ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Lage im Irak
15.7.2014 - (2014/2716(RSP))
gemäß Artikel 123 Absatz 2 der Geschäftsordnung
Charles Tannock, Geoffrey Van Orden, Anna Elżbieta Fotyga, Ruža Tomašić im Namen der ECR-Fraktion
Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B8-0059/2014
B8‑0059/2014
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage im Irak
(2014/2716 (RSP))
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zum Irak,
– unter Hinweis auf das Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Irak andererseits, sowie unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. Januar 2013 zum Partnerschafts- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Irak[1],
– unter Hinweis auf das gemeinsame Strategiepapier der Kommission für den Irak (2011–2013),
– unter Hinweis auf die von der Unterstützungsmission der Vereinten Nationen für Irak (UNAMI) am 20. Januar 2014 veröffentlichten Opferzahlen und den halbjährlichen Bericht über die Menschenrechte,
– unter Hinweis auf die jüngsten Erklärungen der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik zur Gewalt im Irak,
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Rates zum Iran vom 23. Juni 2014,
– gestützt auf Artikel 123 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die derzeitige Lage im Irak sehr ernst ist, da bewaffnete Extremisten, die für die dschihadistische Gruppe ISIS (den so genannten „Islamischen Staat im Irak und in der Levante“) kämpfen, ihre Terrorkampagne intensivieren und bereits die Kontrolle über große Städte wie Tikrit, Mosul und Tal Afar übernommen haben;
B. in der Erwägung, dass am 30. Juni 2014 berichtet wurde, dass die Gruppe ISIS (auch als ISIL bekannt) ein „Kalifat“ oder einen „islamischen Staat“ in den Gebieten im Irak und in Syrien ausgerufen hat, die es kontrolliert;
C. in der Erwägung, dass Meldungen zufolge allein im Juni 2 400 Menschen getötet wurden, und dass Berichte über wahllose Tötungen, Massenhinrichtungen, Folter und sexuelle Gewalt im Umlauf sind;
D. in der Erwägung, dass nach Schätzungen der Vereinten Nationen derzeit etwa eine Million Menschen im Gebiet des ganzen Nord-und Westirak vertrieben sind; in der Erwägung, dass die Vereinten Nationen ebenfalls davor gewarnt haben, dass Frauen und Mädchen, bedingt durch den Konflikt, geschlechtsbezogener Gewalt und Ausbeutung zum Opfer fallen könnten;
E. in der Erwägung, dass Extremisten der Gruppe ISIS zahlreiche Schreine der Schiiten, Sunniten und Christen sowie Gebetsstätten in der Provinz Niniveh im Nordirak zerstört und Bilder dieser Zerstörung in den sozialen Medien veröffentlicht haben;
F. in der Erwägung, dass die Gruppe ISIS bereits die Anlage von Baiji, eine der größten Öl-Raffinerien Iraks, angegriffen haben, die Regierungstruppe die Kontrolle jedoch vor Kurzem zurückgewonnen hat; in der Erwägung, dass die Terrorgruppe ISIS immer noch bis zu zehn Ölfeldern in Syrien unter ihrer Kontrolle hat, darunter das größte Ölfeld Syriens, Al-Omar, nahe der Grenze zum Irak;
G. in der Erwägung, dass sich Hunderte ausländischer Kämpfer, darunter viele aus EU-Mitgliedstaaten, Berichten zufolge an den Kämpfen aufseiten von ISIS beteiligen;
H. in der Erwägung, dass der Irak auch schon vor den Angriffen der Gruppe ISIS großen politischen, sicherheitsrelevanten und sozioökonomischen Herausforderungen gegenüberstand, die − verbunden mit einer politischen Zersplitterung und Gewalt − die Aussicht auf Frieden, Wohlstand und einen echten Übergang zur Demokratie in der Ära nach Saddam gefährdeten;
I. in der Erwägung, dass die amtierende sektiererische Regierung nicht in der Lage war, im Irak eine stärker auf Inklusion ausgerichtete Gesellschaft aufzubauen; in der Erwägung, dass die internationale Gemeinschaft sich bei der Zusammenarbeit mit der irakischen Regierung einbringen und Unterstützung beim Aufbau der nationalen Einheit leisten muss;
J. in der Erwägung, dass erneute Angriffe sunnitischer Extremisten auf Schiiten und Christen dazu geführt haben, dass 2013 als das blutigste Jahr im Irak seit 2007 in die Geschichte eingegangen ist, in dem etwa 7 818 Zivilsten getötet und 17 981 verletzt wurden;
K. in der Erwägung, dass die Lage im Irak sich „Human Rights Watch“ zufolge auch schon vor dem Aufstand der Gruppe ISIS verschlechtert hatte, da sich die Konflikte zwischen den Religionen verschärft hatten, unter anderem mit täglichen Übergriffen auf die Zivilbevölkerung, Selbstmordattentaten und Autobomben, und immer häufiger verübten Ermordungen; in der Erwägung, dass die Regierung des Irak auf friedliche Proteste mit Gewalt reagiert und als Reaktion auf die sich verschlechternde Sicherheitslage drakonische Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus ergriffen hat;
