ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Lage in der Ukraine
15.7.2014 - (2014/2717(RSP))
gemäß Artikel 123 Absatz 2 der Geschäftsordnung
Rebecca Harms, Ulrike Lunacek, Tamás Meszerics, Heidi Hautala, Benedek Jávor, Bas Eickhout, Ernest Maragall im Namen der Verts/ALE-Fraktion
Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B8-0025/2014
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine vorangegangenen Entschließungen zur Ukraine, insbesondere auf seine Entschließungen vom 27. Februar 2014 zur Lage in der Ukraine[1], vom 13. März 2014 zur Invasion Russlands in der Ukraine[2] und vom 17. April 2014 zum Druck Russlands auf die Länder der Östlichen Partnerschaft und insbesondere zur Destabilisierung der Ostukraine[3],
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen der Sondertagung des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ zur Ukraine vom 3. März 2014 sowie auf die Schlussfolgerungen der Tagungen des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ vom 17. März 2014, 14. April 2014, 12. Mai 2014 und 23. Juni 2014,
– unter Hinweis auf die Erklärung der Staats- und Regierungschefs zur Ukraine auf der Tagung des Europäischen Rates vom 6. März 2014,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen der Tagung des Europäischen Rates vom 20. März 2014 und vom 27. Juni 2014 zur Ukraine,
– unter Hinweis auf die Erklärung der internationalen Beobachtungsmission des BDIMR der OSZE über vorläufige Erkenntnisse und Schlussfolgerungen zu der vorgezogenen Parlamentswahl vom 25. Mai 2014 in der Ukraine,
– gestützt auf Artikel 123 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass bei den Ereignissen seit April 2014 prorussische Separatistengruppen in der Südostukraine zunächst die Gebäude der jeweiligen Gebietsverwaltung und andere öffentliche Gebäude besetzt und gewaltsame Demonstrationen inszeniert haben; in der Erwägung, dass an den folgenden Tagen schwer bewaffnete und maskierte Milizionäre ohne Hoheitszeichen im Zuge einer Reihe von koordinierten Überfällen Städte, Siedlungen und Dörfer im Osten der Ukraine militärisch besetzt haben, insbesondere in den Gebieten Luhansk und Donezk;
B. in der Erwägung, dass prorussische Milizen in diesen Gebieten „Volksrepubliken“ ausgerufen und anschließend zur Stützung dieser „souveränen Republiken“ Volksabstimmungen abgehalten haben; in der Erwägung, dass alle Bemühungen der Staatsorgane aus Kiew um die Aufnahme eines echten Dialogs über die Beilegung der Probleme der Region und insbesondere über die Dezentralisierung der Verwaltung und die entsprechenden Verfassungsreformen von denjenigen, die die Macht übernommen haben, zurückgewiesen wurden;
C. in der Erwägung, dass die Aufständischen auch Panzer, gepanzerte Fahrzeuge, Munition und Waffen aus Russland eingesetzt haben, darunter moderne Mehrfachraketenwerfer, die über die Grenze und die Grenzübergänge geschmuggelt worden waren; in der Erwägung, dass einige der Anführer der separatistischen Milizen russische Staatsangehörige mit Verbindungen zu Russlands Geheim- und Sicherheitsdiensten sind und einige andere aus Tschetschenien, von der Krim und aus Serbien stammen; in der Erwägung, dass die Russische Föderation während der Krise Truppen und militärisches Gerät an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen hat;
D. in der Erwägung, dass die Ukraine am 25. Mai 2014 eine vorgezogene Präsidentschaftswahl unter der Aufsicht einer zahlenmäßig starken internationalen Wahlbeobachtungsmission unter der Leitung des BDIMR der OSZE abgehalten hat; in der Erwägung, dass die Wahl trotz äußerer und innerer Versuche, sie scheitern zu lassen, von den internationalen Beobachtern insgesamt als positiv bewertet wurde; in der Erwägung, dass im Donbass wegen massiver Drohungen und Gewalt durch die Separatisten nur wenige Bürgerinnen und Bürger an der Wahl teilnehmen konnten;
