ENTSCHLIESSUNGSANTRAG zum Gedenken an den 100. Jahrestag des Völkermords an den Armeniern
13.4.2015 - (2015/2590(RSP))
gemäß Artikel 123 Absatz 2 der Geschäftsordnung
Takis Hadjigeorgiou, Neoklis Sylikiotis, Barbara Spinelli, Curzio Maltese, Patrick Le Hyaric, Younous Omarjee, Fabio De Masi, Josu Juaristi Abaunz, Miloslav Ransdorf, Kostas Chrysogonos, Kostadinka Kuneva, Lidia Senra Rodríguez, Martina Michels im Namen der GUE/NGL-Fraktion
Siehe auch den gemeinsamen Entschließungsantrag RC-B8-0342/2015
B8‑0346/2015
Entschließung des Europäischen Parlaments zum Gedenken an den 100. Jahrestag des Völkermords an den Armeniern
Das Europäische Parlament,
– unter Hinweis auf die Charta der Vereinten Nationen,
– unter Hinweis auf die am 10. Dezember 1948 von den Vereinten Nationen angenommene Allgemeine Erklärung der Menschenrechte,
– unter Hinweis auf den am 16. Dezember 1966 verabschiedeten Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 18. Juni 1987 zu einer politischen Lösung der armenischen Frage[1], in der der Völkermord an den Armeniern anerkannt wird,
– unter Hinweis auf die Entschließung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 24. April 1998, in der des „ersten Völkermords des 20. Jahrhunderts“ und des gegen das armenische Volk verübten „Verbrechens gegen die Menschlichkeit“ gedacht wird,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 12. März 2015 zu dem Jahresbericht 2013 über Menschenrechte und Demokratie in der Welt und die Politik der Europäischen Union in diesem Bereich[2], insbesondere auf Artikel 77,
– unter Hinweis auf die am 9. Dezember 1948 von den Vereinten Nationen verabschiedete Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes,
– unter Hinweis auf die am 26. November 1968 von den Vereinten Nationen verabschiedete Konvention über die Nichtanwendbarkeit von Verjährungsvorschriften auf Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit,
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 15. November 2000 zu den Fortschritten der Türkei auf dem Weg zum Beitritt[3],
– unter Hinweis auf seine Entschließung vom 28. September 2005 zur Aufnahme von Verhandlungen mit der Türkei[4],
– unter Hinweis auf die Entschließungen und Erklärungen der gesetzgebenden Körperschaften und Regierungen einiger Mitgliedstaaten der EU sowie einer Reihe von Drittstatten,
– gestützt auf Artikel 123 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass sich der infolge eines Beschlusses über die Vernichtung des armenischen Volkes im Osmanischen Reich begangene Völkermord an den Armeniern, bei dem anderthalb Millionen Menschen ihr Leben ließen, im Jahr 2015 zum hundertsten Mal jährt;
B. in der Erwägung, dass dieser Völkermord, der von Enteignungen, Massakern, ethnischer Säuberung und der Zerstörung des armenischen Erbes geprägt war, tiefgehende und langfristige Auswirkungen auf die Flüchtlinge hat, insbesondere auf dem europäischen Kontinent;
C. in der Erwägung, dass das Europäische Parlament in seiner Entschließung vom 18. Juni 1987 die Auffassung vertrat, dass es sich bei den tragischen Ereignissen, die sich in den Jahren 1915–1917 zugetragen und sich gegen die Armenier des Osmanischen Reiches gerichtet haben, um Völkermord im Sinne der Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes, die am 9. Dezember 1948 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen angenommen wurde, handelt;
D. in der Erwägung, dass sich die türkische Regierung bisher geweigert hat, den im Jahr 1915 begangenen Völkermord anzuerkennen, und sich somit auch nicht darum bemüht hat, einen Teil der Vergangenheit der Türkei zu bewältigen und aus ihrer eigenen Geschichte zu lernen;
E. in der Erwägung, dass sich in den vergangenen Jahren in der Türkei unter anderem Aktivisten, Journalisten und Schriftsteller für die Anerkennung des Völkermords an den Armeniern ausgesprochen haben; in der Erwägung, dass dies gemäß der Verfassung der Türkei immer noch eine strafbare Handlung ist; in der Erwägung, dass einige Personen, wie beispielsweise der Journalist Hrant Dink, für die Anprangerung des Völkermords mit ihrem Leben bezahlt haben;
F. in der Erwägung, dass die Vereinten Nationen den Völkermord an den Armeniern im Jahr 1985 anerkannt haben und eine Reihe von Staaten und Parlamenten, zu denen auch die Mitgliedstaaten der EU gehören, sich ihr angeschlossen hat;
G. in der Erwägung, dass die Anerkennung des Völkermords an den Armeniern durch die Regierung der Türkei zur Entspannung der Lage in der Region und zur Verbesserung der bilateralen Beziehungen zwischen der Türkei und Armenien beitragen würde;
1. nimmt an dem Gedenken an den 100. Jahrestag des Völkermords an den Armeniern teil und gedenkt der anderthalb Millionen unschuldiger Zivilpersonen, die ums Leben gekommen sind;
2. fordert die Parlamente und Regierungen der Mitgliedstaaten der EU sowie die Zivilgesellschaft auf, sich dem Gedenken an den 100. Jahrestag anzuschließen; weist darauf hin, dass die Teilnahme an dem Gedenken dazu beitragen würde, dem stillschweigenden Einverständnis seitens der Türkei in Bezug auf den Völkermord, die Behandlung der kurdischen Bevölkerung im Land, die andauernde Besetzung Zyperns und die Förderung der Krise in Syrien sowie die Verstrickung in diese Krise ein Ende zu setzen;
3. fordert die Türkei auf, den 100. Jahrestag als Anlass zu nehmen, den im Osmanischen Reich begangenen Völkermord an den Armeniern anzuerkennen und diesen Teil ihrer Vergangenheit zu bewältigen, da nur die Wahrheit es dem Land ermöglichen wird, zu einer wirklichen Demokratie überzugehen, diese Last hinter sich zu lassen und gutnachbarschaftliche Beziehungen mit Armenien aufzubauen;
4. fordert die türkischen Behörden auf, Zugang zu sämtlichen Archiven zu ermöglichen, um Historikern, Akademikern und Wissenschaftlern die Möglichkeit zu geben, Licht in diese tragischen Ereignisse zu bringen und auf sämtlichen Ebenen eine ehrliche und transparente Debatte im Hinblick auf die Überwindung der Politik des Schweigens und die Anerkennung des Völkermords einzuleiten;
5. hält die Regierungen und die Parlamente dazu an, den Opfern Respekt zu erweisen und den Völkermord an den Armeniern als einen dunklen Abschnitt in der Geschichte der Weltzivilisation anzuerkennen;
6. vertritt die Auffassung, dass Geschichte, einschließlich des Völkermords an den Armeniern, wahrheitsgetreu übermittelt werden sollte, um zu vermeiden, dass sie sich wiederholt;
7. schlägt vor, einen Tag zum Gedenken an den Völkermord an den Armeniern einzuführen;
8. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der EU-Mitgliedstaaten sowie dem Präsidenten und dem Parlament der Republik Armenien und dem Präsidenten, der Regierung und dem Parlament der Türkei zu übermitteln.
- [1] ABl. C 190 vom 20.7.1987, S. 119.
- [2] Angenommene Texte, P8_TA(2015)0076.
- [3] ABl. C 223 vom 8.8.2001, S. 182.
- [4] ABl. C 227 E vom 21.9.2006, S. 163.