L. in der Erwägung, dass im April 2014 Parlamentswahlen im Irak stattgefunden haben; in der Erwägung, dass am 1. Juli behauptet wurde, politische Grabenkriege würden die Bildung eines neuen irakischen Parlaments verzögern;
M. in der Erwägung, dass der irakische Premierminister Nouri Malaki es trotz nationalem und internationalem Druck abgelehnt hat, eine neue, inklusive politische Richtung einzuschlagen, um die Aufständischen zu bekämpfen und die Nation zu einen; in der Erwägung, dass Premierminister Maliki trotz der Krise den Leiter der irakischen Bodentruppen und den Leiter der Bundespolizei entlassen hat, nachdem die irakische Armee im Norden des Landes letzten Monat zusammengebrochen ist;
1. verurteilt aufs Schärfste die von der Gruppe ISIS und anderen bewaffneten Gruppen verübten Anschläge gegen irakische Bürger; bedauert außerdem Angriffe auf zivile Ziele und verurteilt nachdrücklich die Hinrichtungen sowie die Anwendung von Folter und sexueller Gewalt im Konflikt;
2. ist zutiefst besorgt über die humanitäre Krise, die sich infolge der jüngsten Kämpfe noch weiter verschärft hat, und nimmt die hohe Zahl der vertriebenen Zivilisten zur Kenntnis; fordert die irakische Regierung auf, alles Erdenkliche zu tun, um die Zivilisten zu schützen und dafür Sorge zu tragen, dass alle Vertriebenen die Hilfe bekommen, die sie brauchen;
3. zeigt sich äußerst besorgt über die von ISIS begangenen Gewalthandlungen und darüber, wie leicht es den Aufständischen offensichtlich gefallen ist, Teile des Iraks unter ihre Kontrolle zu bringen; zeigt sich außerdem besorgt darüber, wie sich die jüngsten Kämpfe auf die politische und wirtschaftliche Lage des Iraks sowie auf die Region und auf internationaler Ebene auswirken werden; unterstreicht die schwerwiegenden geostrategischen Auswirkungen in Bezug auf die irakischen Ölfelder;
4. lehnt die Verkündung der Führung der Gruppe ISIS über die Schaffung eines Kalifats in den von ihr kontrollierten Gebieten entschieden ab, und lehnt ebenfalls jede einseitige mit Gewalt durchgesetzte Änderung international anerkannter Grenzen ab, und fordert die Einhaltung der Grundrechte und Grundfreiheiten der Bevölkerung in den von ISIS kontrollierten Gebieten;
5. ist zutiefst besorgt über die Gewalt gegen religiöse Minderheiten im Irak; fordert die religiösen Führer sowie die Regierung des Landes zur Zusammenarbeit auf, um religiös motivierte Gewalt und das damit verbundene Misstrauen zu beenden und so die Religionsfreiheit zu fördern und das irakische Volk einander näher zu bringen;
6. ist besorgt darüber, dass sich Hunderte ausländischer Kämpfer, darunter viele Bürger aus EU-Mitgliedstaaten, Berichten zufolge dem Aufstand von ISIS angeschlossen haben; fordert außerdem die internationale Gemeinschaft zur Zusammenarbeit auf, damit angemessene rechtliche Schritte gegen alle Personen eingeleitet werden können, die verdächtigt werden, sich an Terroranschlägen beteiligt zu haben, wobei in diesem Zusammenhang auch neue Maßnahmen eingeführt werden müssen, um diejenigen strafrechtlich zu verfolgen, die im Ausland Terroranschläge planen und sich zu diesem Zweck ausbilden lassen; erkennt außerdem die sicherheitspolitischen Auswirkungen sowohl auf der Ebene der Mitgliedstaaten als auch auf EU-Ebene an, wenn keine angemessenen Maßnahmen durchgeführt werden;
7. fordert die religiösen, politischen und zivilen Führer im Irak auf, ihre Meinungsverschiedenheiten zu beseitigen und gemeinsam die Bedrohung durch die Aufständischen zu bekämpfen und Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen;
8. betont sein unumstößliches Bekenntnis zur Achtung der Menschenrechte als ein wesentliches Element beim Aufbau einer starken Demokratie und zur Bekämpfung von Terrorismus und Gewalt; weist außerdem mit Nachdruck auf seine feste Überzeugung hin, dass überzogene oder drakonische Maßnahmen keine wirksame Abschreckung gegen Terrorismus darstellen;
9. bekräftigt erneut sein Engagement, die irakische Bevölkerung bei der Wahrung und Förderung der Menschenrechte zu unterstützen und ihr dabei zu helfen, ihren Wunsch nach einem demokratischen, wohlhabenden, sicheren und inklusiven Land zu verwirklichen;
10. bekräftigt seine Zusage, die Beziehungen der EU zum Irak zu stärken und mit der irakischen Regierung zusammenzuarbeiten, und diese Zusammenarbeit im Wege der Umsetzung der Partnerschaft zwischen der EU und dem Irak und des Partnerschaftsabkommens auszubauen;
11. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Vizepräsidentin der Kommission / Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Rat, der Kommission, dem EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Regierung und dem Repräsentantenrat des Irak, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen und dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zu übermitteln.
- [1] Angenommene Texte, P7_TA(2013)0022.