ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Lage in der Ukraine
15.7.2014 - (2014/2717(RSP))
gemäß Artikel 123 Absatz 2 der Geschäftsordnung
Johannes Cornelis van Baalen, Guy Verhofstadt, Petras Auštrevičius, Annemie Neyts-Uyttebroeck, Marielle de Sarnez, Marietje Schaake, Louis Michel, Alexander Graf Lambsdorff, Fernando Maura Barandiarán, Jean-Marie Cavada, Antanas Guoga, Charles Goerens, Nathalie Griesbeck, Gerben-Jan Gerbrandy im Namen der ALDE-Fraktion
Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B8-0025/2014
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine vorangegangenen Entschließungen zur Europäischen Nachbarschaftspolitik, zur Östlichen Partnerschaft und zur Ukraine, insbesondere auf seine Entschließung vom 27. Februar 2014 zur Lage in der Ukraine[1], seine Entschließung vom 13. März 2014 zur Invasion Russlands in der Ukraine[2] und seine Entschließung vom 17. April 2014 zum Druck Russlands auf die Länder der Östlichen Partnerschaft und insbesondere zur Destabilisierung der Ostukraine[3],
– unter Hinweis auf das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen in der Ukraine vom 25. Mai 2014 und die vorläufigen Schlussfolgerungen der Beobachtungsmission der OSZE, die erklärte, die Wahlen seien gut organisiert worden, es habe eine hohe Wahlbeteiligung gegeben und die Behörden seien fest entschlossen, ungeachtet der Spannungen im östlichen Teil der Ukraine „eine echte Wahl abzuhalten, die im Großen und Ganzen den internationalen Verpflichtungen entsprach und bei der die Grundfreiheiten geachtet wurden“,
– unter Hinweis auf die Initiativen und Maßnahmen von Präsident Poroschenko zur Wiederherstellung des Friedens und der Ordnung in der ganzen Ukraine, insbesondere auf der Grundlage seines 14-Punkte-Friedensplans,
– unter Hinweis auf die Unterzeichnung der letzten Teile des Assoziierungsabkommens zwischen der EU und der Ukraine und des vertieften und umfassenden Freihandelsabkommens am 27. Mai 2014,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates „Auswärtige Angelegenheiten“ vom 23. Juni 2014 und die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 27. Juni 2014 zur Ukraine,
– gestützt auf Artikel 123 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die russische Besetzung und illegale Annexion der Krim und die anhaltenden Unruhen und Gewalthandlungen, die von Russland unterstützt werden, eine große Gefährdung für die Einheit der Ukraine bedeuten, eine menschliche Tragödie für die Opfer und die beteiligten Personen und eine große Sicherheitskrise für den gesamten europäischen Kontinent darstellen;
B. in der Erwägung, dass die Besetzung und Annektierung der Krim durch Russland einen Verstoß gegen das Völkerrecht und Russlands internationale Verpflichtungen aus der Charta der Vereinten Nationen, der Schlussakte von Helsinki, dem Statut des Europarats und insbesondere dem Budapester Memorandum von 1994 über Sicherheitsgarantien sowie Russlands bilaterale Verpflichtungen aus dem bilateralen Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und Partnerschaft von 1997 darstellen;
C. in der Erwägung, dass die Europäische Union, gemeinsam mit der überwiegenden Mehrheit der internationalen Gemeinschaft, Russlands unrechtmäßige Annexion der Krim mit militärischen Mitteln nicht anerkannt hat und dies auch nicht tun wird;
D. in der Erwägung, dass die von den Separatisten angezettelten Unruhen und Gewalthandlungen in den östlichen Teilen der Ukraine, insbesondere in den Gebieten Luhansk, Donezk und Charkiw, teilweise auf innere Spaltungen in der Ukraine zurückzuführen sind, die jedoch von außen durch Russland geschürt werden, das mit dieser Strategie in voller Absicht versucht, die Autorität der ukrainischen Regierung zu untergraben, den Separatisten direkt und indirekt Beihilfe zu leisten und sie zu unterstützen, nicht zuletzt eine martialische Rhetorik, feindselige Erklärungen und eine gefälschte Berichterstattung;
E. in der Erwägung, dass die kürzlich wiederaufgenommenen direkten Gespräche zwischen der ukrainischen Regierung und der russischen Führung Anlass zu der Hoffnung geben, dass eine diplomatische Lösung zur Beendung der anhaltenden Gewalt gefunden und eine Eskalierung des Konflikts vermieden werden kann, da dies nicht nur Auswirkungen auf die Ukraine, sondern auch auf die Europäische Union und die Russische Föderation haben würde,