E. in der Erwägung, dass der neu gewählte Präsident Petro Poroschenko in seiner Rede zur Amtseinführung am 7. Juni 2014 einen 15-Punkte-Friedensplan vorgestellt hat, in dem vorgesehen ist, den Konflikt in den Gebieten im Osten des Landes beizulegen, indem diejenigen, die sich ergeben und keine schweren Verbrechen begangen haben, strafrechtlich nicht belangt und sichere Korridore für den Rückzug russischer Söldner eingerichtet werden sowie ein inklusiver Dialog mit friedlichen Bürgerinnen und Bürgern eingeleitet wird;
F. in der Erwägung, dass Präsident Poroschenko eine Waffenruhe verkündet und einseitig bis zum 30. Juni verlängert hat, um die Umsetzung des Friedensplans voranzubringen; in der Erwägung, dass die Waffenruhe ständig verletzt wurde, hauptsächlich von den Separatisten;
G. in der Erwägung, dass laut einer raschen Einschätzung der Lage durch UNICEF bis zu 50 % der Kinder im Gebiet Donezk Zeuge von Gewaltakten geworden sind und unter erheblichen psychosozialen Problemen leiden; in der Erwägung, dass die Staatsorgane, insbesondere Polizei und Justiz, nicht in der Lage sind, die Rechtsstaatlichkeit oder ein Mindestmaß an öffentlicher Sicherheit zu garantieren; in der Erwägung, dass die Erbringung von Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge in zahlreichen Kreisen der Gebiete Donezk und Luhansk erheblich beeinträchtigt oder unterbrochen ist, beispielsweise in den Bereichen Wasserversorgung, Auszahlung von Sozialleistungen und Gesundheitsfürsorge; in der Erwägung, dass über 100 000 Menschen aus den Konfliktgebieten in andere Landesteile und nach Russland evakuiert wurden;
H. in der Erwägung, dass die Außenminister Deutschlands, Frankreichs, Russlands und der Ukraine am 2. Juli 2014 in Berlin zusammengekommen sind und eine Reihe von Maßnahmen vereinbart haben, mit denen auf eine dauerhafte beiderseitige Waffenruhe in der Ostukraine hingewirkt werden soll;
I. in der Erwägung, dass die EU und die Ukraine – nachdem sie am 21. März 2014 bereits die politischen Bestimmungen des Assoziierungsabkommens unterzeichnet hatten – am 27. Juni 2014 die übrigen Teile des Abkommens mit Bestimmungen über eine vertiefte und umfassende Freihandelszone offiziell unterzeichnet haben;
J. in der Erwägung, dass der Rat „Auswärtige Angelegenheiten“ am 27. Juni 2014 die Analyse der Kommission, die Ukraine habe alle Vorgaben aus der ersten Phase des Maßnahmenplans zur Visaliberalisierung erfüllt, bestätigt und anschließend die zweite Phase des Visaliberalisierungsprozesses eingeleitet hat;
K. in der Erwägung, dass der Föderationsrat der Russischen Föderation am 25. Juni 2014 einen Beschluss von Präsident Putin gebilligt hat, die Genehmigung des Einsatzes russischer Streitkräfte im Hoheitsgebiet der Ukraine aufzuheben;
L. in der Erwägung, dass die EU, da keine konkreten Maßnahmen zur Entspannung der Lage ergriffen wurden, ihre Sanktionen im Zusammenhang mit der Lage in der Ukraine verschärft hat, indem die Kriterien für die Verhängung von Visumsperren und das Einfrieren von Vermögenswerten ausgeweitet wurden und nunmehr weitere Personen und zwei weitere Unternehmen von den Maßnahmen betroffen sind; in der Erwägung, dass die begrenzten und gezielten Sanktionen bereits Wirkung gezeigt haben;
M. in der Erwägung, dass im langjährigen Streit zwischen der Ukraine und Russland über die Erdgasversorgung keine Einigung erzielt wurde;
N. in der Erwägung, dass überzeugende internationale diplomatische Maßnahmen auf allen Ebenen notwendig sind, um die Lage zu deeskalieren und zu verhindern, dass die Krise außer Kontrolle gerät; in der Erwägung, dass die EU konkret reagieren muss, damit die Ukraine und andere Länder der Östlichen Partnerschaft ihre Hoheitsgewalt uneingeschränkt und ohne Druck von außen ausüben können;
