ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Lage im Mittelmeerraum und zur Notwendigkeit eines Gesamtansatzes der EU für Migration
11.12.2014 - (2014/2907(RSP))
gemäß Artikel 128 Absatz 5 der Geschäftsordnung
Claude Moraes im Namen des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres
B8‑0362/2014
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage im Mittelmeerraum und zur Notwendigkeit eines Gesamtansatzes der EU für Migration
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf die Charta der Grundrechte der Europäischen Union,
– unter Hinweis auf die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten,
– unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,
– unter Hinweis auf die Genfer Konvention von 1951 und ihr Zusatzprotokoll,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 9. Oktober 2013 zu Maßnahmen der EU und der Mitgliedstaaten zur Bewältigung des Zustroms von Flüchtlingen infolge des Konflikts in Syrien[1],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 23. Oktober 2013 zu den Flüchtlingswellen im Mittelmeerraum, insbesondere den tragischen Ereignissen vor Lampedusa[2],
– unter Hinweis auf die Rede, die der Präsident des Europäischen Parlaments anlässlich seines Besuchs in Lampedusa am 2. und 3. Oktober gehalten hat, um dem Jahrestag der Tragödie vom 3. Oktober 2013 zu gedenken,
– unter Hinweis auf die Berichte seines Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres über die Reisen seiner Delegationen nach Lampedusa im November 2011, nach Jordanien im Februar 2013 zur Bewertung der Lage der syrischen Flüchtlinge und nach Bulgarien im Januar 2014 zur Bewertung der Lage der Asylsuchenden und Flüchtlinge, insbesondere aus Syrien,
– unter Hinweis auf die Debatte in der Plenartagung vom 9. Oktober 2013 über die Migrationspolitik der EU im Mittelmeer unter besonderer Berücksichtigung der tragischen Ereignisse vor Lampedusa,
– unter Hinweis auf die Debatten, die seit dem Beginn der laufenden Wahlperiode in seinem Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres stattgefunden haben: am 22. Juli 2014 zur Umsetzung der Mitteilung zur Arbeit der Task Force „Mittelmeerraum“; am 4. September 2014 über die Tätigkeiten von Frontex im Mittelmeerraum und die Task Force „Mittelmeerraum“; am 24. September 2014 über den Fünften Jahresbericht der Kommission über Einwanderung und Asyl (2013)[3] und den Jahresbericht des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen (EASO) zur Asylsituation in der Europäischen Union (2013),
– unter Hinweis auf die Mitteilung der Kommission vom 4. Dezember 2013 über die Tätigkeit der Task Force „Mittelmeerraum“[4],
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 20. Dezember 2013,
– unter Hinweis auf das Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen vom 22. Mai 2014 zur Umsetzung der Mitteilung zur Arbeit der Task Force „Mittelmeerraum“[5],
– unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen, die der Europäische Rat auf seiner Tagung vom 26./27. Juni 2014 angenommen hat, und in denen er die strategischen Leitlinien für die gesetzgeberische und operative Programmplanung für die kommenden Jahre innerhalb des Raumes der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts festgelegt hat[6],
– unter Hinweis auf die politischen Leitlinien für die nächste Europäische Kommission, die Präsident Juncker am 15. Juli 2014 anlässlich der Plenartagung des Europäischen Parlaments vorgestellt hat,
– nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses bzw. des Ausschusses der Regionen vom 11. September 2014[7],
– unter Hinweis auf die Zusagen des für Migration, Inneres und Bürgerschaft zuständigen Kommissionsmitglieds, Herrn Avramopoulos, anlässlich seiner Anhörung vor dem Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres am 30. September 2014,
– unter Hinweis auf die am 10. Oktober 2014 angenommenen Schlussfolgerungen des Rates „Maßnahmen zur verbesserten Steuerung der Migrationsströme“,
– unter Hinweis auf den Bericht der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) vom April 2012 mit dem Titel „Tod im Mittelmeer“,
