liefern; unter Hinweis darauf, dass seitdem 13 Personen getötet und 137 verletzt worden sind;
C. in der Erwägung, dass die Gewalthandlungen mit dem eindeutigen Ziel fortgesetzt werden, die demokratisch gewählte Regierung Venezuelas zu destabilisieren; in der Erwägung, dass diese Strategie nicht neu ist, sondern ihr Szenario demjenigen des Staatsstreichs von 2002 und der Gewalthandlungen nach der demokratischen Wahl von Präsident Nicolás Maduro im April 2013 ähnelt, als die entsprechenden Gruppen das Wahlergebnis nicht anerkannten und Gewalthandlungen mit der Folge von 11 Todesopfern Vorschub leisteten;
D. in der Erwägung, dass die Regierung der Bolivarischen Republik Venezuela erklärt hat, diese Gewalthandlungen seien vom Ausland aus durch Organisationen wie USAID und US National Endowment for Democracy angeregt, organisiert und finanziert worden; in der Erwägung, dass das amerikanische Außenministerium nach Auskunft von WikiLeaks seit mindestens zwölf Jahren die venezolanische Opposition finanziert;
E. in der Erwägung, dass nationale und internationale Medien diese Ereignisse einseitig darstellen; in der Erwägung, dass durch Manipulation von Informationen und speziell der über soziale Netze verbreiteten Informationen Gerüchte in Umlauf gekommen sind, ebenso wie gestellte Bilder, die in Syrien, Chile, Ägypten, Spanien oder Singapur so aufgenommen wurden, als wären sie aus Venezuela;
F. unter Hinweis darauf, dass Präsident Maduro zu einer nationalen Friedenskonferenz in Venezuela aufgerufen hat, die am 26. Februar 2014 mit Beteiligung aller zur Mitwirkung bereiten politischen und gesellschaftlichen Kreise stattfinden soll;
G. in der Erwägung, dass in den letzten 14 Jahren in Venezuela 19 Wahlen abgehalten wurden; in der Erwägung, dass die Verfassung der Bolivarischen Republik Venezuela Verfahren der partizipativen Demokratie vorsieht, unter anderem eine Volksabstimmung, mit der dem Präsidenten das Mandat entzogen werden kann;
H. in der Erwägung, dass Venezuela in der Zeit von 2006 bis 2011 auf dem VN-Index der menschlichen Entwicklung um sieben Plätze nach oben gerückt ist und jetzt den 73. von 187 Plätzen einnimmt; in der Erwägung, dass die Regierung Venezuelas im abgelaufenen Jahrzehnt die Sozialausgaben um über 60,6 % gesteigert hat; in der Erwägung, dass Venezuela heute die am wenigsten ausgeprägte soziale Ungleichheit in dieser Weltregion aufweist; in der Erwägung, dass Venezuela laut Informationen der VN-Wirtschaftskommission für Lateinamerika und die Karibik (CEPAL) seine Armutsquote von 48,6 % (2002) auf 29,5 % (2011) gesenkt hat;
I. in der Erwägung, dass Venezuela der weltweit fünftgrößte Ölausfuhrstaat ist und die größten nachgewiesenen Erdölreserven der Welt hat;
J. in der Erwägung, dass diese Welle an subversiver Gewalt zu einer Zeit kommt, in der die legitimen Staatsorgane Venezuelas ihre Maßnahmen gegen verschiedene Formen der Spekulation und des Wirtschaftskriegs gegen das Land intensivieren;
K. in der Erwägung, dass der Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel zur Verteidigung der Demokratie in Venezuela gegen Versuche zur Destabilisierung der Regierung aufgerufen hat, wobei er warnend darauf hinwies, dass in Lateinamerika Putschversuche nach neuen Methoden um sich greifen, und multinationale Medienkonzerne wie CNN und Fox anprangerte, die im Namen des Friedens Kriegspropaganda senden und im Namen der Freiheit Hass propagieren;
1. verurteilt mit Nachdruck den aktuellen Putschversuch und die aktuellen Gewalthandlungen rechter und rechtsextremer Oppositionsgruppen in Venezuela; bedauert die Todesopfer und bringt seine Anteilnahme gegenüber den Angehörigen der Opfer zum Ausdruck;