1. erklärt sich zutiefst besorgt über den fortdauernden Konflikt im Osten der Ukraine, der zum Verlust Hunderter Menschenleben und zur Zerstörung von Wohnraum und Hab und Gut geführt hat und in dessen Folge viele tausend Zivilisten aus den Konfliktgebieten in sichere Gegenden geflohen sind;
2. bekräftigt das naturgegebene Recht der Ukraine zur Selbstverteidigung nach Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen; ist allerdings der Ansicht, dass nur im Zuge einer wirklichen politischen Lösung der Krise einer vollständigen Aussöhnung der Parteien der Weg bereitet und die Einheit des Landes gestärkt werden kann; fordert die Sicherheitskräfte der Ukraine nachdrücklich auf, bei sogenannten Antiterroroperationen das internationale Völkerrecht und internationale Menschenrechtsnormen uneingeschränkt zu achten; hebt hervor, dass die Zivilbevölkerung unbedingt geschützt werden muss;
3. betont die Folgen und Konsequenzen der Krise für die Stabilität und Sicherheit der gesamten Region und für die jetzigen und künftigen Beziehungen zwischen der EU und Russland; fordert Russland nachdrücklich auf, von jeglicher einseitiger Auslegung der Fakten und Ereignisse vor Ort Abstand zu nehmen, mit der es darauf abzielt, einem direkten Eingreifen russischer Streitkräfte in den Konflikt den Boden zu bereiten;
4. unterstützt in diesem Zusammenhang den Friedensplan von Präsident Poroschenko und fordert ein neues Treffen der trilateralen Kontaktgruppe für die Beilegung des Konflikts in der Südostukraine, um eine sofortige Waffenruhe unter Aufsicht der OSZE zu bewirken und dem Grenzschutz der Ukraine und dem Personal der OSZE Zugang zur russischen Seite der Grenzübergänge zu gewähren, um die Lage in den Bereichen zu beobachten, in denen die ukrainische Seite der Grenzübergänge von Separatistengruppen besetzt worden ist;
5. fordert alle Parteien zur Einstellung sämtlicher Kampfhandlungen auf, um die Krise zu deeskalieren, humanitäre Hilfe bereitzustellen und sichere Korridore für Flüchtlinge und Vertriebene einzurichten, die Voraussetzungen für einen echten Dialog zu schaffen und eine tragfähige Lösung zur Stabilisierung der Lage herbeizuführen; fordert darüber hinaus die Aufständischen auf, alle Geiseln unverzüglich freizulassen;
6. vertritt nachdrücklich die Auffassung, dass die OSZE die Hauptaufgabe vor Ort bei der Beilegung der Krise in der Ukraine übernehmen sollte, weil sie im Umgang mit bewaffneten Konflikten und Krisen vertraut ist und ihr sowohl Russland als auch die Ukraine angehören; fordert die Mitgliedstaaten der EU, die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik und die Kommission auf, die Rolle der OSZE im Konflikt in der Ukraine weiter zu stärken; fordert eine Aufstockung der Finanzmittel und des Personals für die OSZE-Sonderbeobachtungsmission, damit die OSZE starke Präsenz entlang der Grenze zu Russland und überall dort zeigen kann, wo es zu Kampfhandlungen gekommen ist oder immer noch kommt; fordert die OSZE auf, so viele Informationen wie möglich über alle gewaltsamen und erheblichen politischen Zwischenfälle zu veröffentlichen, um den Einfluss von Desinformationskampagnen und Propagandamaßnahmen zurückzudrängen; fordert darüber hinaus die OSZE auf, ihre Anstrengungen auf die Verschwundenen der vergangenen Wochen zu richten und sich für deren Freilassung einzusetzen;
7. weist auf den aktuellen Bericht von Amnesty International hin und verurteilt aufs Schärfste die Entführungen, brutalen Prügelattacken, Folterungen, Morde und außergerichtlichen Hinrichtungen sowie weitere schwerwiegende Verstöße gegen die Menschenrechte und andere massive Völkerrechtsverletzungen aus den vergangenen drei Monaten, die gegen nicht aktiv am Konflikt in der Ostukraine beteiligte Aktivisten, Demonstranten, Journalisten und viele andere Bürgerinnen und Bürger gerichtet waren und hauptsächlich von bewaffneten Separatisten – in einigen Fällen aber auch von Regierungstruppen – begangen wurden; unterstützt die Forderung an die Regierung der Ukraine, ein zentrales und regelmäßig aktualisiertes Verzeichnis zur Erfassung mutmaßlicher Entführungen einzurichten sowie sorgfältig und unparteiisch allen Vorwürfen nachzugehen, es sei zu missbräuchlicher Gewaltanwendung, Misshandlungen oder Folterungen gekommen;
