Entschließungsantrag - B8-0137/2014Entschließungsantrag
B8-0137/2014

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Lage im Irak und in Syrien sowie der ISIS‑Offensive, einschließlich der Verfolgung von Minderheiten

16.9.2014 - (2014/2843(RSP))

eingereicht im Anschluss an eine Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik
gemäß Artikel 123 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Fabio Massimo Castaldo, Ignazio Corrao, Valentinas Mazuronis im Namen der EFDD-Fraktion

Verfahren : 2014/2843(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B8-0137/2014
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B8‑0137/2014

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage im Irak und in Syrien sowie der ISIS‑Offensive, einschließlich der Verfolgung von Minderheiten

(2014/2843(RSP))

Das Europäische Parlament,

–       unter Hinweis auf seine Entschließung vom 17. Juli 2014 zur Lage im Irak[1],

–       unter Hinweis auf die Erklärung des Sprechers des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) vom 29. August 2014 zur Gefangennahme von 43 Angehörigen der Beobachtertruppe der Vereinten Nationen für die Truppenentflechtung auf den Golanhöhen durch bewaffnete Aktivisten,

–       unter Hinweis auf die Erklärung des EAD vom 9. September 2014 zur Bildung einer neuen Regierung im Irak,

–       unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte aus dem Jahr 1948,

–       unter Hinweis auf die Erklärung der Vereinten Nationen vom 18. Dezember 1992 über die Rechte von Personen, die nationalen oder ethnischen, religiösen und sprachlichen Minderheiten angehören,

–       unter Hinweis auf die am 24. Juni 2013 angenommenen Leitlinien der EU zur Förderung und zum Schutz der Religions- und Weltanschauungsfreiheit,

–       unter Hinweis auf die Resolution 2169 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 30. Juli 2014 zum Irak (S/RES/2169/2014) und die Resolution 2170 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 15. August 2014 zu Bedrohungen des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit durch terroristische Handlungen (S/RES/2170/2014),

–       unter Hinweis auf das Kommuniqué von Dschidda vom 11. September 2014 zum Terrorismus,

–       unter Hinweis auf die Erklärung des Präsidenten der Vereinigten Staaten vom 10. September 2014 zum ISIL,

–       unter Hinweis auf die Resolution des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen vom 1. September 2014 zur Menschenrechtslage im Irak angesichts der von dem so genannten Islamischen Staat im Irak und in der Levante und von mit ihm verbündeten Gruppen begangenen Menschenrechtsverletzungen,

–       unter Hinweis auf den Bericht der unabhängigen internationalen Untersuchungskommission für die Arabische Republik Syrien vom 13. August 2014,

–       gestützt auf Artikel 123 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.     in der Erwägung, dass der IS am 29. Juni 2014 in den von ihm kontrollierten Gebieten im Irak und in Syrien ein „Kalifat“, auch als „islamischer Staat“ bezeichnet, ausgerufen hat und dass es seitdem zu einer sprunghaften Zunahme der Gewalt in dem Gebiet gekommen ist;

B.     in der Erwägung, dass in den Gebieten, die unter der Kontrolle des IS stehen, fortwährend Exekutionen durchgeführt und Verbrechen gegen Frauen verübt werden, darunter Entführungen, Vergewaltigungen, Amputationen und öffentliche Auspeitschungen; in der Erwägung, dass im Rahmen der Kampagne des ISIL in den von der Terrorgruppe kontrollierten Gebieten, die als ethnische und religiöse Säuberung eingestuft werden könnte, ethnische und religiöse Minderheiten das Ziel besonders grausamer Verfolgung gewesen sind;

C.     in der Erwägung, dass bei den kürzlich gegen den IS geflogenen Luftangriffen des syrischen Regimes Berichten zufolge mindestens 60 Zivilisten ums Leben kamen; in der Erwägung, dass laut einem Bericht der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (Organization for the Prohibition of Chemical Weapons – OPCW) stichhaltige Beweise dafür gefunden worden seien, dass in Syrien wiederholt eine giftige Chemikalie als Kampfmittel eingesetzt worden sei;

