ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zu der Ermordung des russischen Oppositionsführers Boris Nemzow und dem Zustand der Demokratie in Russland
9.3.2015 - (2015/2592(RSP))
gemäß Artikel 123 Absatz 2 der Geschäftsordnung
Knut Fleckenstein, Richard Howitt, Marju Lauristin, Liisa Jaakonsaari, Kati Piri, Csaba Molnár, Boris Zala, Vilija Blinkevičiūtė, Marlene Mizzi, Nicola Caputo, Sorin Moisă, Alessia Maria Mosca, Enrico Gasbarra, Miroslav Poche, Jo Leinen, Viorica Dăncilă, Victor Negrescu, Tonino Picula, Marc Tarabella, Goffredo Maria Bettini, Jeppe Kofod, Doru-Claudian Frunzulică, Arne Lietz, Neena Gill, Andi Cristea, Zigmantas Balčytis im Namen der S&D-Fraktion
Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B8-0239/2015
B8‑0250/2015
Entschließung des Europäischen Parlaments zu der Ermordung des russischen Oppositionsführers Boris Nemzow und dem Zustand der Demokratie in Russland
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zu Russland,
– unter Hinweis auf die Erklärung der Vizepräsidentin der Kommission/Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik (VP/HR), Federica Mogherini, vom 28. Februar 2015 zu der Ermordung von Boris Nemzow,
– unter Hinweis auf die Erklärung der HR/VP, Federica Mogherini, vom 4. März 2015 zur andauernden Inhaftierung von Nadija Sawtschenko,
– unter Hinweis auf die Erklärung des EAD vom 4. März 2015 zur Entführung des estnischen Polizeibeamten Eston Kohver durch die russischen Sicherheitsdienste auf dem Hoheitsgebiet Estlands,
– unter Hinweis auf die Konsultationen zwischen der EU und Russland vom 28. November 2013 über Menschenrechtsthemen,
– unter Hinweis auf seine Empfehlung vom 2. Februar 2012 an den Rat zu einer kohärenten Politik gegenüber Regimen, gegen die die EU restriktive Maßnahmen anwendet, wenn deren Machthaber ihre persönlichen und kommerziellen Interessen innerhalb der Grenzen der EU verfolgen[1],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 11. Dezember 2013 zum Jahresbericht über Menschenrechte und Demokratie in der Welt 2012 und die Politik der Europäischen Union in diesem Bereich[2],
– unter Hinweis auf das derzeit geltende Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit (PKA) zur Gründung einer Partnerschaft zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Russischen Föderation andererseits sowie auf die ausgesetzten Verhandlungen über ein neues Abkommen zwischen der EU und Russland,
– gestützt auf Artikel 123 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass Boris Nemzow, herausragender Reformist der post-sowjetischen Gesellschaft und Wirtschaft Russlands, ehemaliger stellvertretender Ministerpräsident der Russischen Föderation und einer der führenden Vertreter der liberalen Opposition in Russland, zwei Tage vor einer von ihm mitorganisierten öffentlichen Demonstration gegen die politische, soziale und wirtschaftliche Lage des Landes und den Konflikt in der Ukraine ermordet worden ist;
B. in der Erwägung, dass sich Boris Nemzow entschlossen für eine moderne, wohlhabende, demokratische und weltoffene Russische Föderation einsetzte;
C. in der Erwägung, dass sich die Russische Föderation als Mitglied mehrerer internationaler Organisationen wie beispielsweise des Europarats, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und der Vereinten Nationen dazu verpflichtet hat, den Schutz der Menschenrechte, der Grundfreiheiten und der rechtstaatlichen Prinzipien zu fördern, und dass die Europäische Union der Russischen Föderation bereits mehrmals zusätzliche Unterstützung sowie ihre Sachkompetenz angeboten hat, damit diese ihre Verfassungs- und Rechtsordnung modernisieren und deren Einhaltung im Einklang mit den Normen des Europarats verbessern kann;
D. in der Erwägung, dass die Entwicklungen in der Russischen Föderation hinsichtlich der Achtung und des Schutzes der Menschenrechte sowie der Achtung gemeinsam vereinbarter demokratischer Grundsätze und der Rechtsstaatlichkeit Anlass zu Besorgnis geben;
E. in der Erwägung, dass die EU gegenüber Russland mehr denn je eine entschlossene, kohärente und bereichsübergreifende Politik vertreten sollte, die von allen Mitgliedstaaten mitgetragen wird, wobei auch harte, aber faire Kritik förderlich und hilfreich ist;