8. fordert Russland auf, die Stärke seiner Truppen an der Grenze zur Ukraine unverzüglich zu verringern und sie innerhalb kürzester Zeit von der Grenze zur Ukraine abzuziehen sowie jegliche vorsätzliche Handlung, Infiltration, Lieferung von Waffen oder heimliche Unterstützung der in Kampfhandlungen verwickelten Aufständischen in der Ostukraine zu unterlassen und so die ersten und lang erwarteten konkreten Maßnahmen zu treffen, mit denen es belegen kann, dass es wirklich an einer Deeskalation der Krise interessiert ist;
9. betont, dass Russland seit der Annexion der Krim seine rechtlichen Verpflichtungen als Unterzeichnerstaat des Budapester Memorandums von 1994 und des Vertrags von 1997 über freundschaftliche Beziehungen, Zusammenarbeit und Partnerschaft missachtet, in deren Rahmen die Vertragsparteien übereingekommen sind, die Androhung oder Anwendung von Gewalt gegen die territoriale Integrität oder die politische Unabhängigkeit der Ukraine zu unterlassen;
10. missbilligt mit allem Nachdruck, dass Frankreich die Vorbereitungen der Ausfuhr zweier Mistral-Hubschrauberträger nach Russland nicht unterbrochen und im Hafen Saint-Nazaire mit der Schulung von 400 Marinesoldaten aus Russland begonnen hat; stellt erneut fest, dass im Zuge der Ausfuhr dieses besonderen Rüstungsguts die Marine der Russischen Föderation strategisch erheblich gestärkt und zu sehr raschen offensiven Einsätzen in Gewässern wie der Ostsee oder dem Schwarzen Meer befähigt wird; weist außerdem nochmals darauf hin, dass durch diese Ausfuhr zum Rüstungswettlauf in der Region beigetragen wird; vertritt nachdrücklich die Auffassung, dass die Sicherheit Europas durch diese Ausfuhr unmittelbar und erheblich bedroht und damit auch ein Verstoß gegen den Gemeinsamen Standpunkt des Rates 2008/944/GASP zu Waffenausfuhren vorliegt, insbesondere gegen die Kriterien, nach denen eine Ausfuhr in ein Land oder eine Region untersagt ist, in dem bzw. der es Spannungen gibt, das Völkerrecht und internationale Verpflichtungen wie das Budapester Memorandum von 1994 missachtet werden und die Sicherheit der benachbarten Mitgliedstaaten der EU bedroht ist; fordert alle Mitgliedstaaten der EU auf, unverzüglich ein Waffenembargo zu verhängen, das auch Überwachungstechnologie einschließt;
11. erklärt sich besorgt über die Äußerungen von NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, die NATO-Staaten müssten ihre Verteidigungsausgaben wegen der Rolle Russlands in der Krise in der Ukraine deutlich erhöhen; zeigt sich gleichfalls besorgt wegen der Ankündigungen des Präsidenten der USA, etwa eine Milliarde USD in Rüstungsgüter in Mittel- und Osteuropa zu investieren; weist erneut darauf hin, dass die Ausfuhr der Mistral-Hubschrauberträger durch Frankreich und die Rüstungsinvestitionen der USA in Mittel- und Osteuropa nicht nur Teil eines gefährlichen und verantwortungslosen Nullsummenspiels, sondern auch klare Anzeichen für das Entstehen eines Rüstungswettlaufs sind; erachtet die Maßnahmen zur weiteren Militarisierung, wie sie von Entscheidungsträgern aus Frankreich, den USA und in der NATO beabsichtigt werden, als geeignet, den stark zivil geprägten Ansatz der Europäischen Union, der auf Sanktionen und Verhandlungen beruht, zu untergraben und zu schwächen; betont außerdem, dass die kontinuierlichen Waffenausfuhren in eklatantem Widerspruch zu den gemeinsamen Standpunkten der EU und den einschlägigen Wirtschaftssanktionen stehen;