– unter Hinweis auf die Jahresberichte des Sonderberichterstatters der Vereinten Nationen über die Menschenrechte von Migranten, insbesondere auf den im April 2013 veröffentlichten Bericht über den Grenzschutz an den Außengrenzen der Europäischen Union und dessen Auswirkungen auf die Menschenrechte von Migranten und den im April 2014 veröffentlichten Bericht über die Arbeitsausbeutung von Migranten,
– unter Hinweis auf die Rede Seiner Heiligkeit Papst Franziskus anlässlich seines Besuchs im Parlament vom 25. November 2014,
– unter Hinweis auf die Anfragen zur mündlichen Beantwortung an den Rat und an die Kommission über die Lage im Mittelmeerraum und Notwendigkeit eines Gesamtansatzes der EU für Migration (O-000078/2014 – B8‑0037/2014 und O-000079/2014 – B8‑0038/2014),
– unter Hinweis auf die Debatte im Parlament vom 25. November 2014 über die Lage im Mittelmeerraum und Notwendigkeit eines Gesamtansatzes der EU für Migration,
– unter Hinweis auf den Entschließungsantrag des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres,
– gestützt auf Artikel 128 Absatz 5 und Artikel 123 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass der Internationalen Organisation für Migration[8] zufolge seit 2014 mehr als 3 072 Menschen auf den Meeren umgekommen sind, was ein erneuter Hinweis darauf ist, dass alles dafür getan werden muss, um Menschen in Gefahr vor dem Tod zu retten, sowie darauf, dass die Mitgliedstaaten ihren internationalen Verpflichtungen zur Seenotrettung nachkommen müssen;
B. in der Erwägung, dass etwa 500 Migranten Berichten zufolge ermordet wurden, nachdem das Boot, das sie von Ägypten in die EU bringen sollte, angeblich gerammt wurde und absichtlich von Menschenhändlern versenkt wurde; in der Erwägung, dass die illegale Migration von Schleusern und Menschenhändlern ausgenutzt wird und diese Organisationen das Leben der Migranten ernsthaft bedrohen und eine Herausforderung für die EU darstellen;
C. in der Erwägung, dass die von Italien eingeleitete neue Patrouillen-, Rettungs- und Überwachungsoperation namens „Mare Nostrum“ zur Verstärkung der humanitären Rettungsmaßnahmen im Mittelmeer während eines Zeitraums von 364 Tagen 150 810 Migranten gerettet hat[9]; in der Erwägung, dass die italienische Regierung mitgeteilt hat, sie beabsichtige, ihre Operation „Mare Nostrum“ auslaufen zu lassen;
D. in der Erwägung, dass die von Frontex koordinierte gemeinsame Operation "Triton" am 1. November voll einsatzfähig geworden ist und es unklar ist, welche Beiträge die Mitgliedstaaten in Zukunft leisten werden;
1. erkennt an, dass bei der Migration unbedingt ein Gesamtansatz verfolgt werden muss;
2. weist erneut darauf hin, dass die EU ihren gerechten Anteil in Bezug auf Verantwortlichkeiten und Solidarität gegenüber den Mitgliedstaaten, die anteilig oder in absoluten Zahlen die meisten Flüchtlinge und Asylsuchende aufnehmen, übernehmen muss (in Übereinstimmung mit Artikel 80 AEUV); verweist auf die sich aus Artikel 78 und 79 AEUV ergebenden Verpflichtungen;
3. bedauert den tragischen Verlust von Menschenleben im Mittelmeer; fordert die EU und die Mitgliedstaaten auf, alles in ihren Kräften stehende zu tun, um weitere Todesfälle auf See zu verhindern; ist sich der Tatsache bewusst, dass Such- und Rettungsverpflichtungen tatsächlich eingehalten werden müssen, und dass sie daher mittel- und langfristig angemessen finanziert werden müssen;
4. hält es für notwendig, Überlegungen über eine Stärkung der Grenzpolitik und der Sicherheit der Grenzen anzustellen sowie darüber, wie die künftige Rolle der Agentur Frontex und des EASO verbessert werden kann; fordert die Mitgliedstaaten auf, weiterhin solidarisch zu sein und sich zu engagieren, indem sie einen ausreichenden Beitrag zu den Budgets und den Einsätzen dieser Agenturen leisten;
5. weist darauf hin, dass die Mitgliedstaaten strenge Sanktionen für Menschenhandel und Schmuggel in die und innerhalb der EU verhängen sollten, und ebenso gegen Personen oder Gruppen, die schutzbedürftige Migranten in der EU ausbeuten, und in weitreichenden Informationskampagnen auf die Gefahren für all jene aufmerksam machen sollten, die ihr Leben Menschenhändlern und Schmugglern anvertrauen und für jene, die Opfer von Menschenhändlern geworden sind;