D.     in der Erwägung, dass die Vereinten Nationen die Zahl der syrischen Flüchtlinge auf über drei Millionen veranschlagen, wobei der Großteil dieser Flüchtlinge in Ländern wie dem Libanon, Jordanien und der Türkei Zuflucht sucht, wodurch die Wirtschaft der Aufnahmeländer stark belastet wird;

E.     in der Erwägung, dass die US-Luftstreitkräfte im Irak mehr als 150 Angriffe geflogen haben und Präsident Obama seine Absicht erklärt hat, die Operationen in Syrien durch systematische Luftangriffe gegen den IS auszuweiten und außerdem die irakischen, kurdischen und syrischen oppositionellen Kräfte stärker zu unterstützen; in der Erwägung, dass die Strategie der Vereinigten Staaten darauf abzielt, eine breite Koalition von Partnern zu schaffen, die jeweils einen Teil der Operationen gegen den IS übernehmen;

F.     in der Erwägung, dass das irakische Parlament Haider al-Abadi am 8. September 2014 offiziell als neuen Premierminister des Landes bestätigt und der Mehrzahl der vorgeschlagenen Mitglieder seines Kabinetts zugestimmt hat;

G.     in der Erwägung, dass die kurdische Bewegung in Syrien die Kontrolle über den überwiegenden Teil der kurdischen Teile des Landes erlangt hat, was zur Gründung eines autonomen Gebiets (Rojava) geführt hat, das in drei autonome Kantone gegliedert ist, von denen jeder über eine autonome demokratische Selbstverwaltung verfügt;

H.     in der Erwägung, dass das einseitig proklamierte autonome Gebiet Rojava auf einem Gesellschaftsvertrag beruht, der eine integrative und demokratische Übereinkunft zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen darstellt und in dem die Grundsätze des ökologischen Gleichgewichts, der Religions- und Glaubensfreiheit und der Gleichheit ohne Diskriminierung aufgrund von Rasse, Religion, Glaube, politischer Überzeugung oder Geschlecht festgeschrieben sind; in der Erwägung, dass die Frauen in der Verwaltung des autonomen Gebietes offenbar tatsächlich vertreten sind und über Einfluss verfügen;

I.      in der Erwägung, dass der IS am 13. September 2014 Videomaterial veröffentlicht hat, das angeblich die Hinrichtung der britischen Geisel David Haines zeigt;

1.      ist erschüttert über die brutalen Hinrichtungen von David Haines, Steven Sotloff und James Foley durch den IS; bringt den Familien der Hingerichteten und den Familien sämtlicher Opfer dieses Konflikts sein tief empfundenes Mitgefühl zum Ausdruck;

2.      verurteilt schärfstens die vom IS und anderen, mit ihm verbündeten bewaffneten Gruppierungen begangenen Gräueltaten und systematischen Menschenrechtsverletzungen, einschließlich der Gewalt gegen Personen aufgrund ihrer religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit sowie gegen Frauen und Kinder; ist der Ansicht, dass diese Taten als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft werden könnten und deshalb untersucht werden sollten, damit die Täter zur Verantwortung gezogen werden können;

3.      verurteilt aufs Schärfste das gewaltsame Vorgehen gegen das syrische Volk seitens des Assad-Regimes, dessen rücksichtlose Maßnahmen das gegenwärtige Chaos und die Zerstörung im Lande zur Folge hatten und dessen religiös motivierte Gewalthandlungen und Unterdrückungsmaßnahmen dem Aufstieg des IS in hervorragender Weise den Grund bereitet haben;

4.      ist tief beunruhigt über die Berichte über die Anwendung chemischer Waffen in Syrien; fordert die syrische Regierung unter der Führung Assads auf, ihren Verpflichtungen gemäß der Chemiewaffenkonvention, der Resolution 2118 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen und den Beschlüssen des Exekutivrats der OPCW in vollem Umfang nachzukommen;

