Entschließungsantrag - B8-0245/2015Entschließungsantrag
B8-0245/2015

ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zur Lage in Venezuela

9.3.2015 - (2015/2582(RSP))

eingereicht im Anschluss an eine Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik
gemäß Artikel 123 Absatz 2 der Geschäftsordnung

Fabio Massimo Castaldo, Ignazio Corrao, Piernicola Pedicini, Dario Tamburrano, Rolandas Paksas, Valentinas Mazuronis im Namen der EFDD-Fraktion

Verfahren : 2015/2582(RSP)
Werdegang im Plenum
Entwicklungsstadium in Bezug auf das Dokument :  
B8-0245/2015
Eingereichte Texte :
B8-0245/2015
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Angenommene Texte :

B8‑0245/2015

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage in Venezuela

(2015/2582(RSP))

Das Europäische Parlament,

–       unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Venezuela,

–       unter Hinweis auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948,

–       unter Hinweis auf den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, zu dessen Vertragsparteien Venezuela zählt,

–       unter Hinweis auf die Erklärungen der Sprecherin der ehemaligen Vizepräsidentin der Kommission / Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vom 28. März 2014 und vom 15. April 2014 zum Beginn eines Dialogs in Venezuela,

–       unter Hinweis auf die Abschlussbemerkungen des VN-Ausschusses gegen Folter vom 24. November 2014 zu Venezuela,

–       unter Hinweis auf die Erklärung der Sprecherin der Vizepräsidentin der Kommission / Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Federica Mogherini, vom 24. Februar 2015 zur Festnahme des Bürgermeisters von Caracas, Antonio Ledezma, und zur Lage in Venezuela,

–       unter Hinweis auf die Mitteilung des Generalsekretärs der Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR), des ehemaligen kolumbianischen Präsidenten Ernesto Samper, zur Lage in Venezuela,

–       unter Hinweis auf die Erklärung des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte, Zeid Ra’ad Al Hussein, vom 20. Oktober 2014,

–       gestützt auf Artikel 123 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,

A.     in der Erwägung, dass in Venezuela viel Gewalt herrscht, auch politische Gewalt;

B.     in der Erwägung, dass Kluivert Roa, ein vierzehnjähriger Teenager, der nach Angaben seines Vaters nur zufällig vor Ort und weder für noch gegen die Regierung war, am 24. Februar 2015 während Demonstrationen in der Stadt San Cristóbal im Westen Venezuelas eine tödliche Schussverletzung am Kopf erlitt;  

C.     in der Erwägung, dass vor kurzem der Bürgermeister von Caracas und der Oppositionsführer Antonio Ledezma verhaftet und inhaftiert wurden, was zusammen mit Berichten mutmaßlicher Einschüchterung und Misshandlung anderer inhaftierter Oppositionsführer und Studenten, die an den Protesten des letzten Jahres teilgenommen hatten, alarmierende Zeichen sind; in der Erwägung, dass die allgemeine Lage die bereits sehr angespannte Lage im Land weiter verschärfen kann;

D.     in der Erwägung, dass die politische Polarisierung, die Wirtschaftskrise und die Produktknappheit in Venezuela Anlass zu größter Besorgnis geben, wodurch die Stabilität des Landes als Voraussetzung für eine friedliche Zukunft ernsthaft in Frage gestellt wird;

E.     in der Erwägung, dass Präsident Nicolas Maduro erklärt hat, dass es seit seiner Wahl im Jahr 2013 fünf Mordversuche gegen ihn und mehr als ein Dutzend Sabotage- und Verschwörungsakte gegeben habe;

F.     in der Erwägung, dass Venezuela der weltweit fünftgrößte Ölausfuhrstaat ist und die größten nachgewiesenen Erdölreserven der Welt hat;

G.     in der Erwägung, dass das Wirtschaftsmodell Venezuelas, zu dem die Neuverteilung und Investitionen in soziale Programme gehören, immer noch weit gehend von Erdöleinnahmen abhängt;

H.     in der Erwägung, dass die derzeitige Welle an subversiver Gewalt zu einer Zeit kommt, in der die Staatsorgane Venezuelas ihre Maßnahmen gegen verschiedene Formen der Spekulation und des Wirtschaftskriegs gegen das Land intensivieren;

I.      in der Erwägung, dass legitime Forderungen nach einem Wandel über eine friedliche Debatte unter Einbeziehung aller betroffenen politischen, zivilgesellschaftlichen und sonstigen Akteure erfüllt werden müssen;

J.      in der Erwägung, dass die Meinungsfreiheit und das Recht, an friedlichen Demonstrationen teilzunehmen, die tragenden Säulen der Demokratie darstellen; in der Erwägung, dass Gleichheit und Gerechtigkeit für alle ohne die Achtung der Grundfreiheiten und Grundrechte aller Bürger nicht möglich sind;