6. ist der Auffassung, dass weitere Möglichkeiten der legalen Einwanderung geprüft werden sollten;
7. hält es für notwendig, künftige Initiativen zu prüfen, die guten Beispielen für eine Wiederansiedlung folgen, darunter das in Artikel 17 der Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung des Asyl- und Migrationsfonds niedergelegte Programm für die freiwillige Wiederansiedlung; weist darauf hin, dass die EU denjenigen Mitgliedstaaten finanzielle Unterstützung anbietet, die bereit sind, Wiederansiedlungsprogramme durchzuführen;
8. hält es für unbedingt notwendig, die Gesamtstrategie zur Zusammenarbeit mit Drittstaaten zu überprüfen, unter anderem mit den afrikanischen Ländern südlich der Sahara, mit Nordafrika und dem Nahen Osten, was die humanitäre, finanzielle und politische Unterstützung betrifft, gegebenenfalls auch im Bereich der Strafverfolgung; ersucht außerdem um Klarstellung in Bezug auf die Maßnahmen betreffend den regionalen Schutz, die Neuansiedlung und die Rückkehr, einschließlich Abkommen für die Regelung der Zuwanderung mit Herkunfts- und Transitländern, damit die Ursachen der Migration an der Wurzel bekämpft werden können; betont, dass die Drittländer im Hinblick auf die Lebensrettung auf See das Völkerrecht beachten und den Schutz der Flüchtlinge sowie die Achtung der Grundrechte sicherstellen müssen;
9. fordert, dass die Möglichkeit der schnellen Bearbeitung in Zusammenarbeit mit Transit- und Herkunftsdrittländern für die Personen in Erwägung gezogen wird, die die Voraussetzungen für Asyl und Schutz in der EU nicht erfüllen, wobei dafür Sorge zu tragen ist, dass die Ressourcen am besten für diejenigen verwendet werden, die des Schutzes bedürfen; weist nachdrücklich darauf hin, dass politische Maßnahmen zur freiwilligen Rückkehr zu unterstützen sind, wobei der Schutz der Rechte aller Migranten sicherzustellen und ein sicherer und legaler Zugang zum Asylsystem der EU zu gewährleisten ist;
10. ist der Auffassung, dass eine detaillierte Analyse darüber durchgeführt werden sollte, wie die Mittel, auch die Dringlichkeitsfonds, im Bereich Inneres und die Mittel für die Außen- und Entwicklungspolitik der EU in diesem Zusammenhang verwendet werden sollen, insbesondere für Tätigkeiten im Bereich Migration und Asyl, Grenzkontrolle, Bekämpfung von Schleuserkriminalität und Menschenhandel sowie Rückführung;
11. ist besorgt darüber, wie eine wirksame Umsetzung des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) gewährleistet werden kann – auch, gegebenenfalls und wenn erforderlich, im Wege der Einführung eines Mechanismus für Frühwarnung, Vorsorge und Krisenbewältigung (Artikel 33 der Verordnung 604/2013) oder durch die Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren in Fällen, in denen die EU-Rechtsvorschriften nicht angemessen umgesetzt werden – und wie für wirksame gemeinsame Normen für die Aufnahmebedingungen, Verfahren und Qualifizierung in der ganzen EU gesorgt werden soll, durch die die schutzbedürftigsten Menschen geschützt werden und die soziale Inklusion von Flüchtlingen gefördert wird;
12. beauftragt seinen zuständigen Ausschuss, die diversen, zur Debatte stehenden Maßnahmen zu bewerten, wie mit zusätzlichen Ressourcen zum Beispiel Anhörungen durchgeführt, Ad hoc-Delegationen gebildet und Empfehlungen ausgearbeitet werden können, und dem Plenum in Form eines strategischen Initiativberichts vor Ende 2015 Bericht zu erstatten;
13. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission und den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten zu übermitteln.
- [1] Angenommene Texte, P7_TA(2013)0414.
- [2] Angenommene Texte, P7_TA(2013)0448.
- [3] COM(2014) 0288.
- [4] COM(2013) 0869.
- [5] SWD(2014)0173, Teile 1 und 2.
- [6] EUCO 79/14.
- [7] REX/414.
- [8] Fatal Journeys: Tracking Lives Lost during Migration, IOM, 2014.
- [9] http://www.marina.difesa.it/EN/operations/Pagine/MareNostrum.aspx