12. fordert den Europäischen Rat auf, zur Krise in der Ukraine und insbesondere in Anbetracht des Verhaltens der Regierung Russlands eine kohärentere und härtere Strategie zu verfolgen; begrüßt den Beschluss der Europäischen Union, gezielte Sanktionen – wie unter anderem Reisebeschränkungen und das Einfrieren von Vermögenswerten – gegen Personen auszuweiten, die Intoleranz und Hass propagieren und Kriegshetze betreiben oder für Maßnahmen verantwortlich sind, die die territoriale Integrität, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder gefährden könnten; missbilligt aber den Beschluss, trotz der Eskalation der Krise nicht die dritte Stufe der Sanktionen einzuleiten; fordert mit Nachdruck den Abschluss der Vorbereitungen für die Anwendung der dritten Stufe der Sanktionen und auch ein Waffenembargo;
13. fordert die Staatsorgane der Ukraine auf, in einen offenen, transparenten und inklusiven Dialog einzutreten; fordert die Staatsorgane der Ukraine in diesem Zusammenhang und in Anbetracht des fortbestehenden Konflikts außerdem auf, die notwendigen und erwarteten Reformen der Verfassung, des politischen Systems und in der Wirtschaft nicht zu verzögern; ist in diesem Zusammenhang der Ansicht, dass eine Verfassungsreform in der Ukraine Gegenstand einer breit angelegten und umfassenden Diskussion sein sollte, an der sich alle Teile der Gesellschaft der Ukraine beteiligen und die in ein Referendum münden sollte;
14. begrüßt, dass trotz der Feindseligkeiten im Ostteil des Landes eine vorgezogene Präsidentschaftswahl im Einklang mit internationalen demokratischen Verpflichtungen abgehalten wurde; betont, dass die Beobachtungsmission des BDIMR der OSZE die Wahl insgesamt positiv bewertet und dabei Verbesserungen gegenüber vorangegangenen Wahlen festgestellt hat; fordert die Staatsorgane der Ukraine auf, alle in den vorläufigen Erkenntnissen und Schlussfolgerungen erwähnten Probleme anzugehen;
15. unterstützt das Vorhaben von Präsident Poroschenko, im Herbst eine vorgezogene Parlamentswahl abzuhalten;
16. betont, dass die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und der Ukraine am 27. Juni 2014 ein grundlegender Schritt zur Vertiefung der Beziehungen beider Seiten und zur Einbindung der Ukraine in die Integration Europas ist; sieht der Annahme eines Fahrplans für die Umsetzung des Abkommens erwartungsvoll entgegen und fordert die Kommission auf, die fachliche und finanzielle Hilfe aufzustocken und so für eine erfolgreiche Umsetzung Sorge zu tragen; bekräftigt hierzu seine Auffassung, dass dieses Abkommen nicht das Endziel der Beziehungen zwischen der EU und der Ukraine darstellt; weist außerdem darauf hin, dass die Ukraine – wie jeder andere europäische Staat – gemäß Artikel 49 des Vertrags über die Europäische Union eine europäische Perspektive hat und eine Mitgliedschaft in der Union beantragen kann, sofern sie sich an die Grundsätze der Demokratie hält, die Grundfreiheiten, die Menschen- und die Minderheitenrechte achtet und die Rechtstaatlichkeit gewährleistet; hebt hervor, dass ein Assoziierungsabkommen oder ein Abkommen über eine vertiefte und umfassende Freihandelszone mit der Europäischen Union in keinerlei Verbindung zu einer NATO-Mitgliedschaft stehen;
17. begrüßt, dass am 8. Juli 2014 in Brüssel ein erstes Treffen zur Ukraine stattgefunden hat, an dem hochrangige Vertreter der EU und ihrer Mitgliedstaaten, der Ukraine sowie aus anderen Geberländern, von internationalen Organisationen, internationalen Finanzinstitutionen und der Zivilgesellschaft teilgenommen haben und mit dem darauf abgezielt wurde, die internationale Unterstützung des Landes zu koordinieren; erachtet es als wichtig, dass die internationale Gemeinschaft zusagt, die Stabilisierungs- und Reformmaßnahmen in Wirtschaft und Politik in der Ukraine zu unterstützen, vor allem im Rahmen der politischen Assoziierung der Ukraine und ihrer wirtschaftlichen Integration in die EU sowie durch einen glaubwürdigen Notfallplan für den Wiederaufbau und die Entwicklung der vom Konflikt in Mitleidenschaft gezogenen Gebiete und durch humanitäre Hilfe für Flüchtlinge und Vertriebene;