F. in der Erwägung, dass die Separatisten die von der ukrainischen Regierung einseitig verkündete Waffenruhe nicht akzeptiert haben,
1. verurteilt aufs Neue entschieden die russische Invasion und Annexion der Krim, die einen klaren Verstoß gegen die Charta der Vereinten Nationen, die OSZE-Schlussakte von Helsinki, das Statut des Europarates, das Budapester Memorandum von 1994 über Sicherheitsgarantien, den bilateralen Vertrag von 1997 über freundschaftliche Beziehungen, Zusammenarbeit und Partnerschaft sowie das Abkommen von 1997 über den Status und die Bedingungen für die Präsenz der russischen Schwarzmeerflotte auf dem Hoheitsgebiet der Ukraine darstellen; ist der Auffassung, dass das Vorgehen Russlands die Sicherheit und Stabilität des gesamten europäischen Kontinents gefährdet;
2. begrüßt den 14-Punkte-Plan von Präsident Poroschenko und seine Vision einer dezentralisierteren Regierungsform für die Ukraine, auf deren Basis die interne Spaltung des Landes überwunden und der separatistischen Gewalt im östlichen Teil der Ukraine ein Ende gesetzt werden sollen;
3. stellt fest, dass die ukrainischen Militär- und Sicherheitskräfte in jüngster Zeit in einigen wichtigen Städten in der Ostukraine Fortschritte bei der Wiederherstellung von Recht und Ordnung erzielt haben; bedauert zutiefst, dass dabei Menschen zu Tode gekommen sind, weist jedoch mit Nachdruck darauf hin, dass die ukrainischen staatlichen Stellen uneingeschränkt gesetzlich zum Handeln befugt waren und Verantwortung übernehmen mussten; fordert alle Beteiligten auf, alles Erdenkliche zu tun, um die Zivilbevölkerung zu schützen;
4. plädiert entschieden für eine Wiederaufnahme umfassender Verhandlungen zwischen allen Parteien, die auf der Grundlage des Friedensplans des Präsidenten durchgeführt werden und zu einem Waffenstillstandsabkommen führen sollen, das von jeder Seite respektiert wird; begrüßt, dass sich der französische und der deutsche Außenminister jüngst auf diplomatischer Ebene um eine Lösung bemüht haben, und bedauert gleichzeitig die Zurückhaltung der Hohen Vertreterin;
5. begrüßt ebenfalls die Erklärung des russischen Präsidenten zur grundsätzlichen Unterstützung des Friedensplans und den Beschluss des Föderationsrates über den Widerruf der Genehmigung des Einsatzes russischer Streitkräfte für ein militärisches Eingreifen in der Ukraine; hofft, dass dieser Entscheidung weitere Maßnahmen von russischer Seite zur Deeskalierung des Konflikts folgen werden, insbesondere und vorrangig dadurch, dass dem Zustrom illegaler Kombattanten sowie den illegalen Waffen- und Ausrüstungslieferungen über die Grenze in die Ukraine Einhalt geboten wird, wobei Russland aktiv seinen Einfluss auf die illegal bewaffneten Gruppen in der Ostukraine geltend machen muss, damit die Gewalt beendet wird und sie ihre Waffen niederlegen; erwartet, dass ohne weitere Verzögerung spürbare Fortschritte in Bezug auf die vier Schritte erzielt werden, die in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 27. Juni 2014 niedergelegt wurden;
6. geht davon aus, dass die Werchowna Rada die im Friedensplan des Präsidenten vorgesehenen Verfassungsänderungen rasch annimmt, insbesondere, was die Stärkung der Selbstverwaltung der Kommunen und ein neues Gesetz über die Verwendung der Sprachen betrifft; weist mit Nachdruck darauf hin, dass das neue Gesetz über die Verwendung von Sprachen den höchsten internationalen und europäischen Standards entsprechen sollte;
7. fordert die ukrainische Regierung mit Nachdruck auf, ihr Versprechen auch einzulösen und bei der bevorstehenden Reform des Arbeitnehmerrechts Diskriminierung aus Gründen der sexuellen Orientierung ausdrücklich zu verbieten;
8. bedauert, dass die Entsendung einer Polizeimission zur Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit im Rahmen der ESVP in die Ukraine, die ursprünglich im April vorgeschlagen und am 23. Juni 2014 auf der Tagung des Rates der Außenminister weiter erörtert wurde, sich verzögert hat; geht davon aus, dass die Mission im Sommer unverzüglich durchgeführt wird;
9. fordert die Freilassung aller unrechtmäßig von den Separatisten festgehaltenen Personen und weist mit Nachdruck darauf hin, dass die OSZE-Sonderbeobachtungsmission uneingeschränkten Zugang zu allen Teilen der Ukraine haben muss, damit sie in der Lage ist, einen Beitrag zur Waffenruhe und zu einer politischen Lösung des Konflikts zu leisten;