2. bedauert die Zerstörung von öffentlichem Eigentum in Venezuela und fordert die unverzügliche Einstellung der Gewaltakte;
3. erklärt sich zutiefst besorgt über die Versuche zur Destabilisierung der Bolivarischen Republik Venezuela durch Gewaltakte in einem Rahmen, der demjenigen der Putschversuche von 2002 ähnelt;
4. missbilligt die undemokratische und umstürzlerische Zielsetzung dieser Destabilisierungskampagne, die von extremistischen Gruppen auf die Straßen von Caracas und anderen Städten Venezuelas getragen wird; hebt das imperialistische Interesse der USA hervor, sich den Zugang zu den Erdölressourcen Venezuelas zu sichern, und ihr politisches Ziel der Schwächung der Staaten der ALBA (Bolivarianische Allianz für die Völker unseres Amerika);
5. vertritt die Auffassung, dass die genannten Ereignisse die Furcht der venezolanischen Oligarchie erkennen lassen, dass ihre Interessen durch die gegenwärtigen tief greifenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umgestaltungen und die anhaltende Unterstützung der Bevölkerung für diesen Prozess gefährdet seien;
6. beklagt die Putschvergangenheit eines Teils der Opposition, der sich durch Versuche, die verfassungsmäßige Ordnung in Venezuela zu zerbrechen, mehrfach außerhalb des demokratischen Rahmens gestellt hat;
7. bekräftigt seine vorbehaltlose Unterstützung und Solidarität gegenüber dem venezolanischen Volk, dem sich im Geist Bolívars vollziehenden Prozess und dem gewählten Präsidenten Nicolás Maduro; weist alle Angriffe auf die Demokratie und die Souveränität Venezuelas zurück;
8. befürwortet die Initiative der Regierung Venezuelas zur Veranstaltung einer nationalen Friedenskonferenz in Venezuela am 26. Februar 2014, zu der alle politischen und gesellschaftlichen Kreise eingeladen wurden;
9. bedauert den Beitrag internationaler Medien zur Verbreitung von Gerüchten unter Verwendung gestellter Bilder mit dem Ziel, eine Atmosphäre von Gewalt und Destabilisierung zu schaffen, die die venezolanische Regierung schwächen soll; weist darauf hin, dass die Informationsfreiheit ein grundlegendes Menschenrecht ist, und fordert die internationalen Medien auf, ihrer Verantwortung gerecht zu werden und über die Ereignisse fair, präzise und ausgewogen Bericht zu erstatten, was derzeit nicht der Fall ist;
10. beklagt nachdrücklich jedwede Einmischung der EU oder irgendeines Staates in die internen Angelegenheiten dritter Staaten;
11. betont, dass der Dialog mit dritten Staaten unter keinen Umständen Einschränkungen des Rechts der Völker auf Selbstbestimmung herbeiführen sollte; bedauert, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten allzu oft diplomatischen, politischen oder wirtschaftlichen Erwägungen Vorrang vor den Menschenrechten einräumen, wobei dieser Ansatz überdies einer Politik Vorschub leistet, bei der mit zweierlei Maß gemessen wird und die im Widerspruch zur Allgemeingültigkeit der Menschenrechte steht; erachtet es im Interesse der Glaubwürdigkeit der EU als sehr wichtig, jegliche Instrumentalisierung dieser Themen zu unterlassen;
12. hebt den wichtigen Beitrag Venezuelas zur Einleitung und Stärkung eines Prozesses der Zusammenarbeit und Integration zum Nutzen der Völker Lateinamerikas hervor;
13. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Kommission, dem Rat, der Regierung der Bolivarischen Republik Venezuela, dem Parlament des Mercosur und der Parlamentarischen Versammlung Europa-Lateinamerika zu übermitteln.