18. nimmt zur Kenntnis, dass am 11. Juli 2014 das erste trilaterale Treffen der EU, der Russischen Föderation und der Ukraine zur Umsetzung des Assoziierungsabkommens veranstaltet wurde und dass dort dessen mögliche Auswirkungen auf und Folgen für Russland erörtert wurden; erklärt sich davon überzeugt, dass die EU es Russland nicht gestatten darf, dieses Assoziierungsabkommen oder jene mit Georgien und der Republik Moldau zu untergraben, mit seinem Veto zu unterbinden oder anderweitig zu schwächen; betont, dass die EU und Russland in der Vergangenheit starke Wirtschaftsbeziehungen aufgebaut haben; stellt aber auch fest, dass Russland nur durch die Rückkehr auf den Boden des Völkerrechts die Voraussetzungen dafür schaffen kann, dass die Zusammenarbeit und die Beziehungen auch in der Zukunft gut sein werden;
19. fordert die Regierung der Ukraine auf, eine Reihe von ehrgeizigen, transparenten und umfassenden Strukturreformen zu Ende zu führen, in deren Mittelpunkt die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit, die Beseitigung der Korruption durch den Erlass und die Durchsetzung der erforderlichen Rechtsvorschriften, die Schaffung eines ausgewogenen und funktionierenden Regierungs- und Verwaltungssystems auf der Grundlage der Gewaltenteilung und im Einklang mit den europäischen Standards, die Einführung einer grundlegenden Reform des Justizsystems und der Wahlgesetze sowie die Anpassung der Antidiskriminierungsvorschriften an die EU-Standards stehen, insbesondere im Hinblick auf die anstehende Reform des Arbeitsgesetzbuchs; erachtet es als sehr wichtig, einen graduellen Prozess der Dezentralisierung durch Übertragung gesamtstaatlicher Befugnisse auf die Gebiets- und Kommunalverwaltungsorgane einzuleiten, ohne dabei das innere Kräftegleichgewicht und die Funktionsfähigkeit des Staates zu untergraben; begrüßt in diesem Zusammenhang den Beschluss der Kommission, eine Unterstützungsgruppe für die Ukraine einzurichten, die sich mit der Durchführung der „europäischen Reformagenda“ befassen soll;
20. begrüßt das Vorhaben des Rates, im Rahmen einer GSVP-Mission eine Reform des Bereichs der zivilen Sicherheit einzuleiten; betont, dass Polizei und Justiz grundlegend reformiert sowie die Transparenz, die Rechenschaftspflicht und die demokratische und parlamentarische Kontrolle der Polizei gestärkt werden müssen;
21. weist darauf hin, dass der begrenzte Charakter der Maßnahmen, die die EU als Reaktion auf die Invasion Russlands in der Ukraine ergriffen hat, auch darauf zurückzuführen ist, dass die EU bei ihrer Energieversorgung stark von der Russischen Föderation abhängig ist; hält es in diesem Zusammenhang für sehr wichtig, die Abhängigkeit der EU von Moskau und von anderen autoritären Regimes zu verringern und die Möglichkeit eines vollständigen Boykotts in Erwägung zu ziehen sowie gleichzeitig konkrete Alternativen einzurichten, um die Mitgliedstaaten zu unterstützen, die derzeit ausschließlich auf Russland als Energielieferant angewiesen sind; fordert die Kommission in dieser Hinsicht auf, sich für die vollständige Umsetzung des Dritten Energiepakets einzusetzen und Energieeffizienzprojekte zu unterstützen, da so zusätzliche Erdgasfernleitungskapazitäten wie das Projekt South Stream überflüssig gemacht werden könnten, und darüber hinaus die Energieversorgungsquellen durch den Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energieträger konkret zu diversifizieren; fordert die Mitgliedstaaten nachdrücklich auf, zu unterbinden, dass ihre öffentlich-rechtlichen Unternehmen gemeinsame Projekte mit russischen Unternehmen durchführen, durch die sich die Energiekrisenanfälligkeit Europas verschärft und auf die Isolierung der Ukraine abgezielt wird – beispielsweise das Projekt South Stream; fordert in diesem Zusammenhang den Europäischen Rat außerdem auf, für 2030 verbindliche nationale Ziele für erneuerbare Energieträger und die Energieeffizienz anzunehmen, durch die Europas Abhängigkeit von der Einfuhr fossiler Brennstoffe verringert wird,