K.     in der Überzeugung, dass allein die Achtung der Grundrechte und Grundfreiheiten sowie ein in einem Klima der Toleranz geführter konstruktiver und respektvoller Dialog dem Land dabei behilflich sein können, diese schwere Krise zu überwinden und künftige Schwierigkeiten zu meistern;

L.     in der Erwägung, dass jede Festnahme und insbesondere die Festnahme eines gewählten Amtsträgers durch eine klare gerichtliche Anordnung gestützt, auf überprüfbaren Anschuldigungen beruhen und ihr ein faires Gerichtsverfahren folgen muss; in der Erwägung, dass die Unschuldsvermutung für ein ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren unabdingbar ist;

M.    in der Erwägung, dass in einem demokratischen Staat die führenden Politiker der Opposition nicht kriminalisiert werden dürfen und die Teilhabe aller Sektoren am politischen Leben des Landes und der Schutz der Menschenrechte der Personen, die sich der Opposition zugehörig fühlen, gewährleistet werden müssen;

N.     in der Erwägung, dass die Behauptung, ein Staatsstreich (die so gennannte „Operación Jericó“) sei vorbereitet worden, eine sehr schwerwiegende Anschuldigung ist und dass die zuständigen Stellen aller betroffenen Staaten verpflichtet sind, sie aufzuklären und zu vereiteln;

O.     in der Erwägung, dass UNASUR als wichtigste regionale Organisation, die die Entwicklung der Lage in Venezuela verfolgt, angekündigt hat, dass sie eine Mission der Außenminister Brasiliens, Kolumbiens und Ecuadors in das Land entsenden werde und dass ihr eine außerordentliche Tagung der Außenminister von UNASUR folgen werde;

1.      verurteilt die Gewaltakte, die während Demonstrationen verübt wurden, und insbesondere die dadurch verursachten Todesfälle; spricht der Familie von Kluivert Roa, dem vierzehnjährigen Teenager, der am 14. Februar 2015 getötet wurde, sein Beileid aus;

2.      stellt fest, dass nach dem Tod von Kluivert Roa ein Mitglied der Polizeikräfte von der Staatsanwaltschaft der vorsätzlichen Tötung angeklagt wurde und ein ordnungsgemäßes Verfahren gefordert hat; nimmt zur Kenntnis, dass Mitglieder der Regierung Venezuelas die Tötung verurteilt haben; betont die Tatsache, dass tödliche Waffen niemals von Sicherheitskräften benutzt werden sollten, um öffentliche Demonstrationen unter Kontrolle zu halten;

3.      fordert die staatlichen Stellen Venezuelas auf, dafür zu sorgen, dass Anschuldigungen rasch und unparteiisch unter uneingeschränkter Achtung des Grundsatzes der Unschuldsvermutung und eines fairen Verfahrens untersucht werden;

4.      erinnert daran, dass es von wesentlicher Bedeutung ist, dass die Meinungsfreiheit und die Grundrechte geachtet werden, insbesondere in einem Jahr, in dem Parlamentswahlen in Venezuela stattfinden sollen;

5.      fordert ein Ende der Gewalt und tritt für einen Dialog über das gesamte politische Spektrum ein, um die öffentliche Sicherheit und den öffentlichen Schutz zusammen mit einer Rückkehr zu Frieden und Normalität zu gewährleisten;

6.      fordert eine rasche und unparteiische Untersuchung aller ungelösten Fälle und insbesondere hinsichtlich der Anschuldigungen, die gegen den Bürgermeister von Caracas erhoben werden; ersucht um seine unverzügliche Freilassung, wenn die Staatsanwaltschaft nicht eine förmliche Anklage im Rechtssinne erhebt und auch wenn sich die Vorwürfe als unbegründet erweisen oder wenn die Anschuldigungen nicht in einem unparteiischen Verfahren und unter uneingeschränkter Achtung der Rechtsstaatlichkeit bestätigt werden;

7.      fordert die Regierung Venezuelas auf, mit den politischen Parteien und den Akteuren der Zivilgesellschaft zusammenzuarbeiten, um die schwierige Lage im Land zu meistern und den legitimen Anliegen des Volks von Venezuela zu entsprechen;

8.      begrüßt die Initiativen von UNASUR und den regionalen Partnern Venezuelas, eine Vermittlung im Land zu unterstützen und zu fördern;

9.      fordert die staatlichen Stellen Venezuelas auf, dafür zu sorgen, dass bewaffnete Gruppen ihre Waffen unverzüglich abgeben, und solche Gruppen aufzulösen, wodurch der Straffreiheit ein Ende gesetzt würde, und Informationen zu begangenen Straftaten zu verlangen; fordert die staatlichen Stellen Venezuelas auf, Häftlinge freizulassen, die willkürlich inhaftiert wurden, einschließlich Studenten, Oppositionsführer, Journalisten und friedlicher Demonstranten;