F. in der Erwägung, dass am 4. März 2015 ein Moskauer Gericht eine weitere Beschwerde, die Nadija Sawtschenko aufgrund ihrer unrechtmäßigen Inhaftierung durch die Russische Föderation unter Bezugnahme auf ihre Immunität als Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) eingereicht hatte, abgelehnt hat; in der Erwägung, dass sich Nadija Sawtschenko am 4. März 2015 bereits seit 82 Tagen im Hungerstreik befand, und in der Erwägung, dass sie sich nach einem derart langen Zeitraum mit der Gefahr bleibender gesundheitlicher Schäden und sogar des Todes konfrontiert sieht; in der Erwägung, dass seit der Verschleppung des estnischen Polizeibeamten Eston Kohver vom Hoheitsgebiet Estlands nach Russland durch die russischen Sicherheitskräfte, was eine Verletzung des Völkerrechts darstellt, bereits sechs Monate vergangen sind; in der Erwägung, dass er weiterhin illegal im Lefortowo-Gefängnis in Moskau inhaftiert ist; in der Erwägung, dass er nicht in den Genuss eines angemessenen Rechtsbeistands kommt, ihm das Recht auf ein faires Verfahren verwehrt wird und er sich einer ungerechtfertigten psychiatrischen Untersuchung unterziehen musste, zu der keine weiteren Angaben bekannt sind;
G. in der Erwägung, dass mehrere Strafprozesse und Gerichtsverfahren in den vergangenen Jahren, beispielsweise in den Fällen Nawalny, Magnitski, Chodorkowski und Politkowskaja, Zweifel an der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justizorgane der Russischen Föderation haben aufkommen lassen; in der Erwägung, dass es sich bei diesen aufsehenerregenden Fällen lediglich um jene handelt, die außerhalb Russlands am bekanntesten sind, alle Fälle zusammengenommen jedoch ein systematisches Versagen des russischen Staates bei der Achtung der Rechtsstaatlichkeit und der Schaffung eines Raums des Rechts für die Bürger Russlands darstellen;
H. in der Erwägung, dass die Europäische Union wichtige Beziehungen zur Russischen Föderation unterhält und bereit ist, in einen ehrlichen und offenen Dialog mit ihr zu treten;
1. ist zutiefst bestürzt und besorgt angesichts des Mordes an Boris Nemzow, der in einem streng gesicherten Gebiet in unmittelbarer Nähe des Kreml und des Roten Platzes von Auftragsmördern umgebracht worden ist;
2. würdigt Boris Nemzow für seine politische Tätigkeit als Reformist und Förderer der Modernisierung der russischen Gesellschaft; spricht der Familie und den Freunden von Boris Nemzow sowie den Mitgliedern der Opposition und der russischen Bevölkerung sein aufrichtiges Mitgefühl aus;
3. erwartet von den russischen Staatsorganen, dass sie die Mordermittlungen ohne Einschränkungen, rasch und transparent durchführt, um die Täter zeitnah vor Gericht zu stellen; nimmt die unlängst erfolgten Festnahmen von Verdächtigen in diesem Fall zur Kenntnis;
4. ist zutiefst besorgt über die Attentate auf Vertreter der politischen Opposition, unabhängige Menschenrechtsorganisationen und Gruppen der Zivilgesellschaft in Russland; weist darauf hin, dass aktuelle Entwicklungen wie die zivilgesellschaftlichen Organisationen auferlegten Einschränkungen, die Unterdrückung der politischen Opposition und die zielgerichteten aggressiven Desinformationskampagnen durch die staatlich kontrollierten Medien anscheinend dazu dienen, bewusst einen Nährboden für ein extrem nationalistisch geprägtes politisches Klima, das durch antidemokratische Rhetorik, Unterdrückung und Hassreden gekennzeichnet ist, zu schaffen;
5. ist zutiefst besorgt über die Festnahme von Olexij Hontscharenko, einem Mitglied der Werchowna Rada der Ukraine und der PACE, am 1. März 2015;
6. fordert die russischen Staatsorgane auf, Nadija Sawtschenko, die der Werchowna Rada der Ukraine und der PACE angehört und die auf dem Hoheitsgebiet der Ukraine entführt wurde und unrechtmäßig in einem russischen Gefängnis inhaftiert ist, unverzüglich freizulassen; betont, dass Russland für ihren ausgesprochen schlechten Gesundheitszustand verantwortlich ist;
7. fordert die unverzügliche Freilassung des estnischen Polizeibeamten Eston Kohver und seine sichere Rückkehr nach Estland;
8. fordert die Kommission und den EAD mit Blick auf die laufende Programmplanungsphase der EU-Finanzinstrumente auf, die finanzielle Unterstützung seitens der EU für die russische Zivilgesellschaft über das Europäische Instrument für Demokratie und Menschenrechte und die Mittel für Organisationen der Zivilgesellschaft und lokale Gebietskörperschaften aufzustocken und das Forum der EU und Russlands zur Zivilgesellschaft in das Partnerschaftsinstrument einzubinden, damit eine nachhaltige und glaubwürdige langfristige Unterstützung gewährt werden kann;
9. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung der Vizepräsidentin der Kommission / Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem Europarat, der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa sowie dem Präsidenten, der Regierung und dem Parlament der Russischen Föderation zu übermitteln.