22. begrüßt den Beschluss der Regierung Bulgariens, die Arbeiten am Projekt South Stream zu unterbrechen; erklärt sich jedoch zutiefst besorgt über den unlängst von der Regierung Österreichs gefassten Beschluss, weiter in das Projekt South Stream zu investieren, und auch über den Beschluss der Regierung Ungarns, ein Abkommen über die Nutzung der Kernenergie mit Russland zu schließen; zeigt sich davon überzeugt, dass der Besuch, den Präsident Putin kürzlich Wien abgestattet hat, und die Unterzeichnung des Vertrags zwischen der OMV und Gasprom im Zusammenhang mit South Stream als schwerer Rückschlag für die angestrebte einheitliche Herangehensweise der EU an die Krise in der Ukraine und vor allem für die Energiesicherheitspolitik der EU zu bewerten sind;
23. begrüßt die ersten Maßnahmen der Kommission, mit denen die Ukraine in die Lage versetzt werden soll, die Energiekrise zu bewältigen, nachdem Russland beschlossen hat, die Erdgaslieferungen in die Ukraine einzustellen; fordert den Rat und die Kommission dringend auf, die Ukraine auch künftig mit Rat und Tat in ihren Bemühungen um die Beilegung des langjährigen Erdgasstreits mit Russland zu unterstützen;
24. weist auf die dramatische soziale Lage in dem Land hin; fordert die Regierung der Ukraine auf, die an die Vereinbarung mit dem IWF geknüpften Auflagen vollständig offenzulegen, und fordert Begleitmaßnahmen zur Linderung der aktuellen Lage, insbesondere im Hinblick auf die am stärksten schutzbedürftigen Bevölkerungsgruppen; vertritt die Auffassung, dass die IWF-Bedingungen die inneren Spannungen verstärken und eine rasche Kürzung der Gehälter und einen raschen Stellenabbau in der öffentlichen Verwaltung nach sich ziehen könnten und dass als Begleiterscheinung die Korruption steigen könnte; stellt fest, dass das Risiko von Infektionskrankheiten in der Ukraine steigt, da es derzeit einen beträchtlichen Mangel an Impfstoffen gibt, der auf Verzögerungen im Beschaffungsverfahren des Staates und Preiserhöhungen infolge der Abwertung der heimischen Währung zurückzuführen ist;
25. fordert eine unabhängige und unparteiische Untersuchung der Ereignisse, bei denen es am 2. Mai 2014 in Odessa Todesfälle gab, und aller anderen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die seit November 2013 begangen wurden, wobei diese Untersuchung mit starker internationaler Beteiligung und unter der Aufsicht des Europarats durchgeführt werden sollte; fordert, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden; erklärt sich davon überzeugt, dass nur durch eine erfolgreiche Untersuchung dieser Verbrechen dazu beigetragen werden kann, dass die Gesellschaft der Ukraine und die Angehörigen, Freunde und Bekannten der Opfer das Vertrauen in die Institutionen des Staates wiedererlangen;
26. begrüßt, dass die Kommission den vierten Fortschrittsbericht über die Umsetzung des Maßnahmenplans zur Visaliberalisierung durch die Ukraine angenommen und der Rat beschlossen hat, die zweite Phase einzuleiten; fordert nachdrücklich die rasche Aufhebung der Visumpflicht zwischen der EU und der Ukraine als konkrete Antwort auf die auf Europa gerichteten Hoffnungen der Demonstranten auf dem Majdan; fordert nochmals, dass in der Zwischenzeit umgehend zeitlich begrenzte, einfache und preiswerte Verfahren für die Ausstellung von Visa eingeführt werden;
27. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und den Regierungen der Mitgliedstaaten sowie dem Präsidenten, der Regierung und dem Parlament der Ukraine, dem Europarat, der OSZE und dem Präsidenten, der Regierung und dem Parlament der Russischen Föderation zu übermitteln.
- [1] Angenommene Texte, P7_TA(2014)0170.
- [2] Angenommene Texte, P7_TA(2014)0248.
- [3] Angenommene Texte, P7_TA(2014)0457.