10.    fordert, dass alle Straftaten im Zusammenhang mit verübten Gewaltakten vollständig untersucht und die Täter vor Gericht gestellt sowie entsprechend bestraft werden; fordert die staatlichen Stellen Venezuelas auf, dafür zu sorgen, dass ordnungsgemäße Verfahrensweisen in allen Gerichtsverfahren im Einklang mit internationalen Standards befolgt werden;

11.    fordert die Vertreter aller Parteien und Mitglieder der Gesellschaft Venezuelas auf, in Wort und Tat den Frieden und die Ruhe zu bewahren;

12.    erinnert die Regierung Venezuelas daran, dass die Meinungsfreiheit, das Recht auf die Teilnahme an friedlichen Demonstrationen und grundlegende Menschenrechte in einer Demokratie sind, was auch in der Verfassung Venezuelas anerkannt ist;

13.    begrüßt alle Bemühungen, alle Parteien an einen Tisch zu bringen, da ein anhaltender und freimütiger Dialog ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Auseinandersetzung mit den legitimen Anliegen des Volks von Venezuela ist; fordert die nationale Regierung, Oppositionsführer, Studenten und die Zivilgesellschaft Venezuelas auf, einen Dialog, an dem alle beteiligt sind, aufzunehmen und zusammenzuarbeiten, um unverzüglich jede Form der Gewalt zu beenden und einen Konsens zu finden, um die derzeitige Lage zu meistern;

14.    erinnert die venezolanische Regierung daran, dass sie verpflichtet ist, für die Sicherheit aller Bürger des Landes zu sorgen, und zwar unabhängig von ihren politischen Ansichten und ihrer politischen Zugehörigkeit; erinnert daran, dass die Achtung des Grundsatzes der Gewaltenteilung von grundlegender Bedeutung in einer Demokratie ist;

15.    fordert die staatlichen Stellen Venezuelas auf, die bewaffneten Gruppen, die keiner Kontrolle unterliegen und auf der Seite der Regierung stehen, umgehend zu entwaffnen und aufzulösen und ihrer Straflosigkeit ein Ende zu setzen; fordert, die Todesfälle, die es gegeben hat, aufzuklären, damit die Täter für ihre Handlungen zur Rechenschaft gezogen werden können;

16.    fordert alle Beteiligten und insbesondere die venezolanischen Staatsorgane auf, einen friedlichen Dialog zu führen und alle Gesellschaftsgruppen Venezuelas einzubeziehen, um Punkte zu ermitteln, bei denen eine Annäherung möglich ist, und es allen politischen Akteuren zu ermöglichen, die drängendsten Probleme des Landes zu erörtern;

17.    hebt den wichtigen Beitrag Venezuelas zur Einleitung und Stärkung eines Prozesses der Zusammenarbeit und Integration zum Nutzen der Völker Lateinamerikas hervor;

18.    hält es für bedauerlich, dass die Medien und das Internet zensiert werden und dass einige Blogs und soziale Netzwerke nur beschränkt zugänglich sind; erinnert daran, dass die Achtung der politischen Vielfalt, die Meinungsfreiheit und die freie Meinungsäußerung, der Schutz von Journalisten und freie und unabhängige Medien grundlegende Bestandteile eines demokratischen politischen Prozesses sind;

19.    erinnert daran, wie wichtig es ist, die grundlegenden Menschenrechte und die Meinungsfreiheit unter allen Umständen zu achten, und ermuntert alle Akteure der venezolanischen Gesellschaft dazu, sich darum zu bemühen, dass konkrete Ergebnisse erzielt werden;

20.    erinnert daran, dass die Informationsfreiheit ein grundlegendes Menschenrecht ist, und fordert alle nationalen und internationalen Medien nachdrücklich auf, die Lage in objektiver Weise aus einer unparteiischen Position darzustellen und verantwortlich zu handeln, indem sie über die Ereignisse fair, zutreffend und ausgeglichen berichten;

21.    erinnert daran, dass nach Artikel 58 der Verfassung Venezuelas die Zensur der Medien ausdrücklich verboten ist; erwartet verantwortungsbewussten Journalismus seitens aller Medien, verurteilt von Medien geführte Untersuchungen von Gewalttaten und ersucht die Medien darum, solche Aktionen in Zukunft zu unterlassen;

22.    beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, der Vizepräsidentin der Kommission / Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, den Regierungen und den Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Regierung und der Nationalversammlung der Bolivarischen Republik Venezuela und der Parlamentarischen Versammlung Europa-Lateinamerika zu übermitteln.