5.      begrüßt, dass weitere Mittel zur Linderung der humanitären Krise zur Verfügung gestellt werden; unterstützt den Plan, eine Luftbrücke für humanitäre Hilfe in den Nordirak einzurichten, um der notleidenden Bevölkerung Hilfe zu leisten; ist der Auffassung, dass sich die EU gemeinsam mit ihren internationalen Partnern darauf konzentrieren sollte, die humanitären Hilfsmaßnahmen zu koordinieren, einschließlich der Möglichkeit, humanitäre Korridore zu öffnen, um bedrohten Gemeinschaften Unterstützung zu leisten;

6.      begrüßt die Bildung der neuen irakischen Regierung; fordert Premierminister Haider al-Abadi auf, kompromissbereit und im Interesse einer wirklichen Integration vorzugehen; weist Premierminister al-Abadi darauf hin, dass eine Wiederholung der Fehler der Vergangenheit nur durch eine konfessionsübergreifende Repräsentation verhindert werden kann;

7.      begrüßt das Ergebnis der Ministerkonferenz von Dschidda und insbesondere die Beschlüsse zum Abstellen des Zustroms ausländischer Kämpfer durch Nachbarländer und zur Unterbrechung der Finanzierung des IS und anderer gewalttätiger Extremisten; weist mit Besorgnis auf den Beschluss hin, sich gegebenenfalls an den einzelnen Komponenten einer abgestimmten militärischen Operation gegen den IS zu beteiligen; weist auf die Entscheidung der Türkei hin, die gemeinsame Erklärung nicht zu unterzeichnen;

8.      begrüßt den Beschluss der Arabischen Liga, alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um den IS-Kämpfern entgegenzutreten, und bei den Bemühungen zur Bekämpfung der militanten Gruppierungen mit sämtlichen internationalen, regionalen und nationalen Akteuren zusammenzuarbeiten; ist der Ansicht, dass die Arabische Liga alles in ihren Kräften Stehende unternehmen sollte, um gegen die Finanzströme, die Anwerbetätigkeit und die Kampagnen des IS und ähnlicher Gruppen in den sozialen Medien vorzugehen;

9.      weist auf die Entscheidung bestimmter Mitgliedstaaten hin, die kurdischen Regionalbehörden mit Waffen zu versorgen, sowie auf die Strategie der Vereinigten Staaten, Luftangriffe durchzuführen und gleichzeitig Waffen an militante Gruppen zu liefern, die Gegner des IS sind; ist vor dem Hintergrund der instabilen Lage vor Ort besorgt, dass Waffen, die für die Verwendung gegen den IS bereitgestellt werden, leicht in die Hände des IS selbst oder anderer gewalttätiger radikaler Gruppierungen gelangen könnten; ist der Ansicht, dass jegliche Unterstützung auf den Geheimdienst-, Überwachungs- und Aufklärungsbereich sowie auf Defensivausrüstung und Gerät zur Räumung und Entschärfung von Minen und Sprengfallen beschränkt bleiben sollte;

10.    ist der Auffassung, dass sämtliche Operationen gegen den IS unter dem Schirm der Vereinten Nationen durchgeführt werden sollten;

11.    lobt die Aufnahme von Flüchtlingen durch den Libanon, Jordanien und die Türkei; fordert die internationale Gemeinschaft auf, sich dieser Aufgabe ebenfalls zu stellen, bei der Lastenteilung aktiver und bereitwilliger aufzutreten und den Aufnahmeländern unmittelbar finanzielle Unterstützung zu leisten;

12.    ist der Ansicht, dass das fortschrittliche Experiment einer autonomen Selbstverwaltung in Rojava ein Modell für einen demokratischen Konföderalismus im Nahen Osten sein könnte; fordert die EU und die internationale Gemeinschaft auf, generell ein solches Modell und konkret das Autonomieprojekt in Rojava zu unterstützen;

13.    beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Rat, der Kommission, dem EU-Sonderbeauftragten für Menschenrechte, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Regierung und dem Repräsentantenrat des Irak, der Arabischen Liga, der Regionalregierung von Kurdistan, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen und dem Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen zu übermitteln.