10. weist mit Nachdruck darauf hin, dass alle Seiten Erklärungen und eine Ausdrucksweise vermeiden müssen, die den Konflikt noch verschärfen könnten; weist mit Nachdruck darauf hin, dass die Probleme der Ukraine nicht nur auf militärischem Wege gelöst werden können;
11. nimmt mit Zufriedenheit zur Kenntnis, dass der Europäische Rat am 27. Juni 2014 zugesagt hat, „jederzeit im Hinblick auf weitere bedeutende restriktive Maßnahmen wieder zusammenzutreten“, und weist mit Nachdruck darauf hin, dass die Beziehungen zwischen der EU und Russland derzeit nicht wie üblich geführt werden können; geht davon aus, dass der Rat den Anwendungsbereich und den Umfang der Sanktionen erweitern wird, falls und wenn dies sich als notwendig erweisen sollte, und dass die bestehenden Sanktionen gegebenenfalls verlängert werden; stellt besorgt fest, dass im Programm des italienischen Ratsvorsitzes auf Russland nur als „strategischer Partner“ Bezug genommen wird, ohne dass die derzeitige Krise in den Beziehungen zwischen der EU und Russland überhaupt Erwähnung findet;
12. spricht sich uneingeschränkt dafür aus, dass die EU eine finanzielle Unterstützung an die Ukraine in Höhe von 750 Millionen EUR zahlt, und die Bemühungen unterstützt, in der Geberkoordinierungssitzung am 8. Juli 2014 in Brüssel weitere finanzielle Unterstützung sicherzustellen;
13. weist die ukrainische Regierung und alle politischen Parteien und Persönlichkeiten darauf hin, dass im Land dringend wirtschaftliche und politische Reformen notwendig sind; weist darauf hin, dass innenpolitische Reformen nicht nur auf Druck ausländischer Geber eingeleitet werden sollten, sondern mit der Unterstützung einer breiten Öffentlichkeit wirtschaftliche und soziale Chancen schaffen sollen, und zwar durch eine Modernisierung der Gesellschaft;
14. begrüßt die Entscheidung, die Einfuhr von Waren von der Krim und aus Sebastopol, die keine ukrainische Herkunftsbescheinigung haben, zu verbieten, und empfiehlt anderen Ländern, ähnliche Maßnahmen einzuführen;
15. fordert die Kommission auf, mit ihren Bemühungen fortzufahren, eine Vereinbarung zwischen Gazprom und der ukrainischen Regierung über die Gaspreise zu vermitteln; weist mit Nachdruck darauf hin, dass der Einsatz von Energieressourcen als außenpolitisches Instrument die langfristige Glaubwürdigkeit Russlands als zuverlässiger Handelspartner der EU untergräbt, und dass weitere Maßnahmen zur Verringerung der Abhängigkeit der EU von russischem Gas unbedingt Priorität haben müssen;
16. weist mit Nachdruck darauf hin, dass die Befürchtungen Russlands in Bezug auf den EU-Assoziierungsprozess der Ukraine und anderer östlicher Partner angemessen geklärt werden müssen, damit unbegründete Ängste vor neuen geopolitischen Spaltungen auf dem europäischen Kontinent beschwichtigt werden können; weist darauf hin, dass jedes Land selbstverständlich das Recht hat, seine eigenen politischen Entscheidungen zu treffen, wobei die EU jedoch bei den Beziehungen zu ihren östlichen Partnern danach strebt, den Wohlstand zu mehren und die politische Stabilität zu erhöhen, wovon auch die Russische Föderation letzten Endes profitieren dürfte;
17. fordert die Mitgliedstaaten auf, rasch mit dem Ratifizierungsprozess für das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine zu beginnen, und weist nachdrücklich darauf hin, wie wichtig es ist, dass dieses Abkommen uneingeschränkt umgesetzt wird;
18. fordert die neue Kommission auf, die Notwendigkeit einer umfassenden Überprüfung der Nachbarschaftspolitik zu einer absoluten Priorität zu erklären, wobei der Schwerpunkt darauf liegen sollte, dass konkrete und spürbare Ergebnisse erzielt werden, was den Handel, die zwischenmenschlichen Verbindungen und die politische Stabilität betrifft;
19. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen der Mitgliedstaaten, dem amtierenden Präsidenten, der Regierung und dem Parlament der Ukraine, dem Europarat sowie dem Präsidenten, der Regierung und dem Parlament der Russischen Föderation zu übermitteln.
- [1] Angenommene Texte, P7_TA(2014)0170.
- [2] Angenommene Texte, P7_TA(2014)0248.
- [3] Angenommene Texte, P7_TA(2014)0457.